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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 288<br />
gründeter, edler, untadeliger Berühmtheit zu kommen, und einigen [588] von ihnen war bestimmt,<br />
glänzenden Ruhm zu erwerben; ihnen gehörte die Zukunft, wie heute die Gegenwart<br />
ihnen und jenen Männern gehört, die sich ihnen später anschlossen.<br />
Der „Moskowski Nabljudatel“ ist weniger bekannt als der „Telegraf“ und das „Teleskop“;<br />
deswegen ist es angebracht, vor der ausführlichen Darstellung seiner wissenschaftlichkritischen<br />
Ansichten zwei, drei Worte über die allgemeine Physiognomie der letzten Nummern<br />
der Zeitschrift zu sagen, deren Herausgeber die uns hier interessierenden Männer der<br />
neuen Generation waren.<br />
Bevor der entscheidende Einfluß Gogols auf die jungen Talente die Mehrzahl der begabten<br />
Schriftsteller dazu gebracht hatte, die prosaische Form der Erzählung zu bevorzugen, bildete<br />
die Dichtung die Glanzseite unserer schönen Literatur. Der „Moskowski Nabljudatel“ hatte<br />
nicht Puschkin als Mitarbeiter, wie die Almanache von 1823 bis 1833 oder die ersten Jahrgänge<br />
der „Bibliothek“ und des (Puschkinschen) „Sowremennik“. Nimmt man jedoch alles,<br />
was der „Nabljudatel“ in seiner Abteilung für Dichtung veröffentlicht hat, und vergleicht es<br />
mit dem, was unsere Dichtung in den älteren so berühmten Almanachen und selbst im Puschkinschen<br />
„Sowremennik“ aufzuweisen hatte (ganz zu schweigen von der „Bibliothek“, die in<br />
dieser Hinsicht weit hinter dem „Sowremennik“, den „Sewernyje Zwety“ 6 u. a. zurückblieb),<br />
so muß man zugeben, daß der „Moskowski Nabljudatel“ mit seiner Abteilung für Dichtung<br />
weit über allen früheren Zeitschriften und Almanachen stand, wo abgesehen von den Werken<br />
Puschkins und den Übersetzungen Shukowskis nur wenige Gedichte das Niveau einer farblosen,<br />
leeren Mittelmäßigkeit überragten, während wir im „Moskowski Nabljudatel“ fast kein<br />
einziges Gedicht finden, das sich nicht auch heutzutage mit Vergnügen lesen ließe, wobei<br />
nicht nur die herrlichen Schöpfungen Kolzows, sondern auch viele andere Gedichte bis heute<br />
hervorragend und schön geblieben sind. *<br />
[589] Darüber hinaus, daß von den vielen im „Moskowski Nabljudatel“ in seiner zweiten Redaktion<br />
veröffentlichten Gedichten nur einige wenige schwach genannt werden können – ein<br />
Vorzug, dessen sich bis dahin keine unserer Zeitschriften hatte rühmen können –‚ hat die Masse<br />
dieser Gedichte eine Eigenschaft, die für jene Zeit eine noch größere Neuheit war: man findet<br />
unter ihnen nicht ein einziges leeres Gedicht, jedes lyrische Stück ist wirklich von Gefühl und<br />
Gedanken getragen, so daß die Abteilung „Dichtung“ des „Moskowski Nabljudatel“ im Vergleich<br />
mit dem, was [590] man in anderen Zeitschriften jener Zeit finden konnte, einzig dasteht.<br />
Mit Belletristik konnten die Zeitschriften damals keinen Ruhm einlegen: gute Erzählungen<br />
waren sehr selten, weil nur drei oder vier Leute damals so Prosa schreiben konnten, daß man<br />
ihre Werke heute ohne Lächeln wieder lesen kann. Aber auch mit seiner Abteilung für schöne<br />
Literatur überflügelte der „Moskowski Nabljudatel“ wohl ebenfalls alle seine Mitbrüder, indem<br />
er die Erzählungen Nestrojews (Herrn Kudrjawzews) abdruckte, dem in der Entstehungsgeschichte<br />
unserer Prosadichtung wohl einer der ersten Plätze zukommt. Der vorliegende<br />
Aufsatz ist nicht der Ort, eine Wertschätzung der Begabung Nestrojews zu geben: das<br />
hoffen wir später tun zu können; aber es kann keinen Zweifel geben, daß seine Erzählungen,<br />
was ihren künstlerischen Wert betrifft, in der Geschichte der russischen Prosa einen Ehrenplatz<br />
verdienen. Nestrojew ist ein Schriftsteller von selbständiger, starker Begabung, wie es<br />
6 „Sewernyje Zwety“ (Blumen des Nordens) – ein Literaturalmanach, der in den Jahren 1825-1831 von A. A.<br />
Delwig und O. M. Somow herausgegeben wurde. Puschkin nahm an diesem Almanach regen Anteil.<br />
* Außer den Gedichten Kolzows veröffentlichte der „Moskowski Nabljudatel“: [589]<br />
Gedichte von Goethe und Schiller in der Übersetzung K. S. Aksakows, den man einen unserer besten lyrischen<br />
Übersetzer nennen muß. Die heute manchmal geäußerte Meinung, der Vers dieser Übersetzungen sei schwerfällig,<br />
ist nicht ganz begründet; uns scheint vielmehr, daß es wenige so schöne und poetische Übersetzungen gibt,<br />
wie beispielsweise die des folgenden Gedichts ton Goethe („Moskowski Nahljudatel“, XVI, 92):<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013