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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 13<br />

entweder zu Schulbüchern greifen, die wahre Abladestellen allen möglichen Schutts sind, oder<br />

zu den Büchern berühmter Chemiker, deren Ruhm bereits allgemein verbreitet ist: nach Liebig<br />

vielleicht oder gar nach dem alten Berzelius; dabei sagen die Menschen, die die Chemie in ihrem<br />

heutigen Stadium kennen, daß die Auffassungen nicht nur von Berzelius, sondern auch von<br />

Liebig längst veraltet und nicht mehr als Leitfaden für jemanden geeignet sind, der die moderne<br />

Chemie kennenlernen möchte; daß man diese Wissenschaft jetzt an Hand anderer Autoren studieren<br />

muß, während die Bücher eines Liebig nur noch als Nachschlagebücher von Nutzen sein<br />

können, und auch das nur für jemanden, der die Dinge neu zu betrachten gelernt hat.<br />

Herr Lawrow beschäftigt sich mit der philosophischen Seite des Systems, das in dem Buche<br />

„De la Justice“ niederlegt ist, und auch wir werden hier diese Seite behandeln, obwohl das<br />

Werk viel größere Bedeutung für die ökonomische Wissenschaft hat als für die Philosophie.<br />

Der Autor des [86] Buches „De la Justice“ ist allen seinen französischen Nebenbuhlern dadurch<br />

überlegen, daß er die deutsche Philosophie kennt. Von keinem anderen französischen<br />

Philosophen läßt sich sagen, daß er dieses Wissen beherrscht. Es heißt von Cousin, er habe<br />

Schelling und Hegel studiert; alle beide waren jedoch der Meinung, er habe vom Geist ihrer<br />

Lehren entschieden nichts begriffen und stelle sich unter ihren Systemen ein Kauderwelsch<br />

vor, das sich in seinem Kopf aus der Mischung unverstandener deutscher Ausdrücke mit<br />

Grundsätzen gebildet habe, die nicht nur mit der deutschen Philosophie, sondern auch mit<br />

dem Geist aller wissenschaftlichen Forschungen unvereinbar seien. Die auf Cousin folgenden<br />

französischen Berühmtheiten auf dem Felde der Philosophie konnten sich ebensowenig wie<br />

er mit dem Geist der großen deutschen Denker befreunden oder kannten sie sogar einfach<br />

überhaupt nicht. Von dem Autor des Buches „De la Justice“ muß man etwas anderes sagen:<br />

er ist tief durchdrungen von den Grundsätzen der deutschen Philosophie. Wir haben irgendwo<br />

gelesen, er könne gar nicht Deutsch; wenn das wahr ist, so hat es noch nichts zu bedeuten.<br />

Auch Belinski konnte nicht Deutsch, kannte jedoch die deutsche Philosophie so, daß in<br />

Deutschland selbst schwerlich ein Dutzend Menschen zu finden ist, die sie ebenso tief und<br />

klar verstehen. Wir haben sagen gehört, der Autor des Buches „De la Justice“ habe dieses<br />

sein Wissen aus der gleichen Quelle geschöpft wie Belinski: aus Unterredungen mit Menschen,<br />

die die deutsche Philosophie studiert hatten; man sagt, es seien sogar ein und dieselben<br />

Leute gewesen. 5 Man kann annehmen, daß diese Angaben auf Wahrheit beruhen. Wie dem<br />

auch sein mag, hat Proudhon jedenfalls den Geist der deutschen Philosophie in sich aufgenommen.<br />

Das macht eine seiner stärksten Seiten aus. Dazu kommt aber, daß auch einer der<br />

Gründe für den unbefriedigenden oder jedenfalls unklaren Charakter seiner Begriffe in dieser<br />

Bekanntschaft wurzelt, nämlich darin, daß er die deutsche Philosophie in der Form des Hegelschen<br />

Systems studierte und bei dieser Form als ihrem letzten Wort stehenblieb, während<br />

doch in Deutschland die Wissenschaft sich weiterentwickelt hat. Durchtränkt mit dem Geist,<br />

der die öffentliche [87] Meinung während der Restauration beherrschte und seinen Ursprung<br />

im ersten Kaiserreich hatte, entspricht das System Hegels für sich allein nicht mehr dem heutigen<br />

Stand des Wissens. Es kommt hinzu, daß Hegel von Natur aus oder vielleicht absichtlich<br />

seine Grundsätze, sobald er von politischen oder theologischen Gegenständen handelte,<br />

in ein höchst konservatives Gewand kleidete. Der kühne einfache Franzose konnte sich,<br />

nachdem er sich Hegels Methode einmal angeeignet hatte, mit ihren Schlußfolgerungen nicht<br />

zufrieden geben, und machte sich daran, für die Grundsätze Hegels eine Entwicklung ausfindig<br />

zu machen, die besser zu ihrem eignen Geist und zu seiner, Proudhons, persönlichen<br />

Denkweise paßte, als die, die sie bei Hegel selbst gefunden hatten. Hätte er Gelegenheit gehabt,<br />

rechtzeitig kennenzulernen, wie sich die Wissenschaft in Deutschland selbst im weiteren<br />

entwickelte, so hätte er das gefunden, was er suchte. Da er jedoch keine Unterlagen besaß,<br />

war er allein auf seine eigenen Kräfte angewiesen; die Geschichte seiner geistigen Ent-<br />

5 Bezieht sich offenbar auf M. A. Bakunin.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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