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15.01.2015 Aufrufe

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 322 später zurückkommen, jetzt aber werden wir zusehen, wie dieser Begriff nicht in der Rechtswissenschaft, sondern in der Naturwissenschaft erklärt wird. Wir sehen Berge und Ebnen; auf den Bergen und in den Ebnen sehen wir Steine, Lehm und Sand; wir sehen Wälder und Felder; in den Wäldern sehen wir Bäume, an den Bäumen Blätter; auf den Feldern sehen wir Gras und Blumen; in den Wäldern und auf den Feldern sehen wir Säugetiere und Vögel; alle diese und ihnen gleiche Gegenstände und Lebewesen sind die Gegenstände und Wesen, welche die Naturwissenschaft studiert. Sie ordnet alle diese Gegenstände und Wesen unter den allgemeinen Begriff materieller Wesen ein und spricht von ihnen in der ihr eignen technischen Sprache als von verschiedenartigen Kombinationen von Materie. Was ist unverständlich daran, wenn die Naturwissenschaft das sagt Absolut nichts. Die Naturwissenschaft sagt das alles sehr klug und einfach. Es gibt in der Naturwissenschaft viele so schwierige Fragen, daß es manchmal manchem reichlich schwerfällt, die Erklärungen zu verstehen, mit denen die Fachleute der Naturwissenschaft sie beantworten, und daß es noch schwieriger ist, sich auszukennen, ob diese Erklärungen richtig sind. Aber das sind Fragen völlig anderer Art. Beispielsweise ob Eisen oder Kupfer einfache oder zusammengesetzte Körper sind Ob die Perioden des Umlaufs des Planeten Jupiter um die Sonne irgendwelche Beziehung zu den Perioden des Größer- und Kleinerwerdens der Sonnenflecke haben Eine Erklärung für diese Fragen zu geben ist mehr oder weniger schwierig. Viele [652] derartige Fragen sind sogar beim heutigen Stand der Naturwissenschaft noch völlig unerklärbar. Wir fragen beispielsweise: wie viele Planeten kreisen um die von uns sehr weit entfernte Sonne, die wir Alcyone nennen Die Astronomie antwortet: „Beim heutigen Stand unserer Kenntnisse von der Alcyone läßt sich noch nichts über die Zahl der sie umkreisenden Planeten sagen, weil wir absolut nichts selbst darüber wissen, ob die Alcyone überhaupt irgendwelche Planeten besitzt oder nicht.“ So gibt es also in den Naturwissenschaften viele schwierige und viele beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse sogar überhaupt noch unerklärbare Fragen. Aber das sind Fragen, die nicht im geringsten solchen Fragen ähneln wie denen, ob der Diamant oder der Feuerstein oder irgendein anderer Stein, ob die Eiche oder der Ahorn oder irgendein anderer Baum materielle Gegenstände sind usw. usw. und in den Antworten der Naturwissenschaft auf die Frage, ob die Linde ein materieller Gegenstand ist, gibt es nichts, was unverständlich wäre; die Linde ist ein materieller Gegenstand, sagt die Naturwissenschaft. Ist das etwa eine unverständliche Antwort Weiter wird gefragt: worin besteht die Gleichartigkeit der materiellen Gegenstände Die Naturwissenschaft antwortet: ihre Gleichartigkeit besteht darin, daß sie materiell sind. Was ist an dieser Antwort der Naturwissenschaft unverständlich Sie enthält ebenfalls absolut nichts Unverständliches: sie ist sehr klar. Weiter wird gefragt: wie heißt denn das, worin die Gleichartigkeit der materiellen Gegenstände besteht, die wiederum darin besteht, daß sie materiell sind Die Naturwissenschaft antwortet: dieses in allen materiellen Gegenstanden Gleichartige heißt Materie. Was ist an dieser Antwort unverständlich Sie enthält ebenso absolut nichts Unverständliches: sie ist sehr klar. Auf die gleiche Weise kommt die Naturwissenschaft zu ihren Antworten auf die Frage nach den Eigenschaften, Kräften und Gesetzen, nach denen man sie im Zusammenhang mit dem Studium dieser Gegenstände fragt. Diese Gegenstände haben gleichartige Eigenschaften, [653] das Gleichartige, woraus