Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ökobilanz – 30 Jahre Forschung an der Schnittstelle zwischen<br />
Natur- und Wirtschaftswissenschaften<br />
- Eine methodische und empirische Bestandesaufnahme<br />
DISSERTATION<br />
der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt von<br />
<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />
von<br />
Langnau im Emmental (Bern)<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Theodor Leuenberger<br />
und<br />
Prof. Dr. Jürg Minsch<br />
Dissertation Nr. 2994<br />
D-Druck Spescha <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>
Die Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />
Sozialwissenschaften (HSG) gestattet hiermit die Drucklegung der<br />
vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen<br />
Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 11. November 2004<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Dr. Peter Gomez
Meinen Guten Geistern
Vorwort<br />
Glück – ein ganz besonderes – wird denjenigen zuteil, die sich ihren grundsätzlichen<br />
Fragen stellen und zu Antworten finden dürfen. Diesem Privileg bin ich mir bewusst und<br />
den vielen guten Geistern, die mir auf meinem Weg zur Seite standen, zu grösstem Dank<br />
verpflichtet.<br />
Meine Frage war und ist eine grundsätzliche: die Übersetzung der gesellschaftlichen<br />
Wahrnehmung der Natur und ihrer Dynamik in die Sprachen der Sozial- und<br />
Wirtschaftswissenschaften. Die erhofften und in den schliesslich 12 Jahren meines<br />
Doktorandenstudiums gefundenen Antworten, resp. Einsichten sind für mich ebenso<br />
grundsätzlicher Natur. Mein Verständnis zentraler Begriffe und Konzepte hat sich im<br />
Verlauf dieses Prozesses fundamental verändert. Rückblickend wird mir klar: Der Weg<br />
war das Ziel.<br />
Ohne die zahlreichen Menschen, die mir auf diesem Weg begegnet sind und Beistand<br />
leisteten, wäre ich mit Sicherheit nicht weit gekommen. Einige seien hier namentlich<br />
erwähnt, den anderen bin ich genauso dankbar; einige haben aktiv, andere ohne ihr<br />
Wissen einen Beitrag geleistet:<br />
Da wären zunächst einmal die Wegweiser -ausserordentliche Denker wie Hans Christoph<br />
Binswanger, unauffällige, aber stetige Innovatoren wie Ruedi Müller-Wenk und Analysten<br />
wie Jürg Minsch mit seiner spitzen und gleichsam lyrischen Feder -die mir jeder auf seine<br />
ganz eigene Art vor Augen führten, dass man aus dem vermeintlichen Elfenbeinturm<br />
heraus wirksame Beiträge für eine nachhaltigere Welt leisten kann.<br />
Ebenso bedeutend sind die Wegbereiter, die mir einen, durchaus Haken schlagenden,<br />
jedoch vollkommen freien Lauf ermöglicht haben. Allen voran der unermüdliche Vernetzer<br />
Theodor Leuenberger; weiter Christian Lienhard, Peter Walser und Alfred Escher, die mir<br />
im entscheidenden Moment durch Ihren Einsatz für die sinum AG den Rücken<br />
freigehalten haben. Werner und Claudia Rechsteiner, Herbert Furgler, Reto Caviezel und<br />
Dorle Vallender, die mir lange vor Antritt dieser Reise mit Ihrem Beistand aus schwierigem<br />
Gelände geholfen haben.<br />
Auch Wegelagerer sind zu erwähnen, durch ihre wohlgesonnene Kritik und ihr<br />
Hinterfragen herausfordernde Freunde wie Claus Noppeney. Inhaltlich wie persönlich<br />
verbundene Weggefährten wie Nobuyuki Miyazaki und Susanne Kytzia. Kundige und<br />
überaus engagierte Führer im Dickicht empirischer Sozialforschung wie Thomas Frehner<br />
– auch er mindestens ein enger Freund.<br />
Und schliesslich die zentralen institutionellen Brückenbauer: oikos -Vision, Heimat und<br />
über die oikos <strong>St</strong>iftung auch Quelle finanziellen Proviants. Die Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> -<br />
Schule, Arbeitgeber und gegen Ende wohlwollender Zöllner, der mir meinen etwas gar<br />
langsamen Gang verständnisvoll nachsehen konnte.
In einer Kategorie jenseits würdiger Bezeichnung meine Familie -Esther und Claudine.<br />
Und trotz aller Differenzen auch Alex, der mir die Früchte seiner Arbeit zufallen liess,<br />
die mein <strong>St</strong>udium finanziert haben.<br />
Euch allen mein bester Dank !<br />
<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />
Zürich, im Februar 2005
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen......................................1<br />
2 Zielsetzung und forschungsleitende Fragen.............................................5<br />
2.1 Vorgehen und Aufbau der Arbeit................................................................................5<br />
2.1.1 Historische Analyse...........................................................................................5<br />
2.1.2 Empirische Analyse ..........................................................................................6<br />
2.2 Das kulturelle Konstrukt Umweltproblem....................................................................7<br />
2.2.1 Umwelt...............................................................................................................7<br />
2.2.2 Ökologie............................................................................................................8<br />
2.2.3 Was ist ein Umweltproblem...........................................................................13<br />
2.3 Wie werden ökologische Daten gesellschaftlich codiert.........................................15<br />
2.3.1 Ökologische Kommunikation...........................................................................15<br />
2.3.2 Die binäre Codierung gesellschaftlicher Funktionssysteme............................15<br />
2.3.3 Codierung ökologischer Daten........................................................................16<br />
2.4 Ökologische Rationalität...........................................................................................17<br />
2.4.1 Systemtheoretische Betrachtungsebene.........................................................17<br />
2.4.2 Umweltökonomische Betrachtungsebene.......................................................19<br />
2.4.2.1 Neoklassische Umweltökonomie....................................................................20<br />
2.4.2.2 Ökologische Ökonomie...................................................................................22<br />
2.4.3 Betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene.....................................................24<br />
2.5 Ökologische Rationalität als Mass der Bestandesaufnahme...................................28<br />
3 Phase der Vorläufer und Pioniere...........................................................29<br />
3.1 Ansätze zur Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen..........................................30<br />
3.1.1 <strong>St</strong>offflussanalyse.............................................................................................30<br />
3.1.2 Input-Output-Bilanz..........................................................................................31<br />
3.1.3 Ökonomische Input-Output-Bilanz...................................................................32<br />
3.1.4 Der Einbezug des ökologischen Produktlebenszyklus....................................33<br />
3.1.5 Hybride Input-Output-Bilanz für Lebenszyklusanalysen..................................34<br />
3.1.6 REPA – die erste lebenszyklusbasierte Produktökobilanz..............................34<br />
3.1.7 Integration von Produkt- und Unternehmungsperspektive..............................35<br />
3.2 Ansätze zur Beurteilung von <strong>St</strong>offbilanzen ..............................................................36<br />
3.2.1 Verbal Argumentative Beurteilung (McKinsey)................................................37<br />
3.2.2 Nutzwertanalyse (Midwest Research Institute)................................................38<br />
3.2.3 Soziale (Vermeidungs-) Kosten (Abt Associates)............................................39<br />
3.2.4 Lebenswegkosten (Batelle Institute) ...............................................................39<br />
3.2.5 Entropieansätze...............................................................................................40
3.2.6 Die stoffflussbasierte Ökologische Knappheit (Müller-Wenk)..........................42<br />
3.2.7 Relation politischer Qualitätsziele (Jansen / Basler&Hoffmann).....................47<br />
3.2.8 Kritische Volumina (EMPA).............................................................................48<br />
3.3 Fazit: Ökobilanzen entspringen dem Zeitgeist der 70er...........................................50<br />
4 Phase der Differenzierung und Operationalisierung...............................55<br />
4.1 Popularität und Kritik als Treiber der Entwicklung....................................................56<br />
4.2 Vier Elemente als Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung.....................................59<br />
4.2.1 Zieldefinition & Untersuchungsrahmen (Goal & Scope Definition)..................59<br />
4.2.2 Sachbilanzierung (Inventory Analysis).............................................................61<br />
4.2.3 Wirkungsanalyse und Gewichtung (Impact Assessment) ..............................62<br />
4.2.3.1 Wirkungsanalyse............................................................................................63<br />
4.2.3.2 Gewichtung.....................................................................................................63<br />
4.2.4 Interpretation...................................................................................................64<br />
4.3 Kritische Operationen der Ökobilanzierung..............................................................65<br />
4.3.1 Definition der Funktionellen Einheit.................................................................66<br />
4.3.2 Systemabgrenzung und Allokation..................................................................67<br />
4.3.2.1 Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse.......................................67<br />
4.3.2.2 Umgang mit multifunktionalen Prozessen, resp. Kuppelprodukten.................69<br />
4.3.2.3 Geltungsbereich von Untersuchung, Daten und Modellen..............................71<br />
4.3.2.4 Fazit: Systemabgrenzung und Allokation - zentrale Vorsteuergrössen...........73<br />
4.3.3 Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren .............................73<br />
4.3.3.1 Auswahl und Umfang der Indikatoren.............................................................74<br />
4.3.3.2 Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren............................75<br />
4.3.3.3 Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften............................................76<br />
4.3.3.4 Linearisierung und Virtualisierung der Prozessabbildung...............................78<br />
4.3.3.5 Fazit: Sachbilanzierung erfordert zahlreiche Konventionen............................82<br />
4.3.4 Selektion und Modellierung von Wirkungsketten.............................................83<br />
4.3.4.1 Selektion von Wirkungskategorien.................................................................86<br />
4.3.4.2 Modellierung von Wirkungsketten...................................................................89<br />
4.3.4.3 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Emissionen................................91<br />
4.3.4.4 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Schutzobjekten..........................96<br />
4.3.4.5 Fazit: Selektion und Modellierung bewirken weitere Spezialisierung............100<br />
4.3.5 Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung............................102<br />
4.3.5.1 Umwelt-Naturwissenschaften als Referenz..................................................106<br />
4.3.5.2 Politik und Gesetzgebung als Referenz........................................................109<br />
4.3.5.3 Empirische Sozialforschung (Panel) als Referenz........................................114<br />
4.3.5.4 Monetarisierung als umweltökonomische als Referenz................................119<br />
4.3.5.5 Fazit: Es ist kein Konsens zur Gewichtung absehbar...................................125
4.4 Ökobilanzierung wird zur Wissenschaft..................................................................128<br />
4.4.1 Differenzierung der Methodik........................................................................128<br />
4.4.2 Ökobilanzierung als eine Theorie der Umweltbelastung...............................129<br />
4.4.3 Die angewandte Ökobilanzforschung schafft Konventionen ........................132<br />
4.4.4 Zentralisierung der Ökologischen Wahrheit über Datenbanken..................133<br />
5 Phase der Institutionalisierung..............................................................139<br />
5.1 Entwicklung einer internationalen Forschungsgemeinschaft..................................140<br />
5.1.1 Netzwerke und ihre Leistungen.....................................................................140<br />
5.1.1.1 SETAC Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC)........140<br />
5.1.1.2 ISIE - International Society for Industrial Ecology.........................................141<br />
5.1.2 Unabhängige Plattformen zur fachspezifischen Kommunikation..................142<br />
5.1.2.1 International Journal for Life Cycle Assessment...........................................142<br />
5.1.2.2 ICEB - International Conference on EcoBalance..........................................143<br />
5.1.2.3 INLCA/LCM Intern. Conference on LCA & Life Cycle Management.............144<br />
5.1.3 Fazit: Die Ökobilanzforschung konstituiert sich.............................................145<br />
5.2 <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung..........................................................................145<br />
5.2.1 SPOLD Society for the Promotion of Life Cycle Assessment........................145<br />
5.2.2 ISO International Organization for <strong>St</strong>andardization.......................................146<br />
5.2.3 UNEP/SETAC Life Cycle Initiative.................................................................151<br />
5.2.4 GALAC - Global Alliance of LCA Research Centres.....................................156<br />
5.2.5 GEDnet – Global Environmental Product Declarations Network...................159<br />
5.2.6 Fazit: Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen nimmt Form an......................................166<br />
5.3 Diffusion von Daten und Modellen über Software..................................................169<br />
5.3.1 Nutzenpotentiale einer softwaregestützten Ökobilanzierung.........................170<br />
5.3.2 Entstehung eines Marktes für Ökobilanz-Programme...................................172<br />
5.3.3 Funktionalität, Datenformate und <strong>St</strong>andard-Methoden..................................177<br />
5.3.4 Fazit: Software ist ein zentraler Treiber der Institutionalisierung...................185<br />
5.4 Das Projekt Ökobilanz hat eine kritische Masse erreicht........................................186<br />
6 Empirische Bestandesaufnahme..........................................................189<br />
6.1 Begriffsbestimmung zur Betriebsökobilanzierung..................................................189<br />
6.2 Bestehende <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung.............................................191<br />
6.2.1 Kommunikation über LCA/DfE der Global 100 Unternehmen ......................191<br />
6.2.2 <strong>St</strong>udie zu LCA in amerikanischen Fortune 500 Unternehmen......................192<br />
6.2.3 Branchenstudie Elektronikindustrie in nordischen Ländern...........................192<br />
6.2.4 Empirische Forschung zu LCA in Japan........................................................194<br />
6.2.5 Verbreitung von LCA in D, H, UK und CH.....................................................197<br />
6.2.6 LCA und <strong>St</strong>offströme in ISO 14001 Zertifizierten in CH................................198
6.2.7 Einsatz von LCA und Betriebsökobilanzen in D............................................199<br />
6.2.8 Beurteilung von LCA durch ISO 14001 Zertifizierte in D...............................200<br />
6.2.9 Detaillierte Analyse und Beurteilung von LCA in D, I, S und CH...................201<br />
6.2.10 Fazit: Die empirische Forschung lässt zentrale Fragen offen......................205<br />
6.3 <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung in der Schweiz 2004....................................................207<br />
6.3.1 Vorgehen, Umfang und <strong>St</strong>ichprobe...............................................................207<br />
6.3.2 Resultate der allgemeinen Befragung...........................................................209<br />
6.3.2.1 Charakterisierung der <strong>St</strong>ichprobe.................................................................209<br />
6.3.2.2 Verbreitung von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen.................................................210<br />
6.3.2.3 Bekanntheit und Einfluss der ISO Normen...................................................211<br />
6.3.2.4 Arten von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen und ihre Beurteilung..........................212<br />
6.3.3 Auswertung unternehmungsspezifischer Aspekte.........................................215<br />
6.3.3.1 Datenerfassung, Systemgrenzen, Auflösungsvermögen..............................215<br />
6.3.3.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung......................................................221<br />
6.3.3.3 Beurteilung der unternehmungsbezogenen Bilanzierung.............................226<br />
6.3.4 Auswertung produktspezifischer Aspekte......................................................227<br />
6.3.4.1 Umfang, Erstellung und Auflösungsvermögen..............................................228<br />
6.3.4.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung......................................................230<br />
6.3.4.3 Beurteilung der Produktökobilanzierung.......................................................232<br />
6.3.5 Auswertung der gemeinsamen Aspekte........................................................233<br />
6.3.5.1 Einsatz und Beurteilung von Wirkungsanalyse und Gewichtung..................233<br />
6.3.5.2 Beurteilung von Aufwand, Nutzen und Wirkung...........................................239<br />
6.4 Schlussfolgerungen................................................................................................243<br />
7 Zusammenfassung...............................................................................247<br />
Literaturverzeichnis..................................................................................251<br />
Anhang: Fragebogen & Auswertung........................................................267
Abbildungsverzeichnis<br />
Kapitel 2<br />
Abbildung 2.1: Aufbau der Arbeit.....................................................................................7<br />
Abbildung 2.2: Technosphäre und Zivilisationsökologie..................................................9<br />
Abbildung 2.3: Historische Dynamik ökologischer Parameter.......................................11<br />
Abbildung 2.4: Das Konzept des Optimalen Umweltschutzes.......................................20<br />
Abbildung 2.5: Ökologischer und Ökonomischer Kreislauf ...........................................22<br />
Abbildung 2.6: Voraussetzungen der Lebensfähigkeit von Unternehmen.....................24<br />
Abbildung 2.7: Die Ökologische Betroffenheit der Unternehmung................................26<br />
Kapitel 3<br />
Abbildung 3.1: Vorläufer einer Produktökobilanz – Werbung von FIAT 1974...............29<br />
Abbildung 3.2: Kombinierte Darstellung von <strong>St</strong>offfluss und Input-Output-Tabelle.........32<br />
Abbildung 3.3: Ökologischer Produktlebenszyklus........................................................34<br />
Abbildung 3.4: Betriebliche Bilanzierung unter Einbezug der Wertschöpfungskette.....36<br />
Abbildung 3.5: Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 1973.............38<br />
Abbildung 3.6: Das Konzept der Ökologischen Knappheit............................................44<br />
Abbildung 3.7: Datenflussschema der Ökologischen Buchhaltung...............................47<br />
Abbildung 3.8: 1975 bereits verfügbare Elemente der Ökobilanzierung.......................51<br />
Abbildung 3.9: Gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen.................................53<br />
Kapitel 4<br />
Abbildung 4.1: Schwerpunkte publizierter Ökobilanz-<strong>St</strong>udien in Europa um 1991........55<br />
Abbildung 4.2: WWF begründet politische Forderung mit Ökobilanz............................57<br />
Abbildung 4.3: Elemente der Ökobilanzierung gemäss SETAC 1993..........................59<br />
Abbildung 4.4: Aspekte der Systemabgrenzung............................................................68<br />
Abbildung 4.5: Vergleich von zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien.................................80<br />
Abbildung 4.6: Kumulierte NOX-Emissionen eines Boilers...........................................81<br />
Abbildung 4.7: Wirkungskette Versauerung..................................................................90<br />
Abbildung 4.8: Komplexität ökologischer Prozesse.......................................................93<br />
Abbildung 4.9: Operationalisierung von Schutzobjekten...............................................97<br />
Abbildung 4.10: Vorschlag von Itsubo zur Operationalisierung von Schutzzielen.........98<br />
Abbildung 4.11: Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtung...................................100
Abbildung 4.12: Seit 1990 entwickelte Gewichtungsmethoden...................................104<br />
Abbildung 4.13: NSAEL Methode................................................................................108<br />
Abbildung 4.14: Ökobilanz Japans 1999 nach JEPIX.................................................112<br />
Abbildung 4.15: PANEL-Methode................................................................................115<br />
Abbildung 4.16: Beurteilung von Umweltveränderungen durch Befragung.................116<br />
Abbildung 4.17: Gewichtung von Schutzobjekten für den Eco-indicator 99................118<br />
Abbildung 4.18: Conjoint Tabelle zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft.................123<br />
Abbildung 4.19: Typologie von Gewichtungsmethoden...............................................127<br />
Abbildung 4.20: Differenzierung der Methodik im Verlaufe der 90er Jahre.................129<br />
Abbildung 4.21: Arbeitsteilung innerhalb der Ökobilanzforschung..............................133<br />
Abbildung 4.22: <strong>St</strong>andardfaktoren von LIME 2003......................................................135<br />
Abbildung 4.23: Mangelnde Übereinstimmung von Indikatoren..................................136<br />
Abbildung 4.24: Resultate von Ecoinvent 2003 im Vergleich mit ESU 1996...............138<br />
Kapitel 5<br />
Abbildung 5.1: Internationale Konferenzen der Ökobilanzforschung...........................144<br />
Abbildung 5.2: ISO TC 270 Environmental Management im Überblick. .....................147<br />
Abbildung 5.3: Nationale Mitglieder-, resp. Beobachtergremien des TC 207 / SC 5...149<br />
Abbildung 5.4: Organisation der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative ..........................153<br />
Abbildung 5.5: Arbeitsschwerpunkte der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative..............154<br />
Abbildung 5.6: Arbeitsschwerpunkte zukünftiger Ökobilanzforschung........................155<br />
Abbildung 5.7: Netzwerke und Zentren zur Förderung der Ökobilanzierung...............158<br />
Abbildung 5.8: Organisation des Swiss Centre for Life Cycle Inventories...................159<br />
Abbildung 5.9: Beispiel einer Type III Environmental Product Declaration von Fuji....163<br />
Abbildung 5.10: Verteilung weltweit verfügbarer Type III PSRs und EPDs.................164<br />
Abbildung 5.11: Produktökobilanzierung bei NEC ......................................................168<br />
Abbildung 5.12: Tabellenkalkulation als Werkzeug zur Ökobilanzierung....................170<br />
Abbildung 5.13: Nutzenpotentiale von <strong>St</strong>andardsoftware zur Ökobilanzierung...........172<br />
Abbildung 5.14: Entstehung des Marktes für Ökobilanz-Software..............................174<br />
Abbildung 5.15: Herkunft von Ökobilanz-Software......................................................175<br />
Abbildung 5.16: Entwicklung der Anzahl Lizenzen kostenpflichtiger Programme.......177<br />
Abbildung 5.17: Einfache grafische Modellierung mit Ecoscan...................................178<br />
Abbildung 5.18: Mathematische Modellierung und Visualisierung von <strong>St</strong>offflüssen....179
Abbildung 5.19: Umfang mitgelieferter <strong>St</strong>andard-Inventar-Datenbanken....................180<br />
Abbildung 5.20: Inkompatibilität von Ökoinventar-Datenformaten...............................182<br />
Abbildung 5.21: Zunehmende <strong>St</strong>andardisierung der Datenformate............................183<br />
Abbildung 5.22: Methoden zur Wirkungsanalyse & Gewichtung in Software..............184<br />
Kapitel 6<br />
Abbildung 6.1: LCA/DfE in Umweltberichten von Fortune Global 100 Unternehmen..192<br />
Abbildung 6.2: LCA-Aktivitäten in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten............193<br />
Abbildung 6.3: LCA-Kenntnisse in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten...........193<br />
Abbildung 6.4: LCA-Aktivitäten börsenkotierter Unternehmen in Japan und Korea....195<br />
Abbildung 6.5: Einstellungen japanischer UMS- und LCA-Verantwortlicher ...............196<br />
Abbildung 6.6: Einsatz von Produktökobilanzen in UK, D, H, CH...............................198<br />
Abbildung 6.7: Durch UMS ausgelöste oder geplante Ökobilanz-Aktivitäten..............198<br />
Abbildung 6.8: Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Ökobilanzen....................200<br />
Abbildung 6.9: Beurteilung von Produktökobilanzen im Rahmen des UMS................201<br />
Abbildung 6.10: <strong>St</strong>ichprobe und Verbreitung von LCA in CH, D, I, S..........................202<br />
Abbildung 6.11: Anwendungsbereiche von Produktökobilanzen.................................203<br />
Abbildung 6.12: Führen Produktökobilanzen zu überraschenden Erkenntnissen.....204<br />
Abbildung 6.13: Ökologische Ansprüche der stakeholder...........................................209<br />
Abbildung 6.14: Einsatz von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen.............................................210<br />
Abbildung 6.15: Einfluss von ISO Normen auf die Arbeit der Befragten.....................211<br />
Abbildung 6.16: Einsatz und Beurteilung verschiedener Bilanzierungsarten...............213<br />
Abbildung 6.17: Gruppen von Bilanzmethoden nach Zeitpunkt der Zertifizierung.......215<br />
Abbildung 6.18: Eingesetzte Hilfsmittel zur Erstellung der Bilanzen ...........................216<br />
Abbildung 6.19: Berücksichtigte Elemente in erweiterten Systemgrenzen..................217<br />
Abbildung 6.20 : Beurteilung des Nutzens erweiterter Systemgrenzen.......................217<br />
Abbildung 6.21: Erfasste und ausgewertete Output-Indikatoren ................................219<br />
Abbildung 6.22: Anzahl ausgewertete Output-Indikatoren nach Bilanzmethoden.......220<br />
Abbildung 6.23: Zweck der unternehmungsbezogenen Bilanzen................................221<br />
Abbildung 6.24: Nutzung der Bilanzen in den Funktionsbereichen.............................222<br />
Abbildung 6.25: Institutionalisierungsgrad unternehmungsbezogener Bilanzierung...223<br />
Abbildung 6.26: Zusammenhang zwischen Institutionalisierung und Wirkung............225<br />
Abbildung 6.27: Beurteilung kritischer Aspekte der Bilanzierung................................227
Abbildung 6.28: Produktökobilanzen nach Branchen..................................................228<br />
Abbildung 6.29: Umfang der Produktökobilanzierung.................................................228<br />
Abbildung 6.30: Interne und externe Erstellung von Produktökobilanzen...................229<br />
Abbildung 6.31: Zweck von Produktökobilanzen.........................................................230<br />
Abbildung 6.32: Nutzung von Produktökobilanzen in den Funktionsbereichen...........231<br />
Abbildung 6.33: Institutionalisierungsgrad der Produktökobilanzierung......................232<br />
Abbildung 6.34: Beurteilung kritischer Aspekte der Produktökobilanzierung..............233<br />
Abbildung 6.35: Einsatz der verbal-argumentativen Beurteilung.................................234<br />
Abbildung 6.36: Einsatz von Wirkungskategorien.......................................................235<br />
Abbildung 6.37: Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden...................................236<br />
Abbildung 6.38: Beurteilung der Gewichtung..............................................................238<br />
Abbildung 6.39: Instanzen zur Festlegung von Gewichtungsfaktoren.........................239<br />
Abbildung 6.40: Erfassung des Aufwands zur Bilanzierung........................................240<br />
Abbildung 6.41: Jährliche Ausgaben für unternehmungsbezogene Bilanzen.............240<br />
Abbildung 6.42: Jährlicher Gesamtaufwand für unternehmungsbezogene Bilanzen..241<br />
Abbildung 6.43: Kosten-Nutzen-Beurteilung ...............................................................241<br />
Abbildung 6.44: Wirkung im Unternehmen..................................................................242<br />
Abbildung 6.45: Erwartete Entwicklung der Aktivitäten................................................242<br />
Kapitel 7<br />
Abbildung 7.1: Meilensteine und Phasen des Projekts Ökobilanz...............................247
Kapitel 1: Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen 1<br />
1 Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen<br />
„Die Natur versteht gar keinen Spass, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge;<br />
sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer die des Menschen“<br />
Goethe zu Eckermann<br />
Seit nunmehr 35 Jahren entfaltet sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts- und<br />
Naturwissenschaften mit dem Konzept der Ökobilanzierung ein transdisziplinäres<br />
Projekt das auf nichts geringeres abzielt, als auf die Entdeckung des Grünen <strong>St</strong>eins der<br />
Weisen: 1 Es geht um die Lösung der Frage, wie man allgemein gebräuchlichen<br />
Begriffen wie umweltgerecht, ökologisch oder umweltbelastend konkreten und vor allem<br />
angemessenen Inhalt einhauchen könnte.<br />
Dabei ist diese Fragestellung keineswegs von rein intellektuellem Interesse: jenseits<br />
digitaler -will heissen: eindeutiger, weil gesetzlich abschliessend definierter Vorgaben -<br />
haben sich die obgenannten Adjektive in vielen Bereichen etabliert, ohne ausreichend<br />
operationalisiert zu werden. Während sich einstige Öko-Nischen zu Massenmärkten<br />
umweltgerechter Produkte wandeln 2 ,die öffentliche Hand Ökologie als Submissionskriterium<br />
einführt 3 , weltweit mehr als 74'000 nach ISO 14001 zertifizierte<br />
Organisationen 4 sich zur kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung verpflichtet<br />
haben und Anlageberater Milliarden von Spargeldern 5 inInvestmentvehikel mit einer<br />
ökologischen Rendite lenken, müsste der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen gefragter sein denn<br />
je.<br />
Noch vor wenigen Jahren war die Situation -zumindest aus Sicht von EntscheidungsträgerInnen<br />
in Markt und Politik - noch einigermassen einfach: Jute statt Plastik,<br />
Mehrweg statt Einweg und erneuerbar statt fossil oder nuklear waren eingängige und<br />
1<br />
Mit dem <strong>St</strong>ein der Weisen hofften die mittelalterlichen Alchemisten, aus unedlem Metall Gold<br />
herzustellen. Aus Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, Bertelsmann Lexikon Verlag, 1994, S. 1496. Wir<br />
verwenden diese Metapher hier um das <strong>St</strong>reben nach Berechenbarkeit und damit mithin auch<br />
Beherrschbarkeit ökologischer Nachhaltigkeit zu pointieren.<br />
2<br />
Siehe dazu beispielsweise die Umsatzzahlen der schweizerischen Detaillisten zu Produkten mit Umweltkennzeichen:<br />
MIGROS (ENGAGEMENT): 2002 1.8 Mia CHF und COOP (BIO &NATURAPLAN): 1<br />
Mia. CHF. Aus: MIGROS: Umwelt- und Sozialbericht 2002 sowie COOP: 10 Jahre Coop Naturaplan,<br />
2003.<br />
3<br />
Erwähnenswert hierzu beispielsweise das Green Purchasing Law in Japan, das öffentliche Beschaffungsstellen<br />
verpflichtet, rund 150 Produktkategorien nach ökologischen Kriterien zu beschaffen.<br />
Gemäss dem Newsletter Sustainability for Japan (www.japanfs.org) vom 22. März 2004 wird in diesen<br />
Kategorien nach offiziellen Angaben 95% aller staatlichen Beschaffungen unter Einbezug ökologischer<br />
Kriterien abgewickelt.<br />
4<br />
Gemäss www.ecology.or.jp/isoworld/english/analy14k.htm, <strong>St</strong>and Oktober 2004.<br />
5<br />
Das Angebot an „grünen“ Anlagevehikeln ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Allein im deutschsprachigen<br />
Raum betrug 2004 das Anlagevolumen von 112 Publikumsfonds zum Thema Nachhaltigkeit<br />
über 5.3 Mia. Euro (gemäss www.nachhaltiges-investment.org, Pressemitteilung vom 4. Februar<br />
2005).
