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Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen

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Kapitel 1: Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen 3<br />

unklar und stets nur ein mehrdeutiges Kondensat rationaler Forschung im Popper'schen<br />

Sinne der Nichtverifizierbarkeit. Natur ist damit letztlich nur ein kulturelles Konstrukt –<br />

geprägt durch noch nicht falsifizierte Theorien. Die Bewertung ökologischer<br />

Informationen schliesslich offenbart sich noch deutlicher als kulturelles und nicht<br />

abschliessend objektivierbares Produkt. Unterschiedliches Umweltwissen der Akteure,<br />

ihre sehr heterogenen Präferenzstrukturen bezüglich Nutzen, Risiken, etc. machen die<br />

Ökologische Wahrheit in letzter Konsequenz zu einer Utopie. Dennoch ist der Grüne<br />

<strong>St</strong>ein der Weisen für die Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftssystems<br />

unabdingbar: denn Handeln erfordert Entscheiden erfordert Bewerten.<br />

Ökobilanzen zielen darauf ab, diesen Übersetzungsprozess ans Licht zu bringen, zu<br />

systematisieren, von ökologischen Trugschlüssen (falsifizierten naturwissenschaftlichen<br />

Thesen) zu befreien und damit die Ökologische Beliebigkeit zu überwinden. Der Weg ist<br />

das Ziel; der durch Ökobilanzen erzielte Lernprozess das Produkt.<br />

Die Ökobilanzforschung hat in den vergangenen 35 Jahren einen methodischen<br />

Rahmen entwickelt, der in bemerkenswerter Weise Eingang in die internationale<br />

Normenlandschaft und via diesen Transmissionsriemen gleichsam in reale Entscheidungs-<br />

und Lernprozesse der Akteure gefunden hat.<br />

Nebst einem mittlerweile äusserst ausgefeilten Regelwerk zu jedem einzelnen Arbeitsschritt<br />

einer Ökobilanzierung, besteht das Verdienst in der Einführung eines sechs –<br />

aus ökologischer Sicht zentrale - Elemente integrierenden Konzepts:<br />

1. Die Formulierung von klar definierten Erkenntnis- und Einsatzzielen, an denen sich<br />

die Ausgestaltung der Ökobilanz zu orientieren hat sowie der Einbezug der<br />

relevanten Anspruchsgruppen in diesen Ausgestaltungsprozess.<br />

2. Die Einführung expliziter und der Zielsetzung, aber auch den ökologisch relevanten<br />

Tatbeständen, angemessenen Systemgrenzen des zu beurteilenden Untersuchungsgegenstandes<br />

unter Einbezug des gesamten ökologischen Produktlebenszyklus.<br />

3. Die umfassende, quantitative Ermittlung, resp. Inventarisierung aller relevanten <strong>St</strong>offund<br />

Energieflüsse: Rohstoffentnahmen aus der Natur (Inputs) und Abgaben an die<br />

Natur (Outputs).<br />

4. Die logisch strukturierte, auf naturwissenschaftlichen Modellen aufbauende, algorithmusbasierte<br />

Wirkungsanalyse, welche eine Aggregation von <strong>St</strong>offdaten im Hinblick<br />

auf bestimmte ökologische Phänomene erlaubt.<br />

5. Die Gewichtung der <strong>St</strong>offdaten, resp. der Wirkungen und damit deren Summierung<br />

in einen umfassenden Index der Umweltbelastung auf der Basis gesellschaftlicher<br />

Werte.<br />

6. Die Interpretation aller zusammengeführten Informationen und Erkenntnisse im Hinblick<br />

auf die Erkenntnis- und Einsatzziele und unter Würdigung der Datenqualität<br />

mittels numerischer Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalysen.

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