15.01.2015 Aufrufe

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

Zur PDF-Datei... - Max Stirner Archiv Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 108<br />

Man hätte sich aber auch überlegen müssen, ob sie wirklich unvoreingenommen waren, ob<br />

sie wirklich die Tatsachen studiert hatten, von denen sie mit solcher Überzeugung sprachen,<br />

ob sie gewissenhaft wenigstens die Tatsachen mitteilten, die klar waren und ohne besonderes<br />

Studium von selbst ins Auge sprangen. Die europäischen Gelehrten hielten das nicht für nötig;<br />

sie waren Weiße; die Rassenlehre der Pflanzer war schmeichelhaft für die weiße Rasse;<br />

wer hätte da Lust gehabt, daran zu zweifeln, daß sie begründet sei<br />

Die Nordstaaten fürchteten sich vor den Pflanzern. Europa hörte, daß die Pflanzer drohten,<br />

aus der Union auszuscheiden; sie wußten, daß ihr Abfall zum Bürgerkrieg führen mußte; der<br />

Bürgerkrieg würde die Arbeit auf den Baumwollplantagen stören, Europa würde nicht genug<br />

Baumwolle erhalten. Und was würde geschehen, wenn der Krieg mit dem Sieg der Nordstaaten<br />

endete Die Sklaverei wurde aufgehoben werden: die befreiten Neger würden nicht mehr<br />

arbeiten, sie waren ja faule Tiere, die gar nicht den Wunsch hatten, sich durch Arbeit ein bequemeres<br />

Leben zu verschaffen, und ein tierisches Elend der Arbeit vorzogen. Weiße Menschen<br />

können auf Baumwollplantagen nicht arbeiten, dazu sind nur Neger fähig – so sagten<br />

die Pflanzer, und Europa glaubte ihnen. Falls die Nord-[263]staaten siegten, blieb Europa<br />

ohne Baumwolle und hatte schwere wirtschaftliche Not zu erwarten; deshalb mußte Europa<br />

wünschen, daß die Südstaaten die Oberhand über die Nordstaaten behielten, und daß die<br />

Sklaverei in den Südstaaten weiterbestand. So dachte damals die Mehrheit der einflußreichen<br />

Männer in Europa.<br />

Aber das Unglück, vor dem sich die kompromißbereiten Leute der Nordstaaten so gefürchtet<br />

hatten, und das auch Europa in Schrecken versetzte, trat ein. Die Pflanzer fielen von der Union<br />

ab, und es entbrannte ein Bürgerkrieg, der fast vier Jahre dauerte; die Einfuhr von Baumwolle<br />

aus den Südstaaten nach Europa geriet ins Stocken; die Teile Europas, die eine entwikkelte<br />

Baumwollindustrie besaßen, hatten lange, schwere Leiden zu erdulden. Der Krieg endete<br />

mit der Aufhebung der Sklaverei in den Südstaaten. Der unbesonnene Teil der Pflanzerpartei<br />

träumte von ihrer Wiederherstellung. Die Mehrheit der Pflanzer kam schnell zu der Überzeugung,<br />

daß sie sich nicht wiederherstellen ließ. Das Problem der Sklaverei verlor seine<br />

politische Bedeutung und wurde zum Gegenstand ausschließlich wissenschaftlicher Forschung.<br />

Und was zeigte sich da Die Tatsachen bewiesen das Gegenteil dessen, was die gelehrten<br />

Verteidiger der Sklaverei über die Unfruchtbarkeit der mulattischen Rasse gesagt hatten<br />

– hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit unterscheiden sich die Mulatten und Mulattinnen nicht<br />

im geringsten von den Weißen und Schwarzen.<br />

Den Anlaß zu dem Gerede über ihre angebliche Unfruchtbarkeit hatte der Umstand gegeben,<br />

daß sehr viele Mulattinnen entweder wirklich unfruchtbar blieben, obwohl sie mit Männern<br />

zusammenlebten, oder daß unverhältnismäßig viele von den Kindern, die sie zur Welt brachten,<br />

starben, bevor sie heranwuchsen. Es zeigte sich jedoch, daß diese Mulattinnen ein Leben<br />

führten, das bei Frauen jeder Rasse, der weißen, der gelben wie der schwarzen, die gleichen<br />

Folgen hat; diejenigen Mulattinnen dagegen, die ein Leben führten, das den für alle Rassen<br />

gleichen Vorbedingungen für die weibliche Fruchtbarkeit und das Heranwachsen gesunder<br />

Kinder entsprach, hatten [264] ebenso viele Kinder wie die Arierinnen, Mongolinnen oder<br />

Negerinnen, die das gleiche Leben führten, und ihre Kinder wuchsen ebenso gesund heran<br />

wie die Kinder von Frauen anderer Rassen.<br />

Menschen, die nicht wissen, wie sehr eine verlogene öffentliche Meinung das Denken der<br />

Gelehrten beeinflußt, haben sich darüber gewundert, wie man mit solcher Gleichgültigkeit<br />

der Wahrheit gegenüber behaupten konnte, die Mulattinnen seien unfähig, viele und gesunde<br />

Kinder zu haben. Es gab ein noch sonderbareres Kuriosum. Auf der Stufe der Fruchtbarkeit<br />

der Bastarde, bei der ihre Nachkommenschaft, ohne abzunehmen, ja bei einer gewissen Zunahme,<br />

eine unbegrenzte Zahl von Generationen erreichen könnte, läßt sich häufig die Tatsa-<br />

OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!