2 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
kaum hinterfragte Leitsätze. Doch diese Simplizismen werden zum einen den<br />
komplexen ökologischen Verhältnissen häufig nicht gerecht. Anderseits stammen sie<br />
aus einer Zeit, in der es wohl mehr um die Anerkennung der Umwelt als<br />
schützenswerter, ja lebensnotwendiger Dimension menschlichen und wirtschaftlichen<br />
Handelns ging. Damals, im Grabenkrieg schwarz gegen grün waren diese Slogans<br />
kaum zu hinterfragen.<br />
Heute stellt sich die Realität in den hochindustrialisierten Gesellschaften jedoch<br />
gänzlich anders dar: Umweltschutz, oder moderner ökologische Nachhaltigkeit, hat<br />
Eingang gefunden in das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen 6 ,ist als <strong>St</strong>aatsziel in<br />
den Verfassungen und Gesetzen verankert und kann als institutionell integriert<br />
angesehen werden. Kaum jemand, abgesehen von Randgruppen, kann heute ernsthaft<br />
öffentlich gegen die Umwelt auftreten.<br />
Vielmehr bemächtigen sich Akteure aller Couleur einem ökologieorientierten Jargon.<br />
Ökologie wird damit zum Spielball der Interessen; die simple Digital-Ökologie des<br />
Grabenkriegs wird durch eine Ökologische Beliebigkeit ersetzt, in der die Vielschichtigkeit<br />
ökologischer Entscheidungen zutage tritt.<br />
Diese Entwicklung ist Chance und Gefahr zugleich: sie ist gefährlich deshalb, weil auf<br />
Beliebigkeit rasch Enttäuschung und Gleichgültigkeit folgen können. Anderseits weckt<br />
die Ökologische Beliebigkeit auch das Bedürfnis nach einer rationalen –das heisst<br />
vernünftigen 7 ,also logischen und sachlich korrekten –ökologischen Bewertung sowie<br />
nach konsensfähigen Regeln, wie eine solche Operationalisierung der Umweltwerte<br />
konkret zu gestalten ist.<br />
Genau diese Herausforderung steht als Leitstern über dem Forschungsprogramm der<br />
Ökobilanzierung.<br />
Als Instrumente zur systematischen Erfassung, Analyse und Bewertung von <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüssen sollen Ökobilanzen die Operationalisierung einer ökologischen<br />
Rationalität herbeiführen. Sie sind Informationsinstrument und Bewertungsrahmen<br />
zugleich. Sie zielen darauf ab, ökologieorientierte Entscheidungen zu systematisieren,<br />
intersubjektiv nachvollziehbar und transparent zu machen, ohne jedoch eine universelle<br />
Ökologische Wahrheit zu proklamieren.<br />
Tatsächlich scheitert die Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen jedoch an der<br />
naturwissenschaftlichen Realität: die Natur ist nicht abschliessend erfassbar, unsere<br />
Vorstellungen von ökologischen Zusammenhängen sind zwangsläufig unvollständig,<br />
6<br />
Siehe BUWAL/BfS: Umweltbewusstsein –Umwelt in der Schweiz, Bern, 1998 oder The European<br />
Opinion Research Group: The attitudes of Europeans towards the environment, Eurobarometer 58,<br />
Europäische Kommission, Brüssel, 2002.<br />
7<br />
Rational =vernünftig; Rationalismus =Auffassung, dass die Welt von vernünftiger, dass heisst logischer,<br />
logisch berechenbarer Beschaffung sei, gemäss Wahrig, 1994, S. 1272.
Kapitel 1: Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen 3<br />
unklar und stets nur ein mehrdeutiges Kondensat rationaler Forschung im Popper'schen<br />
Sinne der Nichtverifizierbarkeit. Natur ist damit letztlich nur ein kulturelles Konstrukt –<br />
geprägt durch noch nicht falsifizierte Theorien. Die Bewertung ökologischer<br />
Informationen schliesslich offenbart sich noch deutlicher als kulturelles und nicht<br />
abschliessend objektivierbares Produkt. Unterschiedliches Umweltwissen der Akteure,<br />
ihre sehr heterogenen Präferenzstrukturen bezüglich Nutzen, Risiken, etc. machen die<br />
Ökologische Wahrheit in letzter Konsequenz zu einer Utopie. Dennoch ist der Grüne<br />
<strong>St</strong>ein der Weisen für die Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftssystems<br />
unabdingbar: denn Handeln erfordert Entscheiden erfordert Bewerten.<br />
Ökobilanzen zielen darauf ab, diesen Übersetzungsprozess ans Licht zu bringen, zu<br />
systematisieren, von ökologischen Trugschlüssen (falsifizierten naturwissenschaftlichen<br />
Thesen) zu befreien und damit die Ökologische Beliebigkeit zu überwinden. Der Weg ist<br />
das Ziel; der durch Ökobilanzen erzielte Lernprozess das Produkt.<br />
Die Ökobilanzforschung hat in den vergangenen 35 Jahren einen methodischen<br />
Rahmen entwickelt, der in bemerkenswerter Weise Eingang in die internationale<br />
Normenlandschaft und via diesen Transmissionsriemen gleichsam in reale Entscheidungs-<br />
und Lernprozesse der Akteure gefunden hat.<br />
Nebst einem mittlerweile äusserst ausgefeilten Regelwerk zu jedem einzelnen Arbeitsschritt<br />
einer Ökobilanzierung, besteht das Verdienst in der Einführung eines sechs –<br />
aus ökologischer Sicht zentrale - Elemente integrierenden Konzepts:<br />
1. Die Formulierung von klar definierten Erkenntnis- und Einsatzzielen, an denen sich<br />
die Ausgestaltung der Ökobilanz zu orientieren hat sowie der Einbezug der<br />
relevanten Anspruchsgruppen in diesen Ausgestaltungsprozess.<br />
2. Die Einführung expliziter und der Zielsetzung, aber auch den ökologisch relevanten<br />
Tatbeständen, angemessenen Systemgrenzen des zu beurteilenden Untersuchungsgegenstandes<br />
unter Einbezug des gesamten ökologischen Produktlebenszyklus.<br />
3. Die umfassende, quantitative Ermittlung, resp. Inventarisierung aller relevanten <strong>St</strong>offund<br />
Energieflüsse: Rohstoffentnahmen aus der Natur (Inputs) und Abgaben an die<br />
Natur (Outputs).<br />
4. Die logisch strukturierte, auf naturwissenschaftlichen Modellen aufbauende, algorithmusbasierte<br />
Wirkungsanalyse, welche eine Aggregation von <strong>St</strong>offdaten im Hinblick<br />
auf bestimmte ökologische Phänomene erlaubt.<br />
5. Die Gewichtung der <strong>St</strong>offdaten, resp. der Wirkungen und damit deren Summierung<br />
in einen umfassenden Index der Umweltbelastung auf der Basis gesellschaftlicher<br />
Werte.<br />
6. Die Interpretation aller zusammengeführten Informationen und Erkenntnisse im Hinblick<br />
auf die Erkenntnis- und Einsatzziele und unter Würdigung der Datenqualität<br />
mittels numerischer Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalysen.
4 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Diese sechs Elemente zusammengenommen sind geeignet -im Sinne eines iterativ zu<br />
durchlaufenden Prozesses angewendet - ökologisch-ökonomische Entscheidungen<br />
rational zu gestalten und isolierte Einzelargumente in den ihnen zustehenden<br />
Bedeutungszusammenhang zu verweisen.<br />
Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass Ökobilanzen, resp. entsprechende<br />
Forschung und Praxis sowie deren Exponenten eine prominente Rolle in der<br />
Gesellschaft einnehmen. Dies ist aber zumindest jenseits der Normierung bis heute<br />
(noch) nicht wirklich der Fall. Andererseits hat sich diese, in ihrem Anspruch oft als<br />
utopisch erkannt und oftmals auch abgetane Bewegung seit nunmehr drei Jahrzehnten<br />
in bemerkenswerter Weise entwickelt. Sie hat sich als Wissenschaft etabliert und ist<br />
gerade dabei, den Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest im Ansatz zu institutionalisieren:<br />
sowohl organisatorisch als auch im Sinne von sozialen Regeln zur Koordination<br />
ökologischer Entscheidungs- und Lernprozesse.<br />
Es ist an der Zeit, einmal grundsätzlich zu untersuchen welchen <strong>St</strong>and dieses Projekt<br />
mittlerweile erreicht hat.<br />
Wir möchten damit an die visionären Arbeiten eines Teams junger Forschender an der<br />
Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> anknüpfen, die zu Beginn der 70er Jahre eine -in ihren Grundzügen<br />
heute noch valide – Konzeption der Ökobilanzierung entwickelt und deren<br />
Einsatz in Umweltpolitik und Betriebswirtschaft postuliert haben. 8<br />
Unsere Arbeit soll nach mehr als 30 Jahren rückblickend aufzeigen, wo das Projekt<br />
Ökobilanz heute steht und inwieweit die damalige Vision Eingang in die Praxis<br />
gefunden hat.<br />
8<br />
Siehe Müller-Wenk, R.: Ein Vorschlag aus einzelwirtschaftlicher Sicht zur Realisierung einer umweltkonformen<br />
Wirtschaft, in: Wolff (Hrsg.): Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, <strong>St</strong>uttgart, 1974, S. 268-<br />
286. Ullmann, A.: Unternehmungspolitik in der Umweltkrise, Europäische Hochschulschriften, 1975.<br />
Müller-Wenk, R.: Die ökologische Buchhaltung. Ein Informations- und <strong>St</strong>euerungsinstrument für umweltkonforme<br />
Unternehmenspolitik, Frankfurt Main, 1978. Binswanger, H.C., Geissberger, W.,<br />
Ginsburg, Th.: Der NAWU-Report: Wege aus der Wohlstandsfalle, <strong>St</strong>rategien gegen Arbeitslosigkeit<br />
und Umweltkrise, Frankfurt am Main, 1978.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 5<br />
2 Zielsetzung und forschungsleitende Fragen<br />
Im nachfolgenden Abschnitt stellen wir das Vorgehen und damit den Aufbau dieser<br />
Untersuchung vor. Wir legen dar, anhand welcher Fragen die <strong>St</strong>andortbestimmung<br />
vorgenommen werden soll. Dabei erscheint es uns wichtig, das eigene<br />
Grundverständnis zu ökologischen Fragen offen zu legen, denn unsere Beurteilung<br />
kann nicht aus einer neutralen Position heraus vorgenommen werden: persönlich seit<br />
über 10 Jahren im Projekt Ökobilanz aktiv 9 , habe ich Erfahrungen aus diversen<br />
fachlichen Auseinandersetzungen und Projekten der konkreten Anwendung von<br />
Ökobilanzen verinnerlicht. Umso wichtiger erscheint mir, vorab das eigene Verständnis<br />
grundlegender Begrifflichkeiten offen zu legen. Wir tun dies im Rahmen des zweiten<br />
Teils dieses Kapitels. Anhand Luhmanns systemtheoretischer Konzeption ökologischer<br />
Kommunikation werden wir den Begriff der ökologischen Rationalität aus Sicht der<br />
Gesellschaft, der Volkswirtschaft und Unternehmung trennscharf bestimmen können.<br />
Daran wollen wir schliesslich den bisherigen Erfolg des Projekts Ökobilanz nach Abschluss<br />
der Bestandesaufnahme beurteilen.<br />
2.1 Vorgehen und Aufbau der Arbeit<br />
Unsere <strong>St</strong>andortbestimmung verfolgt im wesentlichen zwei Zielsetzungen: wir möchten<br />
einerseits verstehen, wie sich die Methodik der Ökobilanzierung seit ihren Anfängen<br />
entwickelt hat. Dabei steht der Lernprozess der Ökobilanzforschung selbst im Zentrum<br />
des Interesses. Anderereits zielt unsere Untersuchung auf die Beantwortung der Frage,<br />
ob Ökobilanzierung mittlerweile praktische Relevanz erlangt hat.<br />
2.1.1 Historische Analyse<br />
Die historische Rekonstruktion der Genese des heutigen Konzepts verpricht ein grundlegendes<br />
Verständnis der Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen, resp. den theoretischen<br />
Möglichkeiten und Grenzen rationaler Entscheidungen an der Schnittstelle<br />
zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Dazu teilen wir die bisherige Entwicklung<br />
in drei Phasen, wobei jede für sich zur Beantwortung spezifischer Fragestellungen<br />
dient:<br />
Phase I: Vorläufer & Pioniere<br />
Anhand dieser Phase rekonstruieren wir, welche Ideen die Entstehung der Ökobilanzierung<br />
wesentlich beeinflusst haben und wer die Vorläufer-Konzepte danach zu<br />
frühen Formen der Ökobilanzierung zusammengefügt hat. Dieses Fundament wird es<br />
uns erlauben, die späteren Fortschritte der Methodik greifbar zu machen. Die Arbeiten<br />
9<br />
Der Autor hat seit 1991 als Gründer und Geschäftsführer eines auf Ökobilanzen spezialisierten<br />
Software- und Beratungsunternehmens zahlreiche Projekte sowohl zur Methodenentwicklung als auch<br />
zur praktischen Anwendung der Ökobilanzierung in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Kolumbien<br />
und Japan geleitet.
6 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
der Pioniere soll aus dem damaligen gesellschaftlichen Kontext heraus verstanden<br />
werden.<br />
Phase II: Differenzierung und Operationalisierung<br />
Die Untersuchung der zweiten Phase wird deutlich machen, welche Fragen die<br />
zentralen Treiber der zunehmenden Differenzierung der Methodik bis zum heutigen<br />
Entwicklungsstand darstellen. Wir werden anhand der kritischen Operationen der<br />
Erstellung von Ökobilanzen aufzeigen, inwieweit sich die Frage der Umweltbelastung<br />
logisch entflechten und schrittweise beantworten lässt. Dabei wird erkennbar, welche<br />
Leistungen Ökobilanzierung als Wissenschaft heute erbringt und wie sie als Meta-<br />
Wissenschaft Erkenntnisse aus den Natur- und Sozialwissenschaften integriert.<br />
Phase III: Institutionalisierung<br />
Die Analyse der dritten Phase wechselt schliesslich die Perspektive und dient der<br />
institutionellen Bestandesaufnahme. Es gilt die Transmission des Konzepts in die<br />
Gesellschaft, resp. Wirtschaft zu erfassen. Dazu betrachten wir das Netzwerk der<br />
internationalen Ökobilanz-Forschungsgemeinschaft, Akteure und Plattformen einer<br />
<strong>St</strong>andardisierung der Methodik und beleuchten die Rolle des Marktes für Ökobilanz-<br />
Software als wichtigem Kanal zur Verbreitung von Ergebnissen der angewandten<br />
Ökobilanzforschung.<br />
2.1.2 Empirische Analyse<br />
Der Beitrag des Projekts Ökobilanz zur Überwindung der Ökologischen Beliebigkeit<br />
muss daran gemessen werden, inwieweit es ihr gelingt, Wirkung in realen Entscheidungs-<br />
und Lernprozessen zu entfalten. Wir wollen ein realistisches Bild davon<br />
gewinnen, ob und in welcher Form Ökobilanzen in der Praxis eingesetzt werden. Und<br />
wir wollen in Erfahrung bringen, wie die Anwendenden selbst den <strong>St</strong>and der<br />
Ökobilanzierung wahrnehmen und ihre Rolle für ökologische Lernprozesse, resp. die<br />
Herstellung ökologischer Rationalität einschätzen. Dazu haben wir unter dem Patronat<br />
des Ökobilanz Forum der ETH, der Schweizerischen Vereinigung für ökologisch<br />
bewusste Unternehmungsführung sowie des für die Normierung von Ökobilanzen<br />
zuständigen TK 174 der Schweizerischen Normenvereinigung eine ausführliche<br />
Erhebung konzipiert und 700 Unternehmen zur Teilnahme eingeladen. Dies, nachdem<br />
unsere Aufarbeitung der bestehenden quantitativen Erforschung ergeben hat, dass die<br />
bisherigen Erhebungen nicht geeignet sind, den <strong>St</strong>and der Anwendung differenziert zu<br />
erfassen.<br />
Zusammenfassung und Synthese<br />
Im letzten Abschnitt werden wir die gesammelten Erkenntnisse aus historischer und<br />
empirischer Analyse im Hinblick auf die Herstellung ökologischer Rationalität in Gesell-
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 7<br />
schaft, Volkswirtschaft und Unternehmung beurteilen und unsere Bestandesaufnahme<br />
mit einem Ausblick abschliessen.<br />
Einleitung<br />
Kapitel 1<br />
Erkenntnisziel &<br />
Forschungsleitende Fragen<br />
Kapitel 2<br />
Historische Analyse<br />
Vorläufer und Pioniere<br />
Kapitel 3<br />
Empirische Analyse<br />
Kapitel 6<br />
<strong>St</strong>and der<br />
Anwendungsforschung<br />
Ökologische Rationalität<br />
als Massstab der<br />
Bestandesaufnahme<br />
Differenzierung und<br />
Operationalisierung<br />
Kapitel 4<br />
Institutionalisierung<br />
Kapitel 5<br />
Umfrage zu Verbreitung &<br />
Anwendung in Schweizer<br />
Unternehmen<br />
Synthese<br />
Zusammenfassung<br />
Kapitel 7<br />
Abbildung 2.1: Aufbau der Arbeit<br />
2.2 Das kulturelle Konstrukt Umweltproblem<br />
Im allgemeinen Sprachgebrauch haben sich Begrifflichkeiten wie Umwelt, Umweltbewusstsein,<br />
Umweltschutz und Umweltproblem fest etabliert. Sie werden synonym mit<br />
den wissenschaftlich präziseren Termini Ökologische Umwelt, Ökologisches Bewusstsein,<br />
etc. verwendet. Anhand der Fragestellung, Was ist ein Umweltproblem sollen<br />
nachfolgend klare Definitionen und Abgrenzungen eingeführt werden.<br />
2.2.1 Umwelt<br />
Demnach verstehen wir unter Rückgriff auf die Systemtheorie Umwelt als Umgebung<br />
eines Systems, beispielsweise des Menschen, der Unternehmung oder der Wirtschaft.<br />
Diese Umgebung kann kultureller 10 und/oder materieller Art sein. Kulturell zum Beispiel<br />
im Sinne von Regeln und Prinzipien einer Gesellschaft oder materiell im Sinne von<br />
Energie, Substanzen und Lebewesen.<br />
10<br />
Kulturell bezeichnet hier „durch den Menschen Geschaffenes“, im Gegensatz zu natürlich, im Sinne<br />
von „ohne menschliches Zutun Vorhandenes“.
8 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
2.2.2 Ökologie<br />
Ökologie ist die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen untereinander<br />
und ihrer unbelebten Umwelt.<br />
Ökologie wird heute wissenschaftlich als Teilbereich der Biologie 11 und damit der Naturwissenschaften<br />
verstanden. Als Vordenker dieser relativ jungen Disziplin gelten die<br />
Philosophen Hippocrates, Artistoteles und Theophrastus in der Antike, die Naturhistoriker<br />
Linnaeus und Buffon im 18.Jahrhundert sowie Darwin und Wallace als<br />
Vertreter der evolutionären Biologie 12 . Ernst Heinrich Haeckel, der den Begriff<br />
Oecologie 1866 in die Wissenschaft eingeführt hat, sprach vom „Natur-Haushalt“ sowie<br />
„der Oeconomie des Natur-Ganzen“ und schliesst „im weiteren Sinne alle Existenz-Bedingungen“<br />
organischer und anorganischer Art mit ein. 13<br />
Ökologie ist demnach eine die naturwissenschaftlichen Disziplinen integrierende Metawissenschaft.<br />
Ihr Arbeitsfeld umfasst zeitlich wie räumlich sehr vielfältige Aspekte –von<br />
der Nano- bis zur Astro-Ebene. Sie beobachtet und erklärt das Zusammenspiel<br />
physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse, thematisiert <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüsse, Sukzession und die Dynamik von Populationen. 14<br />
Dass die dabei zu bewältigende Komplexität sehr hoch ist, macht ein Blick auf die<br />
stoffliche Vielfalt der Natur offensichtlich: Ausgehend von dem noch überschaubar<br />
wirkenden chemischen Periodensystem mit seinen rund 100 Elementen haben die<br />
Naturwissenschaften bisher mehr als 32‘000‘000 verschiedene Substanzen identifiziert.<br />
Jede Substanz stellt ein Individuum dar, definiert über seine physikalischen (Aggregatszustände,<br />
Gewicht, Löslichkeit, Lichtreflexion, etc.) und chemischen Eigenschaften<br />
(Reaktionsverhalten). Nur für eine kleine Anzahl dieser Substanzen verfügen wir über<br />
mehr oder weniger umfassende Kenntnisse innerhalb eines beschränkten Ausschnitts<br />
aller möglichen physikalischen Rahmenbedingungen. Hinzu kommt eine unbekannte,<br />
resp. nur sehr grob geschätzte Anzahl von rund 1‘500‘000 Arten von Lebewesen, jedes<br />
davon mit einem spezifischen <strong>St</strong>offwechsel und einer spezifischen <strong>St</strong>ellung im „Netz<br />
des Lebens“.<br />
Ökologische Forschung beschränkt sich vor diesem Hintergrund häufig auf die<br />
Betrachtung mehr oder weniger isolierter „Zellen“, resp. Ökosysteme. Beispiele hierfür<br />
wären bestimmte Vegetationszonen – zum Beispiel die Voralpen oder ein Fliessgewässer.<br />
Oder es wird das „Netz des Lebens“, resp. Biozönosen bestimmter Arten von<br />
11<br />
Meyers zitiert in <strong>St</strong>ellmann, J.: Die ökologische Dimension im strategischen Management, Dissertation,<br />
Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1997, S. 7.<br />
12<br />
Constanza, R., et.al.: An Introduction to Ecological Economics, Baco Raton, 1997, S. 36.<br />
13<br />
Haeckel zitiert in Heller, P.: Das Problem der Umweltbelastung in der ökonomischen Theorie, Frankfurt/New<br />
York, 1989, S. 54.<br />
14<br />
Einen kompakten Überblick bietet Heinrich, D., Hergt, M.: dtv-Atlas Ökologie, Deutscher Taschenbuch<br />
Verlag, 5. Auflage, München, 2002.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 9<br />
Lebewesen, zum Beispiel des Lachses oder des Kranichs untersucht. Auf dieser<br />
Grundlage werden auch die Rahmenbedingungen ökologischer Gleichgewichte –im<br />
Haeckel‘schen Sinne „Existenzbedingungen“ des „Naturhaushaltes“ – ermittelt.<br />
<strong>St</strong>eht der Mensch und durch ihn gestaltete <strong>St</strong>off- und Energieflüsse im Zentrum ökologischer<br />
Forschung, so spricht man von Human- oder Zivilisationsökologie. Ihr<br />
Gegenstand ist die Erforschung des Ökosystems „Anthroposphäre“ (auch „Technosphäre“<br />
genannt) mit den natürlichen Ökosystemen. 15<br />
Zivilisationsökologie fokussiert spezifisch auf die Prozesse und Rahmenbedingungen<br />
menschlicher Existenz und auf die durch diese Spezies bestimmten <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüsse wie auch die damit einhergehenden Biozönosen. Man denke beispielsweise<br />
an die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren sowie an die in diesem Zusammenhang<br />
auftretenden Schädlinge.<br />
Abbildung 2.2: Technosphäre und Zivilisationsökologie<br />
Die Darstellung zeigt charakteristische <strong>St</strong>offflüsse der Technosphäre sowie durch den Menschen geschaffene,<br />
spezifische Ökosystemtypen. Deren <strong>St</strong>ruktur, Entwicklung und <strong>St</strong>euerung sind Gegenstand der<br />
Zivilisationsökologie. 16<br />
Auch hier ist die stoffliche wie biologische Komplexität beträchtlich: rund 18‘000‘000<br />
Substanzen wurden bislang synthetisiert. Davon werden rund 1‘000‘000 industriell<br />
genutzt, von denen rund 2‘000 in jährlichen Mengen von mehr als 100‘000 Tonnen<br />
produziert werden. Von diesen high volume chemicals sind erst rund 500 umfassend<br />
ökologisch erforscht worden. 17 Damit sind vielfältige –kaum abschätzbare –stoffliche<br />
15<br />
Siehe Institut für Chemische Pflanzenphysiologie: Zivilisationsökologie, Fernlehrgang Ökologie und ihre<br />
biologischen Grundlagen, Heft 8 - 11, Universität Tübingen, 1984.<br />
16<br />
Darstellung aus Heinrich/Hergt, 2002, S. 134.<br />
17<br />
Zum <strong>St</strong>and der Chemikalien-Untersuchungen siehe beispielsweise EU-Kommission: <strong>St</strong>rategy for a<br />
Future Chemicals Policy, White Paper, Commission of the European Communities, Brussels, 2001.
