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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 263<br />
Macht an. Die Deutsche Nationalversammlung befaßte sich mit der Aufsetzung einer Verfassung<br />
des Deutschen Bundesstaates. Die Hoffnungen der deutschen Reformpartei schienen in<br />
Erfüllung gegangen zu sein.<br />
Der ganze linke Flügel der Hegelschen Schule nahm aktiv an den Ereignissen feil, die zur<br />
Einberufung der Deutschen Nationalversammlung, zur Unterstellung der deutschen Regierungen<br />
unter ihre Oberhoheit, zur Bildung einer Provisorischen Zentralregierung und zur Unterstellung<br />
aller deutschen Teilregierungen unter sie führten.<br />
Feuerbach nahm weder an der Agitation, die zu diesen Erfolgen führte, noch an den Beratungen<br />
der Deutschen Nationalversammlung irgendwelchen Anteil. Damit zog er sich Tadel zu.<br />
Als die Dinge mit dem Zusammenbruch aller Hoffnungen der Reformpartei endeten, sagte er, r<br />
habe von allem Anfang an einen völligen Mißerfolg vorausgesehen und sich deshalb nicht an<br />
einer Sache beteiligen können, die nach seiner Meinung von allem Anfang an keine Aussieht<br />
auf Erfolg hatte. Das Programm der Reformpartei war nach seiner Meinung inkonsequent, die<br />
Kräfte der Reform-[541]partei reichten zu einer Umgestaltung Deutschlands nicht aus, ihre<br />
Hoffnungen auf Erfolg waren phantastisch. Als er diese Meinung aussprach, erschien sie bereits<br />
der überwiegenden Mehrzahl der Gebildeten in Deutschland als richtig. Hätte er sich früher<br />
so gerechtfertigt, wäre zu dem unberechtigten auch noch der berechtigte Tadel hinzugekommen,<br />
er habe mit dem Aussprechen seiner Meinung die Reformpartei geschwächt. Deswegen<br />
hatte er den Vorwurf des Mangels an Mut und der Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohl<br />
der Nation schweigend hingenommen. Jetzt war die Sache der Reformpartei endgültig verloren,<br />
und er konnte ihr durch die Rechtfertigung seiner Handlungsweise nicht mehr schaden.<br />
Der Unterschied seiner Betrachtungsweise der politischen Ereignisse vom Frühjahr 1848 und<br />
der Betrachtungsweise des linken Flügels der Hegelschen Schule entsprach dem Unterschied<br />
seines Systems philosophischer Überzeugungen von den Gedanken dieses linken Flügels. Die<br />
philosophische Denkweise jener Schüler Hegels, die nach seinem Tode den linken Flügel der<br />
Hegelianer bildeten, war ungenügend konsequent, hatte allzu viele phantastische Begriffe<br />
beibehalten, die entweder speziell dem System Hegels angehörten oder diesem mit allen metaphysischen<br />
Systemen der deutschen Philosophie gemeinsam waren, angefangen bei Kant,<br />
der, anfangs gegen die Metaphysik auftretend, selbst tiefer in ihr versank als die ihm vorausgehenden<br />
und von ihm widerlegten deutschen Philosophen der Wolffschen Schule. Zugleich<br />
waren die Philosophen des linken Flügels der Hegelschen Schule zu wenig wählerisch bei der<br />
Aneignung von Auffassungen der Fachleute für Naturwissenschaft und Gesellschaftswissenschaft,<br />
die ihnen als fortschrittlich erschienen; zusammen mit wissenschaftlicher Wahrheit<br />
entnahmen sie diesen speziellen Abhandlungen viele falsche Theorien. Diese schwachen Seiten<br />
der Denkweise der Philosophen vom linken Flügel der Hegelianer treten besonders scharf<br />
in den Werken Bruno Bauers zutage, der an Geist allen anderen außer Strauß überlegen war. 6<br />
Er fiel mehrmals von einem Extrem ins andere und schrieb zum Beispiel, nachdem er mit der<br />
Verurteilung der exege-[542]tischen Kritik von Strauß als zerstörerisch begonnen hatte, selber<br />
einige Zeit später ein exegetische Abhandlung, mit der verglichen Strauß’ Exegese als<br />
konservativ erschien (Bruno Bauer setzte an Stelle der Mythentheorie, die Strauß vertrat, eine<br />
Theorie der persönlichen Autorenwillkür) 7 ; deshalb gewannen seine Arbeiten, die von einer<br />
sehr bedeutenden Geisteskraft zeugen, nicht solchen Einfluß auf das Denken besonnener<br />
Menschen wie die Arbeiten von Strauß, der stets selbst ein besonnener Mann blieb.<br />
Strauß arbeitete ständig an der Verbesserung seiner Auffassungen und brachte sie so schließlich<br />
in ein System, das er in der Abhandlung „Der alte und der neue Glaube“ niederlegte. Dieses<br />
6 Nach den Worten „überlegen war“ ist im Manuskript gestrichen: „und vielleicht, was eigentliche Geisteskraft<br />
betrifft, auch ihn übertraf“.<br />
7 Bezieht sich auf B. Bauers „Kritik der ev. Gesch. der Synoptiker“ (1841/42).<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013