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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 287<br />
AUS DEN „SKIZZEN ÜBER DIE GOGOLSCHE<br />
PERIODE DER RUSSISCHEN LITERATUR“ 1<br />
SECHSTER AUFSATZ<br />
BELINSKI<br />
Die Zeitschrift „Moskowski Nabljudatel“ 2 wurde von den Freunden Stankewitschs zu einem<br />
Zeitpunkt übernommen, wo die Geldmittel zur Fortsetzung ihrer Herausgabe völlig erschöpft<br />
waren, und nur die uneigennützige Energie der neuen Mitarbeiter machte es möglich, die<br />
Zeitschrift, die von der früheren Redaktion zugrunde gerichtet worden war, noch ein Jahr<br />
lang weiter erscheinen zu lassen. Dafür war diese letzte, allzu kurze Periode im Leben des<br />
„Moskowski Nabljudatel“ aber derart, daß die russische Journalistik nie etwas Ähnliches gekannt<br />
hat, mit Ausnahme vielleicht der letzten Hefte des „Teleskop“ 3 . Selbst der „Telegraf“ 4<br />
war in seinen besten Jahren nicht von einem so einmütigen, offenen Geist getragen, nicht von<br />
solchem glühenden Streben beseelt, der Wahrheit und der Kunst zu dienen; und wenn wir<br />
auch vor dieser Zeit Almanache und Zeitschriften besaßen, die über eine weit größere Zahl<br />
bereits weithin berühmter Mitarbeiter verfügten, wie beispielsweise die „Lesebibliothek“ 5 im<br />
Jahre 1834 und die von Puschkin herausgegebene Zeitschrift „Sowremennik“ im Jahre 1836,<br />
so waren doch noch nie in einer russischen Zeitschrift so viele wahrhaft hervorragende Begabungen,<br />
so viel echtes Wissen und echte Poesie vereinigt wie im „Moskowski Nabljudatel“<br />
unter seiner zweiten Redaktion (Heft XVI, XVII und XVIII in der alten Numerierung und<br />
Heft 1 und II in der neuen). In den Jahren 1838 bis 1839 waren die Mitarbeiter des „Nabljudatel“<br />
junge Männer, die fast noch niemand kannte; fast alle aber erwiesen sich als starke<br />
Begabungen, fast jedem von ihnen ist es vergönnt gewesen, in unserer Literatur zu fest be-<br />
1 Die „Skizzen über die Gogolsche Periode der russischen Literatur“ erschienen erstmalig im „Sowremennik“ Der<br />
erste Aufsatz in Heft 12 des Jahrgangs 1855, die übrigen in den Heften 1, 2, 4, 7 und 9-12 des Jahrgangs 1856.<br />
Die „Skizzen über die Gogolsche Periode der russischen Literatur“ gehören zu N. G. Tschernyschewskis wichtigsten<br />
Werken. Ihre Bedeutung geht weit über die Grenzen der Literaturkritik hinaus. Eigentlich hat Tschernyschewski<br />
in den „Skizzen“ eine kurzgefaßte Geschichte des russischen Geisteslebens in den dreißiger und vierziger<br />
Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben. Die zentrale Figur dieser Periode war Belinski. Der strengen Zensur zum<br />
Trotz versteht es Tschernyschewski, die revolutionären Traditionen der „Kritik der Gogolschen Periode“ (d. h.<br />
Belinskis) wiederherzustellen und weiterzuentwickeln und stellt sie dabei der reaktionären liberal-aristokratischen<br />
Tendenz der „reinen Kunst“ gegenüber, die damals, Puschkins Namen demagogisch miß-brauchend, unter der<br />
Flagge „Puschkinscher Prinzipien“ auftrat. Man muß hier beachten daß die Namen Gogol und Puschkin nur als<br />
Symbole zweier ideologischer Richtungen verwendet werden, die von den Repräsentanten zweier gegensätzlichen<br />
Klassengruppierungen vertreten wurden. Tschernyschewski trat in den „Skizzen“ als direkter Fortsetzer der Linie<br />
Belinskis auf. „Wir sind“, schrieb Tschernyschewski, „mit ihr“ (d. h. mit der „Kritik der Gogolschen Periode“ in<br />
der Person Belinskis. Die Red.) „durch die heiße Liebe treuer und dankbarer Schüler verbunden.“<br />
Die „Skizzen“ sind von großer Bedeutung für das Verständnis der philosophischen Ansichten Tschernyschewskis.<br />
Wir veröffentlichen hier Kapitel 6 ganz und Kapitel 7 teilweise; diese Stücke enthalten die Analyse der philosophischen<br />
Anschauungen Belinskis und eine bemerkenswerte Kritik Tschernyschewskis an der Philosophie Hegels.<br />
2 „Moskowski Nabljudatel“ – eine Literaturzeitschrift, die in den Jahren 1835-1837 unter der Leitung von W. P.<br />
Androssow und S. P. Schewyrjow stand. Im Jahre 1838 ging die Zeitschrift an Belinski über.<br />
3 „Teleskop“ – eine Monatsschrift mit dem Untertitel „Zeitschrift für moderne Bildung“; sie wurde in den Jahren<br />
1831–1836 von N. I. Nadeshdin herausgegeben. Im Jahre 1836 wurde sie wegen Abdruck des „Philosophischen<br />
Briefes“ von P. J. Tschaadajew verboten. Im „Teleskop“ begann Belinski seine literaturkritische Tätigkeit.<br />
4 „Telegraf“ oder „Moskowski Telegraf“ – eine Zeitschrift „für Literatur, Kritik, Wissenschaft und Kunst“,<br />
erschien in den Jahren 1825–1834 mit N. Polewoi als Herausgeber. Polewoi schloß sich später dem reaktionären<br />
Lager in der Literatur an.<br />
5 „Lesebibliothek“ – eine im Jahre 1834 von A. F. Smirdin und O. I. Senkowski ins Leben gerufene Zeitschrift.<br />
Sie wurde wegen ihrer reaktionären Richtung in den „Otetschestwennyje Sapiski“ und im „Sowremennik“<br />
scharf kritisiert.<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013