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N. G. Tschernyschewski – Ausgewählte philosophische Schriften – 104<br />
SKIZZENZUM<br />
WISSENSCHAFTLICHEN VERSTÄNDNIS<br />
EINIGER FRAGEN DER WELTGESCHICHTE 1<br />
1<br />
ÜBER DIE RASSEN<br />
Die Unterschiede, nach denen man das Menschengeschlecht in Rassen einteilt, bestehen<br />
schon seit sehr alten Zeiten. Vor einigen Jahrzehnten war die Mehrheit der Fachleute der Anthropologie<br />
sogar der Meinung, daß die Entstehung der Rassenunterschiede mit der Entstehung<br />
der Menschen überhaupt zusammenfalle, und daß jede Rasse eine besondere Art darstelle<br />
und gesondert entstanden sei. In den gelehrten Abhandlungen erhielt diese Auffassung<br />
eine gelehrte Einkleidung und wurde als Resultat wissenschaftlicher Tatsachenforschung<br />
1 Die Reihe der unter diesem Titel erschienenen Arbeiten schrieb N. G. Tschernyschewski in den Jahren 1887<br />
und 1888 als einleitende Artikel zu den letzten Bänden der von ihm ins Russische übersetzten Weltgeschichte<br />
von Georg Weber (im Verlage K. T. Soldatenkows). Auf dem Titelblatt ist aus Zensurgründen als Übersetzer<br />
„Andrejew“ genannt. Der Aufsatz „Über die Rassen“ erschien erstmalig in Band VII der „Weltgeschichte“ Webers;<br />
die Bände VIII-XI enthielten jeweils die folgenden Beiträge Tschernyschewskis: „Die Klassifizierung der<br />
Menschen nach der Sprache“, „Von der Verschiedenheit der Völker nach ihrem Nationalcharakter“ „Die allgemeine<br />
Natur der Elemente, die den Fortschritt bewirken“, „Das Klima. Das astronomische Gesetz der Ausbreitung<br />
der Sonnenwärme“. In der vorliegenden Ausgabe kommen von diesen fünf Aufsätzen der 1., 3. und 4. zum<br />
Abdruck.<br />
Bei seiner Rückkehr aus Sibirien war Tschernyschewski jede wissenschaftliche Betätigung untersagt. Seine<br />
Absicht, sich größere literarische Arbeiten vorzunehmen, stieß nicht nur auf Einspruch von seiten der zaristischen<br />
Regierung, sondern fand auch Ablehnung bei den damaligen Verlegern. Die „Groschenarbeit“ des Übersetzers<br />
blieb für Tschernyschewski das einzige Mittel, „sich sein Brot zu erwerben“. Tschernyschewski machte<br />
sich jedoch an die Übersetzung Webers mit einer bestimmten Absicht, von der er später an K. T. Soldatenkow<br />
schrieb: „Als ich auf den Gedanken kam, Sie zu bitten, die Finanzierung der Herausgabe der Werke Webers zu<br />
übernehmen (wobei die Hauptausgabe die Bezahlung meines Unterhaltes während der Arbeitszeit war), hatte<br />
ich einen ganz anderen Plan, als den, den ich dann durchführen mußte. Es handelte sich um folgendes:<br />
Ich darf keine Bücher unter meinem Namen herausgeben. Der Name Webers sollte mir nur als Schirm für eine<br />
Abhandlung über die Weltgeschichte dienen, deren Autor ich selber gewesen wäre. Da ich meine wissenschaftlichen<br />
Fähigkeiten kenne, rechnete ich damit, daß meine Abhandlung ins Deutsche, Französische und Englische<br />
übersetzt werden und einen Ehrenplatz in jeder der Literaturen der fortschrittlichen Nationen einnehmen würde.<br />
Um jedoch eine solche Umarbeitung des Buches Webers vorzunehmen, bei der mit Ausnahme des Autorennamens<br />
alles von mir gewesen wäre, hätte ich viele Bücher zur Hand haben müssen: bei Beginn der Arbeit für<br />
etwa tausend Rubel; später wären noch einmal zwei- bis dreitausend nötig gewesen.<br />
Ich hatte also die Absicht, nach Beendigung der kleinen Arbeit, von der ich damals (recht ärmlich) lebte, Ihnen<br />
zu schreiben: schicken Sie mir Bücher und eröffnen Sie mir einen Kredit bei irgendeinem Moskauer Buchhändler,<br />
der mit deutschen und anderen Buchhändlern in Verbindung steht; ich werde unter dem Titel einer Bearbeitung<br />
Webers eine völlig eigene Arbeit über die Weltgeschichte schreiben; ich bitte Sie, den Verlag zu übernehmen,<br />
und während dieser Arbeit für meinen Unterhalt aufzukommen...<br />
Statt dessen ist was geschehen<br />
Ich übersetze ein Buch, das mir entschieden mißfällt; ich verliere Zeit mit Übersetzungsarbeit, die einen Mann<br />
von meiner Gelehrsamkeit und von meinen – ich sage das ohne falsche Bescheidenheit – geistigen Fähigkeiten<br />
nicht ansteht...“ (N. G. Tschernyschewski, Sämtl. Werke, Bd. XV, Moskau 1950, S. 769/70 russ.)<br />
Obwohl Tschernyschewski gezwungen war, sich auf eine bloße Übersetzung zu beschränken, gab er doch nicht<br />
den Gedanken auf, das umfangreiche Werk Webers von verschiedenem „Unfug“, „leerem Gerede“ und deutschem<br />
Nationalismus zu „säubern“. Außer der ziemlich bedeutenden „Säuberung“, der Tschernyschewski die<br />
Arbeit des deutschen Historikers unterzog, schrieb er zu einigen Bänden besondere einleitende Aufsätze. Diese<br />
Aufsätze haben selbständige Bedeutung und sind zum Verständnis der soziologischen Anschauungen Tschernyschewskis<br />
sehr wichtig. Besonders scharf kritisiert Tschernyschewski in ihnen die „Rassentheorie“ und deckt ihr<br />
reaktionäres Wesen auf.<br />
In der vorliegenden Ausgabe sind die Aufsätze nach dem Text der entsprechenden Bände von Webers „Weltgeschichte“<br />
wiedergegeben.<br />
OCR-Texterkennung <strong>Max</strong> <strong>Stirner</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Leipzig</strong> – 23.11.2013