Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
96 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
endpoint-orientierten, noch sehr unsicheren Modelle sind jedoch weit von einer solchen<br />
Anerkennung entfernt. Dies im Gegensatz zu den am Anfang der Wirkungskette<br />
liegenden Potential-Indikatoren für Treibhauseffekt, Ozonschichtabbau, Versauerung,<br />
Überdüngung oder Photooxidation. Die Charakterisierungsfaktoren dieser Umweltveränderungskategorien<br />
stammen häufig aus international anerkannten Gremien, zum<br />
Beispiel dem Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (Treibhauseffekt), den<br />
Berichten zum Montreal Protocol (Ozonabbau) oder werden von internationalen<br />
Branchenorganisationen wie der Responsible Care Initiative der Chemischen Industrie<br />
postuliert (Photooxidation).<br />
4.3.4.4 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Schutzobjekten<br />
Während sich die Ökobilanzforschung zu Beginn der 90er Jahre sozusagen von links –<br />
ausgehend von den Inputs und Outputs –nach rechts –also entlang der Kausalketten<br />
entwickelte, setzte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts eine intensive Diskussion<br />
ausgehend von den Schutzobjekten –also von rechts nach links –über die Schäden<br />
hin zu den Wirkungsmodellen und schliesslich zu den Emissionen ein.<br />
Man versprach sich davon eine konsistentere und fokussiertere Modellierung, indem<br />
lediglich die für bestimmte Schutzobjekte, resp. Schäden dominierenden Wirkungsketten<br />
und schliesslich auch Sachbilanzindikatoren einbezogen werden sollten. Damit<br />
wollte man dem Vorwurf einer vorwiegend durch die Verfügbarkeit von Wirkungsmodellen<br />
bestimmten <strong>St</strong>eigerung der Komplexität der Wirkungsketten entgegenwirken,<br />
und dem Umstand Rechnung tragen, dass die bislang modellierten Umweltwirkungen<br />
(midpoints) am Anfang der Wirkungsketten zunächst einmal nur ökologische<br />
Veränderungen abbildeten, unabhängig von der Relevanz der dadurch allenfalls<br />
ausgelösten Schäden.<br />
Zur Ermittlung relevanter Schäden muss jedoch explizit spezifiziert werden, welche<br />
Objekte als schützenswert erachtet werden. Die Schutzobjekte selbst liegen<br />
ausserhalb der wissenschaftlichen Modellierung. Sie dienen der Klärung, was in Ökobilanzen<br />
als bedrohtes Gut betrachtet werden soll und erlauben die Selektion und<br />
Zuordnung von Schadenskategorien.<br />
Seit Beginn der 90er Jahre gelten als allgemein akzeptierte Schutzobjekte drei sehr abstrakte<br />
Begriffe: die Menschliche Gesundheit, die Natürliche Umwelt und Ressourcen.<br />
Weitere, eher in jüngeren Vorschlägen postulierte Schutzobjekte stellen zudem die<br />
Kulturelle Umwelt dar, womit die Technosphäre selbst (beispielsweise Kulturgüter, Infrastruktur,<br />
etc.) bezeichnet wird, resp. das Schutzobjekt Gesellschaftliche Wohlfahrt.<br />
Die Bedrohung der Schutzobjekte wird im Rahmen der Formulierung von endpoint<br />
indicators operationalisiert. Es ist also zu fragen, welche Schäden - durch Umweltveränderungen<br />
ausgelöst und anhand messbarer Indikatoren beschreibbar - den<br />
einzelnen Schutzobjekten zuzuordnen sind. Zur Beschreibung der Schäden an der<br />
Menschlichen Gesundheit werden beispielsweise Years of Life Lost (YOLL) oder<br />
Disability Adjusted Life Years (DALY) vorgeschlagen. In der Praxis hat sich bisher