Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 43<br />
Im Zusammenhang mit der Sozialbilanzierung, einem Instrument zur gesellschaftsbezogenen<br />
Rechnungslegung von Unternehmen, 88 welches ebenfalls zu Beginn der<br />
70er Jahre eine gewisse Popularität erreichte, wurden erste Ansätze zur Erfassung<br />
betrieblicher Umweltbelastungen entwickelt. Ausgangspunkt dazu bildete das durch die<br />
Theorie sozialer Kosten, resp. Externalitäten ins Bewusstsein getretene<br />
Auseinanderfallen gesellschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Nutzen(-maximierung).<br />
Demnach entwickelte sich der Anspruch, negative wie auch positive gesellschaftliche<br />
Leistungen der Unternehmung greifbar zu machen. 89<br />
Auch Müller-Wenks innovativer Vorschlag der Ökologischen Buchhaltung wurde in<br />
diesem Zusammenhang entwickelt: Als Teilprojekt der an der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> und<br />
der Eidg. Technischen Hochschule Zürich bearbeiteten NAWU -<strong>St</strong>udie Neue Analysen<br />
für Wachstum und Umwelt. Das Projekt zielte darauf ab, <strong>St</strong>euerungsinstrumente für<br />
eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise zu entwickeln 90 .<br />
Wegleitend war dabei nicht nur die Erfassung betrieblicher Umwelteinwirkungen,<br />
sondern vielmehr deren umweltpolitische <strong>St</strong>euerung. Auf der Basis von Umweltbilanzen<br />
sollte der <strong>St</strong>aat den Unternehmen direkt Belastungsrechte zuteilen und deren<br />
Einhaltung kontrollieren können. Die Bemessung dieser Kontingente sollte nicht auf<br />
einzelstofflicher Basis, sondern nach Massgabe der gesamten betrieblichen Umweltbelastung<br />
erfolgen und „das Wachstum der Unternehmen auf einen Bereich (...)<br />
beschränken (..), innerhalb dessen die als zulässig erachteten Umweltbelastungen noch<br />
nicht überschritten sind“ 91 .<br />
Müller-Wenk entwickelte dazu erstmals ein Vorgehen, welches auf eine systematische<br />
Quantifizierung dieser Umweltbelastung abzielte. Dabei wurden die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />
des Unternehmens –in seiner Fallstudie konkret der Rocco Konservenfabrik -in<br />
Form eines Input-Output-Kontenrahmens analog zur Buchhaltung erfasst und mittels<br />
sogenannter Aequivalenzkoeffizienten (Gewichtungsfaktoren) zu einer umweltmedienübergreifenden,<br />
künstlichen Masszahl Umweltbelastungs- “Recheneinheiten“ verdichtet.<br />
Die Ökologische Buchhaltung markiert gemäss der gängigen –betriebswirtschaftlichen<br />
- Literatur 92 die Geburtsstunde der (unternehmungsbezogenen) Ökobilanzierung.<br />
Müller-Wenk nannte das Prinzip zur Gewichtung verschiedener Umweltbelastungen<br />
Ökologische Knappheit. Sie „ist für eine bestimmte Einwirkungsart, bzw. das von dieser<br />
betroffene Umweltgut, definiert als eine Funktion des gegenwärtigen Ausmasses der<br />
(...) Einwirkungen (...) innerhalb eines relevanten räumlichen Bereichs sowie des<br />
88<br />
Ein frühes Beispiel findet sich dazu in: Braun, 1974, S. 47 - 53.<br />
89<br />
Siehe Vorwort von Meinolf Dierkes, in: Müller-Wenk, 1978, S. 7.<br />
90<br />
Binswanger, 1978, Vorwort.<br />
91<br />
Müller-Wenk, 1978, Aus dem Text auf der Rückseite des Umschlags.<br />
92<br />
Schaltegger, S., Burrit, R.: Contemporary Environmental Accounting, Greenleaf, Sheffield, 2000, S.<br />
263.