10 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Wechselwirkungen zwischen Zivilisation und Natur innert evolutionsgeschichtlich<br />
äusserst kurzer Zeit geschaffen worden. Ein weiteres Indiz für die Bedeutung der<br />
Zivilisationsökologie bieten zudem - allerdings umstrittene - Schätzungen, dass die<br />
Menschheit bereits rund 40% der globalen Biomasse –sozusagen das Gewicht des<br />
Lebens – bewirtschaftet.<br />
Im Zuge der stetigen Expansion der Zivilisation scheint sich die allgemeine Ökologie für<br />
die Gesellschaft zwangsläufig immer mehr zur Zivilisationsökologie, resp. Ökologie als<br />
„Lehre der Existenzbedingungen des Menschen“ zu entwickeln. Damit billigt ihr der<br />
Volksmund sozusagen eine normative Funktion zu: „ökologisch“ heisst dann „existenzsichernd“.<br />
Ökologie wird über die „ökologische Nachhaltigkeit“ zum Massstab des „Umweltschutzes“<br />
-der letztlich immer auf die Erhaltung des Menschen zielt. Hier gilt es<br />
jedoch gerade für unsere Fragestellung sehr vorsichtig zu sein, denn: die Natur –<br />
verstanden als alles ohne Zutun des Menschen Bestehende -kennt keine normative<br />
Dimension. Der Begriff Ökologie an und für sich beschreibt eine wertfreie Wissenschaft<br />
der Wechselwirkungen zwischen Leben und Materie, resp. Energie.<br />
Eine normative Dimension kann streng genommen erst in der sozialen Umwelt, resp. in<br />
der Gesellschaft hinzu kommen. Die Natur hat sich noch nie über das Verschwinden<br />
einer Art beschwert –im Gegenteil: langfristiges Überleben oder eben „Nachhaltigkeit“<br />
ist in der Natur äusserst unwahrscheinlich – ja geradezu unnatürlich.<br />
Vor diesem Hintergrund sind ökologische Informationen, –von denen nachfolgend noch<br />
häufig die Rede sein wird, - definitionsgemäss Daten in der Sprache von Physik,<br />
Chemie und Biologie. Sie beschreiben Prozesse, Zusammenhänge und deren Wandel<br />
im Zeitverlauf. Zu beachten ist, dass ökologische Daten als naturwissenschaftliche<br />
Daten stets nur vorläufiges Wissen auf der Basis nicht-falsifizierter Theorien darstellen.<br />
Das heisst, sie zeigen nicht die Realität, sondern unsere wissenschaftliche Wahrnehmung<br />
davon. Dabei ist unser ökologisches Wissen noch derart beschränkt, dass<br />
sich viele Sachverhalte durch eine hohe Dynamik in den sie beschreibenden Theorien<br />
und Modellen auszeichnen. Es sind auch Artefakte und falsche Berechnungen möglich<br />
und können unsere Wahrnehmung der Natur massgeblich täuschen.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 11<br />
Abbildung 2.3: Historische Dynamik ökologischer Parameter<br />
Ökologie als Lehre von den Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen und der unbelebten Umwelt<br />
macht deutlich, dass in der Natur nichts so beständig ist, wie der Wandel. Die Abbildung illustriert die<br />
Veränderung wichtiger ökologischer Parameter sowie der aquatischen Artenvielfalt im Verlauf der letzten<br />
600 Mio. Jahre. Die Idee eines ökologischen Gleichgewichts ,resp. ökologischer Nachhaltigkeit mit Bezug<br />
auf ein bestimmtes Lebewesen erscheint über grosse Zeiträume als sehr unwahrscheinlicher Zustand.
12 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Dies sei am Beispiel der Entdeckung der Ausweitung des Ozonlochs über der Antarktis<br />
illustriert: Das Ozonloch wurde gemäss Heinreich/Hergt 1956 entdeckt, wobei erstmals<br />
1968 darüber öffentlich berichtet worden sei. 18 Jedoch erst mit der 1978 erfolgten<br />
Inbetriebnahme des Nimbus-7 Satelliten der NASA wurden umfassende Messungen<br />
der stratosphärischen Ozonkonzentration und deren Entwicklung möglich. Als 1985<br />
Framan et.al. in Nature den Nachweis für das Wachstum des Ozonlochs publizierten,<br />
wurde argumentiert, die mittels der Satellitendaten erstellten Modelle würden diesen<br />
Befund bereits für das Jahr 1976 nachweisen. Jedoch seien die extrem niedrigen<br />
Konzentrationswerte von der verwendeten Software als Messfehler taxiert und damit<br />
herausgefiltert worden. Somit sei die Entdeckung des anthropogenen Ozonlochs um<br />
rund 9 Jahre verzögert worden. Die NASA bestreitet diese Darstellung und<br />
argumentiert, sie selbst habe 1983 erstmals solche Extremwerte gemessen, als real<br />
taxiert und kurz nach der Publikation von Framan et.al. der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht. Damit bleibt letztlich offen, wann das Phänomen Ausweitung des Ozonlochs<br />
in der Realität wirklich erstmals aufgetreten ist. 19<br />
Es wird an dieser Anektode jedoch deutlich, dass unsere Wahrnehmung ökologischer<br />
Sachverhalte stark von den verfügbaren Theorien, Modellen, Sensoren, etc. abhängig<br />
ist, ja, dass sie dadurch überhaupt erst entsteht.<br />
2.2.3 Was ist ein Umweltproblem<br />
Nach allgemeiner Definition ist ein Problem eine unerwünschte Differenz zwischen<br />
einem Soll- und einem Ist-Zustand. Demnach wäre ein Umweltproblem, resp. ein ökologisches<br />
Problem dann gegeben, wenn es möglich ist, einen Ist-Zustand mittels<br />
ökologischer Daten zu erfassen und zusätzlich, in derselben ökologischen Sprache,<br />
einen Soll-Zustand zu beschreiben. Werden Abweichungen festgestellt, liegt ein Umweltproblem<br />
vor.<br />
Umweltprobleme sind damit offensichtlich keine Probleme der Natur, sondern des<br />
Betrachters, resp. der Gesellschaft. Sie ist es, die ökologische Daten über Entwicklungen<br />
der sie umgebenden ökologischen Umwelt als unerwünscht oder eben<br />
problematisch erkennt und beurteilt. „Sie (die Gesellschaft, Anm.d.V.) kann sich also<br />
nur selbst gefährden“. 20<br />
Ein Umweltproblem ist somit tatsächlich ein soziales Problem, ein kulturelles Konstrukt.<br />
Sein Entstehen setzt voraus, dass ein (naturwissenschaftliches) Sensorium zur<br />
Bestimmung eines Zustandes vorhanden ist, genauso wie Werte des Menschen -<br />
Gesundheit, Eigentum, Ästhetik, etc. - als betroffen wahrgenommen werden müssen.<br />
18<br />
Heinrich, D., Hergt, M.: dtv-Atlas Ökologie, 2002, S. 259.<br />
19<br />
Siehe Sparling, B.: Ozone Depletion, History and Politics,<br />
www.nas.nasa.gov/about/education/ozone/history.html.<br />
20<br />
Luhmann, N.: Ökologische Kommunikation, Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische<br />
Gefährdungen einstellen, 3.Auflage, Opladen, 1990, S. 63.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 13<br />
Die sei an einem weiteren Beispiel illustriert:<br />
Radioaktive <strong>St</strong>rahlung kann durch die dem Menschen natürlich gegebenen Sinne wie<br />
Geruch, Geschmack, Gehör, etc. nicht wahrgenommen werden. Gleichwohl ist<br />
Radioaktivität seit jeher allgegenwärtig. Die damit zusammenhängenden Risiken<br />
wurden für den Menschen erst wahrnehmbar, nachdem die Wissenschaft eine<br />
entsprechende Theorie und technische Mittel zu deren Nachweis entwickelt hatte. Erst<br />
danach wurde es möglich, hohe <strong>St</strong>rahlendosen mit gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen in Verbindung zu bringen und schliesslich das Umweltproblem<br />
radioaktiver Risiken zu konstruieren. So erlitt Antoine-Henri Becquerel als Pionier der<br />
Radioaktivitätsforschung selbst den ersten dokumentierten <strong>St</strong>rahlenschaden: eine<br />
Hautverbrennung unter der Westentasche, in der er eine Radiumprobe mit sich führte. 21<br />
Bis zur heutigen Einschätzung der Gefährlichkeit radioaktiver <strong>St</strong>rahlung musste jedoch<br />
ein langwieriger und schmerzlicher Lernprozess durchlaufen werden. Aus dem<br />
Blickwinkel heutigen Allgemeinwissens betrachtet man die Schilderungen von<br />
medizinischen Kuren mit Radongas 22 mit Befremden; die Experimente militärischer<br />
Nuklearforschung der 50er Jahre mit Schrecken. Seither steuern Grenzwerte und<br />
Geigerzähler als kulturelle Produkte die Erkennung und Beurteilung des<br />
Umweltproblems Radioaktive (Ver-)<strong>St</strong>rahlung.<br />
„A social problem does not exist for a society unless it is recognized by that society“ 23<br />
Mit der konstruktivistischen Problemtheorie hat die Soziologie einen überzeugenden<br />
Ansatz zur Untersuchung von Umweltproblemen entwickelt: 24 Dabei wird davon<br />
ausgegangen, dass die soziale Wirklichkeit –gesellschaftliche Realität –letztlich ein<br />
Ergebnis sozialer Kommunikationsprozesse ist. 25 Umweltprobleme – und daraus<br />
abgeleitet auch die Inhalte der Adjektive umweltgerecht und umweltbelastend -<br />
entstehen demnach im Kopf, resp. im sozialen Diskurs. Sie sind das Ergebnis<br />
ökologischer Kommunikation.<br />
Die entscheidende Frage lautet deshalb:<br />
21<br />
Weber, R.: Kernenergie, Webers Taschenlexikon, 2.Auflage, Aarau, 1986, S. 29.<br />
22<br />
Siehe Radon –vom Heilmittel zum Schadstoff, in: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 4. Februar 2004,<br />
Nr. 28, S. 61.<br />
23<br />
Siehe Blumer, H.: Social Problems as Collective Behaviour, Social Problems, 18/3, 1971, S. 298 – 306.<br />
24<br />
Siehe Eisen, M., et.al.: Risikodiskurse, Die Dynamik öffentlicher Debatten über Umwelt- und<br />
Risikoprobleme in der Schweiz, Reihe Gesellschaft Schweiz, SPP Zukunft Schweiz, Zürich, 2003 oder<br />
Schetsche, M.: Die Karriere sozialer Probleme: Soziologische Einführung, München, 1996, sowie<br />
Hannigan, J.A.: Environmental Sociology; A Social Constructionist Perspective, London, 1995.<br />
25<br />
Eisen, 2003, S. 19.
14 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
2.3 Wie werden ökologische Daten gesellschaftlich codiert<br />
„Es geht nicht um die vermeintlich objektiven Tatsachen: dass die Ölvorräte abnehmen,<br />
die Flüsse zu warm werden (...) Das (...) erzeugt als nur physikalischer, chemischer<br />
oder biologischer Tatbestand (...) keine gesellschaftliche Resonanz, solange nicht<br />
darüber kommuniziert wird.“ 26<br />
2.3.1 Ökologische Kommunikation<br />
Unter Resonanz versteht Luhmann, dass das gesellschaftliche System durch die Umwelt<br />
in Schwingung versetzt wird. In unserem Fall ist das gleichbedeutend mit einer<br />
Reaktion der Gesellschaft auf ökologische Sachverhalte. Das bedeutet, dass sie -die<br />
Gesellschaft - durch die Interpretation und Bewertung ökologischer Daten Informationen<br />
produziert und kommuniziert. Die Frage ist demnach: wann und wo erzeugt ökologische<br />
Information gesellschaftliche und mithin ökonomische Resonanz<br />
In seinem Werk Ökologische Kommunikation thematisiert Luhmann diese Frage umfassend,<br />
27 indem die von ihm stipulierten gesellschaftlichen Teilsysteme –er nennt sie<br />
Funktionssysteme – auf ihre ökologische Resonanzfähigkeit hin untersucht werden.<br />
Voraussetzung der jeweiligen Resonanzfähigkeit ist die Umsetzung ökologischer<br />
Informationen in die sehr spezifische Codierung und Programmierung jedes einzelnen<br />
Teilsystems.<br />
2.3.2 Die binäre Codierung gesellschaftlicher Funktionssysteme<br />
Die moderne Gesellschaft kann systemtheoretisch als komplexes System, „das umfassendste<br />
System sinnhafter Kommunikation“ 28 verstanden werden. Innerhalb der<br />
Gesellschaft haben sich verschiedene Teilsysteme ausgebildet, die sehr spezifische<br />
Funktionen für das Gesamtsystem erbringen. Als Funktionssysteme der modernen<br />
Gesellschaft nennt Luhmann u.a.:<br />
– Wissenschaft (Code: Wahrheit/Unwahrheit)<br />
– Recht (Code: Recht/Unrecht)<br />
– Religion (Code:gut/böse, resp. Immanenz/Transzendenz)<br />
– (Geld-)Wirtschaft (Code: (Geld)Haben/Nicht Haben, resp. Zahlen/Nichtzahlen)<br />
– Politik (Code: Politische Macht durch ein Amt/Keine Macht, resp. kein Amt)<br />
– Erziehung (Code: Zulassung/Abweisung, resp. gute Zensur/schlechte Zensur)<br />
26<br />
Luhmann, 1990, S. 62.<br />
27<br />
Jedoch ist das Modell nur auf die modernen, hochgradig ausdifferenzierten Gesellschaften der industrialisierten<br />
Welt anwendbar, wie Luhmann selbst einschränkt.<br />
28<br />
Luhmann, S. 62.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 15<br />
Die Funktionssysteme sind offene und geschlossene Systeme zugleich: offen insofern,<br />
als dass sie auf die Leistungen der anderen Teilsysteme angewiesen sind.<br />
Geschlossen, da sie die Welt und die eigenen Operationen nur durch die Brille ihres<br />
eigenen Codes erkennen und beschreiben können. Dabei bezeichnet ein Code eine<br />
digitale, zweiwertige Differenz die für das jeweilige Funktionssystem eine universelle<br />
Geltung beansprucht. Der Code dient dazu, alle systemrelevanten Informationen<br />
entsprechend einem Wert, resp. dem zugehörigen Gegenwert zu interpretieren und zu<br />
bewerten. Konkret wird dann im Rechtssystem nach recht/unrecht, im<br />
Wissenschaftssystem nach wahr/unwahr, im Wirtschaftssystem nach (Geld)<br />
Haben/Nicht-haben, etc. codiert.<br />
Reaktion oder in den Worten Luhmanns Resonanz kann im jeweiligen System nur dann<br />
entstehen, wenn die Signale aus der (sozialen oder ökologischen) Umwelt des Systems<br />
in das jeweilige Code-Schema übertragen werden können, da sie ansonsten durch das<br />
Teilsystem schlichtweg ignoriert werden. Die Codierung ist Voraussetzung dafür, dass<br />
das Funktionssystem Information überhaupt als Teil seiner Realität wahrnehmen kann.<br />
In Abgrenzung zum Code sind Programme Bedingungen zur richtigen Selektion von<br />
Operationen. Sie konkretisieren, resp. operationalisieren die Anforderungen, die ein<br />
Funktionssystem erfüllen muss. Programme sind sozusagen die Schnittstelle zur<br />
Realität und sie können ausgewechselt werden, ohne die Identität des zweiwertigen<br />
Codes zu gefährden. Die Lernfähigkeit des Funktionssystems wird somit durch<br />
Programme aufrechterhalten. Während Code den geschlossenen, autopoietischen<br />
Aspekt des Funktionssystems ausmacht, bilden Programme die Offenheit des Systems<br />
aus und machen es erst im Zusammenspiel mit den anderen Teilsystemen lebensfähig.<br />
So dienen Forschungsmethoden der Programmierung der Wahrheitssuche, Rechtsgrundsätze<br />
der Programmierung von Gerechtigkeit und Preise der Operationalisierung<br />
der Geldwirtschaft.<br />
2.3.3 Codierung ökologischer Daten<br />
Ökologische Daten, also wie gesagt: chemische, physikalische und biologische Fakten,<br />
werden erst in den einzelnen Funktionssystemen aufgrund einer spezifischen Wertung<br />
zu Informationen; provozieren Kommunikation und mithin Anpassungen im System. In<br />
der Welt Luhmann'scher Systemtheorie heisst das konkret: ökologische Daten werden<br />
im Rechtssystem nur dann wahrgenommen und relevant, wenn sie unter den Code<br />
recht/unrecht subsumiert werden können. Von der Politik werden sie nur<br />
wahrgenommen, sofern sie im Hinblick auf das Erreichen oder Verlieren eines Mandats<br />
bedeutsam sind, und sie werden in der Wissenschaft nur insofern als relevant erkannt,<br />
als dass sie in den Code von wahr oder unwahr transformiert werden können. Im<br />
Wirtschaftssystem schliesslich werden ökologische Daten dann zu Informationen, wenn<br />
sie mit Eigentum/Zahlungsfluss zu tun haben, resp. in Preisen ausgedrückt werden<br />
können.
16 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Für die Herstellung ökologischer Rationalität in sozialen und ökonomischen Systemen<br />
sind die Möglichkeiten der Codierung ökologischer Informationen und der Entwicklung<br />
entsprechender Voraussetzungen massgebend.<br />
2.4 Ökologische Rationalität<br />
Wenn wir uns fragen, welche Bedeutung der Ökobilanzierung zur Herstellung ökologischer<br />
Rationalität in Gesellschaft, Volkswirtschaft und Unternehmung zukommt, so ist<br />
einerseits zu untersuchen, welche Funktionalität die einzelnen Elemente von Ökobilanzen<br />
theoretisch für die Wahrnehmung, Interpretation, Bewertung und Kommunikation<br />
ökologischer Daten erbringen können. Anderseits ist die Bedeutung der Ökobilanzierung<br />
für die Realisierung ökologischer Rationalität nur bestimmbar, wenn wir die<br />
reale Verbreitung dieses Instruments, resp. seiner Elemente in der Praxis betrachten.<br />
Anhand einer Analyse der Diffusion kann abgeschätzt werden, welche Funktionen<br />
tatsächlich umgesetzt werden und damit real auf die Herstellung ökologischer<br />
Rationalität einwirken.<br />
Ausgehend von Luhmanns These, dass ökologische Informationen in den gesellschaftlichen<br />
Funktionssystemen nur dann Resonanz erzeugen können, wenn sie in den<br />
jeweils spezifischen Code überführt werden können, ist es für unsere<br />
Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz zentral, ökologische Rationalität für die<br />
uns interessierenden Aspekte spezifisch zu operationalisieren. Wir tun dies auf drei<br />
Ebenen unterschiedlicher Abstraktion:<br />
– Gesellschaft<br />
betrachtet anhand von Luhmanns Systemtheorie<br />
– Wirtschaft<br />
betrachtet anhand der Volkswirtschaftslehre, resp. Umweltökonomie<br />
– Unternehmung<br />
betrachtet anhand der Betriebswirtschaftslehre, resp. der ökologisch bewussten<br />
Unternehmungsführung<br />
2.4.1 Systemtheoretische Betrachtungsebene<br />
Wie in der Einleitung dargelegt, untersuchen wir die Frage, ob und inwiefern Entscheidungen<br />
dank Ökobilanzen auch in Bezug auf ökologische Fragen rational, also<br />
logisch und vernünftig ausgestaltet werden können.<br />
„Ökologische Rationalität wäre dann erreicht, wenn die Gesellschaft die Rückwirkungen<br />
ihrer Auswirkungen auf die Umwelt auf sich selbst in Rechnung stellen könnte.“ 29<br />
29<br />
Luhmann, 1990, S. 247.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 17<br />
Es stellt sich die Frage, inwiefern Ökobilanzen dazu herangezogen werden (können),<br />
ökologische Rationalität im Sinne von Rückbetroffenheit in der Gesellschaft zu<br />
erzeugen. In den Worten Luhmanns: „In dem Masse, als technische Eingriffe die Natur<br />
verändern und daraus Folgeprobleme für die Gesellschaft resultieren, wird man nicht<br />
weniger, sondern mehr Eingriffskompetenz entwickeln müssen, sie aber unter Kriterien<br />
praktizieren müssen, die die eigene Rückbetroffenheit einschliessen. Das Problem liegt<br />
nicht in der Kausalität, sondern in den Selektionskriterien. Die Frage, die daraus folgt,<br />
ist eine doppelte, nämlich: 1) reicht die technische Kompetenz aus für ein selektives<br />
Verhalten, das heisst: gibt sie uns genug Freiheit gegenüber der Natur Und (2) reicht<br />
die gesellschaftliche, das heisst kommunikative Kompetenz aus, um die Selektion<br />
operativ durchführen zu können“ 30<br />
Sind Ökobilanzen dazu geeignet, diese technische Kompetenz zur Selektion zu<br />
erzeugen Konkreter formuliert:<br />
Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Systemtheorie:<br />
Können Ökobilanzen zur rationalen Codierung ökologischer Informationen in den<br />
gesellschaftlichen Funktionssystemen beitragen Wird durch Ökobilanzierung Rückbetroffenheit<br />
besser (korrekter, umfassender, einfacher oder schneller) in den<br />
jeweiligen Code eines Systems übersetzbar Oder entsteht mit der Ökobilanzierung<br />
gar ein eigenständiges, ökologisches Funktionssystem mit einem spezifischen Code<br />
und entsprechender Programmierung<br />
Werden konzeptionelle Elemente von Ökobilanzen –Zieldefinition, Systemgrenzen,<br />
Sachbilanz, Wirkungsanalyse, Gewichtung –in die Operationalisierung der jeweiligen<br />
Codes eingebaut Finden diese Elemente Eingang in Operationen des Rechts, der<br />
Politik oder der Wirtschaft<br />
Von besonderen Interesse erscheint uns die Frage, ob mit dem Projekt Ökobilanz nicht<br />
nur ökologische Rationalität innerhalb der bestehenden Funktionssysteme -wir konzentrieren<br />
unsere Analyse auf ökonomische Systeme -beeinflusst werden, sondern ob<br />
darüber hinaus ein eigenständiges, spezialisiertes Funktionssystems Ökologie mit<br />
einem binären Code umweltgerecht/umweltbelastend oder -unter Rückgriff auf den<br />
Oecologie-Begriff Haeckel's existenzsichernd/existenz-zerstörend führen könnte: Der<br />
Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen als binär geschlossene Codierung –Ökobilanzierung als Programm<br />
seiner grundsätzlich offenen Programmierung.<br />
30<br />
Luhmann, 1990, S. 39.
