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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 262<br />
Vorzug gab. Vischer ist ein ziemlich bedeutender Denker, mit Hegel verglichen jedoch ein<br />
Pygmäe. Überall, wo er die Grundideen der „Ästhetik“ Hegels verläßt, verdirbt er sie. Die<br />
Stellen, die der Autor anführt, geben übrigens Hegels Ideen unverändert wieder.<br />
Durch Anwendung der Grundgedanken Feuerbachs auf die Beantwortung der Fragen der<br />
Ästhetik kommt der Autor zu einem System von Auffassungen, die vollkommen in Gegensatz<br />
zu der ästhetischen Theorie stehen, die Vischer als Hegelianer des linken Flügels vertritt.<br />
Das entspricht dem Verhältnis der Philosophie Feuerbachs zur Philosophie Hegels selbst in<br />
der Gestalt, die sie bei den Denkern des linken Flügels der Hegelschen Schule erhalten hat.<br />
Sie ist etwas völlig anderes als die metaphysischen Systeme, deren in wissenschaftlicher Hinsicht<br />
bestes das System Hegels war. Die inhaltliche Verwandtschaft ist verschwunden, übriggeblieben<br />
ist nur die Verwendung einiger Fachausdrücke, die allen deutschen philosophischen<br />
Systemen von Kant bis Hegel gemeinsam sind. Die Denker des linken Flügels der Hegelschen<br />
Schule erkannten bei Feuerbach, sobald er sich selbständig gemacht hatte, Bestrebungen<br />
hinsichtlich des [539] sozialen Lebens, die bei ihnen selbst und bei der überwiegenden<br />
Mehrzahl der Gebildeten jener Zeit an der Tagesordnung waren; deshalb hielten sie ihn<br />
für einen der Ihren. Bis zum Jahre 1848 bemerkten sie nicht den radikalen Unterschied seiner<br />
Denkweise von ihren Auffassungen. Dieser Unterschied zeigte sich in der verschiedenen Betrachtungsweise<br />
der Ereignisse, die sich im Frühjahr 1848 in Deutschland abspielten. Der<br />
Umsturz, zu dem es Ende Februar in Frankreich gekommen war, machte der Reformpartei in<br />
Deutschland Mut; sie glaubte, daß die Masse des deutschen Volkes mit ihren Bestrebungen<br />
sympathisiere, und riß in den ersten Märztagen unter Zustimmung der Massen der Städter in<br />
Baden, Württemberg und den kleineren Staaten Westdeutschlands die Macht an sich; einige<br />
Tage später kam es zum Umsturz in Osterreich: Ungarn wurde von der Wiener Regierung<br />
unabhängig. Eine Woche nach dem Umsturz in Wien erfolgte der Umsturz in Berlin. Die<br />
Reformpartei war jetzt überzeugt, daß nicht nur die aus ihren lokalen Führern gebildeten Regierungen<br />
der zweitrangigen und kleinen deutschen Staaten bei der Erfüllung ihrer Wünsche<br />
behilflich sein würden, sondern daß auch die österreichische und die preußische Regierung,<br />
die jetzt aus Leuten von mehr oder weniger liberaler Denkweise und patriotischer Gesinnung<br />
bestanden, ihr entweder helfen oder sich wenigstens ihren Forderungen unterwerfen würden.<br />
Gegen Ende März trat in Frankfurt, der Hauptstadt des ehemaligen Deutschen Reiches, eine<br />
Versammlung zahlreicher Vertreter der Liberalen Partei zusammen. Sie erklärten ihre Versammlung<br />
(das Vorparlament) als berechtigt und verpflichtet, Anordnungen hinsichtlich der<br />
Einberufung eines deutschen Parlaments („Nationalversammlung“) zu treffen, die Tätigkeit<br />
des in Frankfurt tagenden Deutschen Reichstags, der nach der alten Ordnung aus Bevollmächtigten<br />
der deutschen Regierungen bestand, zu kontrollieren, und alle Maßnahmen zu<br />
ergreifen, die nötig waren, um alle deutschen Regierungen, darunter auch die preußische und<br />
die österreichische, dazu zu bringen, daß sie sich diesem Reichstag unterordneten, der die<br />
vom Vorparlament diktierten Beschlüsse faßte. Tatsächlich unterordneten sich alle Regierungen,<br />
sogar die [540] preußische und die österreichische, dem Vorparlament und dem Deutschen<br />
Reichstag, de; vom Vorparlament beherrscht wurde. In allen Gebieten der im Jahre<br />
1815 unter dem Namen „Deutscher Bund“ geschaffenen Staatenföderation wurden Wahlen<br />
von Abgeordneten zu einem deutschen Parlament abgehalten, das in Frankfurt zusammentreten<br />
und die neue Staatsordnung Deutschlands festlegen, es aus einem „Staatenbund“ in einen<br />
„Bundesstaat“ verwandeln sollte. Die Nationalversammlung (so nannte sich dieses deutsche<br />
Parlament) begann ihre Sitzungen am 18. Mai in Frankfurt; alle Regierungen erkannten ihre<br />
Macht an. Sie wählte am 14. Juni zum Provisorischen Regenten (Reichsverweser) Deutschlands<br />
den Erzherzog Johann, den Onkel des österreichischen Kaisers, der ihn mit der provisorischen<br />
Lenkung Österreichs beauftragte. Er brachte seine österreichischen Angelegenheiten<br />
in Ordnung, kam nach Frankfurt und übernahm am 12. Juli die Leitung des Deutschen Bundes.<br />
Nicht nur die österreichische, sondern auch die preußische Regierung erkannte seine<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013