die Gegenstände bestehen, ist die Materie; folglich sind ihre gleichartigen Eigenschaften die Eigenschaften dessen, was in ihnen gleichartig ist, nämlich Eigenschaften der Materie. OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 323 Die Eigenschaften der Materie üben bestimmte Wirkungen aus; aber die Eigenschaften der Materie sind ja die Materie selbst, folglich sind die Wirkungen der Eigenschaften der Materie – Wirkungen der Materie. Ist das denn nicht klar Gewisse Wirkungen der Materie sind gleichartig, andere ungleichartig. Beispielsweise wächst die Eiche und wächst die Linde, das sind zwei gleichartige Tatsachen. Und hier noch zwei Tatsachen: die Eiche fällt und die Linde fällt – wieder gleichartige Tatsachen. Aber die Linde wächst und die Linde fällt – das sind ungleichartige Tatsachen. Die Eiche wächst und die Eiche fällt – das sind ebenfalls ungleichartige Tatsachen. Die Naturwissenschaft faßt nun die gleichartigen Tatsachen in eine Gruppe zusammen und sagt, daß alle diese Tatsachen gleichartig sind und daß jede Tatsache eine Wirkung ist, nämlich das, was in den gleichartigen Tatsachen gleichartig wirkt. Dieses Gleichartige, in gleichartigen Tatsachen Wirksame, – welche Benennung sollen wir ihm geben „Wir werden es Kraft nennen“, haben die Naturwissenschaftler in vergangenen Zeiten untereinander ausgemacht. Und sie nannten es so. Ob das Wort glücklich oder unglücklich gewählt war – das ändert nichts an der Sache; mochten die Tatsachen mit einem glücklich oder unglücklich gewählten Wort bezeichnet werden, so war doch für alle, die die mit diesem Wort bezeichneten Tatsachen kennen und dabei wissen, daß es üblich ist, diese Tatsachen mit diesem Wort zu bezeichnen, der Sinn des Wortes in der Sprache der Naturforscher klar; Kraft ist jenes Gleichartige, das gleichartige Wirkungen hervorbringt. So wurde dieses Gleichartige nach der früheren Vereinbarung benannt. Jetzt haben sich die Naturforscher dahin geeinigt, an Stelle des Wortes „Kraft“ das Wort „Energie“ zu verwenden. Ist das neue Wort glücklich gewählt Ist es besser als das frühere Ob das neue Wort glücklich oder unglücklich gewählt, besser [654] oder nicht besser oder schlechter ist – das ist eine Frage nur der Worte, nicht aber der Sache, die Sache bleibt die gleiche, und der Sinn des neuen Wortes ist klar. Energie ist jenes Gleichartige, das gleichartige Wirkungen hervorbringt. Aber wenn die Linde wächst – was ist das, was da wachst Die Linde. Wenn die Eiche wächst, was wächst da Die Eiche. Also: wenn ein Gegenstand wirksam ist, was ist die Wirkung Der wirkende Gegenstand. Wenn wir von den Eigenschaften eines Gegenstandes sprechen, sprechen wir von dem Gegenstand; wenn wir von den Wirkungen eines Gegenstandes sprechen, sprechen wir von dem Gegenstand. Die wirkende Kraft ist der wirkende Gegenstand selbst; und die Energie des Gegenstandes ist der Gegenstand selbst. Energie ist das, was in gleichartigen Wirkungen gleichartig ist, solange die Wirkungen gleichartig sind; wie sollte das, was in diesen gleichartigen Wirkungen gleichartig ist, nicht gleichartig sein Mit welchem Wort soll man es bezeichnen, daß die Wirkung ein und derselben Kraft (oder nach der neuen Ausdrucksweise – ein und derselben Energie) gleichartig ist Die Naturwissenschaftler haben unter sich ausgemacht, hierfür den Fachausdruck „Gesetz“ zu verwenden. Was sind also die Gesetze der Natur Die Gleichartigkeit der Wirkung ein und derselben Kraft (oder ein und derselben Energie). Die Wirkung der Gegenstände ist die Wirkung der Gegenstände selber; die Gleichartigkeit der Wirkungen ist die Gleichartigkeit der Gegenstände selber, und die Gesetze der Natur sind die Naturgegenstände selber, vom Gesichtspunkt der Gleichartigkeit ihrer Wirkung betrachtet. OCR-Texterkennung Max Stirner Archiv Leipzig – 23.11.2013

