15.01.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 297<br />

führlichkeit behandeln würden wie diejenigen seiner Ideen, die den Gang der Geistesentwicklung<br />

stark beeinflußt haben. Da diese Fehler jedoch immerhin historische [606] Tatsache<br />

sind, wenn auch eine unbedeutende, können wir sie nicht gänzlich verschweigen. Weiter unten<br />

wird der Leser aus einem der anzuführenden Zitate erfahren, worin das Wesen dieser Fehler<br />

bestand. Hier brauchen wir nur zu wiederholen, daß die Freunde Stankewitschs in den<br />

gleichen Irrtum verfielen wie alle bedeutenden deutschen Denker der gleichzeitigen Generation;<br />

eine Zeitlang blendete die geniale Dialektik Hegels alle, so daß die den Prinzipien widersprechenden<br />

Schlußfolgerungen um dieser Prinzipien willen, als scheinbar notwendige<br />

Folge, von allen angenommen wurden.<br />

Man muß wohl oder übel zugeben, daß sowohl in Deutschland als auch bei uns die Männer,<br />

die den gesamten Inhalt des Hegelschen Systems als reine Wahrheit hinnahmen, durch seine<br />

Autorität zu zahlreichen und recht schwerwiegenden Irrtümern gebracht wurden. Ohne verteidigen<br />

zu wollen, was in diesen Fehlern wirklich übel war, müssen wir jedoch bemerken,<br />

daß vor zwanzig Jahren nicht alles wirklich schädlichen Irrtum war, was heutzutage unverzeihliche<br />

Verblendung sein würde: für viele Meinungen, die in unserer Zeit ausgesprochen<br />

unrichtige Vorurteile wären, gab es damals noch gewisse, mag sein einseitige, mag sein leicht<br />

veraltete, aber doch sachliche Gründe, die viel Richtiges enthielten. Wir wollen ein Beispiel<br />

anführen. Die strengen Anhänger der deutschen Philosophie seit Kant, besonders die strengen<br />

Hegelianer, verachteten, ja haßten teils sogar alles Französische. Die Freunde Stankewitschs<br />

teilten diese Abneigung, und der ganze „Moskowski Nabljudatel“ atmet „Franzosenfresserei“,<br />

wie die Deutschen sagen. Der Franzosenfresserei sind viele Seiten des Vorworts zu Hegels<br />

Reden gewidmet, welches, wie wir gesehen haben, das Programm der Zeitschrift enthielt.<br />

Eine dieser Seiten wollen wir unter dem Strich wiedergeben. * Und man muß schon<br />

[607] sagen, daß der „Moskowski Nabljudatel“, der alle übrigen Punkte seines Programms<br />

* „Die Franzosen kamen niemals über den Rahmen willkürlichen Räsonnements hinaus, und alles Heilige, Große<br />

und Edle im Leben fiel unter den Schlägen des blinden, toten Verstandes. Das Resultat der französischen Philosophiererei<br />

war der Materialismus, der Triumph des unbeseelten Fleisches. Im französischen Volke erlosch der letzte<br />

Funke von Offenbarung. Das Christentum, dieser ewige und unvergängliche [607] Beweis der Liebe des Schöpfers<br />

zur Schöpfung, wurde zum Gegenstand allgemeinen Gespötts, allgemeiner Verachtung, und der ärmliche Verstand<br />

des Menschen, der unfähig ist, in das tiefe und geheiligte Geheimnis des Lebens einzudringen, lehnte alles ab, was<br />

ihm nicht erreichbar war, aber nicht erreichbar ist ihm alles Wahre und alles Wirkliche. Er forderte Klarheit – aber<br />

was für eine Klarheit! –‚ nicht jene, die in der Tiefe der Dinge liegt: nein, jene an der Oberfläche; er unternahm es,<br />

die Religion zu erklären – und die seinen endlichen Bemühungen unzugängliche Religion verschwand und nahm<br />

das Glück und die Ruhe Frankreichs mit sich fort; er unternahm es, den heiligen Tempel der Wissenschaft in ein<br />

allem Volke offenstehendes Gebäude zu verwandeln, und der geheimnisvolle Sinn des wahren Wissens verschwand<br />

und übrig blieb nur das banale, sterile, gespenstige Räsonnement – und Jean Jacques Rousseau behauptete,<br />

der aufgeklärte Mensch sei ein verdorbenes Tier, und so wurde die Revolution notwendig als Folge dieser geistigen<br />

Verdorbenheit. Wo es keine Religion gibt, da kann es auch keinen Staat geben, und die Revolution war die<br />

Negation jeden Staates, jeder gesetzlichen Ordnung, und die Guillotine nivellierte alles mit ihrem blutigen Schnitt<br />

und köpfte alles, was sich nur ein wenig über die geistlose Menge erhob.“<br />

Lermontow hat diese Worte in seinem Gedicht „Die letzte Fahrt“ wortwörtlich in Verse gebracht:<br />

Kann meine Brust den Schmerz und Zorn nicht länger tragen<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

Und mächtig drängt es mich, dem großen Volk zu sagen:<br />

Welch ein erbärmlich Volk bist du!<br />

Erbärmlich bist du, weil das Wahre, Schöne, Gute,<br />

Das der Vernichtung nun und nimmer fällt zum Raub,<br />

Dii dumm bezweifelt hast mit kind’schem Wankelmute<br />

Und frech getreten in den Staub.<br />

Du machtest aus dem Ruhm ein Spielzeug niedren Strebens<br />

Und aus der Freiheit Schwert ein blut’ges Henkerbeil,<br />

Zertrümmertest damit die Güter deines Lebens,<br />

Der Väter bestes Erbeteil...<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!