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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 162<br />

Der Autor anerkennt 50 gut wie jedermann die Notwendigkeit von Spezialuntersuchungen;<br />

ihm scheint aber, daß es ebenfalls von Zeit zu Zeit notwendig ist, den Inhalt einer Wissenschaft<br />

von einem allgemeinen Gesichtspunkt aus zusammenfassend zu betrachten; ihm<br />

scheint, daß ebenso wichtig wie die Sammlung und Untersuchung von Tatsachen auch der<br />

Versuch ist, in ihren Sinn einzudringen. Wir anerkennen alle die hohe Bedeutung der Kunstgeschichte,<br />

besonders der Geschichte der Dichtkunst; mithin müssen auch die Fragen, was<br />

Kunst, was Dichtung sei, hohe Bedeutung besitzen.<br />

* * *<br />

[364] [In der Hegelschen Philosophie wird der Begriff des Schönen folgendermaßen entwikkelt:<br />

Das Leben des Alls ist der Prozeß der Verwirklichung der absoluten Idee. Vollkommen verwirklichen<br />

wird sich die absolute Idee nur im All in seiner ganzen räumlichen Ausdehnung<br />

und im ganzen Verlauf seiner Existenz; in einem bestimmten, in Raum und Zeit begrenzten<br />

Gegenstand dagegen verwirklicht sich die absolute Idee niemals vollkommen. Indem die absolute<br />

Idee sich verwirklicht, legt sie sich in eine Kette bestimmter Ideen auseinander; auch<br />

jede bestimmte Idee verwirklicht sich ihrerseits vollkommen nur in der unendlichen Vielzahl<br />

der unter ihr begriffenen Gegenstände und Wesen, kann sich aber nie in einem einzelnen Wesen<br />

vollkommen verwirklichen.<br />

Aber] 5 alle Sphären des Geistes sind dem Gesetz des Aufstiegs vom Unmittelbaren zum<br />

Vermittelten unterworfen. Diesem Gesetz entsprechend tritt die absolute Idee, die nur durch<br />

das Denken vollkommen zu ergreifen ist (Erkenntnis unter der Form der Mittelbarkeit), zuerst<br />

in der Form der Unmittelbarkeit oder der Anschauung vor dem Geist auf. Deshalb entsteht<br />

im menschlichen Geiste der Schein, daß das Einzelne, in der Begrenzung von Raum und<br />

Zeit Daseiende, seinem Begriff schlechthin entspreche, der Schein, daß in ihm eine bestimmte<br />

Idee, und in dieser bestimmten Idee die Idee überhaupt vollkommen verwirklicht sei. Diese<br />

Auffassung des Gegenstandes ist insofern ein Schein, als die Idee niemals in einem einzelnen<br />

Gegenstand vollkommen in Erscheinung tritt; unter diesem Schein aber verbirgt sich die<br />

Wahrheit, denn in der bestimmten Idee verwirklicht sich tatsächlich bis zu einem gewissen<br />

Grade die allgemeine Idee, und die bestimmte Idee wiederum verwirklicht sich bis zu einem<br />

gewissen Grade im einzelnen Gegenstand. Dieser die Wahrheit in sich bergende Schein, daß<br />

die Idee in einem einzelnen Wesen vollkommen in Erscheinung trete, ist das Schöne. *<br />

[365] So wird der Begriff des Schönen im herrschenden System der Ästhetik entwickelt. Aus<br />

dieser Grundauffassung folgen die weiteren Bestimmungen: das Schöne ist die Idee in der<br />

Form der begrenzten Erscheinung; das Schöne ist der einzelne sinnliche Gegenstand, der sich<br />

als reiner Ausdruck der Idee darstellt, so daß in dieser nichts zurückbleibt, was nicht sinnlich<br />

in diesem einzelnen Gegenstand in Erscheinung träte, während im einzelnen sinnlichen Gegenstand<br />

nichts ist, was nicht reiner Ausdruck der Idee wäre. Der einzelne Gegenstand in<br />

dig zu halten, und sonderbar auch, die Ästhetik zugunsten einzelner Fragen der Literaturgeschichte abzulehnen.<br />

So sehr uns auch (und ganz mit Recht) die Details des Gegenstandes fesseln, müssen wir doch auch einen allgemeinen<br />

Begriff von dem Gegenstand selber haben und müssen das Bestreben, solche Begriffe zu formulieren,<br />

als berechtigt und wichtig anerkennen.<br />

Oder sind diese Begriffe etwa schon so klar und allgemein anerkannt, daß es sich nicht lohnt, von ihnen zu reden<br />

Nein; man hat vielmehr nur eine dunkle Ahnung von ihnen, ohne daß man sich mit aller Bestimmtheit über<br />

sie klar wäre; von ihnen reden heißt deshalb nicht, etwas bereits ohnedies Bekanntes wiederholen.“<br />

5 Der in eckige Klammern gesetzte Text ist in Nikitenkos Exemplar des Manuskripts gestrichen. Am Rande<br />

stehen zwei Bemerkungen Nikitenkos: „Weg mit der Philosophie Hegels!“ und „Diesen Hegelismus muß man<br />

abändern oder ganz beseitigen“.<br />

* Diese Stelle ist ein Zitat, richtiger gesagt, die Paraphrase von Zitaten aus F. Th. Vischer, Ästhetik oder Wissenschaft<br />

des Schönen, Reutlingen und <strong>Leipzig</strong>, Carl Mäcken’s Verlag, 1846. Die Red.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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