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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 25<br />
Geologie und dann auf einmal Betrachtungen über die politischen Parteien in England oder<br />
Frankreich, über die westeuropäischen Sitten, über die Hoffnungen und Befürchtungen verschiedener<br />
Stände und verschiedener Publizisten – was für ein willkürlicher Übergang, welcher<br />
Mangel an Logik! Was kann ich machen, lieber Leser: man gibt eben, was man hat; mehr<br />
durften Sie von unserem Aufsatz auch nicht erwarten. [109] Versuchen wir einmal, die Methode<br />
des negativen Schlusses auf den Charakter des Unbekannten vom Charakter des Bekannten<br />
auf diesen Aufsatz anzuwenden, und sehen wir zu, was Sie keinesfalls von ihm erwarten<br />
sollten, wenn Sie sich die Mühe gegeben hätten, diese Methode in Anwendung zu bringen,<br />
bevor Sie ihn zu lesen begannen. Der Aufsatz ist russisch, für ein russisches Publikum geschrieben:<br />
das konnten Sie schon am Umschlag der Zeitschrift erkennen. Der Aufsatz beabsichtigt,<br />
philosophische Fragen zu behandeln – auch das ließ sich aus dem Titel auf dem Umschlag<br />
der Nummer erkennen. Überlegen Sie jetzt einmal selber: gibt es in diesen beiden Ihnen<br />
bekannten Tatsachen so etwas wie Logik Ein gewisser Jemand hat einen Aufsatz für das<br />
russische Publikum geschrieben. Braucht das russische Publikum Zeitschriftenaufsätze Allem<br />
Anschein nach nicht; denn wenn es sie brauchte, würden sie nicht so sein, wie sie heute sind.<br />
Dieser Ihnen unbekannte Jemand, der Verfasser dieses Aufsatzes, handelte also alles andere<br />
als logisch, tat etwas, was das Publikum gar nicht braucht – er schrieb einen Aufsatz. Großzügig,<br />
wie Sie sind, haben Sie jedoch diese Dummheit hingenommen, ohne ihm einen Vorwurf<br />
daraus zu machen: da hat er sich was ausgedacht, was niemand braucht – nun, wenn schon:<br />
meinetwegen soll er Artikel schreiben. Jetzt eine andere Frage: worüber hat er denn nun geschrieben<br />
Über Philosophie. Über Philosophie! Gütiger Gott! wer macht sich denn in der<br />
russischen Gesellschaft Gedanken über philosophische Fragen Höchstens vielleicht Herr<br />
Lawrow – und das ist noch zweifelhaft: vielleicht würde auch Herr Lawrow selber sich viel<br />
lieber statt mit allen möglichen philosophischen Fragen mit Angelegenheiten unseres Alltagslebens<br />
und unserer Gesellschaft befassen. Die Wahl des Gegenstandes für eine so unlogische<br />
Handlung wie die Abfassung eines Zeitschriftenartikels ist noch unlogischer als die Handlung<br />
selber. Was konnten Sie von einem Aufsatz erwarten, an dessen Kopf zwei große Stempel mit<br />
der Aufschrift: Mangel an Logik – stehen Bei dem heutigen Stand der Wissenschaften in<br />
Rußland läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, was für Dinge man in diesem Aufsatz, nach seinem<br />
Titel zu urteilen, [110] zu finden erwarten kann; aber ganz sicher kann man sagen, daß<br />
man keinesfalls Logik in ihm zu erwarten hat. Und wo es keine Logik gibt, gibt es auch keinen<br />
rechten Zusammenhang. Da haben wir gleich ein kleines Erfahrungsbeispiel für die Anwendung<br />
der Theorie der negativen Schlüsse vom Charakter eines Bekannten auf den Charakter<br />
eines Unbekannten. Die prinzipielle Zuverlässigkeit dieser Methode haben Sie beim Lesen<br />
dieses Aufsatzes glänzend bestätigt gefunden, nicht wahr Wir sagen das nicht aus bloßer Autoreneitelkeit,<br />
sondern aus der ehrlichen und begründeten Überzeugung heraus, daß dieser<br />
Aufsatz alle anderen Aufsätze, die Sie je gelesen haben, an Zusammenhanglosigkeit, an Ungereimtheit<br />
mindestens um ebensoviel überragt, wie der chemische Prozeß im Pflanzenleben den<br />
gleichen Prozeß in der anorganischen Natur an Intensität übertrifft. Und nun sagen Sie selber:<br />
müssen wir jetzt nicht, um dem Charakter des Aufsatzes treu zu bleiben, von den Betrachtungen<br />
über die Chemie zu Betrachtungen über die Zukunft Westeuropas hinüberwechseln<br />
Wir haben schon gesehen, welchen Charakter die Denkweise des anständigen Teils jener<br />
Stände Westeuropas trägt, die von den durch sie selbst als unvermeidlich und gerecht anerkannten<br />
Veränderungen Verluste zu erwarten haben. Die Sorge über das ihnen bevorstehende<br />
Geschick beunruhigt ihre Gemüter. Sie haben nicht die Kraft, die Grundsätze, die sie selber<br />
in ihrer allgemeinen, abstrakten Form anerkennen, auf eine Tatsache anzuwenden, die sie<br />
selber angeht. Wir haben ferner gesehen, auf welcher Entwicklungsstufe die Denkweise des<br />
einfachen Mannes Westeuropas steht. Die allgemeine Idee der modernen Wissenschaft, deren<br />
Schlußfolgerungen seinen Bedürfnissen entsprechen, ist noch nicht bis zu ihm gedrungen. Er<br />
hält sich noch an veraltete Grundsätze, kennt jedoch die völlige Unhaltbarkeit der Schlußfol-<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013