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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 30<br />

lange Zeit alle Mühe, ihn von oben herab zu behandeln, aber die Armut zwingt sie, seine Gebefreudigkeit<br />

in Anspruch zu nehmen; sie leben lange von seinen milden Gaben, da sie es für<br />

unter ihrer Würde halten, mit seiner Hilfe eine ehrliche Arbeit anzufangen, mit der er sich<br />

hochgebracht hat; aber in dem Maße, wie ihre Ernährung und Kleidung besser wird, kommen<br />

ihnen nach und nach vernünftige Gedanken, die einstige leere Prahlsucht läßt nach, sie werden<br />

schrittweise zu anständigen Menschen, verstehen endlich, daß nicht die Arbeit schändet,<br />

sondern die Prahlerei, und nehmen schließlich die Sitten an, die ihren Verwandten hochgebracht<br />

haben; dann kommen sie mit seiner Hilfe schnell in gute Stellungen und gewinnen<br />

nach und nach die Achtung der vernünftigen Menschen nicht durch die phantastischen Vorzüge,<br />

deren sie sich früher rühmten, ohne sie zu haben, sondern durch ihre wirklichen, neuen,<br />

der Gesellschaft nützlichen Eigenschaften – durch geleistete Arbeit.<br />

Es ist in der Tat noch nicht lange her, daß die moralischen Wissenschaften keinen Inhalt haben<br />

konnten, der ihnen das Recht gegeben hätte, den ihnen zugeteilten Titel einer Wissenschaft<br />

zu tragen, und die Engländer hatten damals durchaus recht, wenn sie ihnen diese Bezeichnung,<br />

deren sie nicht würdig waren, verweigerten. Jetzt hat sich die Lage wesentlich<br />

geändert. Die Naturwissenschaften haben sich so weit entwickelt, daß sie ein reiches Material<br />

zur exakten Lösung moralischer Probleme liefern. Alle fortschrittlichen Menschen aus der<br />

Zahl der Denker, die sich mit den moralischen Wissenschaften beschäftigen, bedienen sich<br />

jetzt bei ihrer Arbeit annähernd der gleichen exakten Methoden, wie sie in den Naturwissenschaften<br />

zur Anwendung kommen. Als wir von den widersprechenden Urteilen sprachen, zu<br />

denen verschiedene Menschen in allen moralischen Fra-[119]gen kommen, meinten wir ausschließlich<br />

gewisse alte, weitverbreitete, aber bereits überholte Begriffe und Forschungsmethoden,<br />

nicht aber den Charakter, den die fortschrittlichen Denker den moralischen Wissenschaften<br />

gegeben haben; meinten wir die früher in diesem Wissensgebiet herrschende Routine,<br />

nicht aber ihren heutigen Zustand. In ihrem heutigen Zustand unterscheiden sich die moralischen<br />

Wissenschaften von den sogenannten Naturwissenschaften eigentlich nur dadurch,<br />

daß sie sich später wahrhaft wissenschaftlicher Arbeitsmethoden zu bedienen begonnen haben<br />

und deshalb noch nicht so vollkommen ausgearbeitet sind wie jene. Es handelt sich hier<br />

nur um einen graduellen Unterschied: die Chemie ist jünger als die Astronomie und hat noch<br />

keine solche Vollkommenheit erreicht; die Physiologie ist noch jünger als die Chemie und<br />

noch weiter von der Vollkommenheit entfernt; die Psychologie ist als exakte Wissenschaft<br />

noch jünger als die Physiologie und noch weniger ausgearbeitet. Aber bei allem Unterschied<br />

hinsichtlich der Quantität des gewonnenen exakten Wissens unterscheiden sich Chemie und<br />

Astronomie weder hinsichtlich der Zuverlässigkeit ihrer Forschungsergebnisse noch hinsichtlich<br />

der Methode, mit Hilfe deren sie zum exakten Wissen von ihren Gegenständen gelangen:<br />

die Tatsachen und Gesetze, die die Chemie entdeckt, sind ebenso zuverlässig wie die Tatsachen<br />

und Gesetze, die die Astronomie entdeckt. Das gleiche läßt sich über die Ergebnisse der<br />

modernen exakten Forschungen auf dem Gebiet der moralischen Wissenschaften sagen. Eine<br />

Übersicht über die Gegenstände, die uns Astronomie, Physiologie und Psychologie liefern,<br />

würde etwa so aussehen wie Karten, die England, das Europäische und das Asiatische Rußland<br />

darstellen: ganz England ist durch hervorragende trigonometrische Messungen aufgenommen;<br />

im Europäischen Rußland hat die Triangulation mit ihrem Netz bisher nur die Hälfte<br />

des Raumes erfaßt, während die andere Hälfte mit weniger vollkommenen Methoden aufgenommen<br />

ist; im Asiatischen Rußland gibt es noch viele Räume, wo lediglich einige Hauptpunkte<br />

im Vorübergehen fest bestimmt sind, während alles, was zwischen ihnen liegt, nach<br />

dem Augenmaß – einer sehr unbefriedigenden Methode – auf der [120] Karte eingetragen<br />

wird. Das trigonometrische Dreiecksnetz spannt sich jedoch mit jedem Jahre über weitere<br />

Räume aus, und nicht mehr sehr fern ist die Zeit, wo es auch das Asiatische Rußland erfaßt.<br />

Bis dahin ist uns auch von diesem Lande vieles wohlbekannt, einige Punkte sogar sehr gut,<br />

und als Ganzes kennen wir es bereits so weit, daß es uns nicht schwerfällt, die größten<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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