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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 160<br />

DIE ÄSTHETISCHEN BEZIEHUNGEN DER KUNST ZUR WIRKLICHKEIT 1<br />

(Dissertation)<br />

Die vorliegende Abhandlung beschränkt sich auf allgemeine Schlußfolgerungen aus Tatsachen,<br />

die sie wiederum nur durch allgemeine Hinweise auf Tatsachen belegt. Das ist der erste<br />

Punkt, der einer Erklärung bedarf. Wir leben im Jahrhundert der Monographien, und unserem<br />

Werk kann vorgeworfen werden, es sei nicht zeitgemäß Die Ausschaltung jeder Art von Spezialuntersuchung<br />

kann als Geringschätzung solcher Untersuchungen oder als Resultat der<br />

Meinung aufgefaßt werden, daß allgemeine Schlußfolgerungen auch keiner Belegung durch<br />

Tatsachen bedürfen. Ein solches Urteil würde jedoch nur von der äußeren Form dieser Arbeit<br />

ausgehen und nicht von ihrem inneren Charakter. Die reale Richtung der Gedanken, die in ihr<br />

1 Tschernyschewskis Arbeiten über Probleme der Ästhetik („Die ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“<br />

die Autorezension der „Ästhetischen Beziehungen“, das Vorwort zu ihrer dritten Auflage und die Rezension<br />

einer Übersetzung der „Poetik“ von Aristoteles) sind zur Beurteilung seiner Philosophischen Anschauungen<br />

äußerst wichtig. Tschernyschewski stellte sich bekanntlich die Aufgabe, die Grundsätze seiner materialistischen<br />

Philosophie auf das konkrete Gebiet der Ästhetik anzuwenden; deshalb haben alle seine auf dieses Gebiet bezüglichen<br />

Arbeiten neben ihrer Bedeutung für das besondere Fach auch noch sehr hohen Wert. Bei der Ausarbeitung<br />

der Grundlage einer wissenschaftlichen Ästhetik vom Standpunkt des philosophischen Materialismus und des<br />

revolutionären Demokratismus aus, führte Tschernyschewski einen unversöhnlichen Kampf gegen die Hegelsche<br />

Philosophie und Ästhetik, gegen alle Verteidiger der idealistischen Theorie der „reinen Kunst“.<br />

Tschernyschewskis grundlegende Arbeit über Fragen der Ästhetik ist seine Doktordissertation „Die ästhetischen<br />

Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“.<br />

„Meine Dissertation schreibe ich über die Ästhetik“, heißt es in einem Brief Tschernyschewskis an seinen Vater<br />

vom 21. September 1853. „Ganz unter uns kann man sagen, daß die hiesigen Herren Literaturprofessoren sich<br />

mit dem Gegenstand, den ich mir für meine Dissertation gewählt habe, überhaupt nicht beschäftigt haben und<br />

deshalb wohl gar nicht bemerken werden, in welchem Verhältnis meine Gedanken zu der allgemein üblichen<br />

Betrachtungsweise ästhetischer Fragen stehen. Sie würden wohl sogar meinen, ich sei ein Anhänger der Philosophen,<br />

gegen deren Meinung ich zu Felde ziehe, wenn ich mich nicht ganz deutlich ausgedrückt hätte. Ich<br />

glaube deshalb nicht, daß man bei uns ganz versteht, wie wichtig die Fragen sind, die ich untersuche, wenn man<br />

mich nicht zwingt, es rundheraus zu erklären. Überhaupt sind die Vorstellungen von Philosophie bei uns sehr<br />

verblaßt, seitdem die Leute, die etwas von Philosophie verstanden und ihre Entwicklung verfolgten, gestorben<br />

sind oder zu schreiben auf gehört haben.“ (N. G. Tschernyschewski, Literarischer Nachlaß, Bd. II, Moskau-<br />

Leningrad 1928, S. 199 russ.)<br />

Mit den „Ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ lenkte Tschernyschewski die allgemeine Aufmerksamkeit<br />

wieder auf die Philosophie. Es war gerade der kämpferische, materialistische Charakter der Dissertation,<br />

was in so hohem Grade die Unzufriedenheit Professor Nikitenkos erregte, dem Tschernyschewski seine<br />

Arbeit zur Begutachtung vorlegte. Auf Verlangen Nikitenkos war Tschernyschewski genötigt, die Dissertation<br />

an einigen Stellen zu ändern, in denen er besonders scharf gegen die herrschende idealistische Ästhetik auftrat.<br />

Vor allem mußte er sämtliche Stellen abändern, wo Hegel erwähnt wurde, und sich für die Hegelsche Philosophie<br />

auf allgemeine Andeutungen („metaphysisches System“ u. dgl.) beschränken. Infolge der damals in Rußland<br />

herrschenden strengen Zensur war es unmöglich, den Idealismus offen zu kritisieren und den Materialismus<br />

zu lehren. Tschernyschewskis großes Verdienst besteht darin, daß er es trotz dieser erschwerenden Bedingungen<br />

verstand, ein so hervorragendes Dokument der Philosophie in Rußland zu schaffen, wie es seine Schrift<br />

„Die ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ ist.<br />

Die Dissertation „Die ästhetischen Beziehungen der Kunst zur Wirklichkeit“ erschien am 3. Mai 1855 in Druck.<br />

Das Buch mußte sofort die Aufmerksamkeit der Schriftstellerkreise auf sich lenken. Die ersten kritischen Äußerungen<br />

waren scharf ablehnend. Die reaktionären Schriftsteller spürten in Tschernyschewski einen gefährlichen<br />

Gegner.<br />

Die zweite Auflage der „Ästhetischen Beziehungen“ erschien im Jahre 1865, als Tschernyschewski bereits in<br />

Verbannung war; sie erregte damals starkes Interesse und löste einen heftigen Ideenkampf aus. Im Jahre 1888<br />

traf Tschernyschewski Vorbereitungen für die Drucklegung einer dritten Auflage der „Ästhetischen Beziehungen“,<br />

die jedoch von der Zensur verboten wurde und erst im Jahre 1906 erschien.<br />

Der vorliegenden Ausgabe ist der Text der ersten autorisierten Ausgabe von 1855 zugrunde gelegt, wobei die<br />

von Tschernyschewski im Jahre 1888 für die dritte Auflage besorgten Korrekturen aufgenommen wurden. Die<br />

seinerzeit auf Verlangen von Nikitenko vom Autor abgeänderten Absätze sind in der vorliegenden Ausgabe an<br />

Hand des Manuskripts wiederhergestellt und in den Text aufgenommen.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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