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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 109<br />
che beobachten daß der Typus dieser Nachkommenschaft nicht stabil ist: die Nachkommen<br />
bewahren nicht den Typus ihrer Bastard-Eltern, sondern kehren zu dem Typus der einen oder<br />
der anderen Rasse zurück, von der ihre Bastard-Eltern stammen. So wurde zum Beispiel festgestellt,<br />
daß, wenn die Paarung von Tieren einer weißen Abart mit Tieren einer schwarzen<br />
gescheckte Junge ergibt, die Nachkommen dieser gescheckten Jungen nur zum geringen Teil<br />
gescheckt, in der Mehrzahl dagegen weiß oder schwarz sein werden. Tatsachen dieser Art<br />
sind schwerlich bereits mit genügender Exaktheit analysiert. Nehmen wir aber einmal an, daß<br />
sie bereits zuverlässig sind. Die gelehrten Verteidiger der Sklaverei übertrugen die Beobachtung,<br />
die in bezug auf die gescheckte Nachkommenschaft von Schafen oder Hunden verschiedener<br />
Farbe als sicher galt, auf die Mulattinnen. Sie sagten: der mulattische Typus ist<br />
nicht stabil; die Kinder von Mulatten und Mulattinnen sind ihren Eltern nicht ähnlich, sie<br />
weichen von ihnen entweder zum weißen oder zum negroiden Typus ab; die Kinder derjenigen,<br />
die sich zum Beispiel dem negroiden Typus genähert haben, werden ihm noch näher<br />
kommen als ihre Eltern, so daß nach einigen Generationen die Nachkommen von Mulatten<br />
und Mulattinnen zu vollkommenen Negern werden.<br />
Um ein bestimmtes Urteil über die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit von Menschen eines<br />
bestimmten Typus [265] abzugeben, muß man statistische Unterlagen haben. Es ist klar, daß<br />
die Masse der Gesellschaft sich in solchen Fragen durch den selbstsicheren Ton der Spezialisten<br />
in die Irre führen lassen kann; klar ist auch, daß Spezialisten, denen kein statistisches Zahlenmaterial<br />
zur Verfügung steht, durch ihr Vertrauen auf die so selbstsicher auftretenden Kollegen<br />
zu Irrtümern veranlaßt werden können. Aber die Frage der Ähnlichkeit der Kinder mit<br />
ihren Eltern läßt sich ohne alle wissenschaftlichen Hilfsmittel auf Grund direkter Anschauung<br />
beantworten. Jeder, der in einem Sklavenland gelebt hat, weiß ausgezeichnet, daß die Kinder<br />
der Mulatten und Mulattinnen ihren Eltern genau so ähnlich sehen, wie es bei den Kindern der<br />
Weißen oder der Neger der Fall ist; und daß deshalb der mulattische Typus sehr stabil ist.<br />
Aber die Gesellschaft der Sklavenländer zog es vor, sich über dieses ihr Wissen hinwegzusetzen<br />
und die für sie angenehmen Worte der gelehrten Verteidiger der Sklaverei zu wiederholen,<br />
daß die Kinder von Mulatten und Mulattinnen den Typus ihrer Eltern nicht bewahren.<br />
Wie erklärt es sich, daß ein derartiger Widerspruch zur offensichtlichen Wahrheit möglich<br />
ist Die Fälschung wurde auf eine Weise vorgenommen, die höchst ungeniert, aber durchaus<br />
geeignet war, eine angenehme Lüge zu produzieren. Die Mulatten und Mulattinnen bildeten<br />
in den Vereinigten Staaten keine abgesonderte Gesellschaft, sie lebten nicht in geschlossenen<br />
Gruppen zusammen. Gewöhnlich teilten Mulatten oder Mulattinnen das Haus oder die Hütte<br />
mit weißen oder schwarzen Familien. Die Mulatten hatten häufiger Gelegenheit, zu Liebhabern<br />
oder Männern von Negerinnen als von Mulattinnen zu werden; die Mulattinnen hatten<br />
häufiger Gelegenheit, die Mätressen von Weißen oder die Frauen von Negern zu werden als<br />
Mätressen oder Frauen von Mulatten. Die Kinder einer Mulattin und eines Negers hielten in<br />
der Mehrzahl der Fälle natürlich die Mitte zwischen den Typen von Vater und Mutter, d. h.<br />
sie sahen mehr wie Neger oder Negerinnen aus als ihre Mutter. Die Töchter dieser Töchter<br />
hatten, wenn sie Neger heirateten, Kinder, die dem negroiden Typus noch näher standen. Das<br />
gleiche, nur in umgekehrter Richtung, [266] trat ein, wenn Mulattinnen und später ihre Töchter<br />
mit Weißen zusammenlebten. Die Stufen der Genealogie, die die Nachkommenschaft einer<br />
Mulattin dem weißen Typus näher brachte, waren aufs genaueste ausgeprägt, und wenigstens<br />
auf den untersten Stufen waren die Merkmale so klar, daß in einem Sklavenlande jedermann<br />
auf den ersten Blick sofort den genealogischen Grad eines Menschen erkennt, der<br />
seinem Typus nach zwischen dem Mulatten und dem Weißen steht. Die Tochter einer Mulattin<br />
und eines Weißen war eine Terzerone; die Tochter einer Terzerone und eines Weißen war<br />
eine Quarterone; die Merkmale der Terzerone waren so scharf ausgeprägt, daß niemand sie<br />
weder für eine Mulattin noch für eine Quarterone halten konnte. Jedermann sah, daß sie eine<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013