15.01.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 234<br />

beste Teil der Einzelheiten und Wirkungen verloren; vieles läßt sich von der menschlichen<br />

Stimme oder dem vollen Orchester entschieden nicht auf das klägliche, arme, tote Instrument<br />

übertragen, das nach Maßgabe seiner Möglichkeit die Oper wiedergeben soll; deshalb ist bei<br />

der Bearbeitung vieles zu verändern, vieles zu ergänzen – nicht in der Hoffnung, daß die<br />

Oper bei der Einrichtung für Klavier besser wird, als sie in ihrer ursprünglichen Gestalt ist,<br />

sondern um einigermaßen den Schaden wiedergutzumachen, den die Oper bei [489] der Bearbeitung<br />

notwendig erleidet; nicht weil der Bearbeiter die Fehler des Komponisten korrigieren<br />

will, sondern einfach, weil er nicht über die Mittel verfügt, die der Komponist besitzt.<br />

Noch größer ist der Unterschied zwischen den Mitteln des wirklichen Lebens und des Dichters.<br />

Wer eine Dichtung aus einer Sprache in die andere übersetzt, muß das zu übersetzende<br />

Werk bis zu einem gewissen Grade verändern; wie sollte sich da nicht die Notwendigkeit von<br />

Veränderungen einstellen, wenn es eine Begebenheit aus der Sprache des Lebens in die dürftige,<br />

farblose und tote Sprache der Dichtung zu übersetzen gilt<br />

* * *<br />

Eine Apologie der Wirklichkeit gegenüber der Phantasie, das Bemühen, zu beweisen, daß die<br />

Werke der Kunst entschieden keinen Vergleich mit der lebendigen Wirklichkeit aushalten –<br />

das ist das Wesen dieser Überlegungen. Heißt so von der Kunst reden, wie es der Autor tut,<br />

nicht die Kunst herabsetzen – Ja, wenn der Nachweis, daß die Kunst hinsichtlich der künstlerischen<br />

Vollkommenheit ihrer Schöpfungen hinter dem wirklichen Leben zurückbleibt, eine<br />

Herabsetzung der Kunst 98 bedeutet; aber gegen die Panegyriker auftreten, heißt noch nicht, ein<br />

Lästerer sein. Die Wissenschaft denkt nicht daran, der Wirklichkeit überlegen sein zu wollen;<br />

das ist für sie keine Schande. Auch die Kunst soll nicht glauben, daß sie der Wirklichkeit überlegen<br />

sei; das bedeutet für sie keine Erniedrigung. Die Wissenschaft schämt sich nicht zu sagen,<br />

daß es ihr Zweck ist, die Wirklichkeit zu verstehen und zu erklären und ihre Erklärungen<br />

dann zum Wohl des Menschen zu verwenden; möge sich auch die Kunst nicht schämen zuzugeben,<br />

daß ihr Zweck ist: zur Entschädigung für den Fall, daß es keinen von der Wirklichkeit<br />

gelieferten vollendeten ästhetischen Genuß gibt, diese wertvolle Wirklichkeit für den Menschen<br />

nach Kräften nachzubilden und sie zum Wohle des Menschen zu erklären.<br />

Möge die Kunst sich mit ihrer hohen, schönen Bestimmung begnügen: wenn die Wirklichkeit<br />

fehlt, bis zu einem [490] gewissen Grade ihr Ersatz und für den Menschen ein Lehrbuch des<br />

Lebens zu sein.<br />

Die Wirklichkeit steht höher als Träume und die wesentliche Bestimmung höher als phantastische<br />

Ansprüche.<br />

* * *<br />

Die Aufgabe des Autors bestand darin, die Frage der ästhetischen Beziehungen der Kunstwerke<br />

zu den Vorgängen des Lebens zu untersuchen und festzustellen ob die herrschende<br />

Meinung richtig sei, nach der das wahrhaft Schöne, welches als wesentlicher Inhalt der<br />

Kunstwerke angenommen wird, in der objektiven Wirklichkeit nicht besteht und nur durch<br />

die Kunst verwirklicht wird. Untrennbar mit dieser Frage verbunden sind die Fragen nach<br />

dem Wesen des Schönen und nach dem Inhalt der Kunst. Die Untersuchung der Frage nach<br />

dem Wesen des Schönen brachte den Autor zu der Überzeugung, daß das Schöne das Leben<br />

ist. Nach dieser Beantwortung der Frage war es notwendig, die Begriffe des Erhabenen und<br />

Tragischen zu untersuchen, die nach der gewöhnlichen Definition des Schönen als Momen-<br />

98 Nach den Worten „eine Herabsetzung der Kunst“ heißt es im Manuskript weiter: „wenn die Auflehnung gegen<br />

ihre übertriebene Lobpreisung, wenn der Beweis, daß die Panegyriker der Kunst mehr zuschreiben, als ihr<br />

gerechterweise zugestanden werden kann“.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!