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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 183<br />

Mit der herrschenden Definition des Komischen – „das Komische ist das Überwiegen des<br />

Bildes über die Idee“, anders gesagt: eine innere Leere und Nichtigkeit, die sich hinter einem<br />

Äußeren versteckt, welches Anspruch auf Inhalt und reale Bedeutung erhebt –‚ mit dieser<br />

Definition kann man sich durchaus einverstanden erklären; gleichzeitig muß man [402] jedoch<br />

sagen, daß Vischer, der Verfasser der besten Ästhetik in Deutschland, den Begriff des<br />

Komischen zu eng gefaßt hat, wenn er ihn, zur Erhaltung der Hegelschen dialektischen Methode<br />

der Entwicklung von Begriffen, nur dem Begriff des Erhabenen gegenüberstellt. Das<br />

kleinliche Komische, das dumme oder stumpfsinnige Komische bildet natürlich einen Gegensatz<br />

zum Erhabenen; das häßlich Komische, das mißgestaltete Komische dagegen bildet einen<br />

Gegensatz zum Schönen, nicht aber zum Erhabenen. Das Erhabene kann, nach Vischers<br />

eigener Darlegung, häßlich sein; wie kann das häßliche Komische ein Gegensatz zum Erhabenen<br />

sein, wenn diese beiden Begriffe sich nicht wesentlich, sondern nur graduell, nicht<br />

qualitativ, sondern quantitativ unterscheiden, wenn das kleinliche Häßliche zum Komischen<br />

gehört, das riesige oder schreckliche Häßliche zum Erhabenen – Daß das Häßliche der Gegensatz<br />

des Schönen ist, versteht sich von selbst.<br />

Nach Abschluß der Analyse der Auffassungen vom Wesen des Schönen und Erhabenen,<br />

müssen wir nunmehr zur Analyse der herrschenden Ansichten von den verschiedenen Verwirklichungsweisen<br />

der Idee des Schönen übergehen.<br />

Hier tritt nun, scheint es, besonders stark die Bedeutung der Grundbegriffe in Erscheinung,<br />

deren Analyse in dieser Skizze soviel Platz beansprucht hat: das Abgehen von der herrschenden<br />

Ansicht vom Wesen dessen, was den Hauptinhalt der Kunst ausmacht, führt notwendig<br />

zu einer Veränderung der Auffassungen auch vom eigentlichen Wesen der Kunst. Das heute<br />

herrschende System der Ästhetik unterscheidet mit vollem Recht drei Formen der Existenz<br />

des Schönen, dem in ihr als seine Abarten auch das Erhabene und das Komische zugerechnet<br />

werden. (Wir werden nur vom Schönen sprechen, weil es uns ermüden würde, dreimal ein<br />

und dasselbe zu wiederholen: alles, was in der heute herrschenden Ästhetik vom Schönen<br />

gesagt wird, gilt in ihr voll und ganz auch für seine Abarten; ganz genau so gelten unsere<br />

Kritik der herrschenden Auffassungen von den verschiedenen Formen des Schönen und unsere<br />

eigenen Auffassungen von der Beziehung des Kunstschönen zum Schönen in der Wirklichkeit<br />

voll und ganz für alle übrigen Elemente, [403] die zum Inhalt der Kunst gehören,<br />

unter ihnen auch für das Erhabene und das Komische.)<br />

Die drei verschiedenen Formen, in denen das Schöne existiert, sind: das Schöne in der Wirklichkeit<br />

(oder das Naturschöne, wie die Hegelsche Schule sagt), das Schöne in der Phantasie<br />

und das Schöne in der Kunst (in dem wirkliehen Dasein, das ihm die schöpferische Phantasie<br />

des Menschen verleiht). Die erste der Grundfragen, denen man hier begegnet, ist die Frage der<br />

Beziehung des Schönen in der Wirklichkeit zum Schönen in der Phantasie und in der Kunst.<br />

denn er hat sie nicht mit leeren Händen gehen lassen. ‚Wem habe ich etwas Böses getan‘ kann er die Menschen<br />

seiner Umgebung mit Stolz fragen. Und er ist wirklich für keinen Einzelmenschen verderblich; verderblich ist er<br />

nur für die Gesellschaft, die er ansteckt und schändet; er ist ein Feind nur der ‚strengen‘ Sittlichkeit. In Wirklichkeit<br />

aber ist er ein Verbrecher, der schlimmer ist als jeder andere Verbrecher, weil er ein Verderber schlimmer<br />

als jeder andere Verderber ist. Sein Beispiel besagt: ‚Ihr braucht das Laster nicht zu fürchten; das Laster<br />

braucht niemandem zu schaden; das Laster kann gütig und milde sein.‘ Die Kunst hat, soweit ich mich erinnere,<br />

solche Persönlichkeiten allerdings noch nie vom obigen Standpunkt aus dargestellt (man kann allerdings in<br />

diesem Zusammenhang auf das bekannte Gemälde ‚Nach der Orgie‘ von Couture verweisen); sie hat sie aber<br />

deshalb nicht dargestellt, weil es allzu schwer ist, bei der Darstellung derartiger Persönlichkeiten die empörte<br />

Abscheu zurückzuhalten und einen solchen Menschen für den furchtbaren Schaden, den er anrichtet, nicht seine<br />

Strafe finden zu lassen, indem man ihn nicht nur als verderblich, sondern auch als jämmerlich, schmutzig und<br />

verächtlich darstellt. Das Tragische verwandelt sich hier gegen den Willen des Autors in das Ironisch-<br />

Sarkastische Auch diese Art des Tragischen paßt zu der oben aufgestellten Definition.<br />

Das führt uns ganz natürlich zum Komischen.“<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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