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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 286<br />

nur eine Abteilung des Buches endet, auf die eine andere Abteilung über eine andere Gattung<br />

der Dichtung – wahrscheinlich die Komödie – folgte.<br />

[585] Folglich kann also der Grundgedanke der Erwägungen Herrn Ordynskis, daß nämlich<br />

die „Poetik“ des Aristoteles im vollen Umfang auf uns gekommen sei und daß ihr Text keinerlei<br />

Korrektur bedürfe, schwerlich als der Wahrheit entsprechend betrachtet werden; der<br />

ganze Kommentar ist aber nur dazu geschrieben, um eben das zu beweisen. Er ist deshalb<br />

unbrauchbar.<br />

Genau so würde wahrscheinlich auch seine Übersetzung des aristotelischen Textes mehr Nutzen<br />

gebracht haben, wenn sie nicht die gleiche Sucht nach Originalität in der Sprache aufwiese,<br />

die sein Kommentar in bezug auf den gedanklichen Inhalt aufweist. An den von uns angeführten<br />

kurzen Zitaten wird der Leser schon gesehen haben, daß Herr Ordynski Aristoteles in<br />

eine sehr schwerfällige und dunkle Sprache übersetzt hat. Wir wollen damit nicht sagen, daß<br />

etwa das gesamte russische Leserpublikum die „Poetik“ des Aristoteles lesen würde, wenn die<br />

Übersetzung recht leicht und elegant wäre – dennoch würde sie in einer eleganteren Übersetzung<br />

ziemlich viele Leser gefunden haben; Herrn Ordynskis Übersetzung jedoch wird nur<br />

wenige Leser anziehen; sie wird das Schicksal der sehr tüchtigen Übersetzungen Martynows<br />

teilen, die kein Mensch liest, eben weil ihre Sprache zu dunkel und schwerfällig ist. Warum<br />

hat uns Herr Ordynski eigentlich eine so unlesbare Übersetzung vorgesetzt, wo er doch in der<br />

gleichen Abhandlung durch den Stil seiner Kommentare zeigt, daß er eine verständliche und<br />

ziemlich leichte Sprache schreiben kann Er sagt im Vorwort, er sei bestrebt gewesen, sich bei<br />

der Übersetzung möglichst eng an das Original zu halten. Ausgezeichnet! Aber erstens hat<br />

alles seine Grenzen, und auf Kosten einer klaren und richtigen Sprache nach buchstäblicher<br />

Übersetzung streben, heißt gerade der Genauigkeit der Übersetzung Schaden tun, denn was im<br />

Original klar ist, muß auch in der Übersetzung klar sein; wozu ist sonst die Übersetzung da<br />

Zweitens kommt die Übersetzung Herrn Ordynskis dem Original wirklich sehr nahe, kann<br />

jedoch durchaus nicht wörtlich genannt werden: sehr häufig werden bei ihm zwei Wörter<br />

durch eins übersetzt oder ein Wort durch zwei, selbst dort, wo man sehr gut Wort für Wort<br />

hätte übersetzen [586] können. Ohne sich weiter vom Original zu entfernen, als Herr Ordynski<br />

es tut, hätte man einen klaren und gut lesbaren Text herstellen können. Nicht eine zu sehr beengende<br />

Anlehnung an das Original, sondern die originelle Auffassung, die Herr Ordynski<br />

vom russischen Stil hat, ist die Ursache für die Mängel seiner Übersetzung. Er strebt nach einer<br />

Art gesuchter Volkssprache hält sich absichtlich nicht an die Regeln der Literatursprache<br />

bemüht sich, ihre Worte zu vermeid gibt veraltete oder wenig gebräuchliche Worte. Wozu<br />

das Schreibt, wie es allgemein üblich ist; und wenn ihr die lebendige Kraft der Einfachheit<br />

und Volkstümlichkeit in eurer Schreibweise habt, so wird diese ganz von selbst, ohne daß ihr<br />

besonders hinterher zu sein braucht, eurem Stil Einfachheit und Volkstümlichkeit geben. Jedes<br />

absichtliche Streben nach Originalität führt zu Geschraubtheit; und uns scheint, daß Herrn<br />

Ordynskis Arbeiten unter Beibehaltung all ihrer unzweifelhaften Vorzüge sehr viel mehr Leser<br />

finden und folglich viel mehr Nutzen bringen werden, wenn er auf den Anspruch verzichtet,<br />

eine originelle Sprache zu schreiben die der Gelehrte durchaus nicht nötig hat.<br />

Wir machen diese Bemerkung natürlich nur deshalb, weil wir die Tätigkeit Herrn Ordynskis<br />

als nützlich hochschätzen und deshalb wünschen, daß seine Werke beim russischen Publikum<br />

wachsenden Anklang finden. Wir verabschieden uns nun von unserem jungen Gelehrten gewiß<br />

nicht für lange, mit dem Wunsch, daß die russische Literatur in ihm für immer einen<br />

Fachmann der griechischen Philologie behält, der ebenso gewissenhaft und arbeitsam bleibt,<br />

wie er bisher war. [587]<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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