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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 342<br />
Vor dem staunenden Weltall enthüllt sich der mit dem Verstande nicht zu erfassende Zweck<br />
des sinnlosen Aufsatzes: der Autor, stellt sich heraus, feiert einen Triumph; und er hat diesen<br />
Triumph, wie sich ebenfalls herausstellt über Kant davongetragen, dessen Gedanken in entstellten<br />
Form das gesamte Material für seine erstaunenswerten Weisheiten geliefert haben.<br />
Helmholtz verkündet:<br />
„Ich ziehe die Schlußfolgerung.<br />
1. An sich genommen, ohne jede Verbindung mit den Grundlagen der Mechanik, drücken die<br />
geometrischen Axiome keine Beziehungen realer Dinge aus.“<br />
Mein Herzensbäuerlein, da hast du dich vergaloppiert! Du verstehst nichts, du verstehst ganz<br />
und gar nichts, weder von der Mechanik noch von der Geometrie. – Ist das Dreieck an sich<br />
denn wirklich kein Dreieck Und hat es denn wirklich keine drei Ecken Die Axiome aber<br />
sind die Elemente, deren bestimmte Kombinationen das Dreieck ergeben. Wie können sie da<br />
an sich nicht „Beziehungen realer Dinge“ ausdrücken Ein Dreieck wird doch nicht erst dann<br />
zum Dreieck, wenn es sich von einem Ort an den anderen bewegt – Mein Herzensbäuerlein,<br />
die „Mechanik“ handelt vom „Gleichgewicht“ und von der Bewegung“ Die „Geometrie“ aber<br />
von den Körpern und den Elementen geometrischer Körper, unabhängig davon, ob sie still<br />
liegen oder ob sie sich bewegen – so ist es im elementarsten Teil der Geometrie; in der<br />
„Funktionentheorie“ ist der Standpunkt ein anderer. Aber du kannst den „Euklid“ und die<br />
„Funktionentheorie“ nicht auseinanderhalten, Herzchen. – Gewiß auch bei „Euklid“ heißt es:<br />
„wir ziehen eine Linie“, „wir drehen eine Linie um einen ihrer Endpunkte“ usw. Aber das<br />
sind, Herzchen, nur Lehrmethoden, das ist nicht der Gegenstand der Axiome; es sind nur<br />
„Lehrmethoden“, Herzchen, damit du es leichter hast; aber in deiner Unwissenheit bist du<br />
hier drüber gestolpert und hast den „Euklid“ mit der Mechanik verwechselt – Fahr fort, Herzensbäuerlein.<br />
[689] „Wenn wir“, fährt der naive Dörfler fort, „wenn wir sie so isolieren“ (die Axiome der<br />
Geometrie von der Mechanik)‚ „und sie dann zusammen mit Kant betrachten...“<br />
Oh, paß auf, Bäuerlein! Er macht dir den Garaus, Einfaltspinsel, dieser Kant! – („...und die<br />
Axiome dann mit Kant betrachten“) – „als transzendental gegebene Form der Intuition, so<br />
erscheinen sie...“<br />
Herzchen, es ist nicht nur für einen Mathematiker, sondern überhaupt für einen Naturwissenschaftler<br />
unverzeihlich, irgend etwas „zusammen mit Kant zu betrachten“. Kant negiert die<br />
gesamte Naturwissenschaft, er negiert auch die Realität der reinen Mathematik. Herzchen,<br />
Kant pfeift auf alles, womit du dich beschäftigst, und auch auf dich selber. Er ist kein Gefährte<br />
für dich, dieser Kant. Und er hat dir schon den Garaus gemacht, bevor du an ihn dachtest.<br />
Er war es, der dir das in deinen Holzkopf gehämmert hat, womit du deinen Triumphgesang<br />
begannst – er hat dir in den Kopf gehämmert, daß die Axiome der Geometrie keine eigne<br />
wissenschaftliche Wahrheit enthielten. Und es ist nichts für dich, Einfaltspinsel, über „transzendental<br />
gegebene Formen der Intuition“ zu quasseln, das sind Ideen, an die du von deinem<br />
Dorfstandpunkt aus nicht rankommst. Diese „Formen“ hat Kant sich ausgedacht, um die Willensfreiheit,<br />
die Unsterblichkeit der Seele, die Existenz Gottes und die göttliche Fürsorge für<br />
das Wohl der Menschen auf Erden und für ihre ewige Seligkeit im künftigen Leben in Schutz<br />
nehmen zu können, um diese seinem Herzen teuren Überzeugungen zu retten – vor wem eigentlich<br />
– vor Diderot und seinen Freunden; darauf war Kants Denken gerichtet. Und zu<br />
diesem Zweck zerbrach er alles, worauf Diderot und seine Freunde sich stützten. Diderot<br />
stützte sich auf die Naturwissenschaft, auf die Mathematik – ohne mit der Wimper zu zucken,<br />
schlug Kant die gesamte Naturwissenschaft in Trümmer, stürzte alle Formeln der Mathematik<br />
zu Boden; die Hand versagte ihm dabei nicht den Dienst, obwohl er selbst ein besserer Natur-<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013