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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 161<br />

entwickelt werden, legt schon zur Genüge Zeugnis dafür ab, daß sie auf dem Boden der<br />

Wirklichkeit entstanden sind und daß der Autor überhaupt phantastischen Höhenflügen auch<br />

im Gebiet der Kunst, nicht nur in Dingen der Wissenschaft, geringe Bedeutung für unsere<br />

heutige Zeit beimißt. Das Wesen der Auffassungen, die der Autor darlegt, bürgt dafür, daß er,<br />

wenn es ihm nur möglich gewesen wäre, in seinem Werk gern die zahlreichen Tatsachen aufgeführt<br />

hätte, aus denen er seine Meinungen abgeleitet hat. Aber wenn er sich entschlossen<br />

hätte, seinem Wunsche nachzugeben, wäre sein Werk weit über die ihm gesteckten 2 Grenzen<br />

hinausgewachsen. Der Autor ist jedoch der Meinung, daß die allgemeinen Hinweise, die er<br />

anführt‚ genügen, um den Leser an Dutzende und Hunderte von Tatsachen zu erinnern, die<br />

zugunsten der in dieser Abhandlung dargelegten Meinung sprechen, und hofft deshalb, daß<br />

die Kürze der Erklärungen nicht als Mangel an Beweisen aufgefaßt wird.<br />

Warum aber hat der Autor eine so allgemeine, so umfassende Frage, wie die ästhetischen<br />

Beziehungen der Kunst [363] zur Wirklichkeit, zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht<br />

Warum hat er nicht irgendeine Spezialfrage gewählt, wie man das heutzutage meistens<br />

zu tun pflegt<br />

Ob der Autor der Aufgabe gewachsen ist, die er sich vorgenommen hat – das zu entscheiden<br />

ist natürlich nicht seine Sache. Aber der Gegenstand, der seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt<br />

hat, verdient heute die Aufmerksamkeit aller Menschen, die sich mit Fragen der Ästhetik<br />

beschäftigen, d. h. aller derer, die sich für Kunst, Dichtung und Literatur interessieren.<br />

Es scheint dem Autor, daß die Behandlung der Grundfragen einer Wissenschaft nur dann unfruchtbar<br />

ist, wenn sich über sie nichts Neues und Grundlegendes sagen läßt, wenn noch die<br />

Voraussetzungen fehlen, zu erkennen, daß die Wissenschaft ihre frühere Betrachtungsweise<br />

ändert, und zu zeigen, in welchem Sinne aller Wahrscheinlichkeit nach diese Änderung vor<br />

sich gehen muß. Aber wenn das Material für eine neue Betrachtungsweise der Grundfragen<br />

unserer Sozialwissenschaft ausgearbeitet ist, können und müssen diese Grundideen ausgesprochen<br />

werden.<br />

Achtung vor dem wirklichen Leben, Mißtrauen gegenüber aprioristischen 3 Hypothesen, mögen<br />

sie auch der Phantasie angenehm sein – das ist das Kennzeichen der heute in der Wissenschaft<br />

herrschenden Richtung. Der Autor hält es für notwendig, auch unsere ästhetischen<br />

Grundsätze auf diesen Nenner zu bringen, wenn es sich überhaupt noch lohnt, von der Ästhetik<br />

zu reden. 4<br />

2 Die Worte „ihm gesteckten“ fehlen im Manuskript, und der letzte Teil des Satzes nach den Worten „hinausgewachsen“<br />

lautet dort: „weit über die Grenzen hinaus, die ich ihm setzen mußte“. Diese Stelle wurde von<br />

Tschernyschewski wahrscheinlich auf Anweisung des Dekans der Fakultät, Ustrjalow, abgeändert. Nach diesen<br />

Worten ist im Manuskript folgender Passus gestrichen: „Und – ich will das andere Motiv nicht verhehlen – die<br />

Ausarbeitung der Details würde mehrere Jahre beansprucht haben. Indern ich deshalb mit Bedauern auf Vollständigkeit<br />

im Tatsächlichen verzichte, gebe ich mir das Recht und übernehme ich die Verpflichtung, zur Beantwortung<br />

der Frage der Beziehung der Kunst zur Wirklichkeit mit der Zeit eine Analyse aller wichtigen Erscheinungen<br />

der vielseitigsten und vollständigsten aller Künste, der Dichtung, vorzulegen, um an Hand einer<br />

Geschichte der Dichtkunst die Stichhaltigkeit meiner Schlußfolgerungen zu erproben. Ich betrachte meine vorliegende<br />

Arbeit nur als die Einleitung zu einem künftigen Werk.“<br />

3 Nach „aprioristischen“ hieß es im Manuskript: „Hypothesen, gegenüber der Entwicklung der Wissenschaft aus<br />

metaphysischen Überlegungen – das ist die charakteristische Richtung, die alle Wissenschaften beherrscht“.<br />

4 Im Manuskript sind im weiteren die folgenden Absätze gestrichen: „Oder hat die Ästhetik bereits den Anspruch<br />

auf unsere Aufmerksamkeit verloren Oder sind nur bibliographische Untersuchungen unserer Aufmerksamkeit<br />

wert Oder müssen wir vor Details das Ganze vernachlässigen Mir scheint, daß eine solche Betrachtungsweise,<br />

die gegenwärtig viele Verteidiger findet, einseitig ist, und daß, wenn wir auch Untersuchungen über<br />

einzelne Kunstwerke, über einzelne Schriftsteller als wichtig anerkennen, wir doch nicht umhin können auch<br />

Untersuchungen über die Bestimmung der Kunst als wichtig anzuerkennen. Es wäre doch sonderbar, die Weltgeschichte<br />

abzulehnen und nur Fragen nach den Einzelheiten einzelner Vorgänge der Aufmerksamkeit für wür-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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