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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 114<br />
sehr verschiedene Auffassungen: wir wissen aus vielen Quellen, daß die Mongolen die Gesichtszüge<br />
ihrer Rasse für schöner hielten als das Profil der weißen Rasse; es liegen aber auch<br />
viele Nachrichten vor, daß sie die Menschen der weißen Rasse für schöner hielten als ihre<br />
Stammesgenossen. Auch bei den Negern ziehen einige die eigene Rasse der weißen vor, andere<br />
die weiße der ihrigen. Daß viele gelbe und schwarze Menschen die weiße Rasse schöner<br />
finden als die eigene, kann als Bestätigung der hohen Meinung gelten, die die weißen Menschen<br />
von der Schönheit ihrer eigenen Rasse haben. Aber wenn die große Mehrheit der gelben<br />
und der schwarzen Menschen nach der Auffassung der Weißen keine schönen Gesichter haben,<br />
müßte man erst einmal untersuchen, wie weit dieser Eindruck durch Umstände hervorgerufen<br />
wird, die nicht zum Wesen der Frage gehören, wie zum Beispiel dadurch, daß die materielle<br />
Lage der gelben und schwarzen Menschen schlechter ist als die der weißen und daß ihr<br />
geistiges Leben weniger entwickelt ist. Können gelbe und schwarze Menschen unter Umständen,<br />
die die Entwicklung der Schönheit fördern, auch nach der Auffassung weißer Menschen<br />
sehr schon werden Wir besitzen zahlreiche Zeugnisse weißer Forschungsreisender darüber,<br />
daß es bei der Negerrasse Stämme gibt, die außerordentliche schöne Gesichtszüge haben; diese<br />
Stämme trifft man weit von der Meeresküste an, wo die Neger ein weniger schweres Leben<br />
haben als in den Küstengebieten Afrikas. Alle Weißen, die in Japan gewesen [275] sind, berichten,<br />
daß es viele Japanerinnen mit außerordentlich schönem Gesicht gibt. Hautfarbe und<br />
schönes Gesicht gehören nicht zu den Besonderheiten, die unmittelbar an Verstand und Charakter<br />
geknüpft sind. Was die Hautfarbe betrifft, so versteht es sich von selbst, daß sie in keiner<br />
unmittelbaren Beziehung zu der Tätigkeit des Gehirns steht. Es lassen sich keinerlei physiologische<br />
Gründe dafür anführen, daß die weiße, gelbe oder schwarze Hautfarbe irgendwie<br />
günstig oder ungünstig auf die Entwicklung des geistigen Lebens einwirken oder daß sie das<br />
Resultat irgendeines seiner Zustände sein sollte. Aber wir neigen dazu, bei Menschen mit<br />
schönem Gesicht hohe geistige und moralische Eigenschaften vorauszusetzen; und man kann<br />
annehmen, daß eine solche Verbindung in gewissem Grade auch wirklich besteht: ein schönes<br />
Gesicht ist das Ergebnis der guten Ausbildung des gesamten Körpers; eine gute Ausbildung<br />
des Körpers darf als Grundlage für eine gute Tätigkeit des Gehirns betrachtet werden. Obgleich<br />
aber diese Bedingungen als grundlegend angesehen werden müssen, ist die Entwicklung<br />
des sittlichen und geistigen Lebens des Menschen derartig starken äußeren Einflüssen<br />
ausgesetzt, daß das Ergebnis sehr häufig nicht der Natur des persönlichen Körperbaus entspricht.<br />
Schöne Menschen müßten klug und gut sein; niemand hat Angaben darüber gesammelt,<br />
wie hoch der Prozentsatz von klugen und guten Menschen bei ihnen ist – ob er größer<br />
oder geringer ist als bei häßlichen Menschen (der gleichen gesellschaftlichen Stellung); aber<br />
jeder von uns weiß aus seiner persönlichen Lebenserfahrung, daß man unter schönen Menschen<br />
sehr viele antrifft, die geistig borniert sind und deren Charakter keine Sympathie verdient.<br />
Sehr häßliche Menschen müßten nach Geist und Charaktereigenschaften tief unter den<br />
schönen stehen. Aber jeder von uns weiß, daß viele sehr häßliche Menschen sehr gut und klug<br />
sind. Das kommt daher, daß das Äußere des Menschen durch Einflüsse Schaden nehmen kann,<br />
die nicht ins Innere des Organismus dringen; das Profil wird verdorben, aber das Gehirn leidet<br />
nicht darunter; dagegen gibt es Einflüsse, die das Gehirn verderben, ohne daß das Profil Schaden<br />
leidet. [276] Überhaupt können wir bis heute durch Nachdenken über allgemeine Grundfragen<br />
keine zuverlässigen Kenntnisse vom Geist und Charakter eines Menschen gewinnen.<br />
Sie sind nur durch das Studium der Handlungen dieser Menschen zu erlangen.<br />
Das Gesagte bezieht sich eigentlich auf die Frage nach der Verbindung zwischen der Schönheit<br />
des Gesichts und den geistigen und moralischen Eigenschaften. Anders steht es mit der<br />
Abplattung des vorderen Schädelteils; sie ist natürlich ein direkter Beweis dafür, daß das<br />
Vorderhirn bei dem betreffenden Menschen mangelhaft entwickelt ist. Deshalb besitzen jene<br />
Negerstämme, bei denen der vordere Schädelteil stark abgeplattet ist, natürlich auch ein weniger<br />
entwickeltes Vorderhirn. Es handelt sich aber durchaus nicht darum, ob ihr Geistesle-<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013