18 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Diese Frage haben wir 1994 selbst in einem kurzen Briefwechsel mit Niklas Luhmann<br />
aufgeworfen. Wenngleich Luhmann diese Möglichkeit nicht ausschliessen konnte, so<br />
glaubte er damals „allerdings nicht, dass sich gegenwärtig Ausgangspunkte für ein<br />
besonderes umweltbezogenes Funktionssystem erkennen lassen“. 31<br />
Die Frage nach der Entstehung eines spezifischen Funktionssystems durch Ökobilanzierung<br />
ist die zentrale Fragestellung unserer <strong>St</strong>andortbestimmung.<br />
2.4.2 Umweltökonomische Betrachtungsebene<br />
„Die Preise müssen die Ökologische Wahrheit sagen.“<br />
Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />
In unserem systemtheoretischen Grundverständnis bezeichnet ökologische Rationalität<br />
im ökonomischen System die Herstellung ökologischer Rückbetroffenheit im Code der<br />
Wirtschaft. Sie findet statt, wenn ökologische Daten unter dem Code von (Geld-)<br />
Haben/Nicht-Haben, resp. Zahlen/Nicht-Zahlen wahrgenommen und interpretiert<br />
werden und schliesslich ökologieinduzierte ökonomische Kommunikation in der<br />
Sprache der Preise erzeugen. Wenn die Preise die Ökologische Wahrheit sagen<br />
würden, so würden ökologische Daten die Autopoiesis des ökonomischen Teilsystems<br />
unterstützen und Resonanz erzeugen, um die ökologische Nachhaltigkeit des<br />
ökonomischen Systems – soweit dies überhaupt rational möglich ist – herbeizuführen.<br />
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht hingegen - sozusagen innerhalb des Teilsystems<br />
Wirtschaft -muss die Betrachtung differenzierter ausfallen, weil Preise nur<br />
Tauschbeziehungen beschreiben können. Der Programmierung von Kommunikation<br />
mittels Preisen gehen jedoch Informationsverarbeitungsprozesse bei den beteiligten<br />
Akteuren selbst voraus. So entscheiden Kosten/Nutzen-Überlegungen vorgängig, ob es<br />
überhaupt zu einer Markttransaktion, der Realisierung eines Preises und damit zu<br />
ökologischer Kommunikation des ökonomischen Systems im Sinne der Systemtheorie<br />
kommt. Deshalb reicht die systemtheoretische Betrachtung hier für unsere Belange<br />
nicht aus. Ökonomie als Wissenschaft programmiert den ökonomischen Code weitaus<br />
differenzierter: hier geht es nicht nur um Zahlen/Nicht-Zahlen, sondern es geht darüber<br />
hinaus um Begriffe wie Nutzen, Kosten, Wert und Effizienz.<br />
31<br />
Brief von Niklas Luhman an <strong>Claude</strong> <strong>Siegenthaler</strong> vom 19.10.1994.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 19<br />
Die Maxime der Ökonomie ist zunächst einmal, dass die verfügbaren Ressourcen<br />
optimal, sprich effizient eingesetzt werden sollen. Dabei interessieren die Kosten-<br />
Nutzen-Abwägungen einzelner Akteure sowie deren Koordination über den Markt<br />
genauso wie die Ausgestaltung von volkswirtschaftlich effizienten Tauschbeziehungen<br />
mittels Institutionen und Instrumenten, das Aufdecken und Korrigieren von Marktversagen<br />
explizit eingeschlossen.<br />
Volkswirtschaftlich lässt sich ökologische Rationalität beschreiben als Herstellung ökonomisch<br />
relevanter Rückbetroffenheit durch ökologische Sachverhalte. Die ökonomische<br />
Relevanz ist dann gegeben, wenn die Effizienz, resp. die Funktionsfähigkeit des<br />
wirtschaftlichen Systems betroffen ist.<br />
Im Rahmen der Ökonomie haben sich zwei spezialisierte Schulen entwickelt, die sich<br />
mit der Codierung ökologischer Daten aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht befassen:<br />
die neoklassische Umweltökonomie und die ökologische Ökonomie.<br />
2.4.2.1 Neoklassische Umweltökonomie<br />
Die neoklassische Umweltökonomie hat ihre Anfänge im frühen 20. Jahrhundert und<br />
baut auf dem Grundmodell des allgemeinen Gleichgewichts und einer idealtypischen<br />
Marktwirtschaft auf. Abweichungen von diesem Modellzustand – Marktversagen,<br />
beispielsweise Monopole oder externe Effekte -haben diese Schule in ihrer Forschung<br />
stark geprägt und mithin sehr anwendungsorientierte Postulate im Hinblick auf die<br />
Möglichkeiten der Wiederherstellung des Idealzustandes hervorgebracht. 32<br />
Aus Sicht unserer Fragestellung lassen sich zwei Teilbereiche unterscheiden: die<br />
Ökonomie der Ressourcen und die Ökonomie der Umweltbelastung. Während sich die<br />
Ressourcenökonomie mit der Analyse der Nutzung natürlicher - erneuerbarer oder<br />
nicht-erneuerbarer - Rohstoffe beschäftigt, untersucht die Ökonomie der Umweltbelastung<br />
„die Beeinflussung der Umweltmedien und der in ihnen lebenden<br />
Organismen durch wirtschaftliche Aktivitäten“. 33 Aus dem Blickwinkel der<br />
Zivilisationsökologie könnte man auch sagen, dass sich erstere mit den stofflichen,<br />
energetischen und biologischen Inputs aus der Natur in die Technosphäre und zweitere<br />
mit den ökologischen Outputs aus der Technosphäre beschäftigt.<br />
Die entsprechenden Fragestellungen lauten: wie ist die Entnahme von Rohstoffen<br />
intertemporal zu optimieren Wie können knapp werdende freie Güter bewertet und<br />
alloziert werden Wie kann das optimale Niveau von Umweltbelastung, resp.<br />
Umweltschutz ermittelt und realisiert werden Oder besonders prominent: wie können<br />
die durch Umweltbelastung verursachten negativen externen Effekte internalisiert und<br />
32<br />
Minsch, J.: Ursache und Verursacherprinzip im Umweltbereich, Zur theoretischen Fundierung einer<br />
verursacherorientierten Umweltpolitik, Dissertation Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1988, S. 1.<br />
33<br />
Heller, 1989, S. 87.
20 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
damit gesellschaftliche und individuelle Nutzenmaximierung wieder in Einklang gebracht<br />
werden<br />
Abbildung 2.4: Das Konzept des Optimalen Umweltschutzes<br />
Im Zentrum der neoklassischen Umweltökonomie steht die Frage nach dem effizienten Belastungsniveau.<br />
Das optimale Belastungsniveau ergibt sich theoretisch aus dem Schnittpunkt der Grenzkosten- und<br />
Grenznutzenfunktionen. 34<br />
Die neoklassische Umweltökonomie bleibt den Annahmen der allgemeinen Neoklassik<br />
und ihrem stark mikroökonomischen Fokus treu. Codiert wird durch Kosten-Nutzen-<br />
Betrachtungen. Natur wird mittels verschiedenster Ansätze (Vermeidungskosten,<br />
Kompensationskosten, Sanierungskosten, etc.) bewertet und in Geldeinheiten codiert.<br />
Es geht hier vorwiegend um Grenzkosten- und Grenznutzenfunktionen, resp. um deren<br />
wirtschaftspolitische Korrektur beim Vorliegen von Marktversagen (Freie Güter, Externe<br />
Effekte).<br />
Gerade die Theorie der externen Effekte darf als der herausragende Beitrag der<br />
neoklassischen Umweltökonomie gelten. Ihre geistigen Väter – Marshall, Pigou und<br />
Coase – haben mit ihren Arbeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts damit<br />
sozusagen das Modell des allgemeinen Gleichgewichts gerettet, resp. immunisiert 35 ,<br />
aber auch die heute in vielen Ländern voran getriebene marktwirtschaftlich orientierte<br />
Umweltpolitik wesentlich geprägt. Marktkonforme Instrumente wie die Einführung<br />
handelbarer Emissionsrechte oder die verschiedenen Varianten von Umweltsteuern<br />
haben den Weg aus der Theorie in die Praxis mittlerweile erfolgreich gefunden. Die<br />
Wirksamkeit von Lenkungsabgaben –zum Beispiel auf Schwefeldioxid im Japan der<br />
34<br />
Darstellung aus Getzner, M.: Ökonomische Methoden der Umweltplanung, Folienpräsentation<br />
WS2003/04, Universität Klagenfurt, 2003, S. 21.<br />
35<br />
Siehe Minsch, 1988, S. 1 – 99.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 21<br />
70er Jahre –oder das derzeitige Entstehen von Märkten für CO 2 -Emissionsrechte in<br />
Europa und den USA sind direkter Ausfluss der neoklassischen Umweltökonomie.<br />
Die neoklassische Umweltökonomie zeichnet sich jedoch aus ökologischer Sicht auch<br />
durch eine Reihe von Mängeln aus, welche -so die Argumentation der Kritiker –eine<br />
angemessene Berücksichtigung der Ökologie in der Neoklassik grundsätzlich in Frage<br />
stellen.<br />
So werde die Natur im wesentlichen wie jedes andere Gut behandelt: Physikalische,<br />
chemische und biologische Zusammenhänge sowie deren Wandel würden über<br />
Annahmen aus der Analyse ausgeschlossen oder stark vereinfacht. <strong>St</strong>ellvertretend für<br />
viele sollen hier Minsch und Heller erwähnt werden: beide haben die neoklassische<br />
Umweltökonomie systematisch hinterfragt, resp. mit ökologischen Erkenntnissen<br />
konfrontiert. 36 37 Sie erkennen grosse Unzulänglichkeiten der Modelle insbesondere<br />
beim Umgang mit Komplexität und Dynamik ökologischer Problemstellungen. Beide<br />
zeigen eindrücklich, dass die Welt der eindeutigen und stabilen Gleichgewichte rasch<br />
zusammenbricht, wenn die Modelle den ökologischen Realitäten angenähert und diese<br />
als endogene Parameter eingeführt werden.<br />
2.4.2.2 Ökologische Ökonomie<br />
Jenseits der neoklassischen Umweltökonomie und ihrem dominanten Fokus auf Fragen<br />
der Allokation hat sich seit den 80er Jahren eine stärker durch die Ökologie selbst<br />
inspirierte Sichtweise mit transdisziplinärem Anspruch entwickelt: die Ökologische<br />
Ökonomie. Sie betrachtet die Wirtschaft als Subsystem der Natur und thematisiert<br />
damit die ökologischen Existenzbedingungen des Wirtschaftens und deren Erhaltung.<br />
Natur wird nicht mehr nur als ein Pool von Ressourcen betrachtet, die möglichst<br />
effizient in Nutzen umgesetzt werden sollen. Die ökologische Ökonomie thematisiert<br />
vielmehr die Selbsterhaltung der Wirtschaft durch Erhalt der von der Natur erbrachten<br />
lebensnotwendigen Dienstleistungen (Versorgungs-, <strong>St</strong>abilisierungs-, Reinigungs-,<br />
Regenerations- und Schutzfunktionen).<br />
Ökologische Nachhaltigkeit wird als Voraussetzung ökonomischer Nachhaltigkeit ins<br />
Zentrum gerückt. Damit tritt die Frage der Bemessung, resp. Begrenzung und<br />
<strong>St</strong>euerung ökonomischer Aktivitäten unter natürlichen Restriktionen (carrying capacity)<br />
ins Zentrum der Betrachtung. 38 Eine stetige Expansion der Wirtschaft durch Wachstum<br />
der Bevölkerung und des Kapitals wird durch ökologische Ökonomen kritisch beurteilt<br />
und es werden Modelle einer materiell im Fliessgleichgewicht befindlichen Wirtschaft<br />
entwickelt.<br />
36<br />
Siehe Minsch, 1988, S. 121 – 141.<br />
37<br />
Siehe Heller, 1989, S. 138 – 162.<br />
38<br />
Siehe Constanza, 1997, S. 83 - 91.
22 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 2.5: Ökologischer und Ökonomischer Kreislauf 39<br />
Fragen der Wachstumsdynamik und der stofflichen/energetischen Wechselwirkungen zwischen Natur und<br />
Wirtschaft stehen im Zentrum der Ökologischen Ökonomie. Wirtschaftlich relevante Prozesse des<br />
Ökosystems sowie die Erhaltung des Naturkapitals werden ins ökonomische Kalkül einbezogen.<br />
Geprägt wurde die ökologische Ökonomie durch frühe Arbeiten mit Bezug zu Fragen<br />
der „Tragfähigkeit“ in der Tradition von Malthus bis zu den Arbeiten von Boulding<br />
(Spaceship Earth), Meadows (Limits to Growth) und Daly (<strong>St</strong>eady-<strong>St</strong>ate-Economics),<br />
resp. im deutschsprachigen Raum beispielsweise von Binswanger (Ökonomische<br />
Kapitalisierung und ökologische Dekapitalisierung), Immler, Nutzinger oder Bonus.<br />
Ebenfalls charakteristisch ist die Anwendung systemtheoretischer Forschungsmethoden,<br />
die die Grenzen isolierter ökologischer und ökonomischer Betrachtung<br />
überwinden, indem sie Energie- und Materialflüsse einschliessen (u.a. Georgescu-<br />
Roegen, Boulding, Odum, Ayres und Constanza). Die Gründung der International<br />
Society for Ecological Economics im Jahre 1987 oder des Journal of Industrial Ecology<br />
1997 markieren die Etablierung dieser jungen Schule ökonomischer Denkrichtungen.<br />
Die Ökologische Ökonomie nimmt dabei nicht für sich in Anspruch, die traditionelle<br />
Umweltökonomie und ihre modellbedingte Eleganz zu ersetzen. Sie bietet vielmehr<br />
einen erweiterten, pluralistischen Rahmen verschiedenster Methoden und versucht<br />
ökologische und ökonomische Erkenntnisse unter dem Gesichtspunkt der<br />
Lebensfähigkeit beider Welten zu integrieren. 40 Sie steht damit in krassem Gegensatz<br />
zur weltfremden Neoklassik, was sich insbesondere in ihrem Umgang mit Unsicherheit<br />
und unvollkommener Information deutlich zeigt, aber auch stark in ihren normativen<br />
Ansprüchen zum Ausdruck kommt: Gerechte Verteilung, moralische Integrität und die<br />
Erhaltung von Gemeinschaften sind nebst ökologischer Nachhaltigkeit offen deklarierte<br />
Ziele dieser Schule.<br />
39<br />
Darstellung aus Binswanger, H.C.: Ökonomie und Ökologie, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft<br />
und <strong>St</strong>atistik, September 1972, S. 260.<br />
40<br />
Constanza, 1997, S. 52
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 23<br />
Vereinfachend könnte man sagen: die neoklassische Umweltökonomie codiert programmatisch<br />
ökologische Sachverhalte unter der Maxime der Kosten-Nutzen-<br />
Maximierung und bedient sich dazu eines Newton‘schen Weltbildes mechanischer,<br />
physikalischer und chemischer Gesetze. Im Vordergrund steht die Erhaltung des<br />
allgemeinen Gleichgewichts. Die Ökologische Ökonomie sieht Natur, Wirtschaft und<br />
Gesellschaft hingegen als living systems mit dem Anspruch, der nachhaltigen<br />
Koexistenz, schliesst aber sozusagen den pragmatischen Gebrauch des<br />
neoklassischen Werkzeugkastens zur Verfolgung ihrer Ziele nicht aus.<br />
Damit werden die Grenzen zwischen den beiden, von ihren Grundhaltungen her sehr<br />
unterschiedlichen Schulen fliessend. Wenn wir in der Folge deshalb von Umweltökonomie<br />
sprechen, so sollen beide Schulen unter diesem Titel gemeint sein.<br />
Beide Schulen der Umweltökonomie codieren ökologische Sachverhalte und führen<br />
zum Einbezug ökologischer Rückbetroffenheit in das ökonomische System. Wir<br />
nehmen für unsere Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz entsprechend die zwei<br />
zentralen Momente beider Schulen auf: einerseits das Kriterium der Effizienz sowie das<br />
<strong>St</strong>reben nach Behebung von Marktversagen; anderseits die Einführung des<br />
ökologischen Nachhaltigkeitskriteriums. Unsere Fragen zur Beurteilung lauten für die<br />
ökonomische Betrachtung ökologischer Rationalität:<br />
Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Ökonomie:<br />
Können Ökobilanzen zur <strong>St</strong>eigerung von Effizienz, zur Behebung von Marktversagen,<br />
zur Verbesserung der Allokation oder zur Sicherung der ökologischen<br />
Kapitalerhaltung im Sinne der Nachhaltigkeit beitragen<br />
Lassen sich konzeptionelle Elemente von Ökobilanzen – Zieldefinition, Systemgrenzen,<br />
Sachbilanz, Wirkungsanalyse, Gewichtung – in der umweltökonomischen<br />
Analyse, resp. den umweltökonomisch inspirierten umwelt- und wirtschaftspolitischen<br />
Instrumenten verorten<br />
2.4.3 Betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene<br />
Während Konsumenten durch ihr Verhalten und der <strong>St</strong>aat durch seine Regeln die<br />
Ökologie der Zivilisation steuern, prägen Unternehmen durch ihre Gestaltung von Wertschöpfungsketten<br />
massgeblich die Technosphäre und steuern damit die ökologische<br />
Rückbetroffenheit der Gesellschaft, resp. des ökonomischen Systems vor. Sie sind insbesondere<br />
auch Träger technischer Problemlösungskapazität, um diese Rückbetroffenheit<br />
zu reduzieren. Deshalb besteht ein Schwerpunkt unserer Untersuchung darin, die<br />
Bedeutung der Ökobilanzierung für die Herstellung ökologischer Rationalität in der<br />
Unternehmung - als dem zentralen ökonomischen Akteur – zu bestimmen.
24 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Betriebswirtschaftlich lässt sich ökologische Rationalität als Herstellung der betriebswirtschaftlich<br />
relevanten Rückbetroffenheit durch ökologische Sachverhalte<br />
beschreiben. Die betriebswirtschaftliche Relevanz ist dann gegeben, wenn die Lebensfähigkeit<br />
der Unternehmung betroffen ist.<br />
Unter Lebensfähigkeit 41 sei hier verstanden, dass die Unternehmung die zentralen<br />
Parameter Liquidität (Einnahmen/Ausgaben), Gewinn (Aufwand/Ertrag), strategische<br />
Erfolgspositionen (Marktanteil/Kostensenkungspotential sowie Anwenderprobleme/<br />
Technologien zu deren Befriedigung) und gesellschaftliche Legitimität so unter Kontrolle<br />
hat, dass die Existenz der Organisation kurz-, mittel und langfristig gewährleistet wird.<br />
41<br />
Wir orientieren unsere Definition der Lebensfähigkeit der Unternehmung an Malik, F.: <strong>St</strong>rategische<br />
Unternehmungsführung als <strong>St</strong>euerung eines komplexen Systems, in: Management Forum, Band 5,<br />
Wien, 1985, S. 135 – 154 sowie Gälweiler, A.: Die strategische Führung der Unternehmung,<br />
Management Zentrum <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, ohne Jahrgang, S. 2 - 25.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 25<br />
Abbildung 2.6: Voraussetzungen der Lebensfähigkeit von Unternehmen<br />
Die Darstellung zeigt zentrale <strong>St</strong>euerungsgrössen und Orientierungsgrundlagen zur nachhaltigen<br />
Sicherung der Lebensfähigkeit einer Unternehmung. Ökologisches Lernen 42 auf betriebswirtschaftlicher<br />
Ebene ist darauf gerichtet, ökologische Rückbetroffenheit derart zu erzeugen, dass diese <strong>St</strong>euerungsgrössen<br />
positiv beeinflusst werden können. 43<br />
Die betriebswirtschaftlich relevante Rückbetroffenheit wird häufig auch als ökologische<br />
Betroffenheit der Unternehmung bezeichnet. 44 Hier gilt es zu unterscheiden zwischen<br />
einer direkten ökologischen Betroffenheit im naturwissenschaftlichen Sinne und einer<br />
kulturell erzeugten gesellschaftlichen und damit indirekten ökologischen Betroffenheit<br />
der Unternehmung.<br />
Direkte Betroffenheit ist dann gegeben, wenn die Lebensfähigkeit der Unternehmung<br />
infolge naturwissenschaftlich fassbarer Sachverhalte beeinträchtigt wird, zum Beispiel<br />
einer Verknappung von Rohstoffen, einer mangelnden technischen Qualität von<br />
Materialien oder unerwünschter chemischer Reaktionen als Ursache eines Unfalls.<br />
42<br />
Zum Begriff der ökologischen Lernprozesse in Unternehmen Dyllick, Th. (Hrsg.): Ökologische<br />
Lernprozesse in Unternehmen, Paul Haupt, Bern, 1991, Finger, M., Bürgin, S., Haldimann, U.: Der<br />
umweltbezogene organisationale Lernprozess, in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 21 -<br />
28, 1996, Pfriem, R., Schwarzer, Ch.: Ökologiebezogenes organisationales Lernen, in: Umweltwirtschaftsforum,<br />
Heidelberg, 3/96, S. 10 -16, 1996, Kreikebaum, H.: Die Organisation ökologischer<br />
Lernprozesse in Unternehmen, in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 4 - 9, 1996.<br />
43<br />
Darstellung aus Malik, 1985, S. 143<br />
44<br />
Siehe <strong>St</strong>ellmann, 1997 oder Tarara, J.: Ökologieorientierte Informationsinstrumente in Unternehmen,<br />
Wiesbaden, 1997, S. 27 oder Dyllick, Th.: Ökologisch bewusste Unternehmungsführung, in: Die<br />
Unternehmung, Nr. 6, 1992, S. 402.
26 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Indirekte Betroffenheit entsteht hingegen aufgrund gesellschaftlicher ökologischer<br />
Kommunikation und ist im jeweiligen Code eines Funktionssystems greifbar, beispielsweise<br />
in Form von umweltrechtlichen Anforderungen wie Verboten und Geboten oder in<br />
Form administrierter Preise wie Abfallgebühren oder Abgaben auf Schadstoffen. Über<br />
den Markt können beispielsweise ökologisch motivierte Kundenwünsche oder ethische<br />
Ansprüche von Mitarbeitenden die Unternehmung betreffen.<br />
Diese indirekten Einflüsse müssen nicht zwingend tatsächlich naturwissenschaftlich<br />
fundierten Sachverhalten entspringen. Vielmehr stellen sie –in Analogie zu unserem<br />
Verständnis von Umweltproblemen -soziale Konstrukte dar und können sich sehr wohl,<br />
zumindest für eine gewisse Zeit, losgelöst von wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />
entfalten 45 . Für die Unternehmungsführung sind sie dennoch real und können die<br />
Lebensfähigkeit in relevantem Ausmass negativ wie auch positiv beeinflussen. Häufig<br />
spricht man dabei in Anlehnung an Meffert von ökologischen push und pull Faktoren 46 .<br />
Vor diesem Hintergrund wurde die ökologische Betroffenheit, resp. das Management<br />
dieser Betroffenheit in der Betriebswirtschaftslehre schon in den 70er Jahren vereinzelt<br />
thematisiert 47 und führte Ende der 80er, resp. anfangs der 90er Jahre zur Entwicklung<br />
einer spezialisierten Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre. 48 Heute hat sich dafür der<br />
Begriff des betrieblichen Umweltmanagements (technisch im Sinne von Systemen und<br />
Prozessen), resp. der ökologisch bewussten Unternehmungsführung (inhaltlich im<br />
Sinne von Vision, <strong>St</strong>rategie, etc.) etabliert.<br />
45<br />
Siehe Preisendörfer, P., Franzen, A.,: Der schöne Schein des Umweltbewusstseins: Zu den Ursachen<br />
und Konsequenzen von Umwelteinstellungen der Bevölkerung, in: Diekmann, A., Jaeger, C.C.:<br />
Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1996, S. 219 –244 oder<br />
Diekmann, A., Preisendörfer, P.: Persönliches Umweltverhalten. Diskrepanz zwischen Anspruch und<br />
Wirklichkeit, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Nr. 44, 1992, S. 226 – 251.<br />
46<br />
Meffert, H., Kirchgeorg, M.: Marktorientiertes Umweltmanagement. Grundlagen und Fallstudien,<br />
<strong>St</strong>uttgart, 1993, S. 107.<br />
47<br />
Siehe Ullmann, 1975 oder <strong>St</strong>rebel, H.: Umwelt und Betriebswirtschaft, Berlin, 1980.<br />
48<br />
Die Vielfalt der Begriffe sei nachfolgend anhand häufig zitierter Autoren illustriert: Ökologische<br />
Betriebswirtschaftslehre in <strong>St</strong>rebel, 1980, Betriebsökologie in Winter, G.: Das umweltbewusste Unternehmen,<br />
München, 1987, Seidel, E., Menn, H.: Ökologisch orientierte Betriebswirtschaft, <strong>St</strong>uttgart,<br />
1988, <strong>St</strong>eger, U. (Hrsg.): Umweltmanagement, Wiesbaden, 1988, Schreiner, M.: Umweltmanagement<br />
in 22 Lektionen, Wiesbaden, 1988, Dyllick, Th.: Ökologisch bewusstes Management, Die Orientierung,<br />
Schweizerische Volksbank, Bern, 1990, Hopfenbeck, W.: Umweltorientiertes Management und Marketing,<br />
Landsberg, 1990, Ökologisch bewusste Unternehmungsführung, Dyllick, 1992, Wicke, L., et. al.:<br />
Betriebliche Umweltökonomie –Eine praxisorientierte Einführung, München, 1992, Schulz, W., Schulz,<br />
E.: Ökomanagement, München, 1994, <strong>St</strong>ahlmann, V.: Umweltverantwortliche Unternehmungsführung,<br />
München, 1994.
Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 27<br />
Abbildung 2.7: Die Ökologische Betroffenheit der Unternehmung<br />
Die Darstellung illustriert die Entstehung ökologischer Betroffenheit anhand von Zwängen (push) und<br />
Anreizen (pull). Auslösendes Moment sind Veränderungen in Markt und Gesellschaft. Diese sind für<br />
ökologisches Lernen auf betriebswirtschaftlicher Ebene häufig bedeutsamer als direkte ökologische<br />
Einflüsse. 49<br />
Wir leiten aus diesen Überlegungen unsere Fragen zur Rolle der Ökobilanzierung zur<br />
Herstellung ökologischer Rationalität auf betrieblicher Ebene wie folgt ab:<br />
Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Betriebswirtschaft<br />
Können Ökobilanzen theoretisch zur <strong>St</strong>eigerung der Problemlösungsfähigkeit, resp.<br />
der Lebensfähigkeit der Unternehmung beitragen<br />
Lassen sich konzeptionelle Elemente der Ökobilanzierung in der Ausgestaltung von<br />
Umweltmanagementsystemen, resp. betrieblichen Umweltinformationssystemen<br />
49<br />
Darstellung aus <strong>St</strong>ellmann, 1997, S. 90.