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 322<br />

später zurückkommen, jetzt aber werden wir zusehen, wie dieser Begriff nicht in der Rechtswissenschaft,<br />

sondern in der Naturwissenschaft erklärt wird.<br />

Wir sehen Berge und Ebnen; auf den Bergen und in den Ebnen sehen wir Steine, Lehm und<br />

Sand; wir sehen Wälder und Felder; in den Wäldern sehen wir Bäume, an den Bäumen Blätter;<br />

auf den Feldern sehen wir Gras und Blumen; in den Wäldern und auf den Feldern sehen<br />

wir Säugetiere und Vögel; alle diese und ihnen gleiche Gegenstände und Lebewesen sind die<br />

Gegenstände und Wesen, welche die Naturwissenschaft studiert. Sie ordnet alle diese Gegenstände<br />

und Wesen unter den allgemeinen Begriff materieller Wesen ein und spricht von ihnen<br />

in der ihr eignen technischen Sprache als von verschiedenartigen Kombinationen von Materie.<br />

Was ist unverständlich daran, wenn die Naturwissenschaft das sagt Absolut nichts. Die Naturwissenschaft<br />

sagt das alles sehr klug und einfach. Es gibt in der Naturwissenschaft viele so<br />

schwierige Fragen, daß es manchmal manchem reichlich schwerfällt, die Erklärungen zu verstehen,<br />

mit denen die Fachleute der Naturwissenschaft sie beantworten, und daß es noch<br />

schwieriger ist, sich auszukennen, ob diese Erklärungen richtig sind. Aber das sind Fragen<br />

völlig anderer Art. Beispielsweise ob Eisen oder Kupfer einfache oder zusammengesetzte<br />

Körper sind Ob die Perioden des Umlaufs des Planeten Jupiter um die Sonne irgendwelche<br />

Beziehung zu den Perioden des Größer- und Kleinerwerdens der Sonnenflecke haben Eine<br />

Erklärung für diese Fragen zu geben ist mehr oder weniger schwierig. Viele [652] derartige<br />

Fragen sind sogar beim heutigen Stand der Naturwissenschaft noch völlig unerklärbar. Wir<br />

fragen beispielsweise: wie viele Planeten kreisen um die von uns sehr weit entfernte Sonne,<br />

die wir Alcyone nennen Die Astronomie antwortet: „Beim heutigen Stand unserer Kenntnisse<br />

von der Alcyone läßt sich noch nichts über die Zahl der sie umkreisenden Planeten sagen,<br />

weil wir absolut nichts selbst darüber wissen, ob die Alcyone überhaupt irgendwelche Planeten<br />

besitzt oder nicht.“<br />

So gibt es also in den Naturwissenschaften viele schwierige und viele beim gegenwärtigen<br />

Stand unserer Kenntnisse sogar überhaupt noch unerklärbare Fragen. Aber das sind Fragen,<br />

die nicht im geringsten solchen Fragen ähneln wie denen, ob der Diamant oder der Feuerstein<br />

oder irgendein anderer Stein, ob die Eiche oder der Ahorn oder irgendein anderer Baum materielle<br />

Gegenstände sind usw. usw. und in den Antworten der Naturwissenschaft auf die Frage,<br />

ob die Linde ein materieller Gegenstand ist, gibt es nichts, was unverständlich wäre; die<br />

Linde ist ein materieller Gegenstand, sagt die Naturwissenschaft. Ist das etwa eine unverständliche<br />

Antwort<br />

Weiter wird gefragt: worin besteht die Gleichartigkeit der materiellen Gegenstände Die Naturwissenschaft<br />

antwortet: ihre Gleichartigkeit besteht darin, daß sie materiell sind. Was ist<br />

an dieser Antwort der Naturwissenschaft unverständlich Sie enthält ebenfalls absolut nichts<br />

Unverständliches: sie ist sehr klar.<br />

Weiter wird gefragt: wie heißt denn das, worin die Gleichartigkeit der materiellen Gegenstände<br />

besteht, die wiederum darin besteht, daß sie materiell sind Die Naturwissenschaft<br />

antwortet: dieses in allen materiellen Gegenstanden Gleichartige heißt Materie. Was ist an<br />

dieser Antwort unverständlich Sie enthält ebenso absolut nichts Unverständliches: sie ist<br />

sehr klar.<br />

Auf die gleiche Weise kommt die Naturwissenschaft zu ihren Antworten auf die Frage nach<br />

den Eigenschaften, Kräften und Gesetzen, nach denen man sie im Zusammenhang mit dem<br />

Studium dieser Gegenstände fragt.<br />

Diese Gegenstände haben gleichartige Eigenschaften, [653] das Gleichartige, woraus die Gegenstände<br />

bestehen, ist die Materie; folglich sind ihre gleichartigen Eigenschaften die Eigenschaften<br />

dessen, was in ihnen gleichartig ist, nämlich Eigenschaften der Materie.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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