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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 305<br />

der falschen Inhalte, die sich an sie angehängt hatten, und neue, dem Geist der strengen modernen<br />

Wissenschaft entsprechende Schlußfolgerungen; für die Lebenstendenzen bestand das<br />

Ergebnis in einer Ablehnung des früheren Quietismus, den die Wirklichkeit auflöste, in der<br />

Beibehaltung der tiefen Überzeugung, daß Vernunft und Wahrheit das Leben beherrschen<br />

müssen und werden, obwohl es bis dahin noch weit ist. Belinski überzeugte sich davon, daß<br />

die Wirklichkeit sehr viele verlogene und schädliche Elemente enthält, und begann, indem er<br />

seine ganze Tätigkeit dem Ziel ‚widmete, den Geist und die Wahrheit im Leben zur Herrschaft<br />

zu bringen, einen unermüdlichen und unbarmherzigen Kampf gegen alles, was diesem<br />

Ziel im Wege stand. Für eine so lebendige Natur wie Belinski war der Übergang von einer zu<br />

Quietismus und Apathie führenden abstrakten Idealität zu einer lebendigen Auffassung der<br />

Wirklichkeit natürlich und leicht. Hegels System hatte ihn durch seine Größe eine Zeitlang in<br />

Bann geschlagen, und wir haben zu zeigen versucht, daß seine Begeisterung durch die Neuheit<br />

und Tiefe der Wahrheiten gerechtfertigt war, die die Grundideen dieses Systems enthielten;<br />

sein positiver Inhalt dagegen hatte ihn nie befriedigt, er drängte stets vorwärts, empört<br />

über die beengende Gleichgültigkeit Hegels, und trug in dessen kühle Beschaulichkeit [621]<br />

stets die Glut seiner lebensvollen Natur. Im gleichen Verhältnis zu Hegel standen auch die<br />

anderen starken Persönlichkeiten unter den Freunden Stankewitschs. Die von uns angeführten<br />

Zitate lassen erkennen, was sie am System Hegels besonders anzog, was ihnen besonders am<br />

Herzen lag. In jeder theoretischen Lehre sind zwei Seiten vereinigt. ein abstrakter Wahrheitsbegriff<br />

und die Beziehung dieses Wissens zur lebendigen Wirklichkeit. Hegel macht das<br />

Wissen zum ersten und fast ausschließlichen Ziel seines Systems; die Folgen dieses Wissens<br />

für das Leben stehen bei ihm im Hintergrunde. Diese Ordnung wurde von den stärksten der<br />

Freunde Stankewitschs gleich zu Anfang umgekehrt; sie sagten gleich anfangs: „Hegels Philosophie<br />

ist segenspendend für das Leben, deshalb muß man die von ihm entdeckten Wahrheiten<br />

studieren“ – es ist klar, daß das wirkliche Leben für sie im Vordergrund stand, das<br />

abstrakte Wissen dagegen nur zweitrangige Bedeutung 21 hatte. So geartete Menschen konnten<br />

sich mit dem System Hegels nicht lange zufrieden geben: auf dem einen oder anderen<br />

Wege mußten sie sich selbständig machen – und sie taten es wirklich, der eine auf diesem,<br />

der andere auf jenem Wege. Uns beschäftigt hier Belinski, und wir haben gesehen‘ daß ihn<br />

die nähere Bekanntschaft mit dieser Wirklichkeit, in welcher tätig zu wirken sein Streben und<br />

seine Bestimmung war, aus der bedingungslosen Botmäßigkeit Hegels befreite.<br />

Die voraufgehenden Debatten in Moskau mit den Freunden Herrn Ogarjows hatten ebenfalls<br />

einen bestimmten Anteil an der Erweiterung der Anschauungen Belinskis. Während der Debatten<br />

selber waren allerdings keine Einwände imstande gewesen, seinen Glauben an die unbedingte<br />

Richtigkeit der im System Hegels vertretenen Schlußfolgerungen auch nur im geringsten<br />

zu erschüttern; ganz im Gegenteil bestärkten ihn, wie es stets bei starken und in ihrer<br />

Konsequenz furchtlosen Menschen zu geschehen pflegt, die Debatten nur in seiner früheren<br />

Denkweise, veranlaßten ihn, in seinen Auffassungen noch konsequenter und strenger zu sein,<br />

und flößten ihm den brennenden Wunsch ein, auf diesen Auffassungen zu bestehen und zu<br />

21 Im Manuskript waren die Worte „zweitrangige Bedeutung“ mit, dci. Anmerkung versehen: „Wir erinnern an<br />

die Worte der ‚Einleitung zu Hegels Reden‘:<br />

‚Das Glück liegt nicht im abstrakten Traum, sondern in der leben-Wirklichkeit; Versöhnung mit der Wirklichkeit<br />

(d. h. Rückkehr dem Traum zur Wirklichkeit) in allen Sphären ‘des Lebens ist die große Aufgabe unserer<br />

Zeit, und Hegel und Goethe sind die Häupter dieser Rückkehr vom Tode zum Leben. Wir wollen hoffen, daß die<br />

neue Generation zu endlich das berechtigte Bedürfnis in sich spürt, wirkliche Russe sein.‘<br />

Auch Goethe spricht in dem oben angeführten Gedicht von der Rückkehr aus dem abstrakten Leben zur Natur<br />

und Wirklichkeit als von Wahren Quelle aller Güter:<br />

Weg, du Traum! so gold du bist,<br />

Hier auch Lieb’ und Leben ist.“<br />

Gemeint ist Goethes Gedicht „Auf dem See“. (Siehe Seite 589 des vorliegenden Buches. Die Red.)<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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