28 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
wiederfinden Wie sind sie in der Organisation verankert Können ursächliche<br />
Faktoren für diese Diffusion identifiziert werden<br />
2.5 Ökologische Rationalität als Mass der Bestandesaufnahme<br />
Das Ziel dieses Kapitels war es, das systemtheoretische Grundverständnis offen zu<br />
legen, aus dem heraus unsere Bestandesaufnahme vorgenommen werden soll. Es ging<br />
darum, einen Orientierungsrahmen für die abschliessend vorzunehmende Beurteilung<br />
des Entwicklungsstandes des Projekts Ökobilanz zu schaffen. Und es sollte deutlich<br />
gemacht werden, warum der Ansatz der konstruktivistischen Systemtheorie einen<br />
geeigneten methodischen Zugang für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung darstellt.<br />
Dabei galt es drei zentrale Fragen zu beantworten:<br />
1. Was bedeuten zentrale Begrifflichkeiten unserer Thematik wie Umwelt, Natur,<br />
Ökologie und Umweltproblem<br />
2. Was ist unter ökologischer Rationalität in den uns interessierenden Kontexten –<br />
Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmung - zu verstehen<br />
3. Wie kann die der nachfolgend aufgezeichnete <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung beurteilt<br />
werden<br />
Wir wenden uns zunächst den historischen Wurzeln der Ökobilanzbewegung zu,<br />
zeichnen dann ein differenziertes Bild des heutigen <strong>St</strong>andes der Methodik und<br />
beleuchten die Institutionalisierung der Ökobilanzforschung. Nach der empirischen<br />
Analyse werden wir schliesslich versuchen, auf die formulierten forschungsleitenden<br />
Fragen pointierte Antworten zu geben.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 29<br />
3 Phase der Vorläufer und Pioniere<br />
Die Pionierphase der Ökobilanzierung haben wir bereits in der Einleitung in den frühen<br />
70er Jahren verortet. Offenbar unter dem Eindruck der aufkommenden Umweltbewegung<br />
und der einsetzenden politischen Diskussion über die Grenzen des Wachstums<br />
entstanden erste <strong>St</strong>udien, die darauf abzielten, eine umfassende Erfassung und<br />
Beurteilung der Umweltbelastung von Unternehmen und Produkten vorzunehmen. Entsprechende<br />
Themen waren die Belastung der Luft, Abwässer, Abfälle und im Hinblick<br />
auf eine drohende Verknappung insbesondere der Rohstoff- und Energieverbrauch.<br />
Ein Inserat der FIAT aus dem Time Magazine im Jahre 1974 illustriert diesen Zeitgeist<br />
mit dem Slogan: „We can no longer measure the cost of the automobile in terms of<br />
money alone“. Präsentiert wird dazu eine vergleichende Materialbilanz zweier Fahrzeugtypen.<br />
Abbildung 3.1: Vorläufer einer Produktökobilanz – Werbung von FIAT 1974<br />
Die Idee der Bilanzierung von Materialien wurde bereits zu Beginn der 70er Jahre in der Werbung aufgegriffen.<br />
In diesem Inserat des Automobilherstellers FIAT werden zwei Modelle bezüglich ihres Rohstoffverbrauchs<br />
sowie ihrer Brennstoffeffizienz verglichen. Im Vergleich zur heutigen Ökobilanzierung fehlen<br />
Emissionen sowie eine umfassende Lebenszyklusbetrachtung. 50<br />
Wie die 1975 publizierte Übersicht von Ullmann 51 deutlich macht, bestanden zu der Zeit<br />
bereits eine Vielzahl von Ansätzen, die auf eine Erfassung der Umweltbelastung<br />
abzielten und als Vorläufer heutiger Ökobilanzen betrachtet werden können: Material-,<br />
50<br />
Darstellung aus Ullmann, 1975, S. 251.<br />
51<br />
Ullmann, 1975, S. 226 – 269.
30 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
<strong>St</strong>off- und Energiebilanzen von Betrieben und Produkten, Material- und<br />
Energieflussdiagramme und Sozialbilanzen mit Angaben zu Umweltbelastungen<br />
und/oder sozialen Kosten. Allen diesen Konzepten gemein war das Abstellen auf die<br />
Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen.<br />
3.1 Ansätze zur Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen<br />
Zur Erfassung des Rohstoffbedarfs und der Emissionen wurden technische <strong>St</strong>offflussanalysen<br />
sowie ökonomische Input-Output-Bilanzen Ende der 60er Jahre aufgegriffen:<br />
Es wurde damals nach Konzepten gesucht, um die „Endlichkeit der Erde in Verbindung<br />
mit dem Satz von der Erhaltung von Masse und Energie 52 “ in ökonomische Betrachtungen<br />
einzubeziehen.<br />
Dabei waren die Pionier-Arbeiten der ökologischen Ökonomie prägend -beispielsweise<br />
Georgescu-Roegens The Entropy Law and the Economic Process 53 oder Odums<br />
Environment, Power and Society 54 . Man erkannte Energie- und <strong>St</strong>offflussanalysen<br />
sowie die ökonomische Input-Output-Analyse als grundlegende Informationstechniken<br />
für den Umweltschutz.<br />
Für die Umsetzung dieser Datengewinnungs-Methoden unter Umweltschutz-<br />
Gesichtspunkten wurden die im Arbeitskreis Resources for the Future zusammengeschlossenen<br />
Forscher Ayres, Kneese, Bower, Basta und Russel bekannt. 55 Sie<br />
erstellten detaillierte <strong>St</strong>off- Energie- und Materiaflussanalysen für Unternehmen und<br />
ganze Regionen und entwickelten dazu eine dreistufige Methodik:<br />
1. Erstellung einer Materialbilanz<br />
2. Rekonstruktion der stofflichen Transformation der Material-Inputs in Outputs mittels<br />
<strong>St</strong>offflussanalyse und deren Darstellung anhand eines Flussdiagrams<br />
3. Konsolidierung der Daten in eine prozessbasierte Input-Output-Bilanz<br />
3.1.1 <strong>St</strong>offflussanalyse<br />
Die grundlegende Methodik der <strong>St</strong>offflussanalyse wurde jedoch schon lange vor der<br />
Frage nach der Umweltbelastung in verschiedenen Bereichen eingesetzt: In der<br />
Verfahrenstechnik, der Materialwirtschaft, der Ökonomie und der Ökologie stellten<br />
<strong>St</strong>offflusanalysen und Input-Output-Bilanzen gängige Instrumente dar. 56<br />
52<br />
Ullmann, 1975, S. 174.<br />
53<br />
Georgescu-Roegen, N.:The Entropy Law and the Economic Process, Cambridge MA; Harvard<br />
University Press, 1971.<br />
54<br />
Odum, H.T.:Environment, Power and Society, New York, 1971.<br />
55<br />
Ayres, R.U.: On the Life Cycle Metapher: where ecology and economics diverge, Center for the<br />
Management of Environmental Resources, Nr. 2002/119, INSEAD, Fontainebleau, 2002, S. 2.<br />
56<br />
Siehe Hofmeister, S.: Landschaftsentwicklung und Umweltforschung; Schriftenreihe des Fachbereichs<br />
Landschaftsentwicklung der TU Berlin, Nr. 58, Berlin, 1989, S. 14.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 31<br />
Grundlage der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzierung bildet die aus dem ersten Hauptsatz der<br />
Thermodynamik abgeleitete Erhaltung von Masse und Energie. Demnach muss die<br />
Massen-, resp. Energiebilanz eines Systems immer ausgeglichen sein. <strong>St</strong>offflussanalysen<br />
können auf der Ebene ausgewählter chemischer Elemente (zum Beispiel für<br />
Kohlenstoff) oder für Substanzen, Materialien, Halbfabrikate und/oder Produkte erstellt<br />
werden.<br />
Die Beachtung dieses Sachverhalts ist beispielsweise in der Verfahrenstechnik zur<br />
Planung und <strong>St</strong>euerung von Prozessen von Bedeutung. Auch die Ökologie bedient sich<br />
der Darstellung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen um die Wechselwirkungen zwischen<br />
Lebewesen oder ganzen Ökosystemen zu erfassen.<br />
3.1.2 Input-Output-Bilanz<br />
Während die <strong>St</strong>offflussanalyse eine Definition der zu betrachtenden Prozesse und<br />
deren Zusammenwirken erfasst und anhand eines Flussdiagramms veranschaulicht,<br />
werden die Resultate bezogen auf eine Periode oder eine Einheit des produzierten<br />
Gutes in Form einer Input-Output-Tabelle dargestellt. Im Idealfall kann im Rahmen der<br />
<strong>St</strong>offflussanalyse ein vollkommen mathematisches Modell aller <strong>St</strong>röme abgebildet<br />
werden und die Input-Output-Bilanz wäre dann bezüglich Masse und Energie vollständig<br />
ausgeglichen. Ein entsprechendes <strong>St</strong>offflussmodell könnte dann für<br />
Simulationen verwendet werden.<br />
In der Praxis sind jedoch nur selten vollständige Massen- oder Energiebilanzen verfügbar,<br />
da eine präzise Ermittlung aller <strong>St</strong>offflüsse letztlich an Grenzen von Kosten und<br />
Messbarkeit stösst. Man konzentriert sich auf das technisch, ökonomisch oder ökologisch<br />
Relevante und behandelt die einzelnen Prozesse selbst jeweils als black boxes,<br />
indem für jeden Prozess lediglich eine Input-Output-Tabelle aufgestellt wird, ohne dass<br />
der innere Zusammenhang (beispielsweise eine chemische Reaktion) modelliert würde.<br />
Unter Umweltgesichtspunkten zeigt die Input-Output-Bilanz alle relevanten Rohstoffentnahmen<br />
aus der Natur und alle stofflichen Einträge in die Natur.<br />
Eine andere Technik zur Datengewinnung, der ebenfalls das Denken in Inputs und<br />
Outputs zugrunde liegt, stellt die ökonomische Input-Ouput-Analyse dar. Sie bestand<br />
ebenfalls schon lange vor ihrem Einsatz zur Ermittlung der Umweltaspekte.
32 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 3.2: Kombinierte Darstellung von <strong>St</strong>offfluss und Input-Output-Tabelle 57<br />
3.1.3 Ökonomische Input-Output-Bilanz<br />
Die Idee der ausgeglichenen Input-Output-Bilanzen hat auch in der Ökonomie und<br />
Betriebswirtschaft ihre Entsprechung: mittels Kostenrechnung und Buchhaltung werden<br />
monetär die Austauschbeziehungen zwischen Prozessen und Organisationen<br />
beschrieben. An die <strong>St</strong>elle von Masse und Energie tritt das Geld und in der Doppelten<br />
Buchhaltung finden wir wiederum ein geschlossenes System vor, in dem sich Inputs<br />
und Outputs ausgleichen.<br />
Mit den Arbeiten von Leontief wurde das Denken in Inputs und Outputs für die volkswirtschaftliche<br />
<strong>St</strong>atistik erschlossen: er hat 1936 erstmals eine ökonomische Input-<br />
Output-Tabelle für die Volkswirtschaft der USA (für das Jahr 1919) erstellt. Darin<br />
werden die in Geldeinheiten (sprich Preisen) erfassten <strong>St</strong>röme von Gütern zwischen<br />
den wirtschaftlichen Sektoren genutzt, um die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft<br />
und die Vernetzung der Branchen zu erfassen. Anhand der ökonomischen Input-<br />
57<br />
<strong>St</strong>evens, M., et.al: Umweltberichterstattung und Umwelterklärung nach der EG-Öko-Audit-Verordnung,<br />
Springer, 1997, S. 29.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 33<br />
Output-Analyse kann auch ersehen werden, welche Vorleistungen in ein bestimmtes<br />
Produkt einfliessen. Für seine Arbeiten zur ökonomischen Input-Output-Analyse erhielt<br />
Leontief den Nobelpreis.<br />
In seinem Aufsatz Environmental Repercussions and the Economic <strong>St</strong>ructure – An<br />
Input-Output-Approach 58 empfahl Leontief die ökonomische Input-Output-Analyse zur<br />
Erstellung von <strong>St</strong>offbilanzen. Dies wird möglich, wenn man die Geldströme durch<br />
Preisvektoren (Preise aller Güter) teilt und damit die Massenströme aufdeckt.<br />
Allerdings erfassen diese Berechnungen nur <strong>St</strong>offe und Materialien, die einen Preis<br />
aufweisen –also Rohstoffe und einer bezahlten Entsorgung zugeführte Massenströme.<br />
Emissionen in Luft, Wasser oder Boden bleiben dabei unberücksichtigt. Desweiteren<br />
gilt zu bedenken, dass das Auflösungsvermögen der volkswirtschaftlichen <strong>St</strong>atistik nicht<br />
sehr hoch ist: gängige Modelle unterscheiden auch heute zwischen lediglich 60<br />
Branchen 59 und im besten Falle einigen Hundert Produktkategorien. 60 Eine Kategorie<br />
„Büromaschinen“ oder „Geräte zur Halbleiterfabrikation“ kann dann stofflich sehr unterschiedliche<br />
Dinge enthalten.<br />
Der Fortschritt bestand jedoch darin, dass neben den einzelnen Vorprodukten und<br />
Materialien auch der kumulierte Energie-, resp. Masse-Aufwand für ein Produkt ermittelt<br />
und somit zumindest der ökonomisch fassbare Teil eines materiellen Produktlebenszyklus<br />
abgebildet werden konnte.<br />
3.1.4 Der Einbezug des ökologischen Produktlebenszyklus<br />
Die Verbindung zwischen Konzepten der Input-Output-Bilanzierung von Unternehmen,<br />
resp. der <strong>St</strong>offflussanalyse mit dem Konzept des ökologischen Produktlebenszyklus war<br />
für die Ökobilanzierung prägend:<br />
Man übertrug das Bild des Entstehens und Vergehens aus der Biologie auf die<br />
Ökonomie 61 und löste die bislang punktuelle –auf Produktion oder Gebrauch eines<br />
Produktes gerichtete –Betrachtungsweise durch ein ganzheitliches Systemverständnis<br />
ab: Der ökologische Produktlebenszyklus umfasst idealtypisch die Phasen<br />
Rohstoffgewinnung, Herstellung, Verwendung und Entsorgung/Recycling eines<br />
Produktes, die jeweils zwischen den einzelnen Schritten anfallenden Transporte<br />
eingeschlossen. Die Ressourcen-Inputs und die Emissions-Outputs werden pro<br />
betrachteten Prozess getrennt erhoben und schliesslich für das gesamte Produkt<br />
addiert.<br />
Eine Orientierung am gesamten Lebenszyklus erweist sich in verschiedener Hinsicht als<br />
vorteilhafte Perspektive: Sie bietet den Zugang zum Verständnis, wo die wichtigsten<br />
58<br />
Leontieff, W.: Environmental Repercussions and the Economic <strong>St</strong>ructure –An Input-Output-Approach,<br />
in: Review of Economics and <strong>St</strong>atistics, Vo. 52, 1970, S. 262 – 271.<br />
59<br />
Zum Beispiel die Input-Output-Tabelle des deutschen <strong>St</strong>atistischen Bundesamts: 58 Sektoren.<br />
60<br />
Zum Beispiel die Input-Output-Tabelle für Japan mit 400 Sektoren.<br />
61<br />
Ayres, 2002, S. 2.
34 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
<strong>St</strong>offumsätze zu verorten sind und damit auch, was, resp. wer diese beeinflussen kann.<br />
Zudem erfordert das Denken in Produktlebenswegen eine profunde Auseinandersetzung<br />
mit dem zu untersuchenden System und erweitert damit die<br />
Wissensbasis.<br />
Abbildung 3.3: Ökologischer Produktlebenszyklus<br />
Durch den Einsatz von <strong>St</strong>offflussanalysen für ganze Lebenswege wurden die<br />
auftretenden Emissionen greifbar, was bislang mit der bereits verfügbaren<br />
Datengewinnungs-Methodik der ökonomischen Input-Output-Analyse infolge fehlender<br />
Preise nicht wahrgenommen werden konnte. 62 Allerdings ist die <strong>St</strong>offflussanalyse<br />
entlang ganzer Lebenswege in der Praxis aufwendig, weshalb häufig nur die zentralen<br />
Prozesse in situ erhoben und die fehlenden Daten aus anderen verfügbaren <strong>St</strong>udien<br />
übernommen werden – beispielsweise aus anderen <strong>St</strong>offflussanalysen oder aus<br />
Prozessspezifikationen bestimmter Technologien.<br />
3.1.5 Hybride Input-Output-Bilanz für Lebenszyklusanalysen<br />
Später ging man dazu über, die technische <strong>St</strong>offflussanalyse von Produktlebenszyklen<br />
mit der ökonomischen Input-Output-Analyse zu kombinieren. Dazu werden die –<br />
spezifisch für einen Prozess erhobenen oder aus der Literatur übernommenen <strong>St</strong>offflussdaten<br />
mit den erheblich ungenaueren, jedoch bezüglich Lebensweg<br />
vollständigeren Daten der ökonomischen Input-Output-Analyse kombiniert (Kumulierter<br />
Materialbedarf, Kumulierter Energiebedarf, ggf. kostenpflichtige Entsorgungsleistungen).<br />
Die kumulierten Material- und Energiedaten können dann mittels<br />
Emissionsfaktoren aus der Literatur für eine Abschätzung der Emissionen aus den in<br />
der <strong>St</strong>offflussanalyse nicht erfassten Prozessschritten verwendet werden. 63<br />
3.1.6 REPA – die erste lebenszyklusbasierte Produktökobilanz<br />
Der Einbezug des ökologischen Produktlebensweges zur Beurteilung der Umweltaspekte<br />
wurde erstmals im Rahmen eines Vergleichs verschiedener Verpackungsvarianten<br />
umgesetzt: Hunt, Welch und Franklin des Midwest Research Institute hatten<br />
1969 im Auftrag der Coca Cola Company eine entsprechende Methodik entwickelt, die<br />
sie Resource and Environmental Profile Analysis REPA nannten. Eine nach derselben<br />
62<br />
Siehe beispielsweise Levitt, Th.: Exploit the product life cycle, Harvard Business Review, 1965 oder<br />
Polli, R., Cook, V.: Validity of the product life cycle, Journal of Business, 42, 1969, S. 385 - 395.<br />
63<br />
Siehe Nansai, K., Moriguchi, Y., Tohno, S.: Embodied Energy and Emission Intensity Data for Japan<br />
Using Input-Ouput Tables – Inventory Data vor LCA, Center for Global Environmental Research,<br />
National Institute for Environmental <strong>St</strong>udies, Tsukuba, 2002.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 35<br />
Methodik durchgeführte und 1974 im Auftrag der amerikanischen Umweltbehörde EPA<br />
publizierte <strong>St</strong>udie wird heute in der Literatur als erste Publikation zur Produktökobilanzierung<br />
zitiert. Weitere lebenszyklusorientierte Vorschläge von Bedeutung<br />
waren das Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 64 und eine <strong>St</strong>udie<br />
des Batelle Institut Frankfurt am Main zum Ökologischen Nutzwert von Verpackungen 65 .<br />
3.1.7 Integration von Produkt- und Unternehmungsperspektive<br />
Zu dieser Zeit ebenfalls schon angedacht war eine Integration des ökologischen<br />
Produktlebenzyklus in Betriebsökobilanzen: 1972 entwickelte Elliot-Jones im Kontext<br />
der Sozialbilanzierung von Unternehmen den Vorschlag, die betrieblichen Materialflüsse<br />
um die bei der Verwendung als auch bei der Entsorgung eines Produktes<br />
anfallenden Inputs und Outputs zu ergänzen 66 .Damit sollte eine ganzheitliche Basis für<br />
unternehmerische Entscheide bereitgestellt werden, die Problemverschiebungen von<br />
einer <strong>St</strong>ufe des Lebenszyklus zur nächsten ausschliesst und dem Umstand Rechnung<br />
trägt, dass Unternehmen über die Produktentwicklung die Umweltbelastung der nachgelagerten<br />
<strong>St</strong>ufen massgeblich steuern können.<br />
Heute ist der Einbezug des gesamten ökologischen Produktlebensyzklus in Produktökobilanzen<br />
ein konstituierendes und damit zwingendes Merkmal der Methodik. Eine –<br />
im Sinne von Elliot-Jones angedachte -erweiterte Betriebsökobilanzierung wird zwar<br />
vereinzelt und in verschiedenen Formen praktiziert, hat sich jedoch (noch) nicht als<br />
zwingendes Erfordernis durchgesetzt.<br />
64<br />
Zitiert in Hertz, D.B.: Checkliste für umweltfreundliche Produkte, in Absatzwirtschaft, 5, S. 42 –48,<br />
1973.<br />
65<br />
Batelle Institut: Abbaubare Kunststoffe und Müllprobleme, Beiträge zur Umweltgestaltung, Heft A23,<br />
Berlin, 1973.<br />
66<br />
Elliot-Jones, M.F.: Matrix Methods in Corporate Social Accounting, in: Dierkes, M., Bauer, R.A.: Corporate<br />
Social Accounting, New York, 1973.
36 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 3.4: Betriebliche Bilanzierung unter Einbezug der Wertschöpfungskette<br />
Die Darstellung zeigt einen Vorschlag zur <strong>St</strong>rukturierung von Betriebsökobilanzen mit einer um die Wertschöpfungskette<br />
ergänzten Systemgrenze im Sinne von Elliot-Jones. Der Vorschlag entstammt einer<br />
Publikation von Braunschweig/Müller-Wenk 1991 und ist in der Schweiz als ein Element der sogenannten<br />
ÖBU Methodik bekannt. 67<br />
3.2 Ansätze zur Beurteilung von <strong>St</strong>offbilanzen<br />
Der Übergang von reinen <strong>St</strong>off-, Energie- und Materialbilanzen zur Ökobilanz besteht<br />
gemäss unserer Definition im Einsatz von Methoden zur Beurteilung der vielfältigen<br />
Inputs und Outputs. Die Frage, wie sehr verschiedenartige Umweltaspekte miteinander<br />
vergleichbar und beurteilbar gemacht werden können, war aus der Einführung von<br />
Environmental Impact Assessments (Umweltverträglichkeitsprüfungen) für die<br />
Beurteilung von Grossprojekten in den USA bereits bekannt. Unabhängig vom<br />
Untersuchungsgegenstand (Projekt, Produkt, Betrieb, etc.) stand man vor der<br />
Herausforderung, sehr komplexe Entscheidungssituationen bei unzureichender<br />
Information nachvollziehbar zu strukturieren und die verfügbaren Daten einer<br />
ganzheitlichen Beurteilung zuzuführen.<br />
Unter den Lösungsvorschlägen gab es einerseits subjektive Verfahren, welche eine<br />
qualitative Beurteilung der erfassten Input-Output-Bilanzen beinhalteten oder aber in<br />
Analogie zur Nutzwertanalyse eine quantitative Gesamtaggregation auf der Basis<br />
willkürlich definierter Gewichtungsfaktoren vornahmen. Diese Methoden wurden aus<br />
anderen Bereichen, beispielsweise der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsmethodik,<br />
übernommen.<br />
Neu und damit ebenfalls für die Entstehung einer Wissenschaft Ökobilanzierung<br />
konstituierend, waren hingegen diverse Methodenvorschläge, die darauf abzielten, das<br />
subjektive Moment durch Einführung naturwissenschaftlich, umweltökonomisch oder<br />
politisch legitimierter Bewertungsmassstäbe auszuschalten. Die Bestimmung des<br />
relativen Gewichts einzelner Umweltkritieren sollte in diesen Methoden anhand eines<br />
67<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an Braunschweig, A., Müller-Wenk, R.: Ökobilanzen für Unternehmungen,<br />
Eine Wegleitung für die Praxis, Haupt, Bern, 1993, S. 30.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 37<br />
logisch begründbaren, konsistenten – und im Idealfall in Form eines Algorithmus<br />
mathematisch fassbaren -Gewichtungsprinzips vorgenommen werden. Die Frage der<br />
Gewichtung sollte sozusagen der Willkür der Laien entzogen und auf ein formales,<br />
möglichst wissenschaftlich abgestütztes Fundament gestellt werden.<br />
Wir betrachten nachfolgend die bekanntesten Konzepte:<br />
3.2.1 Verbal Argumentative Beurteilung (McKinsey)<br />
In dem von Hertz 1973 zitierten Verfahren der Beratungsfirma McKinsey wurden<br />
einzelne Umweltkriterien anhand von Kategorien wie beispielsweise „nicht relevant“ bis<br />
„sehr negativ“ beurteilt. 68 Als Resultat stand dann eine Tabelle mit einer differenzierten<br />
Beurteilung verschiedener Aspekte zur Verfügung, aus der aufgrund des Gesamteindrucks<br />
subjektiv ein Urteil zu bilden war. McKinsey empfahl dieses Verfahren auf die<br />
Betrachtung von Produktlebenswegen zu beziehen.<br />
Heute bezeichnet man dieses Vorgehen in der Ökobilanzierung als verbal-argumentative<br />
Methode oder ABC-Beurteilung 69 . Sie stellt die einfachste Form einer<br />
expliziten und ganzheitlichen Beurteilung von Umweltbelastungen dar und ist in der<br />
Praxis weit verbreitet.<br />
Sie hat den Vorteil, dass die vielfältigen Einschätzungen der Beurteilenden in das<br />
Resultat einfliessen. Auch die Nachvollziehbarkeit der Beurteilung kann – beispielsweise<br />
anhand eines Protokolls der Diskussion -gewährleistet werden. Die Resultate<br />
sind aber in der Regel nicht reproduzierbar. Die Tagesform der Beurteilenden,<br />
gruppendynamische Prozesse oder auch Machtverhältnisse können die Resultate<br />
erheblich beeinflussen.<br />
68<br />
Hertz, 1973, S. 42.<br />
69<br />
Siehe Schaltegger, S., <strong>St</strong>urm, A.: Ökologieorientierte Entscheidungen in Unternehmen, Ökologisches<br />
Rechnungswesen statt Ökobilanzierung: Notwendigkeit, Kriterien, Konzepte, Bern, 1994, S. 105 - 110.
