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Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen

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Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 15<br />

Die Funktionssysteme sind offene und geschlossene Systeme zugleich: offen insofern,<br />

als dass sie auf die Leistungen der anderen Teilsysteme angewiesen sind.<br />

Geschlossen, da sie die Welt und die eigenen Operationen nur durch die Brille ihres<br />

eigenen Codes erkennen und beschreiben können. Dabei bezeichnet ein Code eine<br />

digitale, zweiwertige Differenz die für das jeweilige Funktionssystem eine universelle<br />

Geltung beansprucht. Der Code dient dazu, alle systemrelevanten Informationen<br />

entsprechend einem Wert, resp. dem zugehörigen Gegenwert zu interpretieren und zu<br />

bewerten. Konkret wird dann im Rechtssystem nach recht/unrecht, im<br />

Wissenschaftssystem nach wahr/unwahr, im Wirtschaftssystem nach (Geld)<br />

Haben/Nicht-haben, etc. codiert.<br />

Reaktion oder in den Worten Luhmanns Resonanz kann im jeweiligen System nur dann<br />

entstehen, wenn die Signale aus der (sozialen oder ökologischen) Umwelt des Systems<br />

in das jeweilige Code-Schema übertragen werden können, da sie ansonsten durch das<br />

Teilsystem schlichtweg ignoriert werden. Die Codierung ist Voraussetzung dafür, dass<br />

das Funktionssystem Information überhaupt als Teil seiner Realität wahrnehmen kann.<br />

In Abgrenzung zum Code sind Programme Bedingungen zur richtigen Selektion von<br />

Operationen. Sie konkretisieren, resp. operationalisieren die Anforderungen, die ein<br />

Funktionssystem erfüllen muss. Programme sind sozusagen die Schnittstelle zur<br />

Realität und sie können ausgewechselt werden, ohne die Identität des zweiwertigen<br />

Codes zu gefährden. Die Lernfähigkeit des Funktionssystems wird somit durch<br />

Programme aufrechterhalten. Während Code den geschlossenen, autopoietischen<br />

Aspekt des Funktionssystems ausmacht, bilden Programme die Offenheit des Systems<br />

aus und machen es erst im Zusammenspiel mit den anderen Teilsystemen lebensfähig.<br />

So dienen Forschungsmethoden der Programmierung der Wahrheitssuche, Rechtsgrundsätze<br />

der Programmierung von Gerechtigkeit und Preise der Operationalisierung<br />

der Geldwirtschaft.<br />

2.3.3 Codierung ökologischer Daten<br />

Ökologische Daten, also wie gesagt: chemische, physikalische und biologische Fakten,<br />

werden erst in den einzelnen Funktionssystemen aufgrund einer spezifischen Wertung<br />

zu Informationen; provozieren Kommunikation und mithin Anpassungen im System. In<br />

der Welt Luhmann'scher Systemtheorie heisst das konkret: ökologische Daten werden<br />

im Rechtssystem nur dann wahrgenommen und relevant, wenn sie unter den Code<br />

recht/unrecht subsumiert werden können. Von der Politik werden sie nur<br />

wahrgenommen, sofern sie im Hinblick auf das Erreichen oder Verlieren eines Mandats<br />

bedeutsam sind, und sie werden in der Wissenschaft nur insofern als relevant erkannt,<br />

als dass sie in den Code von wahr oder unwahr transformiert werden können. Im<br />

Wirtschaftssystem schliesslich werden ökologische Daten dann zu Informationen, wenn<br />

sie mit Eigentum/Zahlungsfluss zu tun haben, resp. in Preisen ausgedrückt werden<br />

können.

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