15.01.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 143<br />

rung für vergeblich zu halten; aber sobald es Gelegenheit erhält, etwas Neues zu erfahren, das<br />

für sein Leben nützlich ist, wird das allen Menschen angeborene Streben nach Vermehrung<br />

des Wissens in ihm rege werden. Das gleiche gilt für viele andere Güter und gute Eigenschaften,<br />

deren Gesamtheit Zivilisation genannt wird.<br />

4<br />

DIE ALLGEMEINE NATUR DER ELEMENTE,<br />

DIE DEN FORTSCHRITT BEWIRKEN<br />

Am allerwesentlichsten unterscheiden die Menschen sich durch die Verschiedenheit ihrer geistigen<br />

und moralischen Entwicklung und den Grad ihres materiellen Wohlstands. Bei Stämmen,<br />

die auf sehr tiefer Entwicklungsstufe stehen, haben, sagt man, alle Menschen der betreffenden<br />

Stammesgesellschaft die gleichen Begriffe, Kenntnisse und moralischen Gewohnheiten.<br />

Diese Auffassung ist eine rhetorische Übertreibung der Tatsache, daß bei kleinen und wenig<br />

zivilisierten Stämmen die Menschen sich hinsichtlich ihrer Gewohnheiten und Begriffe<br />

weniger stark unterscheiden als bei einer zahlenmäßig großen, hochentwickelten Nation. Die<br />

Unterschiede sind beim Stamm weniger groß als bei der Nation; aber sie sind dennoch vorhanden,<br />

und dabei zahlreich. Anders kann es auch nicht sein. Selbst in einer Tierherde läßt<br />

sich ein großer Unterschied in den Gewohnheiten und in der Betätigung der verschiedenen<br />

Einzeltiere feststellen. So legt zum Beispiel – vom Charakterunterschied zwischen Männchen<br />

und Weibchen ganz zu schweigen – jenes Männchen, das die Autorität des Leittiers in der<br />

Herde genießt, sehr viel mehr Umsicht, Findigkeit, Vorsicht und Mut an den Tag als die übrigen<br />

Männchen, die gewöhnt sind, sich von seinem Einfluß leiten zu lassen. Selbst auf der allerniedrigsten<br />

Entwicklungsstufe besitzen die Wilden dennoch einen höherentwickelten Verstand<br />

als selbst Elefanten oder Orang-Utans; hieraus läßt sich schließen, daß die Unterschiede<br />

hinsichtlich des Umfangs der Kenntnisse und der Natur der Ge-[331]wohnheiten bei den Mitgliedern<br />

eines Stammes von Wilden bedeutend größer sein müssen als bei den Tieren einer<br />

Herde. Aber lassen wir diese strittige Frage, die für die Geschichte relativ geringe Bedeutung<br />

hat, und wenden wir unsere Aufmerksamkeit nur jenen Stämmen und Völkern zu, die für die<br />

Geschichte einigermaßen wichtig sind. Wir sehen dann, daß jedesmal einige Menschen durch<br />

ihre geistigen und moralischen Eigenschaften das durchschnittliche Niveau ihres Stammes<br />

oder Volkes bedeutend überragen, während einige andere weit unter ihm bleiben. Die Unterschiede<br />

sind so groß, daß es selbst in der zivilisiertesten Nation ziemlich viele Menschen gibt,<br />

die in geistiger und moralischer Beziehung hinter den höchstentwickelten Menschen eines<br />

Stammes zurückbleiben, der in seiner Gesamtheit nur wenig über die Wildheit hinaus ist.<br />

Nehmen wir zum Beispiel jene Wissenskategorie, von der sich besonders leicht sagen läßt, in<br />

welchem Grade dieser oder jener Mensch sie beherrscht – die Fähigkeit zu rechnen. In England,<br />

Frankreich und Deutschland gibt es eine Menge physisch und geistig durchaus gesunder<br />

Erwachsener, die unfähig sind, Rechenaufgaben zu lösen, mit denen Handelsleute oder Steuereinnehmer<br />

in den Negerstaaten Zentralafrikas leicht fertig werden. Bei dem Vergleich der<br />

moralischen Eigenschaften von Menschen kann man sich leichter irren als bei der Bestimmung<br />

ihres geistigen Niveaus. Aber auch hier können wir unschwer ziemlich sichere Schlüsse<br />

ziehen, wenn wir nicht die Gesamtsumme moralischer Eigenschaften, sondern irgendeine bestimmte<br />

Eigenschaft nehmen, zum Beispiel die Art, wie Vater oder Mutter mit ihren Kindern<br />

umgehen. Ziehen wir dieses Element der moralischen Entwicklung zum Vergleich heran, so<br />

werden wir zugeben müssen, daß es bei Stämmen, die ein sehr rauhes Leben führen, ziemlich<br />

viel Eltern gibt, die mit ihren Kindern bedeutend weniger herzlos umgehen als viele Eltern, die<br />

ihrer Nationalität nach zu den fortgeschrittensten Völkern gehören.<br />

So stellt also jedes Volk von historischer Bedeutung eine Vereinigung von Menschen dar, die<br />

hinsichtlich des Grades ihrer geistigen und moralischen Entwicklung sehr voneinander ver-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!