38 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 3.5: Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 1973 70<br />
3.2.2 Nutzwertanalyse (Midwest Research Institute)<br />
Ein zweiter Ansatz bestand darin, analog zu einer Nutzwertanalyse, die einzelnen Umweltkriterien<br />
zu gewichten. Man könnte auch von einer Schadwertanalyse sprechen. So<br />
gingen Hunter, Welch und Franklin bei ihrer Resource and Environmental Profile<br />
Analysis REPA vor: Sie beurteilten die zur Diskussion stehenden Verpackungen<br />
anhand von 7Umweltkriterien in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst wurde für<br />
jedes einzelne Kriterium ein Index ermittelt, welcher für eine bestimmte Verpackungsvariante<br />
in ihrem jeweiligen relativen Beitrag zur Summe der Beiträge aller<br />
Verpackungen bestand. Dazu addierte man pro Kategorie das Gewicht der <strong>St</strong>offflüsse,<br />
resp. den Energieverbrauch. Man erhielt für jede Kagorie eine Punktzahl, die dem<br />
prozentualen Beitrag des Produktes entsprach. In einem zweiten Schritt wurden diese<br />
kriterienspezifischen Punkte mit Gewichtungsfaktoren für jedes Umweltkriterium multipliziert.<br />
Diese Gewichtungsfaktoren drückten eine willkürlich definierte, relative Priorität<br />
der Umweltkriterien aus. Damit wurde erstmals die Umweltbelastung in einem einzigen,<br />
dimensionslosen Indikator „Punkte“ ausgedrückt.<br />
70<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an Hertz, 1973, S. 42.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 39<br />
Dieses Verfahren unterscheidet sich von der verbal-argumentativen Beurteilung eigentlich<br />
nur darin, dass die subjektiven Gewichtungsfaktoren numerisch ausgedrückt<br />
werden. Man muss sich also zunächst darauf einigen und kann dafür die Berechnung<br />
reproduzieren, was bei der rein verbal-argumentativen Methode nicht möglich ist. Damit<br />
wird der Fokus der Beurteilenden vom konkreten Untersuchungsgegenstand auf die<br />
Frage grundsätzlicher Prioritäten verlagert. Die Wertfrage muss unabhängig von den<br />
Resultaten der Input-Output-Bilanz beantwortet werden. Nicht mehr die Emission Xim<br />
Prozess Ywird als wichtig oder irrelevant eingestuft, sondern die generelle Bedeutung<br />
der Luftbelastung gegenüber anderen Umweltbelastungen muss vor der Berechnung<br />
der Resultate beurteilt werden.<br />
Auch die nachfolgend beschriebenen Ansätze leisten eine solche Entkopplung der<br />
Beurteilung: bei ihnen ersetzen jedoch - zumindest vom Anspruch her - formale,<br />
intersubjektiv nachvollziehbare Modelle die subjektiven Werturteile.<br />
3.2.3 Soziale (Vermeidungs-) Kosten (Abt Associates)<br />
Einen Vorläufer einer umweltökonomischen Beurteilung von Input-Output-Bilanzen stellt<br />
das Social Balance Sheet der Beratungsfirma Abt Associates 1971 dar: Es beinhaltet<br />
eine (sehr partielle) Berechnung sozialer Kosten und Nutzen (Externalitäten). So wird<br />
beispielsweise der Papierverbrauch des Unternehmens mittels Emissions-Vermeidungskosten<br />
bewertet: die Menge Papier wird mit den abgeschätzten Abwasserreinigungskosten<br />
der Papierherstellung multipliziert. Dieses Vorgehen war - wie<br />
Ullmann berichtet -arg umstritten, zumal offizielle Schätzungen der sozialen Kosten -<br />
zum Beispiel im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung -nicht vorlagen 71<br />
und eine monetäre Aufrechnung sozialer Nutzen und Kosten als unethisch kritisiert<br />
wurde.<br />
3.2.4 Lebenswegkosten (Batelle Institute)<br />
Ein ähnliches Verfahren wählte das Batelle Institut Frankfurt am Main in ihrer 1974<br />
publizierten Analyse des Ökologischen Nutzwertes von Verpackungen. Neben der<br />
Erfassung von Rohmaterialien, Energiebedarf, Emissionen und Abfall wurden auch die<br />
Gesamtkosten einschliesslich Abfallentsorgung und Abwasserreinigung als Indikator<br />
ausgewiesen. Die Gesamtkosten enthielten damit auch eine soziale Komponente, da<br />
die Abfallentsorgung und Abwasserreinigung durch die öffentliche Hand getragen<br />
wurde.<br />
Beide Verfahren brachten durch den Einbezug sozialer Kosten zum Ausdruck, dass<br />
Umweltbelastungen monetär beurteilt werden können. Natürlich waren diese Ansätze<br />
71<br />
Siehe die Kritik bei: Ullmann, 1975, S. 266 oder Braun, F.: Rechenschaftslegung zur Umweltbelastung<br />
und zum Umweltschutz von Industrieunternehmen, Beiträge zur Umweltgestaltung, A36, Berlin, 1974,<br />
S. 58.
40 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
rudimentär und erfassten nur einzelne Inputs, resp. Outputs. Sie können jedoch als<br />
Vorläufer der umweltökonomisch inspirierten Ökobilanzmethoden späterer Jahre gelten.<br />
3.2.5 Entropieansätze<br />
In eine ganz andere Richtung zielten die Vorschläge, einen Massstab zur Beurteilung<br />
der Umweltbelastung direkt aus der Natur, resp. den Naturwissenschaften abzuleiten.<br />
Eine erste Generation solcher Vorschläge stammen von den Begründern der Ökologischen<br />
Ökonomie (Georgescu-Roegen, Odum, Daly, Constanza, etc.) und werden<br />
unter dem Begriff Entropieansätze zusammengefasst. 72 Sie alle verfolgen das Ziel,<br />
Entropie 73 als ökologischen Massstab heranzuziehen, ja mitunter die Wertlehre der<br />
Ökonomie auf dieses Fundament zu stellen, wie es schon der Chemiker und Nobelpreisträger<br />
Frederick Soddy in Cartesian Economics 74 um 1922 forderte. 75<br />
Ausgangspunkt dieser Ansätze bilden zwei physikalische Grundannahmen:<br />
Einerseits führen wirtschaftliche Prozesse zur Verteilung von <strong>St</strong>offen im Raum, wodurch<br />
einerseits die stoffliche Unordnung und somit die Materie-Entropie steigt, andererseits<br />
die Wertigkeit der inneren Energie der dissipierten <strong>St</strong>offe sinkt (dass heisst die Energie-<br />
Entropie nimmt zu). „Mit der Rohstoffzufuhr sinkt die Entropie innerhalb des<br />
ökonomischen Systems. Die Materialabgabe an die Umwelt entspricht einer Entropiezunahme<br />
des Systems Erde. (...) Ökonomische Prozesse sind damit richtungsabhängig,<br />
sie können nicht zirkulär sein.“ 76<br />
Andererseits fliesst dem System Erde durch die von der Sonne ausgehende <strong>St</strong>rahlung<br />
stetig Energie 77 zu. Dieser negative Entropiezufluss wird entsprechend als zentrale<br />
Grösse einer ökologischen Ökonomie und als eine „ultimative natürliche Knappheit“ 78<br />
erkannt. Im Hinblick auf die Beurteilung von Umweltbelastung „(...) geht (es) also<br />
72<br />
Sie dazu: Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 95.<br />
73<br />
Entropie (aus dem Griechischen: Transformation) ist eine der zentralen Grössen der Thermodynamik.<br />
Es handelt sich bei ihr um eine Zustandsgrösse eines Systems, die eng mit der Temperatur und der<br />
Wärme zusammenhängt. Die thermodynamische Entropie kann als Grad der Irreversibilität des<br />
Zustands eines physikalischen Systems verstanden werden. Um ein System wieder in denselben<br />
Zustand zu versetzen, muss genau die aufgenommene (abgegebene) Entropie wieder abgegeben<br />
(aufgenommen) werden. Diese Definition wurde 1865 von Rudolf Clausius eingeführt. Aus www.netlexikon.de/Entropie-Physik.html<br />
74<br />
Soddy, F.: Cartesian Economics, London, 1922, zitiert in Ayres, 2002, S. 8.<br />
75<br />
Ayres, 2002, S. 8.<br />
76<br />
Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 97.<br />
77<br />
Energie (aus dem Griechischen: Werk, Arbeit) steht für die Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu verrichten.<br />
Der Begriff wurde vom schottischen Physiker William John Macquorn Rankine im Jahre 1852<br />
in die Physik eingeführt und ersetzte den bis dahin üblichen Begriff „Kraft“. Energie wird in Joule gemessen.<br />
Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Energie.<br />
78<br />
Daly, H.: On Economics als Life Science, Journal of Political Economy, Nr. 76/68, 1968, zitiert in<br />
Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S.95
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 41<br />
darum, die Ressourceninputs, Transport-, Produktions-, Gebrauchs- und Entsorgungsaufwendungen<br />
energetisch zu berechnen, ebenso die energetischen Aufwendungen<br />
zur Behebung oder Verhinderung von Emissionen“. 79<br />
Rein theoretisch ist es möglich, alle Inputs und Outputs anhand energetischer Grössen<br />
zu charakterisieren und damit einen universalen, naturwissenschaftlichen Umwelt-<br />
Indikator zu erhalten. Dazu wurden verschiedene Energie-Masse vorgeschlagen,<br />
beispielsweise Exergie, freie Enthalpie (Feedstock Energy) oder eMergy:<br />
Exergie 80 entspricht der arbeitsfähigen Energie, dass heisst sie gibt an, wieviel<br />
mechanische Energie maximal unter Beteiligung der Umgebung gewonnen werden<br />
kann, wenn das System ins thermodynamische Gleichgewicht mit der Umgebung<br />
kommt. Der Gegensatz zur Exergie ist die Anergie, die nicht mehr arbeitsfähige<br />
Energie. Exergie + Anergie = Energie.<br />
Die Enthalpie 81 ist ein Maß für die Energie eines Systems. Sie setzt sich additiv aus<br />
zwei Teilen zusammen: der Inneren Energie und der Volumenarbeit. Die Innere Energie<br />
bezeichnet die kinetische Energie der Teilchen des betrachteten Systems, die Energie<br />
der chemischen Bindungen der Teilchen des Systems, etc. Sie nimmt proportional zur<br />
Temperatur des Systems zu; am absoluten Nullpunkt ist sie 0. Die Volumenarbeit ist in<br />
diesem Fall anschaulich die Arbeit, die verrichtet werden musste, um das Volumen und<br />
den Druck zu erzeugen, die das System zum jetzigen Zeitpunkt hat. Will man die<br />
Änderung der Enthalpie eines Systems messen, so misst man in der Regel die<br />
Änderung der Temperatur sowie des Volumens bei konstantem Druck.<br />
Solar eMergy 82 ist eine von Odum im Rahmen seiner Energy Quality Accounting<br />
Scheme vorgeschlagene Grösse. Sie ist definiert als die für die Bereitstellung eines<br />
Produkts oder einer Dienstleistung vorgängig aufgewendete Energie. Im Unterschied<br />
zur Grauen Energie bezieht sie sich jedoch viel weitläufiger nicht allein auf den Energieaufwand<br />
der Prozesse, sondern versucht den gesamten Energieinput seit bestehen der<br />
primitiven Erde aufzurechnen. Dementsprechend umfasst eMergy nicht nur den<br />
Energieinhalt eines Energieträgers -beispielsweise von Kohle –sondern auch die bis<br />
zur Entstehung von Kohle aufgewendete Energie, beispielsweise die zur Photosynthese<br />
der Biomasse als Vorläufer der Kohle genutzte Solarenergie.<br />
All diesen Konzepten gemeinsam ist, dass sie in der Praxis nur schwerlich operationalisierbar<br />
und aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades für viele Menschen nur mit<br />
Mühe verständlich sind.<br />
Einfachere Formen zur Umsetzung derselben Grundidee bestehen in der Summierung<br />
aller aufgewendeter Prozessenergie entlang des Prozessbaumes des zu betrachtenden<br />
79<br />
Ullmann, 1975, S. 251.<br />
80<br />
Aus http://www.net-lexikon.de/Exergie.html.<br />
81<br />
Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Enthalpie.<br />
82<br />
Siehe die Kritik bei: Ayres, 2002, S. 4 – 5.
42 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Systems, wie sie im Rahmen sogenannter Energy Analysis 83 vorgenommen wurde.<br />
Diese Grösse nennt man auch Netto-Energiebedarf oder Graue Energie. Zählt man<br />
zudem die in den verarbeiteten Rohstoffen enthaltene innere Energie (Heizwert) hinzu,<br />
so erhält man den Brutto-Energiebedarf.<br />
In der Ökobilanz-Praxis hat die Graue Energie bis heute breitere Anwendung<br />
gefunden. 84 Verschiedene energiebasierte Ansätze werden zudem im Hinblick auf die<br />
ökologische Beurteilung des Rohstoffabbaus noch heute weiterentwickelt, wobei man<br />
sich dabei auf die Frage konzentriert, welche Energie aufgewendet werden muss, um<br />
die Gewinnung von Rohstoffen aus nicht mehr hochangereicherten Lagerstätten zu<br />
bewerkstelligen. Konkret: Welcher Zusatzaufwand an Energie ist nötig, um Kupfer aus<br />
Erzen mit Konzentrationen deutlich unter 2% (heute üblich) zu gewinnen 85<br />
Als universeller Gesamtindikator für Umweltbelastungen hat sich Energie, resp.<br />
Entropie nicht durchsetzen können. Die vorgeschlagenen Grössen werden insbesondere<br />
deshalb kritisiert, weil sie lediglich der Rohstoffknappheit Rechnung tragen. Zwar<br />
werden Emissionen auch energetisch beurteilbar, wenn man den Sanierungs- oder<br />
Vermeidungsaufwand ermittelt. Schäden an Menschen, Tieren und Pflanzen, insbesondere<br />
irreversible Folgen und immaterielle Schäden der Umweltbelastung können<br />
energetisch hingegen nicht angemessen erfasst werden. 86<br />
Die Vorstellung, eine Knappheit aus der Natur als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen,<br />
wurde verschiedentlich in anderer Form aufgegriffen. Als mögliche Referenzgrössen<br />
wurden in den 90er Jahren beispielsweise natürliche <strong>St</strong>offkonzentrationen und<br />
-flüsse, die zur Verfügung stehende, nutzbare Landfläche oder die Zeit diskutiert. Wir<br />
betrachten einige dieser Ansätze in Abschnitt 4.3.5.1 etwas genauer.<br />
3.2.6 Die stoffflussbasierte Ökologische Knappheit (Müller-Wenk)<br />
Bereits 1974 prägte Müller-Wenk im Rahmen seines Vorschlags zur Ökologischen<br />
Buchhaltung von Unternehmen den Begriff der Ökologischen Knappheit auf der Basis<br />
ökologisch nachhaltiger <strong>St</strong>offflüsse. 87<br />
83<br />
Siehe Boustead, I., Hancock, G.F.: Handbook of Industrial Energy Analysis, Ellis Horwood Ltd.,<br />
Chichester, 1979.<br />
84<br />
BUWAL: Ökologische Bewertung mit Hilfe der Grauen Energie. Analysieren, Bewerten, Entwerfen,<br />
Überprüfen und Vereinfachen von Ökobilanzen, SRU 307, Bern, 1999.<br />
85<br />
Siehe beispielsweise: UNEP Life Cylce Initiative: Life Cycle Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, background<br />
document III, Analysis of midpoint categories, November 2003, S. 41ff.<br />
86<br />
Siehe Schaltegger/<strong>St</strong>urm, S. 100.<br />
87<br />
Müller-Wenk, R.: Ein Vorschlag aus einzelwirtschaftlicher Sicht zur Realisierung einer umweltkonformen<br />
Wirtschaft, in: Wolff (Hrsg.): Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, <strong>St</strong>uttgart, 1974, S. 268 -<br />
286.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 43<br />
Im Zusammenhang mit der Sozialbilanzierung, einem Instrument zur gesellschaftsbezogenen<br />
Rechnungslegung von Unternehmen, 88 welches ebenfalls zu Beginn der<br />
70er Jahre eine gewisse Popularität erreichte, wurden erste Ansätze zur Erfassung<br />
betrieblicher Umweltbelastungen entwickelt. Ausgangspunkt dazu bildete das durch die<br />
Theorie sozialer Kosten, resp. Externalitäten ins Bewusstsein getretene<br />
Auseinanderfallen gesellschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Nutzen(-maximierung).<br />
Demnach entwickelte sich der Anspruch, negative wie auch positive gesellschaftliche<br />
Leistungen der Unternehmung greifbar zu machen. 89<br />
Auch Müller-Wenks innovativer Vorschlag der Ökologischen Buchhaltung wurde in<br />
diesem Zusammenhang entwickelt: Als Teilprojekt der an der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> und<br />
der Eidg. Technischen Hochschule Zürich bearbeiteten NAWU -<strong>St</strong>udie Neue Analysen<br />
für Wachstum und Umwelt. Das Projekt zielte darauf ab, <strong>St</strong>euerungsinstrumente für<br />
eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise zu entwickeln 90 .<br />
Wegleitend war dabei nicht nur die Erfassung betrieblicher Umwelteinwirkungen,<br />
sondern vielmehr deren umweltpolitische <strong>St</strong>euerung. Auf der Basis von Umweltbilanzen<br />
sollte der <strong>St</strong>aat den Unternehmen direkt Belastungsrechte zuteilen und deren<br />
Einhaltung kontrollieren können. Die Bemessung dieser Kontingente sollte nicht auf<br />
einzelstofflicher Basis, sondern nach Massgabe der gesamten betrieblichen Umweltbelastung<br />
erfolgen und „das Wachstum der Unternehmen auf einen Bereich (...)<br />
beschränken (..), innerhalb dessen die als zulässig erachteten Umweltbelastungen noch<br />
nicht überschritten sind“ 91 .<br />
Müller-Wenk entwickelte dazu erstmals ein Vorgehen, welches auf eine systematische<br />
Quantifizierung dieser Umweltbelastung abzielte. Dabei wurden die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />
des Unternehmens –in seiner Fallstudie konkret der Rocco Konservenfabrik -in<br />
Form eines Input-Output-Kontenrahmens analog zur Buchhaltung erfasst und mittels<br />
sogenannter Aequivalenzkoeffizienten (Gewichtungsfaktoren) zu einer umweltmedienübergreifenden,<br />
künstlichen Masszahl Umweltbelastungs- “Recheneinheiten“ verdichtet.<br />
Die Ökologische Buchhaltung markiert gemäss der gängigen –betriebswirtschaftlichen<br />
- Literatur 92 die Geburtsstunde der (unternehmungsbezogenen) Ökobilanzierung.<br />
Müller-Wenk nannte das Prinzip zur Gewichtung verschiedener Umweltbelastungen<br />
Ökologische Knappheit. Sie „ist für eine bestimmte Einwirkungsart, bzw. das von dieser<br />
betroffene Umweltgut, definiert als eine Funktion des gegenwärtigen Ausmasses der<br />
(...) Einwirkungen (...) innerhalb eines relevanten räumlichen Bereichs sowie des<br />
88<br />
Ein frühes Beispiel findet sich dazu in: Braun, 1974, S. 47 - 53.<br />
89<br />
Siehe Vorwort von Meinolf Dierkes, in: Müller-Wenk, 1978, S. 7.<br />
90<br />
Binswanger, 1978, Vorwort.<br />
91<br />
Müller-Wenk, 1978, Aus dem Text auf der Rückseite des Umschlags.<br />
92<br />
Schaltegger, S., Burrit, R.: Contemporary Environmental Accounting, Greenleaf, Sheffield, 2000, S.<br />
263.
44 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
„kritischen“ (Hervorhebung im Original) Ausmasses dieser Einwirkungen, welche zum<br />
Übergang des entsprechenden Umweltgutes von einem akzeptablen in einen<br />
inakzeptablen Zustand führt.“ 93<br />
Dieser Ansatz stellt also sozusagen das ökologisch nachhaltige und damit schadlose<br />
Belastungsniveau der effektiven Belastungssituation gegenüber und tut dies für alle<br />
relevanten Inputs aus der Natur (Ressourcenknappheit) und Outputs an die Natur<br />
(Aufnahme-/Regenerationsknappheit).<br />
Das Prinzip der „Ökologischen Knappheit“<br />
Kritischer Fluss pro Jahr<br />
Ł Ursprünglich: Diverse Quellen<br />
Ł Heute: Gesetze, Internationale Verträge<br />
Ł Wo keine Flussziele bestehen erfolgt eine Abschätzung<br />
über Umwelt-Qualitätsziele (Grenzwerte)<br />
Ist-Fluss pro Jahr<br />
Ł <strong>St</strong>atistiken des Bundes (BUWAL, Bundesamt für <strong>St</strong>atistik)<br />
Ł Abschätzungen aus wissenschaftlichen <strong>St</strong>udien<br />
Für jede Emission wird ein Aequivalenzkoeffizient ermittelt<br />
Die Differenz zwischen Ziel und aktueller Situation bestimmt die Gewichtung<br />
1 RE<br />
Aequivalenzkoeffizient = -------- x ------ x c<br />
= x RE/gr, cm3, MJ<br />
Abbildung 3.6: Das Konzept der Ökologischen Knappheit 94<br />
Im Gegensatz zu den oben ausgeführten Entropieansätzen wird die Ökologische<br />
Knappheit auf der Basis von zeitlich und regional abgegrenzten <strong>St</strong>offflüssen definiert.<br />
Damit wird das Feld der Ökobilanzierung erheblich ausgeweitet: Denn mit der Frage<br />
nach der Ökologische Knappheit , resp. den Aequivalenzkoeffizienten für jeden<br />
relevanten <strong>St</strong>offfluss wird eine Brücke zur naturwissenschaftlichen Erfassung und<br />
Beurteilungen von Ökosystemen geschlagen, die weit über eine physikalisch eindeutig<br />
bestimmbare Referenzgrösse (Energie, Masse, Fläche oder Zeit) hinausgeht. Die<br />
Ermittlung des „inakzeptablen“ Belastungsniveaus für jeden <strong>St</strong>offfluss setzt eine<br />
umfangreiche ökologische Datenbasis voraus. Für jeden zu beurteilenden <strong>St</strong>offfluss<br />
muss der aktuelle jährliche Fluss bekannt sein oder abgeschätzt werden können. Es<br />
stellt sich zudem die Frage, wann eine Belastungssituation als inakzeptabel zu gelten<br />
hat.<br />
93<br />
Müller-Wenk, 1978, S. 26.<br />
94<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an <strong>Siegenthaler</strong>, C., et.al.: Development of EcoScarcity Japanese<br />
Version (ESJ), in: Proceedings of the 5 th International Conference on Ecobalance, Tsukuba, 2002, S.<br />
581.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 45<br />
In Müller-Wenks ursprünglichem Konzept wurden diese Kritischen Flüsse auf der Basis<br />
verschiedener Grundlagen hergeleitet, beispielsweise anhand von <strong>St</strong>atistiken zur<br />
weltweiten Verfügbarkeit von Ressourcen oder verschiedenen Berichten zum Zustand<br />
von Gewässern. Andererseits berechnete er die Aequivalenzkoeffizienten für einzelne<br />
Luftschadstoffe unter Rückgriff auf die „relativ strengen“ ostdeutschen MIK-Werte<br />
(Maximale Immissions-Konzentration). Er schätzte dazu das Luftvolumen der Schweiz<br />
und rechnete aus dem maximal zulässigen Fluss unter Einbezug der Verweildauer,<br />
resp. der Abbaurate der <strong>St</strong>offe auf die maximal zulässige Emission zurück. Damit führte<br />
er einerseits eine politisch legitimierte Beschreibung einer “als zulässig erachteten“<br />
Umweltbelastung in die Beurteilung ein. Anderseits wurde damit die Transmission der<br />
<strong>St</strong>offe erstmals in die Beurteilung einer Input-Output-Bilanz einbezogen.<br />
Neben diesen verschiedenen wissenschaftlich und politisch abgestützten<br />
Datengrundlagen erforderte die Berechnung der Aequivalenzkoeffizienten jedoch auch<br />
pragmatisch-willkürliche Annahmen: So beim Umgang mit nicht-erneuerbaren, resp.<br />
sich in der Umwelt akkumulierenden Schadstoffen oder bei der Auswahl der zur<br />
Berechnung eingesetzten mathematischen Funktion.<br />
Müller-Wenk unterscheidet in seinem ursprünglichen Konzept zwischen der<br />
sogennanten Kumulativknappheit und einer Ratenknappheit. Dient erstere zur<br />
Beschreibung einer sich irreversibel kumulierenden Knappheit, beispielsweise infolge<br />
des Abbaus nicht erneuerbarer Rohstoffe, wird die Ratenknappheit zur Beurteilung<br />
periodischer Regenerationskapazitäten empfohlen, wie sie bei erneuerbaren Rohstoffen<br />
oder infolge von Abbauprozessen in den Umweltmedien vorliegen können. Für die<br />
Ableitung eines jährlichen Kritischen Flusses für Kumulativknappheiten ist die Definition<br />
eines Zeithorizontes erforderlich, über den die verbleibende Kapazität zu verteilen wäre.<br />
Müller-Wenk veranschlagte dafür, unter Abwägung verschiedener Argumente,<br />
willkürlich 30 Jahre - „eine Menschengeneration“.<br />
Eine weitere willkürliche Komponente fügte Müller-Wenk ein, indem nicht allein das<br />
Verhältnis zwischen Ist-Fluss und Kritischem Fluss den Aequivalenzkoeffizienten<br />
bestimmte, sondern, indem er eine Funktion einfügte, welche unterstellt, dass die<br />
Bedeutung einer Belastung überproportional zunimmt, je kleiner die Differenz zwischen<br />
Ist-Fluss und Kritischem Fluss wird. Anders formuliert: er unterstellte einen stetig<br />
steigenden Grenzschaden. In einem solchen Falle würde der Gewichtsfaktor vor dem<br />
Überschreiten des Kritischen Flusses gegen unendlich ansteigen, weshalb Müller-Wenk<br />
den Geltungsbereich seiner Funktion mit einem Schwellenwert bei 90% des Kritischen<br />
Flusses beschränkte.<br />
Aus seiner Argumentation wird die pragmatische Grundhaltung deutlich: es geht ihm<br />
