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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 319<br />
Anstrengungen gemacht hat, sich auf abstrakte Weise zu betätigen (indem es seine Verbundenheit<br />
mit anderen Bestrebungen der menschlichen Natur unterbrach), so konnte es dann<br />
doch nichts auch künstlerisch Hervorragendes produzieren. Die Geschichte kennt kein Kunstwerk,<br />
das nur durch die Idee des Schönen geschaffen worden wäre; wenn es derartige Werke<br />
auch gibt oder gegeben hat, so bleiben sie bei ihren Zeitgenossen völlig unbeachtet und werden<br />
von der Geschichte vergessen, weil sie zu schwach, sogar künstlerisch zu schwach sind.<br />
Dieser Ansicht ist die positive Wissenschaft, die ihre Begriffe aus der Wirklichkeit schöpft.<br />
Das in der Anlage vorgelegte Bruchstück beweist, daß das die endgültige Ansicht auch Belinskis<br />
von Kunst und Literatur war. Er war völlig frei von allem nur Phantastischen und Abstrakten.<br />
Wir haben jedoch gesehen, daß Belinski anfangs ein leidenschaftlicher Anhänger des Hegelschen<br />
Systems war, dessen starke Seite im Streben nach Wirklichkeit und nach Positivität<br />
bestand (wodurch es auch Belinski wie alle starken Persönlichkeiten der damaligen jungen<br />
Generation in Deutschland und teilweise auch bei uns zu bezaubern wußte), während seine<br />
schwache Seite war, daß dieses Streben unverwirklicht blieb, so daß fast der Gesamtinhalt<br />
des Systems abstrakt und unwirklich war. Bald nach seiner Übersiedelung nach Petersburg<br />
machte sich Belinski von sel-[647]ber bedingungslosen Anbetung Hegels frei. Aber der Gedanke<br />
und seine Ausführung, das Prinzip und die Schlußfolgerungen aus ihm sind zwei verschiedene<br />
Phasen, zwischen denen stets eine längere Entwicklungsperiode liegt. Sagen:<br />
„Ich verstehe, daß die Wirklichkeit Quelle und Maß aller Begriffe sein muß“, und alle seine<br />
Begriffe auf Grund der Wirklichkeit völlig umbilden, sind zwei ganz verschiedene Dinge.<br />
Die zweite Aufgabe ist vielleicht noch wichtiger als die erste und kann nur durch fortgesetzte<br />
Arbeit gelöst werden.<br />
In den Petersburger Zeitschriften war Belinski ungefähr acht Jahre lang tätig. Seine ganze<br />
schrittweise Entwicklung in dieser Zeit in allen Einzelheiten verfolgen, hieße alle seine Aufsätze<br />
oder wenigstens die hundert oder hundertfünfzig wichtigsten analysieren. Aber auch das<br />
würde noch nicht genügen: man müßte auch Überlegungen mit heranziehen, die uns nur eine<br />
ausführliche Biographie liefern kann. Unsere Aufsätze haben aber ohnedies einen Umfang<br />
angenommen, der sehr viel größer ist, als wir bei Beginn ihrer Abfassung annahmen; die<br />
Sammlung solchen biographischen Materials würde ihre Beendigung für unbestimmte Zeit<br />
verzögern; eine Untersuchung alles dessen, was Belinski geschrieben hat, würde viele hunderte<br />
Seiten in Anspruch nehmen. Deshalb wollen wir nur in den allgemeinen Zügen die zwei<br />
Hauptperioden der Tätigkeit Belinskis in Petersburg kenntlich machen: in der ersten Hälfte ist<br />
das abstrakte Element in seinen Aufsätzen noch ziemlich stark; in der zweiten Hälfte verschwindet<br />
es fast ganz und gegen Ende dieser Hälfte vollständig, und das System der positiven<br />
Betrachtungsweise wird ganz konsequent. Das Material für die Charakteristik der ersten<br />
Periode wird uns eine Übersicht über den Inhalt einiger Aufsätze liefern, die Belinski in der<br />
ersten Zeit nach seiner Ankunft in Petersburg geschrieben hat; eine gründliche Untersuchung<br />
seiner letzten Aufsätze wird Gelegenheit geben, seine endgültigen Auffassungen von der russischen<br />
Literatur möglichst vollständig zu skizzieren; die Jahresübersichten über die russische<br />
Literatur, die seit 1841 regelmäßig erschienen, und die im Laufe von drei Jahren (1843-1846)<br />
geschriebenen Aufsätze über Puschkin werden die Bindeglieder zwischen der ersten und der<br />
[648] zweiten Skizze bilden. So werden wir, ohne die wichtigsten Gesichtspunkte aus dem<br />
Auge zu verlieren, den ersten Teil unserer „Skizzen“ vor Ende dieses Jahres abschließen<br />
Für das erste Heft der „Otetschestwennyje Sapiski“, Jahrgang 1840, schrieb Belinski eine<br />
kritische Untersuchung der Komödie Gribojedows, die etwa zu dieser Zeit in zweiter Auflage<br />
‘erschienen war. Dieser Aufsatz gehört zu den gelungenste und glänzendsten Arbeiten Belinskis<br />
Er beginnt mit einer Darstellung der Theorie der Kunst, die von rein abstraktem, „ge-<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013