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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 157<br />

Zähmung von Tieren und die Entdeckung der Kunst, zur Erzeugung von Getreidepflanzen<br />

den Boden zu bearbeiten. Damit diese lebenswichtigen Entdeckungen gemacht werden konnten,<br />

bedurfte es irgendwelcher glücklichen Umstände, die sie möglich machten.<br />

Man nimmt heute an, daß die Menschen, die den Gebrauch des Feuers noch nicht kannten,<br />

nicht nur in Gegenden lebten, wo die Atmosphäre das ganze Jahr über ununterbrochen eine für<br />

den Menschen genügende Wärme aufweist, sondern auch in Ländern, wo es kalte Jahreszeiten<br />

gibt. Wenn das zutrifft, so mußten jene Stämme oder kleinen Menschengruppen, die unter klimatischen<br />

Verhältnissen mit kalten Monaten lebten, mehr unter Kälte leiden als die Bewohner<br />

der näher am Äquator gelegenen Länder; darf man aber annehmen, daß gerade bei den Menschen,<br />

die mehr unter Kälte litten, die Kunst entdeckt worden ist, sich durch [358] Feueranmachen<br />

gegen die Kälte zu schützen Nein, diese Annahme gilt mit Recht als unberechtigte Hypothese.<br />

Auch die Menschen am Äquator brauchten Feuer. Nächte, die kälter sind, als es für an<br />

sehr warme Luft gewöhnte Menschen angenehm ist, gibt es auch am Äquator. Das Bedürfnis,<br />

sich zu wärmen, ist auch bei den Menschen der Äquatorialzone so groß, daß die Kunst des<br />

Feuermachens ihnen als wertvolle Verbesserung ihres Lebens erscheinen mußte; die Erklärung<br />

liegt folglich nicht bei dem verschiedenen Grad des Nutzens, den das Feuer den Bewohnern<br />

verschiedener klimatischer Zonen bringt, sondern nur darin, in welchem Lande sich die Vorgänge<br />

abspielten, deren die Menschen sich bei der Entdeckung der Unterhaltung und Entfachung<br />

des Feuers bedienten. Ein Mensch, der zwei Tage lang nichts gegessen hat, wird freudig<br />

nach der ersten besten Speise, die er findet, greifen und sie verzehren; aber auch ein Mensch,<br />

der nur vierundzwanzig Stunden lang nichts gegessen hat, wird, wenn er einen solchen Fund<br />

tut, gleichermaßen handeln; bei dem einen ist der Hunger stärker, reicht aber auch bei dem anderen<br />

dazu aus, das Auffinden der Speise für ihn zu einer großen Freude zu machen; es wäre<br />

deshalb töricht zu sagen: „Menschen, die zwei Tage lang gehungert haben, haben Freude am<br />

Essen“; die Einschränkung des Inhalts des Gedankens durch die Voraussetzung eines zweitägigen<br />

Hungers verstößt gegen die physiologische Wahrheit; richtig wird unser Ausspruch nur<br />

dann, wenn wir diese überflüssige Einschränkung fallen lassen und ganz allgemein zusammenfassend<br />

sagen: „Hungrige Menschen haben Freude am Essen.“ Wie lange ein hungriger<br />

Mensch nicht gegessen hat – zwölf Stunden, einen ganzen Tag oder zwei ganze Tage –‚ gehört<br />

nicht zur Sache. Diese Zeitunterschiede haben ihre Bedeutung für andere physiologische Fragen,<br />

beziehen sich aber nicht auf die Frage, ob das Essen einem Hungrigen Freude macht.<br />

Wenn ein Mensch häufig je zwei Tage lang hungert, wird er physisch schwach werden; Intervalle<br />

in der Nahrungsaufnahme, die nur je zwölf Stunden dauern, üben auf gewöhnlich gesunde<br />

Menschen nicht diese Wirkung aus. Gewiß, gegen Ende eines solchen Intervalls sinkt die physische<br />

Kraft des [359] Menschen merklich, aber es kommt zu keinen Störungen des Organismus,<br />

und der Mensch, der täglich zwölf Stunden lang keine Nahrung zu sich nimmt, ist nach<br />

einem Jahre dieses Lebens ebenso stark wie zu Beginn, während ein Jahr, das aus zweitägigen<br />

Intervallen zwischen den Nahrungsaufnahmen besteht, selbst einen kräftigen Menschen<br />

schwächt; und wenn man unbedingt darauf besteht, zu bestimmen, wie sich diese beiden verschiedenen<br />

Arten des Hungers zu der Fähigkeit verhalten, Nahrung zur Stillung des Hungers zu<br />

finden, muß man sagen: je länger die Perioden zwischen der jeweiligen Stillung des Hungers<br />

sind, um so geringer ist die Fähigkeit des Menschen, sich Nahrung zu verschaffen; das ist klar,<br />

denn ein solcher Mensch ist physisch schwächer und in geringerem Grade arbeitsfähig, oder er<br />

kann, wenn die Nahrung nicht durch Arbeit gewonnen wird, sondern durch Beutemachen oder<br />

Sammeln von wildwachsenden Früchten, Beeren und Wurzeln, zu ihrer Erwerbung nicht so<br />

große Strecken zurücklegen wie ein kräftiger Mensch. Wenden wir die gleichen Überlegungen<br />

auf die Frage der Entdeckung der Verwendung des Feuers zum Schutz des Körpers gegen Kälte<br />

an. Man nimmt an, daß die Umstände, die zu dieser Entdeckung führten, irgendwelche Fälle<br />

naturgegebener Feuerentzündung waren. Ein Mensch sah, wie der Blitz einen Baum in Brand<br />

setzte; das Feuer brannte weiter, als das Gewitter bereits vorüber war und der Mensch sich be-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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