darum, dass Entscheidungsträger klare Signale erhalten hinsichtlich welcher <strong>St</strong>offlüsse<br />
Handlungsbedarf besteht. Die Begründung der Funktion erfolgt lediglich anhand
46 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
plausibler Argumente, jedoch ohne den Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit. Die<br />
willkürliche Wahl der Berechnungsformel sowie einzelner Annahmen wurde denn auch<br />
heftig kritisiert. Dennoch war die Grundkonzeption der Ökologischen Buchhaltung der<br />
bis dahin umfassendste, zu Recht als visionär bezeichnete Ansatz zur Quantifizierung<br />
von Umweltbelastung. Er vermochte die Ökobilanzforschung bis heute massgeblich zu<br />
prägen.<br />
Das Konzept der Ökologischen Knappheit zur Beurteilung von <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüssen wurde später mehrmals überarbeitet, die Berechnungsformel verschiedentlich<br />
verändert und die Anwendung von Unternehmen auf Gemeinden und<br />
<strong>St</strong>aaten sowie auf Produkte und Prozesse ausgeweitet.<br />
Die Ableitung der Kritischen Flüsse wurde dabei zunehmend auf politisch legitimierte<br />
Grundlagen gestellt, indem die offiziellen staatlichen Umweltstatistiken zur Bestimmung<br />
der Ist-Flüsse einerseits und Gesetze, Verordnungen, internationale Verträge oder<br />
Absichtserklärungen des Bundesrates, etc. anderseits als Referenzwerte verwendet<br />
wurden. Dies ganz im Sinne von Müller-Wenk, der den <strong>St</strong>aat schon in seiner<br />
Publikation von 1974 als Instanz zur Festlegung der Aequivalenzkoeffizienten<br />
postulierte und seine eigenen, pragmatischen Abschätzungen dannzumal selbst<br />
lediglich infolge des Fehlens staatlicher <strong>St</strong>offflussziele vornahm.<br />
Die nachfolgende Abbildung aus der Originalpublikation illustriert die dem <strong>St</strong>aat<br />
zugedachte Rolle zur <strong>St</strong>euerung der unternehmerischen Umweltleistung über die<br />
Aequivalenzkoeffizienten:
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 47<br />
Abbildung 3.7: Datenflussschema der Ökologischen Buchhaltung 95<br />
3.2.7 Relation politischer Qualitätsziele (Jansen / Basler&Hoffmann)<br />
Die Idee, politische Zielwerte als Basis einer Beurteilung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen<br />
zu verwenden, wurde schon vor Müller-Wenks Publikation durch Jansen 1972 als<br />
Vergleichende Modelltheorie der atmosphärischen Schadstoffbelastung vorgestellt, 96<br />
95<br />
Darstellung aus Müller-Wenk, 1978, S. 53.<br />
96<br />
Hofstetter verweist auf diese Pionierleistung in Braunschweig et.al.: Developments in LCA Valuation,<br />
IWÖ-Diskussionsbeitrag Nr. 32, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1996, S. 141. und zitiert aus Jansen, et.al.: Vergleichende
48 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
und 1974 im Rahmen einer lebensyzklusbasierten Beurteilung verschiedener<br />
Verpackungen durch das Schweizer Beratungsunternehmen Basler & Hoffmann<br />
aufgegriffen: Die <strong>St</strong>off- und Energiebilanz wurde in dieser Untersuchung anhand von<br />
vier Kategorien beurteilt: Energieverbrauch, Gewässserverschmutzung, Luftbelastung<br />
und Unfallrisiko. Eine Gesamtaggregation wurde hingegen nicht angestrebt.<br />
Die Innovation dieser Methode bestand darin, dass die Luftemissionen nicht gemäss<br />
ihrem Gewicht addiert wurden, sondern aufgrund ihrer politisch legitimierten<br />
ökologischen Relevanz. Dazu wurde für jede Emission ein Gewichtungsfaktoren aus<br />
dem Verhältnis zwischen Emission und Immissionstoleranzwert berechnet. 97<br />
Im Unterschied zur Ökologischen Knappheit erfolgt diese Gewichtung losgelöst von der<br />
aktuellen Belastungssituation und bezieht auch keine Transmissionsprozesse ein. Der<br />
Grenzwert dient lediglich als eine Art Skalierungsfaktor in der Annahme, dass die<br />
Grenzwerte in Abhängigkeit der Schädlichkeit der <strong>St</strong>offe festgelegt wurden: je geringer<br />
die zulässige Konzentration, desto höher sollte das Gewicht in der Summierung der<br />
Luftemissionen ausfallen.<br />
Diese Idee wurde später von verschiedenen <strong>St</strong>ellen (u.a. US EPA 98 , EMPA 99 , ETH 100 )<br />
wieder aufgegriffen und in einer ausgebauten Variante 1984 unter der Bezeichnung<br />
Kritische Volumina publiziert.<br />
3.2.8 Kritische Volumina (EMPA)<br />
Vereinfacht ausgedrückt beantwortet dieser Ansatz die Frage, „Welches Volumen des<br />
Umweltmediums wird durch die <strong>St</strong>offflüsse des zu untersuchenden Systems bis zum<br />
Grenzwert hin belastet“<br />
Zur Beantwortung wurde für Luftbelastungen auf Immissionsgrenzwerte (MIK) der<br />
schweizerischen Luftreinhalteverordnung (LRV) abgestellt, ergänzt durch MIK-Werte<br />
einer Richtlinie des Vereins Deutscher Industrie sowie von MAK-Werten (Maximale<br />
Arbeitsplatzkonzentration) der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt SUVA. Für<br />
die Wasserbelastung wurden hingegen Emissionsgrenzwerte der Gewässerschutzverordnung<br />
herangezogen. So konnten für die entsprechenden Schadstoffe die<br />
korrespondierenden Volumina in m³ ermittelt und über alle Schadstoffe in Luft, resp.<br />
Wasser zusammengezogen werden. Die Autoren hielten dazu fest, dass es sich bei<br />
den resultierenden m³ um eine virtuelle Grösse handelt: in der Realität würden sich die<br />
Modelltheorie der atmosphärischen Schadstoffbelastung durch Kernkraftwerke, Vortrag zitiert in Alt, C.,<br />
Weber, F. (Hrsg.): Reinhaltung der Luft, Karlsruhe, 1973.<br />
97<br />
Basler &Hoffmann: <strong>St</strong>udie Umwelt und Volkswirtschaft. Vergleich der Umweltbelastung von Behältern<br />
aus PVC, Glas, Blech und Karton im Auftrag des Eidg. Amts für Umweltschutz, 1974.<br />
98<br />
Schalit, L.M., Wolfe, K.J.: SAM-IA: ARapid Screening Method for Environmental Assessments for<br />
Fossil Energy Process Effluents. EPA, Washington DC, 1978.<br />
99<br />
Eidg. Bundesamt für Umweltschutz: Ökobilanzen von Packstoffen. Schriftenreihe Umweltschutz, Nr.<br />
24, Bern, 1984.<br />
100<br />
Suter, P., Hofstetter, P.: Die ökologische Rückzahldauer, in: Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 49,<br />
1989, S. 1342 - 1346.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 49<br />
Schadstoffe ja dasselbe Luft- oder Wasservolumen teilen; Kritische Volumina stellen<br />
hingegen die Summe aller einzeln durch je einen Schadstoff belasteten Kubikmeter dar.<br />
Entsprechend sollten die Resultate lediglich relativ dargestellt werden und nicht in<br />
absoluten m³. Es konnten damit also Aussagen von der Art „Produkt Aweist bezüglich<br />
Luft eine 20% geringere Belastung auf“ oder „Die betriebliche Umweltleistung ist<br />
bezüglich Wasser gegenüber dem Vorjahr um 10% gestiegen“.<br />
Neben diesen virtuellen m³ für Luft und Wasser wurden zusätzlich das benötigte<br />
Deponievolumen sowie der Gesamtenergieverbrauch als Kategorien der<br />
Umweltbelastung berücksichtigt. Das vierdimensionale Resultat nannten die Autoren<br />
Ökoprofil.<br />
Die entsprechenden Publikationen des BUWAL Ökobilanzen für Packstoffe 1984 sowie<br />
die Aktualisierung im Jahre 1990 von Habersatter und Fecker vermochten die<br />
internationale Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen formalisierter<br />
Beurteilungsmethoden massgeblich zu prägen: In einer Vielzahl von <strong>St</strong>udien entfaltete<br />
sich eine Diskussion, inwieweit politische Zielwerte tatsächlich eine taugliche Basis zur<br />
Operationalisierung des Begriffs Umweltbelastung darstellen können. Anlass zur Kritik<br />
bot insbesondere das Abstellen auf diverse, von jeweils sehr unterschiedlichen<br />
Schutzniveaus ausgehenden Quellen (LRV, VDI, SUVA), eine Mischung von MIK und<br />
MAK-Werten sowie die fehlende Berücksichtigung von aktuellen Belastungssituationen<br />
oder Transmissionsprozessen. Fragwürdig erschien auch die Tatsache, dass für eine<br />
Vielzahl toxischer <strong>St</strong>offe gar keine Grenzwerte verfügbar waren und diese somit auch<br />
nicht beurteilt werden konnten. 101<br />
Der berechtigten Kritik zum Trotz erwies sich die Methodik aufgrund ihrer Nachvollziehbarkeit<br />
und Transparenz als attraktiv: „Alle eingesetzten Bewertungsgrössen sind<br />
belegt und ihre Anwendung überprüfbar. Nur deshalb konnte auch ohne Probleme auf<br />
die Schwachstellen aufmerksam gemacht werden.“ 102 Wohl gerade deshalb avancierten<br />
die Gewichtungsfaktoren dieser <strong>St</strong>udie zur ersten <strong>St</strong>andard-Methoden, dass heisst, die<br />
Methodik wurde von anderen Forschenden sowie von Unternehmen zur Beurteilung von<br />
<strong>St</strong>offbilanzen übernommen. „Die grösste Anwendung aller Bewertungsmethoden findet<br />
derzeit das vom BUWAL 1990 vorgelegte Modell (...).“ 103 InDeutschland sprach man<br />
gemeinhin von der Schweizer Methode.<br />
101<br />
Zur Kritik an der Methodik siehe u.a. Giegrich, J., et.al.: Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen,<br />
Evaluation von Bewertungsmethoden, in: Umweltbundesamt: Methodik der produktbezogenen<br />
Ökobilanzen, Texte 23/95, 1995, S. 1-137, S. 18Ff oder in derselben Publikation: Klöpffer, W.,<br />
Renner, I.: Methodik der Wirkungsbilanz im Rahmen von Produkt-Ökobilanzen unter Berücksichtigung<br />
nicht oder nur schwer quantifizierbarer Umwelt-Kategorien, S. 34 oder unter Hinweis auf diverse<br />
Publikationen: Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 126.<br />
102<br />
Giegrich, 1995, S. 26.<br />
103<br />
Umweltbundesamt: Ökobilanzen für Produkte, Bedeutung –Sachstand –Perspektiven, Texte 38/92,<br />
Berlin, 1992, S. 55.
50 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Bedeutung der beiden BUWAL Publikationen geht jedoch über das Verfahren der<br />
Kritischen Volumina hinaus: Dank den vorausgegangenen Arbeiten von Thalmann und<br />
Fink standen für diverse Verpackungsmaterialien 104 erstmals generische, auf <strong>St</strong>offflussanalysen<br />
basierende, umfassende <strong>St</strong>andarddaten zur Verfügung. Diese auf<br />
europäischen Durchschnittswerten der entsprechenden Industrien basierenden Daten<br />
ermöglichten eine erheblich kostengünstigere Erstellung von Ökobilanzen, da bis dahin<br />
die Daten jeweils in situ oder aus verschiedensten Sekundärquellen gewonnen werden<br />
mussten. Solche Datenbanken werden heute auch background data oder Ökoinventare<br />
genannt.<br />
Thalmann und Humbel bezeichneten diese Ökoinventare damals als Ökobilanzen und<br />
gaben damit der Wissenschaft zur systematischen Erfassung und Beurteilung von<br />
<strong>St</strong>off- und Energieflüssen ihren Namen. Die diversen Vorläufer-Konzepte und<br />
Pionierarbeiten wurden nach 1984 unter diesem Begriff zusammengefasst und in den<br />
Jahren danach methodisch systematisiert, standardisiert und erheblich erweitert.<br />
Bevor wir uns mit dieser Phase der Ausdifferenzierung und Operationalisierung im<br />
Detail befassen, sollen die Meilensteine der Zeit vor 1984 nochmals zusammenfassend<br />
gewürdigt und in den Zusammenhang mit dem damaligen Zeitgeist gestellt werden:<br />
3.3 Fazit: Ökobilanzen entspringen dem Zeitgeist der 70er<br />
Der Beginn der 70er Jahre liess mit seiner erstmaligen und breiten gesellschaftlichen<br />
Mobilisierung für globale Umweltprobleme und die Knappheit der Ressourcen das<br />
Bedürfnis nach umfassenden Informations- und Beurteilungsinstrumenten entstehen.<br />
Unter diversen Begriffen wie Umweltbilanz 105 , Resource and Environmental Profile,<br />
Ökoprofil, Ökologischer Nutzwert oder Ökologische Buchhaltung publizierten<br />
Forschende und insbesondere auch Beratungsunternehmen ihre <strong>St</strong>udien, bis diese<br />
Wortschöpfungen Mitte der 80er Jahre durch den Begriff Ökobilanzierung abgelöst<br />
wurden und sich eine einheitliche Sprachregelung zu entwickeln begann. Unsere<br />
Betrachtung der Vorläufer und Pioniere hat offenbart, dass die konstituierenden<br />
Elemente, resp. Grundoperationen der Ökobilanzierung bereits vor 1975 verfügbar<br />
waren:<br />
104<br />
Thalmann, W.R.: Herstellung der Kunststoffe LD-PE, HD-PE, PVC und HI-PS, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1978;<br />
Thalmann, W.R.: Herstellung von Papieren und Karton, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1979; Thalmann, W.R.::<br />
Herstellung von Aluminium, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1979/80; Thalmann, W.R.: Ökologische Bilanz-<br />
Betrachtungen, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1983, Fink, P.: Ecological Profile of Packages, in: Bridgewater, A., et<br />
al. :Energy in Packaging and Waste, Berkshire, 1983, S. 9-26; Bundesamt für Umweltschutz (BUS):<br />
Ökobilanzen von Packstoffen, Schriftenreihe Umwelt Nr. 24, 1984; Fecker, I.: Was ist eine Ökobilanz,<br />
EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1990; Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL): Ökobilanzen von<br />
Packstoffen, <strong>St</strong>and 1990, Schriftenreihe Umwelt Nr. 132.<br />
105<br />
Siehe stellvertretend Braun, 1974, S. 52.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 51<br />
1. Eine ganzheitliche Erfassung des Untersuchungsgegenstands mit der Vorstellung<br />
des ökologischen Produktlebenszyklus, resp. der um vor- und nachgelagerte <strong>St</strong>ufen<br />
erweiterten Unternehmung.<br />
2. Die verschiedenen Techniken zur Datengewinnung: <strong>St</strong>offflussanalyse, ökonomische<br />
Input-Output-Analyse sowie -die Kombination beider Ansätze -hybride Input-Output-<br />
Analyse.<br />
3. Die Darstellung der Daten mittels <strong>St</strong>offflussdiagrammen/Prozessbäumen, Input-<br />
Output-Bilanzen sowie deren Kombination<br />
4. Die Beurteilung der <strong>St</strong>offflüsse anhand naturwissenschaftlich, ökonomisch oder<br />
politisch fundierter Prinzipien, resp. Modelle oder aber anhand subjektiver<br />
Entscheidungsmethoden (ABC-Analyse, Nutzwertanalyse).<br />
Abbildung 3.8: 1975 bereits verfügbare Elemente der Ökobilanzierung 106<br />
Während die amerikanischen Forschenden sich insbesondere mit umfassenden<br />
Material- und <strong>St</strong>offflussanalysen zu profilieren vermochten, so bestand der Beitrag zur<br />
Entwicklung der Ökobilanzierung seitens europäischer Institutionen vor allem in den<br />
Vorschlägen zu einer formalisierten Beurteilung, wobei Schweizer Forschende mit der<br />
Ökologischen Knappheit und den Kritischen Volumina gleich zwei innovative<br />
Vorschläge einbrachten, die die weitere Entwicklung von Beurteilungsmethoden<br />
weltweit geprägt haben.<br />
106<br />
Eigene Darstellung.
52 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Aus heutiger Sicht erscheinen die Konzepte in Bezug auf die Frage der Umweltbelastung<br />
stark durch die aufkommende These einer baldigen Ressourcenverknappung<br />
geprägt, während die Outputs als Luftbelastung, Abwasser und Abfall allein anhand von<br />
wenigen Emissionen begrifflich eingeschlossen wurden. Diese Vorstellung von Umweltbelastung<br />
sollte sich -wie wir im nächsten Abschnitt nachweisen werden –in den 90er<br />
Jahren grundsätzlich verändern.<br />
Das stoffliche Auflösungsvermögen der Methoden war - aufgrund der sehr<br />
beschränkten Datenverfügbarkeit -noch überschaubar: so umfasste beispielsweise die<br />
von Müller-Wenk postulierte Ökologische Buchhaltung Aequivalenzkoeffizienten für 12<br />
Ressourcen sowie 9 Emissionen; davon 6 Luftemissionen.<br />
Spätere Ansätze gingen dazu über, Umweltbelastung vorwiegend über Emissionen zu<br />
definieren und den Einbezug von Ressourcenknappheiten mit der Zeit einzig auf<br />
Energie zu reduzieren. Die Anzahl der berücksichtigten Emissionen stieg hingegen<br />
stetig an und umfasste bei den Kritischen Volumina bereits 17 Luftemissionen und 18<br />
Wasseremissionen.<br />
Die Entwicklung der ersten Ökobilanzen ist in einer Periode anzusiedeln, in der die<br />
Angst vor dem ökologischen Kollaps breite gesellschaftliche Kreise und damit auch die<br />
intellektuelle Avantgarde gerade zu erfassen begann: Unter dem Eindruck stark<br />
belasteter Luft und Gewässer, massiv gestiegener Energiekosten sowie sich rasch<br />
verknappender Entsorgungskapazitäten wandelte sich der bislang dominierende,<br />
konservativ ausgeprägte Heimat- und Naturschutz zu einem ganzheitlichen und durch<br />
Ökologie als Leitwissenschaft geprägten Umweltschutz-Gedanken.<br />
Einzelne, bisher isoliert thematisierte negative Entwicklungen (Gewässerbelastung,<br />
Ausräumung der Landschaft, Verstädterung, etc.) wurden zu Beginn der 70er Jahre neu<br />
unter dem allumfassenden Umwelt-Begriff subsumiert. Eisen verortet „die Erfindung der<br />
Umwelt“ um 1970 und attestiert dieser Zeit einen spektakulären und grundsätzlichen<br />
Wandel, indem der Begriff die Medien und damit die Gesellschaft innert kürzester Zeit<br />
erfasste und sehr rasch etabliert wurde: „Als (...) 1972 der berühmte Bericht „Grenzen<br />
des Wachstums“ des Club of Rome erschien, war Umwelt im öffentlichen, politischen<br />
und wissenschaftlichen Diskurs der Schweiz bereits fest verankert, fast alle<br />
Umweltprobleme der folgenden 20 Jahre eingeführt, viele der neuen umweltpolitischen<br />
Gruppierungen gegründet (...)“ und es gab „eine Schweizerische Gesellschaft für<br />
Umweltschutz, einen Umweltschutzartikel, ein Amt für Umweltschutz, eine<br />
Arbeitsgemeinschaft für Umweltforschung (..)“ 107 -obwohl sich der Umwelt-Begriff auch<br />
in der Forschung erst um 1970 als problemstrukturierendes Konzept durchsetzte. „Eine<br />
Auswertung des Bibliotheksverbunds NEBIS zeigt, dass zwischen 1962 und 1970 nur<br />
insgesamt 4wissenschaftliche Publikationen den Begriff „Umweltschutz“ im Titel tragen.<br />
Im Jahre 1971 allein sind es deren 13.“ 108<br />
107<br />
Eisen, 2003, S. 68.<br />
108<br />
Eisen, 2003, S. 67.
Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 53<br />
Abbildung 3.9: Gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen<br />
Die gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen prägte auch die Entwicklung der Ökobilanzierung.<br />
Die Darstellung zeigt vier Indikatoren gesellschaftlicher Mobilisierung 109<br />
Damit einher ging –und dies ist für die Entstehung und weitere Entwicklung der Ökobilanzierung<br />
bedeutsam –ein Bedarf für eine neue Wissenschaft -die „Überlebenswissenschaft“.<br />
Dieser Bedarf führte zu einer „Verwissenschaftlichung“ der Diskussion<br />
und verlieh komplexen, kybernetischen Modellen und Szenarien politische Durchschlagskraft.<br />
110<br />
Die Ökobilanzierung mit ihrem Anspruch einer rationalen Ermittlung von Umweltbelastung<br />
fügte sich nahtlos in diese Entwicklung ein –das Bedürfnis, Umweltprobleme<br />
in Zahlen zu fassen, war gegeben: Eisen weiss gar zu berichten, dass in der Schweiz<br />
eine Pflicht zur Erstellung von „Umweltbilanzen“ durch Unternehmen bereits 1973 im<br />
(später verworfenen) Entwurf des ersten Umweltschutzgesetzes enthalten war. 111<br />
Dieser Bedarf relativierte sich angesichts der ab 1974 eintretenden Rezession und der<br />
damit einhergehenden Angst um Arbeitsplätze zumindest vorübergehend. Die<br />
weitgehenden Entwürfe für eine umweltgerechte Wirtschaft wurden zugunsten einer<br />
109<br />
Darstellung aus Eisen, 2003, S. 54.<br />
110<br />
Siehe Wanzek, J.: Komplexe Natur – Komplexe Welt: Zum Aufkommen des modernen Umweltbewusstseins<br />
in der Schweiz in den Jahren 1972 -1986, Lizentiatsarbeit Universität Zürich, 1996,<br />
S.115ff.<br />
111<br />
Eisen, 2003, S. 72.
54 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Wachstumspolitik zurückgestellt und damit blieb auch eine breite Anwendung von<br />
Ökobilanzansätzen aus. Vielmehr beschränkte sich die weitere Entwicklung vorwiegend<br />
auf die Bilanzierung von Packstoffen: Verpackungen und mithin<br />
Energiebereitstellungsprozesse zur Herstellung der entsprechenden Materialien<br />
(Aluminium, Glas, Papier, etc.) standen weiterhin -zumindest in Europa -im Zentrum<br />
umweltpolitischer Diskussionen und legislativer Aktivitäten. Die Verpackungsindustrie<br />
wurde als Verursacher der zunehmenden Abfallmengen besonders stark<br />
wahrgenommen und als Symbol der Wegwerfgesellschaft stigmatisiert. Offenbar fielen<br />
die Konzepte zur rationalen, eben vernunftbasierten Erfassung von Umweltbelastung<br />
hier auf fruchtbaren Boden: Noch 1991 stellen Rubik und Baumgartner in ihrer<br />
Literaturrecherche 112 fest, dass mehr als 40% der damals öffentlich zugänglichen<br />
Ökobilanz-<strong>St</strong>udien auf Verpackungen entfielen.<br />
Die Verwissenschaftlichung des Umweltthemas setzte sich dennoch fort und ein<br />
kontinuierlicher Fluss an <strong>St</strong>udien und Expertisen der Umweltforschung bereitete das<br />
Feld für eine erneute Intensivierung der Ökobilanzierung gegen Ende der 80er Jahre,<br />
als eine zweite Welle intensiver gesellschaftlicher Resonanz das Umweltthema ganz<br />
oben auf die Prioritätenliste der Politik beförderte.<br />
112<br />
Rubik, F., Baumgartner, Th.: Evaluation of Eco-Balances, Report to the Institute for Environmental<br />
Policy, Bonn, 1991.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 55<br />
4 Phase der Differenzierung und Operationalisierung<br />
Insbesondere in den nordischen Ländern (Schweden, Norwegen, Dänemark und<br />
Holland), in Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz griffen zahlreiche<br />
Forschungsinstitute und Beratungs-, resp. Ingenieurunternehmen sowie später auch die<br />
einschlägigen Branchenverbände Ansätze der Ökobilanzierung auf und trugen ihre<br />
Resultate in politische und öffentliche Arenen. „Ab 1990 kann man geradezu von einem<br />
Boom sprechen, der sowohl die Industrie, Umweltbehörden, umweltpolitisch aktive<br />
Kreise und schliesslich sogar die breitere Öffentlichkeit erfasste.“ 113<br />
Abbildung 4.1: Schwerpunkte publizierter Ökobilanz-<strong>St</strong>udien in Europa um 1991 114<br />
Neben Verpackungen wurden nun zunehmend andere Produkte mittels Ökobilanzen<br />
untersucht. Neue Schwerpunkte bildeten Chemikalien (insbesondere Wasch-, resp.<br />
Reinigungsmittel) und Baustoffe einerseits; Windeln und (Einweg-)Geschirr als<br />
gesellschaftlich prominente und entsprechend umstrittene Abfallverursacher anderseits.<br />
Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an <strong>St</strong>udien, die für firmeninterne Fragestellungen<br />
erarbeitet und nicht publiziert wurden. 115<br />
Die Literaturrecherche von Rubik/Baumgartner zeigte nicht nur auf, in welchen<br />
Bereichen Ökobilanz-Untersuchungen durchgeführt wurden. Sie machte auch deutlich,<br />
dass neben der zunehmend breiteren Anwendung erhebliche Forschungsanstrengungen<br />
unternommen wurden: von den untersuchten 280 Literaturquellen<br />
befassten sich mehr als die Hälfte - 168 Publikationen - mit methodischen Fragestellungen<br />
und Vorschlägen. Das Projekt Ökobilanz entwickelte sich zunehmend zu<br />
einer eigenständigen Wissenschaft. Während den 90er Jahren erfuhr die Methodik eine<br />
massive Detaillierung. Damit einher ging eine rasche Ausweitung von Erfahrungswissen<br />
113<br />
Klöpffer/Renner, 1995, S. 5.<br />
114<br />
Eigene Darstellung anhand der Daten aus Umweltbundesamt: Ökobilanzen für Produkte, Bedeutung –<br />
Sachstand – Perspektiven. UBA Texte, 38/92, 1992, S. 21.<br />
115<br />
Klöpffer/Renner, 1995, S. 3.
