15.01.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 310<br />

Von Jahr zu Jahr finden wir in Belinskis Aufsätzen immer weniger Überlegungen über abstrakte<br />

Gegenstände oder über zwar lebendige Gegenstände, aber vom abstrakten Standpunkt<br />

aus; immer entschiedener überwiegen die vom Leben gegebenen Elemente.<br />

SIEBENTER AUFSATZ<br />

BELINSKI<br />

Die Entwicklung, die Belinskis Kritik in den „Otetschestwennyje Sapiski“ und im<br />

„Sowremennik“ nahm, war wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß sie in steigendem Maße<br />

die lebendigen Interessen unserer Wirklichkeit in sich aufnahm und infolgedessen immer<br />

positiver wurde. Wir führen unter dem Strich einige Stellen aus den letzten Aufsätzen Belinskis<br />

an, die seine reifsten und exaktesten Auffassungen von der überragenden Bedeutung<br />

zum Ausdruck bringen, die der Wirklichkeit im geistigen und sittlichen Leben zukommt, dessen<br />

Hauptorgan bei uns bis in die jüngste Zeit die Literatur war (und es bis heute ist), und<br />

wollen hier ein paar Worte darüber sagen, was unter den zwei Begriffen „Wirklichkeit“ und<br />

„positiv“ zu verstehen ist, denen nach moderner Anschauung eine so große Bedeutung auf<br />

allen Gebieten sowohl der geistigen wie der sittlichen Betätigung zukommt: *<br />

* „Wenn man uns fragen wollte, worin das unterscheidende Merkmal der heutigen russischen Literatur besteht,<br />

so würden wir antwor-[630]ten: in einer immer engeren Annäherung an das Leben, an die Wirklichkeit, in einem<br />

ständigen Fortschreiten zu männlicher Reife.“ („Betrachtungen über die russische Literatur des Jahres<br />

1846“, „Sowremennik“, 1847, Heft 1, Kritik, S. 1. Deutsch: W. G. Belinski, Ausgewählte Philosophische Schriften,<br />

Moskau 1950, S. 391.]) – Der Maßstab der Reife ist also der Grad der Annäherung an die Wirklichkeit.<br />

„Die ganze Bewegung der russischen Literatur (bis zu Puschkin) bestand in dem Bestreben ... sich dem Leben,<br />

der Wirklichkeit zu nähern...“ (Ebenda S. 4. [Deutsch. Ebenda S. 395.]) – Das Ziel der literarischen Bewegung<br />

ist also die Wirklichkeit.<br />

„In bezug auf... Kunst, Poesie und Schöpfung... hat sich unsere Literatur am meisten jener männlichen Reife<br />

genähert, mit deren Erwähnung wir diesen Aufsatz begonnen haben. Der sogenannten Naturalen Schule kann<br />

man nicht den Vorwurf der Rhetorik machen, wenn man unter diesem Wort eine absichtliche oder unabsichtliche<br />

Entstellung der Wirklichkeit, eine falsche Idealisierung des Lebens versteht... Nicht in den Talenten, nicht in<br />

ihrer Zahl sehen wir eigentlich den Fortschritt der Literatur, sondern in ihrer Richtung, in ihrer Art, zu schreiben.<br />

Talente hat es immer gegeben, aber früher pflegten sie die Natur schönzufärben, die Wirklichkeit zu idealisieren,<br />

d. h. sie stellten etwas dar, was es nicht gab, erzählten nie dagewesene Dinge; jetzt dagegen geben sie das<br />

Leben und die Wirklichkeit in ihrer Wahrheit wieder. Das hat die Literatur in den Augen der Gesellschaft eine<br />

hohe Bedeutung gewinnen lassen.“ (Ebenda S. 10. [Deutsch: Ebenda S. 401/02]) – Das Positive ist also der<br />

Gegensatz der falschen Idealisierung; die Kunst erreicht ihre Reife, wenn sie das Leben und die Wirklichkeit in<br />

ihrer Wahrheit wiedergibt.<br />

„Statt an Unmögliches zu denken . .. sollte man lieber die unwiderstehliche und unveränderliche (.d. h. sich<br />

nicht unter Phantasien beugende)*) Wirklichkeit des Bestehenden anerkennen und auf seiner Grundlage handeln,<br />

geleitet von Vernunft und gesundem Verstand, nicht aber von Manilowschen**) Phantasien“ (Ebenda S.<br />

14. [Deutsch: Ebenda S. 406.])<br />

„Ob eine theoretische Frage wichtig ist, hängt von ihrer Beziehung zur Wirklichkeit ab... Bei uns, in uns, um<br />

uns – hier müssen wir sowohl die Fragen wie auch ihre Lösungen suchen. Diese Richtung wird uns brauchbare<br />

Früchte bringen.“ (Ebenda S. 28. Deutsch: Ebenda S. 423.])<br />

„Es ist nur schade, daß dieses Talent (einer Dichterin deren Gedichte im Jahre 1846 erschienen)*) seine Begeisterung<br />

nicht aus dem Le-[631]ben schöpft, sondern aus Träumen, und deshalb keine Beziehung zum Leben hat<br />

und arm an Poesie ist... Dort in der Höhe, wohin er so sehr strebt, ist es leer und kalt, dort gibt es keine Luft zum<br />

Atmen... Ganz anders auf der Erde: – auf ihr ist es hell und warm, hier gehört alles uns, alles ist nah und verständlich,<br />

hier ist unser Leben, unsere Poesie... Dafür kann man auch, wenn man sich von ihr abwendet und sie<br />

nicht zu begreifen versteht, kein Dichter sein und kann nur in kalter Höhe kalte, leere Phrasen erjagen.“ (Ebenda<br />

S. 31. [Deutsch: Ebenda S. 426/27.])<br />

„Unsere Literatur... war ständig bestrebt, aus einer rhetorischen zu einer natürlichen Kunst zu werden. Dieses<br />

Streben, das durch ständige, bedeutende Erfolge ausgezeichnet war, bildet nun den Sinn und die Seele der Geschichte<br />

unserer Literatur, und wir können ohne Überlegen sagen, daß dieses Streben in keinem einzigen russischen<br />

Schriftsteller zu solchem Erfolg gelangt ist wie in Gogol. Das war nur dadurch möglich, daß die Kunst<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!