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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 22<br />

verschiedene chemische Verbindungen eingehen. Diese Übereinstimmung zwischen Gras<br />

und Eiche konnte durch Analyse auch ein Geist entdecken, der über keinen großen Vorrat<br />

von Beobachtungen und feinen Forschungsmitteln verfügte; zur Entdeckung der Einerleiheit<br />

von anorganischen Stoffen und Pflanzen bedurfte es sehr viel größerer geistiger Anstrengungen<br />

und der Zuhilfenahme sehr viel leistungsfähigerer Forschungsmittel. Die Chemie macht<br />

vielleicht den höchsten Ruhm unseres Jahrhunderts aus.<br />

Übrigens sind ein großer Vorrat von Beobachtungen und besonders feine analytische Mittel<br />

nicht so sehr dazu nötig, daß ein genialer Geist die Wahrheit erkennen kann, deren Entdekkung<br />

tiefschürfende Überlegungen erfordert – meist ist es, wenigstens bei allgemeinphilosophischen<br />

Fragen, so, daß die Wahrheit für einen Menschen von Forschergeist und<br />

logischem Verstand auf den ersten Blick sichtbar wird – umfangreiche Forschungen und ein<br />

großer wissenschaftlicher Apparat bringen in diesen Fällen eigentlich jenen Nutzen, daß die<br />

Wahrheit, die ein genialer Mensch entdeckt, ohne diese Hilfsmittel nichts ist als seine persönliche<br />

Einsicht, die er nicht wissenschaftlich genau beweisen kann, und die deshalb entweder<br />

von den anderen Menschen, die weiter an ihren falschen Meinungen leiden, abgelehnt oder,<br />

was vielleicht noch schlimmer ist, von den anderen Menschen nicht aus Vernunftgründen,<br />

sondern aus blindem Vertrauen in das Wort einer Autorität angenommen wird. Die heute von<br />

den Naturwissenschaften erklärten und bewiesenen Grundsätze waren bereits von den griechischen<br />

Philosophen, ja sogar wesentlich früher von den indischen Denkern aufgefunden<br />

und als Wahrheit erkannt worden und sind wahrscheinlich zu allen Zeiten und bei allen Völkern<br />

von Menschen mit einem starken logischen Denkvermögen entdeckt worden. Die genialen<br />

Menschen der Vergangenheit waren jedoch nicht imstande, die Wahrheit zu entwickeln<br />

und sie logisch zu beweisen. Sie war stets überall bekannt, ist jedoch erst in den letzten Jahrzehnten<br />

zur Wissenschaft [104] geworden. Man pflegt die Wissenschaft mit einem Buch zu<br />

vergleichen, das die ganze Wahrheit enthält, jedoch in einer Sprache geschrieben ist, die man<br />

erst lernen muß, um das Buch zu verstehen. Indem wir diesen Vergleich aufnehmen, sagen<br />

wir, daß sich jede Sprache sehr leicht in dem Umfang erlernen läßt, der zum allgemeinen<br />

Verständnis der in ihr geschriebenen Bücher nötig ist; es gehört jedoch ein langes und<br />

schwieriges Studium dazu, sie so zu erlernen, daß man imstande ist, alle Zweifel an der richtigen<br />

Deutung des Sinnes, den wir in den Worten des Buches finden, zu beseitigen, jeden<br />

einzelnen Ausdruck in ihm zu erklären und eine gute Grammatik dieser Sprache zu schreiben.<br />

Die Einheit der Gesetze der Natur ist von genialen Menschen schon vor langer Zeit verstanden<br />

worden; jedoch erst in den letzten Jahrzehnten hat unser Wissen solchen Umfang angenommen,<br />

daß es den wissenschaftlichen Nachweis für die Begründetheit dieser Deutung der<br />

Naturerscheinungen erbringen kann.<br />

Man sagt: die Naturwissenschaften sind noch nicht so entwickelt, daß sie alle wichtigen Erscheinungen<br />

der Natur befriedigend erklären können. Das ist durchaus richtig; aber die Gegner<br />

der wissenschaftlichen Richtung in der Philosophie ziehen aus dieser Wahrheit einen alles<br />

anderen als logischen Schluß, wenn sie sagen, daß die Lücken, die noch in der wissenschaftlichen<br />

Erklärung der Naturerscheinungen bestehen, die Beibehaltung irgendwelcher Überreste<br />

einer phantastischen Weltanschauung rechtfertigen. In Wirklichkeit gibt der Charakter der<br />

Resultate, die uns die Analyse der von der Wissenschaft erklärten Teilgebiete und Erscheinungen<br />

liefert, bereits eine genügend belegte Vorstellung von dem Charakter der Elemente,<br />

Kräfte und Gesetze, die in den übrigen, noch nicht ganz erklärten Gebieten und Erscheinungen<br />

wirksam sind: gäbe es in den noch nicht erklärten Gebieten und Erscheinungen irgend<br />

etwas anderes als das, was in den erklärten Gebieten aufgefunden worden ist, dann besäßen<br />

auch die erklärten Gebiete nicht den Charakter, den sie haben. Nehmen wir ein beliebiges<br />

Gebiet der Naturwissenschaften – meinetwegen die Geographie oder Geologie –‚ und sehen<br />

wir zu, welchen Charakter die Kennt-[105]nisse, die wir auf verschiedenen Teilgebieten des<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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