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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 260<br />

die anonyme Schrift „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“ * . Sie erschien im [535] Jahre<br />

1830, also ein Jahr vor dem Tode Hegels. Als der autoritative Meister gestorben war, ließ die<br />

Einheitlichkeit der Denkweise bei der Masse seiner Anhänger nach, und im Jahre 1835 zerfiel<br />

Hegels Schule anläßlich des Erscheinens der Abhandlung „Das Leben Jesu“ von Strauß in<br />

drei Gruppen: einige seiner Anhänger blieben dem System des vorsichtigen Liberalismus<br />

ihres Lehrers treu; die wichtigsten von ihnen waren Michelet und Rosenkranz; sie bildeten<br />

die Gruppe, die die Bezeichnung „Zentrum“ erhielt; eine ziemlich große Anzahl anderer vertraten<br />

offen entschieden progressive Ideen; der bedeutendste Vertreter dieser Richtung war<br />

Strauß; er und die mit ihm gehenden Philosophen bildeten den linken Flügel der Hegelschen<br />

Schule; sehr viele der Schüler Hegels fühlten sich abgestoßen von der Schärfe der Ideen jener,<br />

insbesondere von den Schlußfolgerungen der Straußschen Exegese, und warfen in der<br />

Polemik mit dem linken Flügel alle jene progressiven Elemente über Bord, die im System<br />

Hegels mit den konservativen Elementen verflochten waren; diese zahlreiche Gruppe bildete<br />

den rechten Flügel. Die Zentrumsgruppe bemühte sich, die Polemik des rechten Flügels gegen<br />

den linken zu mäßigen, was sich jedoch als unmöglich erwies; die beiden entfernten sich,<br />

jede ihre eigene Richtung gehend, immer weiter voneinander, und am Vorabend der Zeit, wo<br />

die politischen Ereignisse des Jahres 1848 der Masse des deutschen Publikums Interessen<br />

gaben, denen gegenüber die philosophischen Streitigkeiten ihre Bedeutung verloren, führte<br />

die Spaltung zwischen dem linken und dem rechten Flügel der Hegelianer dazu, daß die<br />

Mehrheit der Philosophen des rechten Flügels nur noch die Terminologie Hegels beibehielt,<br />

mit deren Hilfe sie Gedanken des 18. Jahrhunderts vorbrachte, während die Mehrheit der<br />

Denker des linken Flügels in den Rahmen der Hegelschen Dialektik einen Inhalt einfügte, der<br />

mehr oder weniger der sogenannten Philosophie der Enzyklopädisten glich.<br />

Der Verfasser der „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“, Ludwig Feuerbach, befaßte<br />

sich einige Jahre lang mit Arbeiten über die Geschichte der neueren Philosophie. 3 Diese Arbeiten<br />

trugen wahrscheinlich dazu bei, daß seine Auf-[536]fassungen weit über den gewöhnlichen<br />

Gedankenkreis der nach Kant zur Entwicklung gekommenen deutschen Philosophie<br />

hinausgehen. Der linke Flügel der Hegelschen Schule rechnete Feuerbach zu seinem Lager.<br />

Er behielt einen Teil der Hegelschen Terminologie bei. Im Jahre 1845 jedoch sagte er bereits<br />

im Vorwort zu seinen Gesammelten Werken, daß die Zeit der Philosophie vorüber sei und<br />

daß die Naturwissenschaft an ihre Stelle treten müsse. Er gibt einen Überblick über die Entwicklungsphasen,<br />

die sein Denken durchlaufen hat, zeigt bei jeder von ihnen, warum er nicht<br />

bei ihr stehenblieb, sie als veraltet ansah und zur nächsten überging, und sagt dann anläßlich<br />

der Darstellung der Grundideen seiner letzten Arbeiten: „Aber ist denn dieser dein gegenwärtiger<br />

Standpunkt nicht vielleicht schon ein antiquierter“, worauf er antwortet: „Leider, leider!“<br />

Diese Erklärung, daß er auch solche seiner Arbeiten wie „Das Wesen der Religion“ **<br />

für veraltet hielt, beruhte auf der Hoffnung, daß bald Naturwissenschaftler auftreten würden,<br />

die fähig wären, die Philosophen bei der Erläuterung der umfassenden Fragen zu ersetzen,<br />

deren Erforschung bis dahin die Spezialbeschäftigung der sich Philosophen flennenden Denker<br />

gewesen war.<br />

Hat die Hoffnung Feuerbachs sich wenigstens jetzt, mehr als vierzig Jahre, nachdem er sie<br />

ausgesprochen hat, erfüllt Das ist eine Frage, mit der ich mich nicht beschäftigen werde.<br />

Meine Antwort würde traurig ausfallen.<br />

* Die Schrift stammte aus der Feder Ludwig Feuerbachs. Sie wurde in Rußland sofort nach dem Erscheinen<br />

konfisziert. Die Red.<br />

3 Von Feuerbach stammt eine Reihe von Arbeiten zur Philosophiegeschichte: „Geschichte der neueren Philosophie“<br />

(1833), „Pierre Bayle“ (1836), Entwicklung und Darstellung der Philosophie Leibniz“ (1836).<br />

** Erschienen 1845. Die Red.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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