Wiener Zeitung 21Juni2012 - Rechtsanwälte Brandl & Talos
Wiener Zeitung 21Juni2012 - Rechtsanwälte Brandl & Talos
Wiener Zeitung 21Juni2012 - Rechtsanwälte Brandl & Talos
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fallstricke bei Bürgerbeteiligungen - <strong>Wiener</strong> <strong>Zeitung</strong> Online<br />
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.phpem_ssc=LCwsLA==&em_c...<br />
Seite 1 von 2<br />
25.06.2012<br />
Gemeinden, die Energieprojekte von Bürgern finanzieren lassen, sollten ihr<br />
Beteiligungsmodell vorab prüfen<br />
Fallstricke bei Bürgerbeteiligungen<br />
Von Andrea Möchel<br />
Neue Finanzierungsmodelle bei Öko-Energieprojekten boomen.<br />
Wien.<br />
Bürgerbeteiligungen an Öko-Energieprojekten feiern in<br />
Österreich derzeit einen Hype. Kaum werden<br />
Beteiligungsscheine für Solarkraftwerke angeboten, sind sie,<br />
wie zuletzt in Zwentendorf und Wien, innerhalb weniger Tage<br />
ausverkauft. Tatsächlich scheint das Prinzip hinter den<br />
Bürgerbeteiligungen simpel: Die Einwohner einer Gemeinde<br />
stellen dieser Geld für den Bau eines Kraftwerks zur Verfügung.<br />
Im Gegenzug erhalten die Bürger Zinsen oder andere<br />
Vergütungen. Doch was so simpel anmutet, birgt auf<br />
rechtlicher Ebene jede Menge Fallstricke.<br />
Photovoltaik-Paneele eignen sich für<br />
ein Sale-and-Lease-Back-<br />
Finanzierungsmodell.<br />
Schwierige Rechtsmaterie<br />
"Es zeigt sich, dass die sogenannten Bürgerbeteiligungen<br />
eine Vielzahl von verschiedenen Rechtsgebieten streifen",<br />
warnt Roman Rericha, Rechtsanwalt in der <strong>Wiener</strong> Kanzlei <strong>Brandl</strong> & <strong>Talos</strong>. "Wobei<br />
zunächst zu beachten ist, dass Bürgerbeteiligung ein rechtlich undefinierter<br />
Überbegriff für jede Konstruktion ist, mit der sich eine Projektfinanzierung<br />
umsetzen lässt." Theoretisch kann eine Bürgerbeteiligung daher auch in Form<br />
einer Aktiengesellschaft aufgezogen werden. "Das ist aber in der Praxis - gerade<br />
bei kleinen Gemeinden - denkbar unpraktikabel", räumt Rericha ein. "Die<br />
Gemeinde muss prinzipiell darauf achten, dass sie ein Modell wählt, das sowohl<br />
der baulichen als auch der finanziellen Dimensionierung der geplanten Anlage<br />
gerecht wird."<br />
© Harald Lange - Fotolia<br />
Tatsächlich zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass sich Gemeinden nicht<br />
ausreichend damit beschäftigen, wie die Bürgerbeteiligung rechtlich aufgezogen<br />
wird. Dabei sind mehrere Konstruktionen möglich, darunter eine Publikums-<br />
Kommanditgesellschaft, eine Sale-and-Lease-Back-Konstruktion, die Beteiligung<br />
einer Bank sowie eine Anleihen-Emission.<br />
Die naheliegendste Vorgehensweise wäre wohl, interessierte Bürger einzuladen,<br />
auf das Gemeindekonto einzuzahlen. Aus Sicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde<br />
(FMA) handelt es sich dabei allerdings um ein Bankgeschäft, zu dem Gemeinden<br />
nicht berechtigt sind. "Die FMA hat sich bis dato nur zur Darlehensfinanzierung<br />
geäußert", weiß Martin Knoll, Rechtsanwaltsanwärter bei <strong>Brandl</strong> & <strong>Talos</strong>. Anlassfall<br />
war ein Bürgerbeteiligungsmodell, bei dem Bürger einer Gemeinde ein Darlehen<br />
gewährten und das Geld auf das Gemeindekonto einzahlten. Im Gegenzug<br />
erhielten sie einen Anspruch auf Darlehenstilgung und Zinszahlung. "Da die Bürger<br />
nur einen Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung hatten, das heißt im Grunde<br />
so etwas wie ein Sparbuch vorlag, ist die FMA davon ausgegangen, dass die<br />
Gemeinde ein Einlagengeschäft im Sinne des Bankwesengesetzes betreibt", sagt<br />
Knoll. "Ausgehend von der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum
Fallstricke bei Bürgerbeteiligungen - <strong>Wiener</strong> <strong>Zeitung</strong> Online<br />
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.phpem_ssc=LCwsLA==&em_c...<br />
Seite 2 von 2<br />
25.06.2012<br />
Einlagengeschäft ist diese Rechtsansicht der FMA richtig." Übrigens: Seit 1. Mai<br />
2012 droht dafür eine Verwaltungsstrafe bis zu 100.000 Euro.<br />
Bewährt: Sale-and-lease-back<br />
Um regulatorische Probleme zu vermeiden, haben sich in Österreich bisher vor<br />
allem verschiedene "Sale-and-lease-back-Konstruktionen" bewährt. Dabei<br />
erwerben Privatpersonen in der Regel einzelne Teile an der geplanten Anlage<br />
direkt vom Betreiber und vermieten diese an den Betreiber des "Bürgerkraftwerks"<br />
zurück. "Bei der Detailgestaltung ist jedoch besonderes Augenmerk auf den<br />
Schutzzweck der regulatorischen Vorschriften zu legen, welche das Publikum vor<br />
allem vor Verlusten ihrer investierten Gelder schützen", betont Knoll. Diesem Ziel<br />
könne in der Regel durch eine strenge projektbezogene Zweckwidmung der<br />
eingezahlten Gelder, sowie eine ausreichende Besicherung des<br />
Rückzahlungsanspruchs Genüge getan werden.<br />
Doch Vorsicht: Nicht jedes Finanzierungsmodell ist für jede Art der<br />
Energiegewinnung geeignet. Beim Sale-and-Lease-Back-Modell benötigt man ein<br />
Kraftwerk, das aus mehreren selbständigen Teilen besteht, wie Photovoltaik-<br />
Paneele. Bei einem Windrad würde diese Bürgerbeteiligung daher nicht<br />
funktionieren.<br />
Bei Finanzierungs-Modellen wie der Kommanditgesellschaft oder bei Anleihen ist<br />
nicht zuletzt die Prospektpflicht des Kapitalmarktgesetzes zu beachten, die unter<br />
anderem vom Finanzierungsvolumen abhängig ist.<br />
"Solange man sich mit dem Bürgerbeteiligungsprojekt im rechtlichen Rahmen hält,<br />
besteht grundsätzlich kein Bedarf, die Gesetze zu ändern", so Rericha. "Im<br />
Hinblick auf die komplexen Rechtsmaterien und die Fülle an Regulierungen, die für<br />
Bürgerbeteiligungen gelten, wären vereinfachte Rahmenbedingungen für regionale<br />
Öko-Energie-Projekte jedoch durchaus begrüßenswert."<br />
URL: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/467297_Fallstricke-bei-Buergerbeteiligungen.html<br />
© 2012 <strong>Wiener</strong> <strong>Zeitung</strong>