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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 17<br />
Qualität beilegen; so daß jeder Gegenstand sehr viele verschiedene Qualitäten besitzt. Holz<br />
zum Beispiel wächst und brennt; wir sagen, es hat zwei Qualitäten: die Fähigkeit zu wachsen<br />
und die Fähigkeit zu brennen. Worin ähneln diese Qualitäten einander Sie sind völlig verschieden;<br />
es gibt keinen Begriff, unter den man diese beiden Qualitäten einordnen könnte,<br />
außer dem allgemeinen Begriff der Qualität; es gibt keinen Begriff, unter den man die beiden<br />
Reihen von Erscheinungen, die diesen Qualitäten entsprechen, einreihen könnte, außer dem<br />
Begriff der Erscheinung. Oder ein anderes Beispiel: Eis ist hart und glänzend; was haben<br />
Härte und Glanz gemeinsam Der logische Abstand der einen dieser Qualität von der anderen<br />
ist maßlos groß, oder, besser gesagt, es besteht zwischen ihnen überhaupt kein logischer Abstand,<br />
weder ein kurzer noch ein langer, weil sie in überhaupt keiner logischen Beziehung<br />
zueinander stehen. Hieraus ersehen wir, daß die Vereinigung völlig verschiedenartiger Qualitäten<br />
in einem Gegenstand ein allgemeines Gesetz der Dinge ist. In dieser Mannigfaltigkeit<br />
entdecken die Naturwissenschaften jedoch auch den Zusammenhang nicht nach den äußeren<br />
Formen, nicht nach den Erscheinungen, die absolut unähnlich sind, sondern nach der Art der<br />
Entstehung der verschiedenartigen Erscheinungen aus ein und demselben Element, je nachdem<br />
der Energiegehalt seiner Wirksamkeit stärker oder schwächer ist. So besitzt zum Beispiel<br />
das Wasser die Eigenschaft, eine Temperatur zu haben – eine Eigenschaft, die es mit<br />
allen Körpern gemein hat. Worin auch immer die Eigenschaft, die wir Wärme nennen, bestehen<br />
mag, sie tritt jedenfalls unter [94] verschiedenen Umständen in sehr verschiedenen Mengen<br />
auf. Manchmal ist ein und derselbe Gegenstand sehr kalt, d. h. er zeigt sehr wenig Wärme,<br />
manchmal sehr heiß, d. h. er zeigt sehr viel Wärme. Wenn das Wasser, gleichviel aus<br />
welchen Ursachen, eine sehr geringe Wärme zeigt, ist es ein fester Körper – das Eis; zeigt es<br />
etwas mehr Wärme, so ist es eine Flüssigkeit; enthält es sehr viel Wärme, so wird es zu<br />
Dampf. In diesen drei Zuständen äußert sich die gleiche Qualität in drei Reihen völlig verschiedener<br />
Erscheinungen, so daß eine Qualität die Form von drei verschiedenen Qualitäten<br />
annimmt, sich in drei Qualitäten verzweigt, einfach je nach der verschiedenen Quantität, in<br />
der sie auftritt: quantitativer Unterschied geht in qualitativen Unterschied über.<br />
Aber die verschiedenen Gegenstände unterscheiden sich voneinander durch ihre Fähigkeit,<br />
bestimmte ihnen gemeinsame Qualitäten in sehr verschiedenen Quantitäten zu äußern. So zeigen<br />
zum Beispiel Eisen, Silber und Gold eine sehr bedeutende Quantität jener Qualität, die<br />
Schwere genannt wird, und die wir bei uns auf der Erde mit Hilfe des Gewichtes messen. Die<br />
Luft zeigt diese Qualität in so geringer Quantität, daß sie an ihr nur durch besondere wissenschaftliche<br />
Forschungen entdeckt wurde, während der Mensch, der nichts von der Wissenschaft<br />
weiß, notwendig annimmt, die Luft besäße überhaupt keine Schwere. Dasselbe glaubte<br />
man von allen gasförmigen Körpern. Nehmen wir eine andere Qualität – die Fähigkeit, sich<br />
unter Druck zusammenzuziehen. Ohne besondere analytische Hilfsmittel, die nur die Wissenschaft<br />
liefert, wird niemand bemerken, daß Flüssigkeiten sich unter irgendeinem Druck zusammenziehen:<br />
das Wasser scheint sein anfängliches Volumen auch unter dem stärksten<br />
Druck zu bewahren. Die Wissenschaft hat jedoch Vorgänge entdeckt, die zeigen, daß auch das<br />
Wasser sich unter Druck in einem gewissen Grade zusammenzieht. Hieraus müssen wir den<br />
Schluß ziehen, daß wir, wenn uns irgendein Körper entgegentritt, der dem Anschein nach eine<br />
bestimmte Qualität nicht besitzt, zur Nachprüfung dieses Eindrucks zur wissenschaftlichen<br />
Analyse greifen müssen; wenn diese besagt, daß die betreffende Qualität sich in dem Körper<br />
vorfindet, dürfen wir nicht weiter hartnäckig [95] behaupten, unsere nicht mit wissenschaftlichen<br />
Hilfsmitteln bewaffneten Sinne sagen das Gegenteil, sondern müssen einfach anerkennen:<br />
das Resultat, welches wir durch Untersuchung des Gegenstandes mit Hilfe entsprechender<br />
wissenschaftlicher Hilfsmittel erzielt haben, zeigt die Unzulänglichkeit des Eindrucks,<br />
welchen wir durch die nicht im Besitz der nötigen Hilfsmittel befindlichen Sinne empfangen.<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013