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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 124<br />

Betrachten wir jene Periode im Leben des griechischen Volkes, die den Ruhm der Griechen<br />

ausmacht. Sie beginnt etwa zur Zeit der Schlacht bei Marathon und endet etwa zur Zeit der<br />

Schlacht bei Chäronea 5 . Die wichtigsten griechischen Staaten waren in dieser Periode Sparta,<br />

Athen, Theben und Syrakus. Große Bedeutung besaßen auch Korinth und Agrigent. Nicht zu<br />

vergessen ist dabei schließlich, daß das ausgedehnteste Gebiet des eigentlichen Griechenlands<br />

‘Thessalien war.<br />

Nach den gleichen Historikern, die den Charakter des ganzen griechischen Volkes durch die<br />

obenangeführten Züge definieren, waren die Spartaner ein Volk, das alle anderen Sorgen oder<br />

Triebe der militärischen Leibesübung und der Disziplin unterordnete. Von der Zeit an, aus<br />

der wir die ersten sicheren Nachrichten über die Spartaner besitzen, sehen wir, daß diese<br />

Krieger, die bei sich zu Hause kärglich und streng leben mußten wie im Heerlager, sich wilden<br />

Orgien hingeben, sobald sie sich einmal freimachen. Pausanias, der Sieger von Platää,<br />

der erste Spartaner, über dessen Leben wir genauere Angaben besitzen, hat es bereits so gehalten.<br />

Als er in Byzantion war und Freiheit hatte, [294] begann er sich aufzuführen wie ein<br />

persischer Satrap, und ließ sich von der Gier nach einem prunkvollen, lasterhaften Leben so<br />

hinreißen, daß er Griechenland der Herrschaft des Perserkönigs ausliefern wollte, um als persischer<br />

Statthalter die Satrapenherrschaft über sein Vaterland zu erhalten. Weniger berühmt,<br />

aber genügsam bekannt sind uns die Harmosten Lysanders. Sie benahmen sich ebenfalls wie<br />

persische Satrapen. Was für Künstler, Dichter oder Gelehrte hat Sparta hervorgebracht. Keinen<br />

einzigen; wenn es in Sparta gute Musikanten gab, so waren es Zugereiste.<br />

Die Thebaner waren große Fresser und Säufer, versichern uns alle Historiker, und hatten einen<br />

trägen Geist. Als versoffene Fresser versanken sie in einer dumpfen geistigen und moralischen<br />

Apathie. Die Thessalier waren rohe Säufer und Wüstlinge, die jede geistige Beschäftigung<br />

verachteten.<br />

Die Syrakusaner und Agrigentiner wußten nichts von Enthaltsamkeit; das weise griechische<br />

Maßhalten im Genuß war ihnen unbekannt; deshalb erlitten sie das Schicksal der Sybariten,<br />

sagen die Historiker; die Korinther werden bei ihnen Wüstlinge genannt, die den Asiaten<br />

gleichen.<br />

Auf wen von den Griechen paßt nun eigentlich die Charakteristik des gesamten griechischen<br />

Volkes Nur auf die Athener. Und auch da nur auf jene zwei Generationen von Athenern, die<br />

zwischen der Schlacht bei Marathon und dem Beginn des Peloponnesischen Krieges lebten.<br />

<strong>Zur</strong> Zeit dieses Krieges waren die Athener bereits ein verdorbenes Volk, sagen uns die Historiker,<br />

und vor der Schlacht bei Marathon legten sie noch nicht jene Eigenschaft an den Tag,<br />

durch die sie zur Zeit des Perikles berühmt wurden. Wir sehen also, daß man uns statt einer<br />

Charakteristik des griechischen Volkes die Charakteristik der Athener zur Zeit des Perikles<br />

vorgesetzt hat!<br />

Die von der Mehrheit der Historiker stets wiederholte Charakteristik des griechischen Volkes<br />

ist flüchtig und nachlässig aufgestellt. Aber sie hat wenigstens noch das Gute, daß sie nicht<br />

von bösen Tendenzen inspiriert ist.<br />

Selbst dieser Vorzug fehlt den landläufigen Charakteristiken der heute noch existierenden<br />

Völker. Wir wollen nur eine von ihnen anführen.<br />

[295] Die Italiener sind, wie alle zivilisierten Völker mit Ausnahme der Italiener selber wissen,<br />

feige und hinterlistig; und wenn man sie nicht rundheraus ein „niederträchtiges“ Volk<br />

5 In der Schlacht bei Chäronea (Böotien) im Jahre 338 v. u. Z. brachte König Philipp von Mazedonien den<br />

Athenern eine Niederlage bei.<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

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