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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 18<br />
Ebenso müssen wir, wenn es scheint, ein bestimmter Gegenstand besitze irgendeine besondere<br />
Qualität, die sich angeblich bei anderen Gegenständen überhaupt nicht findet, den Fall wiederum<br />
wissenschaftlich untersuchen. Es scheint uns zum Beispiel, das Holz habe eine ganz besondere<br />
Fähigkeit, die ein großer Teil anderer Körper nicht besitze: es brennt, während Stein, Ton,<br />
Eisen nicht brennen. Wenn wir dann aber mit Hilfe wissenschaftlicher Instrumente den als<br />
„Verbrennung“ bezeichneten Prozeß untersuchen, finden wir, daß er aus der Verbindung einiger<br />
Elemente des gegebenen Körpers mit Sauerstoff besteht; gleichzeitig zeigt die Wissenschaft,<br />
daß in einem großen Teil der sogenannten nicht brennbaren Körper ständig genau der<br />
gleiche Prozeß der Verbindung aller oder einiger ihrer Bestandteile mit Sauerstoff vor sich<br />
geht. So unterliegt Eisen zum Beispiel ständig der Oxydation – in der Umgangssprache wird<br />
diese Abart des Prozesses mit dem besonderen Wort „Rosten“ bezeichnet; die Wissenschaft<br />
stellt nun fest, daß Rosten und Verbrennung genau der gleiche Prozeß sind, und daß diese seine<br />
zwei Sonderfälle unserer Empfindung nur deshalb als verschieden erscheinen, weil der Prozeß<br />
in dem einen Falle sehr viel schneller, sehr viel intensiver vor sich geht als im anderen.<br />
Woher kommt es nun, daß verschiedene Gegenstände unter gleichen Bedingungen bestimmte<br />
Qualitäten in einem verschiedenen Grade von Intensität aufweisen Weshalb zeigt der Stein<br />
unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen in sehr hohem Grade die mit Schwere bezeichnete<br />
Qualität, während die Luft sie nur bei Verwendung besonderer wissenschaftlicher<br />
Hilfsmittel aufweist, die die Empfänglichkeit unserer Sinne steigern Warum vollzieht sich<br />
die Oxydation des Eisens in der gewöhnlichen Atmosphäre bedeutend lang-[96]samer als die<br />
Oxydation des Holzes, wenn beide Gegenstände in ein und denselben glühenden Ofen gelegt<br />
werden Die Wissenschaft sagt, daß es ihr noch nicht gelungen ist, die Gesetze, von denen<br />
dieser Unterschied abhängt, bei den wenigen Körpern festzustellen, die in der Chemie vorläufig<br />
noch als einfache Körper gelten, daß jedoch in allen übrigen Körpern, die es ihr bisher zu<br />
zerlegen gelungen ist, dieser Unterschied aus einer Verschiedenheit in der Zusammensetzung<br />
oder aus einer Verschiedenheit im Zustand hervorgeht, in dem sich die Bestandteile eines<br />
zusammengesetzten Körpers jeweils befinden. Dem Unterschied zwischen Wasser und Öl<br />
oder Wasserdampf und Steinen entspricht eine Verschiedenheit in der Zusammensetzung<br />
dieser Körper. Dem Unterschied zwischen Kohle und Diamant entspricht die Verschiedenheit,<br />
daß die Bestandteile der Kohle sich in nichtkristallisiertem Zustand befinden, die Bestandteile<br />
des Diamanten dagegen in kristallisiertem. Die Naturwissenschaften stellen außerdem<br />
fest, daß einfache oder aus ihnen zusammengesetzte komplizierte Körper, wenn sie<br />
chemische Verbindungen miteinander eingehen, als Endprodukt im allgemeinen einen Körper<br />
mit Eigenschaften ergeben, die sich bei seinen Bestandteilen, solange sie getrennt waren,<br />
nicht vorfanden. So entsteht zum Beispiel, wenn Wasserstoff und Sauerstoff sich in bestimmten<br />
Proportionen verbinden, Wasser, welches viele weder beim Sauerstoff noch beim Wasserstoff<br />
zu beobachtende Qualitäten besitzt. Von diesen Verbindungen stellt die Chemie fest,<br />
daß die kompliziert zusammengesetzten unter ihnen sich im allgemeinen durch größere Veränderlichkeit,<br />
sozusagen Beweglichkeit auszeichnen. So ist zum Beispiel der Eisenrost, der<br />
nur aus der Verbindung von Eisen mit Sauerstoff in einer sehr einfachen Proportion besteht,<br />
sehr beständig, so daß man auf diesen Körper mit außerordentlich hoher Temperatur oder mit<br />
außerordentlich starken Reagenzien einwirken muß, um eine Veränderung in ihm herbeizuführen.<br />
Dagegen kann ein Blutkörperchen, in dem das Eisenoxyd nur einen der Bestandteile<br />
einer komplizierten chemischen Zusammensetzung unter Beimischung von verschiedenen<br />
anderen Körpern, zum Beispiel von Wasser, darstellt, seinen Bestand unmöglich lange erhalten:<br />
es [97] existiert sozusagen gar nicht in konstanter Gestalt, wie die Partikel des Rostes<br />
existieren, sondern ändert sich dauernd, indem es neue Partikeln aufnimmt und andere verliert.<br />
Das gleiche läßt sich von allen komplizierten zusammengesetzten chemischen Verbindungen<br />
sagen: sie neigen stark dazu, in einem ständigen Entstehen, Wachsen und Sich-<br />
Erneuern zu existieren und schließlich unter gewöhnlichen Umständen zugrunde zu gehen, so<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013