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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 327<br />
Wir wissen schon, was der Autor eigentlich will: daß alles auf der Welt menschenähnlich ist.<br />
Gut denn, wenn der Mensch von diesem Wunsch verzehrt wird, kann er sagen: ich möchte<br />
unter dem Wort „Energie“ die menschliche Vernunft verstanden wissen. Dann wird alles auf<br />
der Welt für ihn verständlich. Nur hat das alles einen Nachteil: er wird sich selbst lächerlich.<br />
Und das ist eben des Autors Pech. Er hat sich zu Anfang seines Buches in den Kopf gesetzt,<br />
die unbelebten Gegenstände zu lebenden Wesen zu machen, aber das will nicht zum Inhalt<br />
des Buches passen, und er jammert deshalb beim Schreiben des Buches, die Wissenschaft sei<br />
machtlos zu erklären, was Energie ist. Dann hat er das Buch geschrieben und ist wieder ...<br />
frei von dem Zwang, auf die Naturwissenschaft Rücksicht zu nehmen und sich dem gesunden<br />
Menschenverstand zu fügen, er macht sich von der Naturwissenschaft los und drängt wieder<br />
ins Freie, schüttelt die beengenden Regeln ab, die der gesunde Verstand dem Spiel der Gedanken<br />
auferlegt, und stürzt sich auf das Gebiet der Rechtsgelehrtheit, um alles in der Natur<br />
nach seinem Geschmack umzukrempeln. Und er krempelt es um und ist glücklich.<br />
„Aber was soll man nun von ihm denken: ist er ein Dummkopf oder ein Eigenbrötler“ Oh,<br />
durchaus nicht; er [661] ist gewiß kein besonders begabter Mann, aber er ist nicht dumm, und<br />
solange er bei der Sache bleibt, redet er nicht hin und her, sondern hält sich daran, was der<br />
einzige Zweig der Wissenschaft lehrt, den er ernsthaft studiert hat, die sogenannte Naturwissenschaft.<br />
Aber sein Ehrgeiz hat nicht Raum genug in diesem Wissenschaftszweig. Er möchte<br />
sich gern ein bißchen als Mensch zeigen, der fähig ist, sich aufzuschwingen ... weit über die<br />
Grenzen hinaus, die die Naturwissenschaft von den anderen Wissenszweigen trennen, und<br />
dringt so bis in das oberste Stockwerk des Gebäudes vor, wo die Philosophen hausen. Von<br />
dort, aus der Höhe, läßt sich das menschliche Wissen in seiner Gesamtheit überschauen, und<br />
die Stimme, die von dort, aus der Höhe, klingt, ist rings in der Runde zu hören, ganz anders<br />
als eine Stimme, die aus der Tiefe kommt, aus den Physiksälen und den chemischen Laboratorien.<br />
Ein bißchen zu philosophieren – oh, wie verlockend ist das doch! Und so macht er<br />
sich denn ans Philosophieren.<br />
Aber wenn jemand gern philosophieren möchte, so muß er erst einmal einige Kenntnisse auf<br />
dem Gebiet der Philosophie erwerben. Aber damit hat sich unser Autor nicht abgegeben. Und<br />
so ist ihm passiert, was gewöhnlich geschieht, wenn ein Mensch große Töne über Dinge zu<br />
schwingen anfängt, von denen er keinen blauen Dunst hat; es ist Kauderwelsch herausgekommen.<br />
Das Buch, dessen Übersetzung den Übersetzer gezwungen hat, diese Anmerkungen zu machen,<br />
ist selbstverständlich kein phänomenal gelehrtes Werk. Und der Autor des Buches ist in<br />
der Welt der Wissenschaft keine besonders große Autorität. Um die Wahrheit zu sagen, ist<br />
der arme Teufel nicht einmal schuld daran, daß seine Philosophie so töricht ausgefallen ist: er<br />
ist nur ein Schüler, der, so gut er es versteht, jene philosophischen Weisheiten wiederholt, die<br />
er bei anderen, von ihm als Autoritäten angesehenen Naturforschern aufgeschnappt hat.<br />
Aber genug mit dieser kläglichen Philosophie, mit dieser Begriffsverwirrung, die Anthropomorphismus<br />
genannt wird.<br />
Wir müssen nur noch einige Worte anläßlich eines Zitates sagen, das der Autor aus Balfour<br />
Stewart anführt.<br />
[662] Die Lehre von der Erhaltung der Energie hat zur Aufstellung einer Formel gedient, der<br />
zufolge mit der Zeit alle Bewegung im Weltall verschwindet, weil sie sich in Wärme Verwandelt,<br />
so daß das Weltall zu einer für immer toten Masse wird.<br />
Wenn ein solcher Zustand irgendwann einmal eintreten könnte, wäre er vor endlos langer<br />
Zeit bereits eingetreten. Das ist ein Axiom, gegen das es keinen Einwand gibt.<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013