56 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
im Umgang mit konkreten Anwendungen und es entstanden diverse Hilfsmittel zur<br />
rationellen Bearbeitung. Wir bezeichnen diese Entwicklung und ihre Resultate deshalb<br />
als Phase der Differenzierung und Operationalisierung.<br />
4.1 Popularität und Kritik als Treiber der Entwicklung<br />
Zentraler Treiber dieser Phase war der Umstand, dass Ökobilanzen immer mehr zum<br />
Spielball der Interessen wurden. Unternehmen, Branchenverbände, Umweltorganisationen<br />
und staatliche <strong>St</strong>ellen erkannten in dieser Methodik ein effektives Mittel,<br />
um politische Forderungen mit wissenschaftlichen Daten zu unterlegen. Gutachten,<br />
resp. Gegengutachten wurden zu einem Markt für Forschungsinstitute und Beratungsfirmen.<br />
Umweltbehörden in den Pionier-<strong>St</strong>aaten versuchten „Bedeutung – Sachstand –<br />
Perspektiven“ 116 der Ökobilanzierung zusammenzufassen und den Diskurs zwischen<br />
den Interessengruppen zu moderieren. Durch die Vergabe diverser <strong>St</strong>udien förderten<br />
sie zudem die Erarbeitung standardisierter Datengrundlagen und trugen zur Weiterentwicklung<br />
der Methodik bei. Den Hintergrund dazu bildete eine mit der zweiten Welle<br />
gesellschaftlicher Mobilisierung für Umweltfragen einhergehende Neuorientierung der<br />
Politik: Ende der 80er Jahre wurde die - bis dahin fast ausschliesslich auf die<br />
Verringerung der Umweltbelastung von Industrieanlagen, Kraftwerken und der Abfallentsorgung<br />
fokussierte – Umweltpolitik zunehmend durch die Forderung nach einer<br />
umweltorientierten und ganzheitlichen Produktpolitik ergänzt. Diese Neuorientierung<br />
verlangte nach umfassenden, lebenszyklusorientierten Beurteilungsmethoden. 117<br />
Demnach wurden Ökobilanzen beispielsweise vom deutschen Umweltbundesamt 1992<br />
als „Informations-, Planungs-, und Kontrollinstrumente“ 118 der Politik bezeichnet.<br />
Die Ökobilanzierung erwies sich in diesem Umfeld als überlegene Betrachtungsweise<br />
gegenüber den meist dogmatischen Leitsätzen einer Digital-Ökologie, welche auf der<br />
Basis von Einzelaspekten formuliert wurde: Mehrweg statt Einweg, Umweltfreundlich,<br />
weil Recycling, Jute statt Plastik, etc.. Diese hielten den neuen und differenzierten<br />
Erkenntnissen von Ökobilanzen oftmals nicht stand. Ökobilanzen wurden damit<br />
prominent und konnten medienwirksam inszeniert werden.<br />
Anderseits zeigte sich rasch, dass in der konkreten Ausgestaltung von Ökobilanzen<br />
erhebliche Spielräume bestanden, welche das Resultat letztlich determinierten. Es<br />
wurde in mehreren vergleichenden Analysen festgestellt, dass in verschiedenen<br />
Anwendungsbereichen Ökobilanzen zu diametral entgegengesetzten Resultaten<br />
führten, obwohl die jeweiligen <strong>St</strong>udien „innerhalb der jeweils eingesetzten Logik (...)<br />
“recht“(...) haben“. 119 Bekannte Beispiele waren Untersuchungen zur Frage, ob<br />
116<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 6.<br />
117<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 6.<br />
118<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 16.<br />
119<br />
<strong>St</strong>ölting, P., Rubik, F.: Übersicht über ökologische Produktbilanzen, <strong>St</strong>udie für den Bundesverband
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 57<br />
Wegwerfwindeln ökologisch bedenklicher sind als <strong>St</strong>offwindeln, oder ob Verbundverpackungen<br />
den Mehrweg-Milchflaschen aus Glas unterlegen sind. In beiden Fällen<br />
engagierten sich nebst den betroffenen, multinationalen, Unternehmen<br />
(Procter&Gamble, resp. Tetrapak), insbesondere Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen<br />
sowie lokale und nationale Umweltbehörden. Die<br />
Auseinandersetzungen wurden zudem parallel in verschiedenen europäischen Ländern<br />
geführt. Angesichts drohender Verbote für bestimmte Produkte wurden diese Debatten<br />
unter Einsatz erheblicher Mittel geführt und erhöhten die Komplexität der Ökobilanzbetrachtungen<br />
enorm, da jede Partei kreativ und gezielt nach neuen Aspekten forschte,<br />
welche versprachen, das Resultat zu ihren Gunsten zu verändern.<br />
Abbildung 4.2: WWF begründet politische Forderung mit Ökobilanz<br />
Der WWF Schweiz fordert im Rahmen der Revision der Getränkeverpackungsverordnung gesetzliche<br />
Vorgaben zur Recyclingquote von PET-Flaschen. Er nimmt dabei Bezug auf eine selbst erstellte<br />
Verpackungsökobilanz. 120<br />
Vereinzelt ging es dabei um die Existenz ganzer Marktsegmente, wie ein Beispiel aus<br />
der Schweiz deutlich macht: Die Regierung erwägte Ende der 80erJahre ein generelles<br />
Verbot von Aluminiumdosen, welche insbesondere in den ersten Verpackungsökobilanzen<br />
der EMPA als sehr umweltbelastend taxiert wurden. Es gelang der<br />
Aluminiumindustrie jedoch erfolgreich, die entscheidende Annahme -dass der hohe<br />
Energiebedarf bei der Herstellung durch fossile Energieträger gedeckt und deshalb<br />
hohe Emissionen auftreten würden - durch den Nachweis zu entkräften, dass ihre<br />
Umweltberatung, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung IÖW, Heidelberg, März 1992, S. 3.<br />
120<br />
WWF Schweiz, Konsum und Umwelt, ca. 1997 (genaue Nr. unbekannt).
58 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Verarbeitung auf <strong>St</strong>rom aus Wasserkraft basiere und sich Aluminium zudem infolge des<br />
Recyclings mehrfach nutzen liesse. Dies veranlasste die EMPA zur Revision ihrer<br />
Ökobilanzen und trug dazu bei, dass der Gesetzgeber ein drohendes Verbot in<br />
Verbindung mit Vorgaben zur Recyclingquote zurückstellte.<br />
Mit dem Vorliegen sich widersprechender Resultate wurde das Instrument selbst<br />
umstritten. Die Arbeitsgruppe Ökobilanzen des deutschen Umweltbundesamtes hält<br />
dazu 1992 fest: „Breit anerkannte Resultate von Ökobilanzen liegen bisher noch nicht<br />
vor, weil der jeweils gewählte methodische Ansatz zu sehr von den Vorstellungen der<br />
jeweiligen Autoren geprägt ist. Die Fachdiskussion über die vorliegenden Arbeiten ist<br />
daher vor allem durch <strong>St</strong>ellungnahmen geprägt, in denen Fehler bzw. Lücken<br />
festgestellt oder erhebliche Diskrepanzen zwischen den methodischen Ansprüchen und<br />
der empirischen Umsetzung nachgewiesen werden. (...) Insbesondere bei der<br />
Datenauswahl sind „Gründerzeitmentalitäten“ vorherrschend.“ 121<br />
Es entsprach einer weit verbreiteten Praxis, Daten aus anderen Veröffentlichungen zu<br />
übernehmen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass diese in ganz anderen räumlichen<br />
oder technologischen Kontexten und/oder für ganz anders lautende Fragestellungen<br />
erhoben wurden. Kritisiert wurde zudem, dass viele <strong>St</strong>udien infolge mangelnder<br />
Transparenz in Sachen Vorgehen und Datenquellen nicht nachvollziehbar waren. Damit<br />
gerieten Ökobilanzen in Verruf, Artefakte oder aber spezifischen Interessen dienliche<br />
Resultate zu generieren. In Anlehnung an ein bekanntes Bonmot aus der <strong>St</strong>atistik ging<br />
der Spruch um „Traue keiner Ökobilanz, die Du nicht selbst gefälscht hast“.<br />
In dieser Situation fanden Vorschläge zur Harmonisierung und <strong>St</strong>andardisierung der<br />
Methodik Beachtung. Wenngleich der Prozess der Normierung –den wir als separate<br />
dritte Phase unter dem Gesichtspunkt der Institutionalisierung in Abschnitt 5genauer<br />
betrachten werden -über die ganzen 90er Jahre hinweg verlief und heute noch in vielen<br />
Detailfragen grosse Spielräume, resp. nicht-standardisierte Detailfragen bestehen lässt,<br />
so kristallisierte sich dennoch schon zu Beginn des Jahrzehnts ein grober Raster<br />
heraus, der fortan zur <strong>St</strong>rukturierung der vielfältigen Arbeitsschritte dienen sollte.<br />
Wenngleich wir festgestellt haben, dass Ökobilanzen seit den 70er Jahren erstellt<br />
werden und der Begriff Ökobilanz seit Mitte der 80er Jahre verfügbar ist, so kann man<br />
dennoch argumentieren, dass erst die allgemeine Anerkennung dieses Rasters die<br />
Wissenschaft Ökobilanzierung begründet hat. Er ist denn auch mehr als nur<br />
Arbeitsanweisung, sondern bis heute Programm und Rahmen der Ökobilanzforschung.<br />
121<br />
Umweltbundesamt, 1992, S.16.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 59<br />
4.2 Vier Elemente als Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung<br />
Der Rahmen zur <strong>St</strong>rukturierung der Ökobilanz-Methodik geht auf Vorschläge einer<br />
Arbeitsgruppe der SETAC 122 von 1991 zur Schaffung eines Code of Practice 123 zurück,<br />
der 1993 publiziert wurde. Er besteht aus vier Elementen die wir nachfolgend anhand<br />
exemplarischer Fragestellungen charakterisieren, bevor wir uns im Detail mit<br />
denjenigen Operationen vertieft auseinandersetzen, welche die Resultate von<br />
Ökobilanzen besonders stark beeinflussen und auch im Zentrum der Kritik resp. der<br />
Methodenentwicklung seit 1990 stehen. 124 Wir bezeichnen diese entsprechend als<br />
kritische 125 Operationen 126 .<br />
Goal and Scope<br />
Definition<br />
Inventory Analysis<br />
Interpretation<br />
Anwendungen:<br />
•Produktentwicklung<br />
•Umweltkennzeichnung<br />
•Politikberatung<br />
•Umweltmanagement<br />
•Etc.<br />
Impact<br />
Assessment<br />
Abbildung 4.3: Elemente der Ökobilanzierung gemäss SETAC 1993 127<br />
4.2.1 Zieldefinition & Untersuchungsrahmen (Goal & Scope Definition)<br />
Der erste Schritt einer Ökobilanzierung besteht in der klaren Formulierung der zu<br />
beantwortenden Fragestellung und des Verwendungszwecks der Resultate. Er<br />
bestimmt die Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Untersuchung und<br />
122<br />
SETAC Europe Workshop on Environmental Life Cycle Analysis of Products, 2./3. Dezember 1991 in<br />
Leiden, Niederlanden.<br />
123<br />
Consoli, F. et.al: Guidelines for Life Cycle Assessment: ACode of Practice, 1.Edition, SETAC, Brüssel,<br />
1993.<br />
124<br />
Siehe Wenzel, H.: Application Dependency of LCA Methodology: key variables and their mode of<br />
influencing the method, in: Int. Journal of LCA, Nr. 3, 1998, S. 281 – 288.<br />
125<br />
Kritisch =entscheidend, gewissenhaft prüfend, aus Vahrig, Kritik =wissenschaftliche Beurteilung, aber<br />
auch Äusserung des Missfallens, aus Wahrig, 1994, S. 967.<br />
126<br />
Operation = Arbeitsvorgang, Rechenschritt, aus Wahrig, 1994, S. 1168.<br />
127<br />
Eigene Darstellung in Anlehnung an ISO 14040.
60 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
damit über zentrale Aspekte wie Umfang, Detaillierungsgrad, Datenqualität,<br />
Darstellungsform der Ergebnisse, etc.. Im Falle einer Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
ist eine klare Zielformulierung auch eine Voraussetzung zur Nachvollziehbarkeit und<br />
kritischen Prüfung durch Dritte.<br />
Die Tragweite einer klaren Zielformulierung soll anhand einiger beispielhafter Gedanken<br />
kurz illustriert werden:<br />
Zielt eine Untersuchung darauf ab, zwei Produkte miteinander zu vergleichen, so ist es<br />
nicht zwingend erforderlich alle <strong>St</strong>off- und Energieflüsse beider Alternativen zu erheben.<br />
Es kann auch eine Konzentration auf die Unterschiede der Varianten ausreichend sein.<br />
Zielt man hingegen darauf ab die Umweltbelastung dieser beiden Produkte<br />
grundsätzlich zu verstehen, so ist eine umfassende Erhebung zwingend.<br />
Andere Anforderungen ergeben sich, wenn die Untersuchung bezweckt, die<br />
Entwicklung eines neuen Produktes zu unterstützen: die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />
werden dann erst in Zukunft und ggf. unter Umweltbedingungen anfallen, die sich von<br />
der heutigen Situation massgeblich unterscheiden. Diesem Umstand ist in der<br />
Beurteilung angemessen Rechnung zu tragen, da ansonsten falsche Schlussfolgerungen<br />
gezogen werden könnten.<br />
Wiederum andere Anforderungen ergeben sich, wenn die Akzeptanz der Resultate<br />
entscheidend ist, beispielsweise bei der Entwicklung von Kriterien zur Vergabe von<br />
Umweltkennzeichen oder bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen. In solchen<br />
Fällen ist ein angemessener Einbezug der Betroffenen, resp. der relevanten<br />
Interessengruppen meist zwingend erforderlich.<br />
Entsprechend unterscheidet man in der Literatur zwischen beschreibenden und<br />
veränderungsorientierten <strong>St</strong>udien, je nachdem ob das Resultat in einer reinen<br />
Information bestehen soll oder ob vielmehr der Prozess der Ökobilanzierung das<br />
Resultat darstellt. 128<br />
Fragen zur Zieldefinition:<br />
– Welche Fragestellung soll beantwortet werden<br />
– Welchem Zweck dient die Untersuchung<br />
– Welche Tragweite haben die Resultate<br />
– Für welche Zielgruppe(n) sind die Resultate bestimmt, resp. wer ist davon<br />
betroffen<br />
128<br />
Guinée, J. et.al.: Handbook on Life Cycle Assessment -Operational Guide to the ISO <strong>St</strong>andards,<br />
Dordrecht, 2002, S. 463.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 61<br />
Die Definition des Untersuchungsrahmens operationalisiert die Zielsetzung der<br />
Ökobilanz, definiert Anforderungen und klärt prozedurale Fragen zu deren Erfüllung.<br />
Fragen zum Untersuchungsrahmen:<br />
– Was ist das Objekt der Untersuchung<br />
– Welche Bezugsgrösse beschreibt dieses Objekt angemessen<br />
– Wo sind die (System-)Grenzen der Betrachtung zu ziehen<br />
– Welche Anforderungen ergeben sich aus der Zielsetzung an die<br />
Datenbeschaffung, - verarbeitung und -kommunikation<br />
– Welche Annahmen sind zur Beschreibung, Datenverarbeitung, etc. zu treffen<br />
– Wie soll die Qualität der Untersuchung, der Daten und der Resultate<br />
gesichert werden<br />
Die Kritik an den Resultaten von Ökobilanzen zielt in der Praxis oftmals auf die in<br />
diesem Schritt getroffenen Annahmen und Definitionen. Denn der Untersuchungsrahmen<br />
ist für das Resultat einer Ökobilanz von überragender Bedeutung.<br />
Insbesondere das Festlegen der Bezugsgrösse der Untersuchung –auch Funktionale<br />
Equivalenz oder Funktionelle Einheit genannt – wird zu Beginn der 90er Jahre als<br />
kritische Operation erkannt. Ebenfalls kritisch ist die Abgrenzung des zu<br />
untersuchenden Systems.<br />
4.2.2 Sachbilanzierung (Inventory Analysis)<br />
Die Sachbilanzierung umfasst alle Operationen, welche mit der Beschreibung, Beschaffung,<br />
Modellierung und Berechnung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse zu tun haben.<br />
Das numerische Resultat dieser Phase stellt die Sachbilanz dar – auch Inventar<br />
(inventory) genannt. Sie entspricht der <strong>St</strong>off- und Energiebilanz, wie wir sie schon bei<br />
den Pionieren und Vorläufern kennengelernt haben. Allerdings enthält das Endresultat<br />
der Sachbilanzierung ausschliesslich Inputs aus der Natur und Outputs an die Natur.<br />
Materialien und Güter sind vorgängig in Rohstoffentnahmen und Emissionen<br />
umzurechnen. Beispielsweise ist der <strong>St</strong>romverbrauch eines Prozesses mittels eines<br />
Inventars für die <strong>St</strong>rombereitstellung in den Bedarf an Primärenergieträgern und die<br />
anfallenden Emissionen umzurechnen. Damit ist der Sachbilanzierungsschritt meistens<br />
mehrstufig und in mehreren Schritten sind Güter-, Material- und Prozessbilanzen in die<br />
für die nachfolgende Beurteilung ausschlaggebende from nature to nature Sachbilanz<br />
zu transformieren.
62 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Fragen zur Sachbilanzierung:<br />
– Welche Prozesse/Güter/Subjekte sind innerhalb der gewählten Systemgrenzen<br />
zu verorten<br />
– Welche <strong>St</strong>off- und Energieflüsse sollen wie den Prozessen zugeordnet werden<br />
– Welche Daten – Messergebnisse, Schätzungen, Erfahrungswerte – können<br />
woher verfügbar gemacht werden<br />
– Wie sollen diese Daten kompatibel modelliert und berechnet werden<br />
– Welche Qualität haben die gesammelten Daten<br />
– Wie ist mit Datenlücken umzugehen<br />
Ein grafisches Resultat der Sachbilanzierung ist die Visualisierung des zu untersuchenden<br />
Systems in Form eines Prozessbaums, resp. Flussdiagrams. Sie ist<br />
notwendig, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten und stellt die getroffene<br />
Systemabgrenzung transparent dar.<br />
Es liegt auf der Hand, dass die Datenverfügbarkeit und die Qualität der verwendeten<br />
Daten einen erheblichen Einfluss auf das Resultat der Ökobilanzierung haben. Die<br />
Beschreibung der <strong>St</strong>offflüsse anhand von Indikatoren und die Modellierung der<br />
Prozesse sowie die Umrechnung der Indikatoren auf die gewählte Bezugsgrösse<br />
(Funktionelle Einheit) wirft einige –nur mittels Annahmen in den Griff zu bekommende<br />
– Probleme auf. Reale Prozesse sind häufig multifunktional (dienen mehreren<br />
Produkten), nicht-linear (verändern ihre Eigenschaften in Abhängigkeit der Auslastung)<br />
und weisen Rekursionen auf (beispielsweise Recycling-Schlaufen). Die Abbildung der<br />
zu untersuchenden Prozesse in Form von Input-Output-Relationen stellt somit ebenfalls<br />
eine kritische Operation dar.<br />
4.2.3 Wirkungsanalyse und Gewichtung (Impact Assessment)<br />
Das dritte Element zielt auf eine entscheidungsorientierte Verdichtung und Beurteilung<br />
der Sachbilanz-Ergebnisse, wie wir sie bereits bei den Pionierarbeiten der<br />
Ökobilanzierung ausgemacht haben. Während diese jedoch direkt von den Input-, resp.<br />
Output-Indikatoren mittels Gewichtung zu einer Datenverdichtung schritten, entstand in<br />
den 90er Jahren ein Zwischenschritt, den wir unten detailliert betrachten werden und<br />
der die Ökobilanzforschung heute massgeblich prägt: Die Modellierung von Umweltveränderungen<br />
und der damit verbundenen Schäden. Man trennte in der Folge das<br />
Impact Assessment in Teilschritte auf und unterscheidet heute im wesentlichen zwei<br />
kritische Operationen: die Wirkungsanalyse und die Gewichtung (häufig auch<br />
Bewertung genannt):
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 63<br />
4.2.3.1 Wirkungsanalyse<br />
Die Wirkungsanalyse zielt darauf ab, die Input-Output-Daten der Sachbilanz mittels<br />
naturwissenschaftlicher Modelle auf ihre Umwelteinwirkungen hin zu untersuchen.<br />
Dabei werden die einzelnen <strong>St</strong>offe interessierenden Umweltveränderungen, resp.<br />
-problemen zugeordnet und es wird anhand von Wirkungsmodellen der jeweilige<br />
relative Beitrag eines <strong>St</strong>offes zu einem Umweltproblem bestimmt.<br />
Fragen zur Wirkungsanalyse:<br />
– Welche Inputs- oder Outputs tragen zu welchen Umweltveränderungen<br />
wie stark bei<br />
– Welche naturwissenschaftlichen Modelle stehen zur Beschreibung<br />
dieser Wirkungen zur Verfügung<br />
– Wie angemessen beschreiben diese Modelle, resp. die dazu ausgewählten<br />
Indikatoren die aus Sicht der zu beantwortenden Fragestellung relevanten<br />
Umweltveränderungen<br />
4.2.3.2 Gewichtung<br />
Zur Gewichtung kommen unterschiedliche Verfahren der sozialen Bewertung naturwissenschaftlicher<br />
Tatbestände (Umweltveränderungen, resp. Schäden) zum Einsatz,<br />
mit dem Ziel, die naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder ökonomische<br />
Bedeutung der ermittelten Umweltveränderungen zu bestimmen.<br />
Fragen zur Gewichtung:<br />
– Wie kann die relative Bedeutung von <strong>St</strong>offflüssen und Umweltproblemen<br />
bestimmt werden<br />
– Welche Methoden können eine Verbindung zwischen sozialen Werten und<br />
den Resultaten der Sachbilanz herstellen<br />
– Wie angemessen beschreiben diese Methoden, resp. die dazu ausgewählten<br />
Indikatoren die aus Sicht der zu beantwortenden Fragestellung relevanten<br />
sozialen Wertvorstellungen<br />
Die Gewichtung erfolgt auf der Basis subjektiver Laien- oder Expertenmeinungen,<br />
politischer Zielwerte und/oder ökonomischer Bewertungen, wie wir sie bereits bei den<br />
ersten Ökobilanzen der 70er Jahre betrachtet haben. Die zur Gewichtung eingesetzten
64 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Referenzwerte, Prinzipien, resp. Methoden haben in den 90er Jahren erhebliche<br />
Veränderungen erfahren. Die Gewichtung steht als kritische Operation -stellvertretend<br />
für die Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen -nach wie vor ebenfalls im Zentrum<br />
der Kritik an Ökobilanzen.<br />
4.2.4 Interpretation<br />
Die Interpretation ist eine Zusammenfassung von Operationen zur Beschreibung der<br />
Erkenntnisse sowie zur Sicherung der Qualität der Untersuchung.<br />
Sie beinhaltet alle Arbeitsschritte, welche auf das Verständnis der Resultate und eine<br />
gezielte Erhöhung von Konsistenz und Qualität aller vorgängig durchgeführten Arbeitsschritte<br />
gerichtet sind. Dazu gehört die Analyse, welche Parameter das Resultat<br />
bestimmen sowie Tests im Hinblick auf „completeness and consistency“ der Daten und<br />
Annahmen sowie „soundness and robustness“ der Resultate. 129<br />
Fragen zur Interpretation:<br />
– Was sind die wesentlichen Erkenntnisse<br />
– Welche Prozesse, Flüsse, Umweltveränderung, Schäden, etc. bestimmen<br />
das Resultat<br />
– Welchen Einfluss haben Variationen der Annahmen auf die Resultate<br />
– Wie stark können Datenunsicherheiten das Resultat bestimmen<br />
– Welche Operationen und Daten sind aufgrund der gemachten Erkenntnisse an<br />
eine veränderte Wahrnehmung anzupassen (Iteration der Operationen)<br />
– Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen können formuliert werden<br />
Von besonderer Bedeutung sind hierbei Sensitivitätsanalysen: sie bestehen in der<br />
plausiblen Variation getroffener Annahmen und legen deren Einfluss auf das Resultat<br />
offen. Unsicherheitsanalysen hingegen dienen der Ermittlung der wahrscheinlichen<br />
Bandbreite der Resultate, wenn die Qualität der Daten einbezogen wird. Sie sollen<br />
zeigen, ob überhaupt wissenschaftlich valide Ergebnisse erzielt werden können. Die<br />
Konsistenzprüfung zielt schliesslich darauf ab, die Kompatibilität der Datengrundlagen,<br />
Annahmen und Modelle aus einer Gesamtbetrachtung heraus zu ermitteln. Sie zeigt<br />
allfällige Bruchstellen beim Zusammenfügen verschiedener Daten und Modelle auf.<br />
Grundsätzlich könnten alle Operationen der Interpretation direkt den drei anderen<br />
Schritten der Ökobilanzierung zugeordnet werden. Deshalb ist dieses Element in der<br />
Abbildung des Grundrasters der Ökobilanzierung auch grafisch neben die anderen<br />
129<br />
Guinée, 2002, S.97.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 65<br />
Schritte gestellt worden (siehe Abbildung 4.3). Eine explizite Erwähnung der<br />
Interpretation als zwingende Kategorie von Operationen der Ökobilanzierung wird<br />
jedoch allgemein anerkannt, weil viele <strong>St</strong>udien in der Vergangenheit ihre<br />
Schlussfolgerungen auf letztlich sehr schwachem Fundament und ohne kritische<br />
Reflexion der Annahmen, Vorgehensweisen und der Datenqualität gezogen hatten.<br />
Die in der Abbildung dargestellte Anordnung der Elemente und der sie verbindenden, in<br />
beide Richtungen verlaufenden Pfeile stellt zudem eine ganz zentrale Erkenntnis der<br />
Ökobilanzforschung heraus: Ökobilanzierung ist kein sequentieller, sondern vielmehr<br />
ein iterativ zu durchlaufender Prozess. In jedem Schritt können Erkenntnisse gewonnen<br />
werden, welche ggf. eine Revision vor- oder nachgelagerter Operationen erfordern. Die<br />
Operationen sind erst dann abgeschlossen, wenn man ein konsistentes Gesamtbild<br />
herstellen kann. Dieses Vorgehen macht deutlich, dass Ökobilanzierung als<br />
Lernprozess konzipiert wurde. Dieser Lernprozess ist in jeder konkreten Anwendung<br />
der Methodik zu durchlaufen. Er ist aber gleichzeitig auch ein Abbild des Lernprozesses<br />
des Projekts Ökobilanz selbst, wie wir im folgenden Abschnitt ausführlich nachweisen.<br />
4.3 Kritische Operationen der Ökobilanzierung<br />
Die vorgestellten vier Elemente stellen sowohl den Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung<br />
der 90er Jahre als auch den heute noch geltenden Konsens zur<br />
<strong>St</strong>rukturierung der vielfältigen Arbeitsschritte dar. Als kritisch, also für das Resultat von<br />
Ökobilanzen besonders entscheidend und für die Methodik charakteristisch, haben wir<br />
nachfolgende 5 Operationen näher zu betrachten:<br />
- Definition der Funktionellen Einheit<br />
- Systemabgrenzung und Allokation von <strong>St</strong>offen<br />
- Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren<br />
- Selektion und Modellierung von Wirkungsketten<br />
- Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung<br />
Sie stellen erhebliche Erweiterungen gegenüber den pragmatischen Ökobilanzansätzen<br />
der Pionierphase dar und haben wesentlich zur Verwissenschaftlichung der<br />
Ökobilanzierung beigetragen. Ihre Charakterisierung im Rahmen des nun folgenden<br />
Abschnitts wird zudem aufzeigen, welche Präzision man von Ökobilanzen realistischerweise<br />
erwarten darf.
66 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
4.3.1 Definition der Funktionellen Einheit<br />
Ein bedeutender Meilenstein der Ökobilanz-Entwicklung stellte die Erkenntnis dar, dass<br />
das Objekt der Untersuchung anhand seines Nutzens beschrieben werden sollte. 130<br />
Was zunächst trivial klingen mag, ist in der Praxis meistens nur mit Mühe zu bewerkstelligen<br />
und für das Resultat von erheblicher Tragweite.<br />
So war es zunächst in den zahlreichen Verpackungsstudien durchaus üblich, eine Glasflasche<br />
mit einer PET-Flasche zu vergleichen. In Wirklichkeit interessiert aber vielmehr<br />
die Frage: „Was braucht es, um eine bestimmte Menge eines Getränks sicher, über<br />
eine bestimmte Zeit und in guter Qualität zum Konsum bereitzustellen“ Geht man<br />
dieser veränderten Fragestellung nach, kann resultieren, dass es im Durchschnitt pro<br />
konsumierte Einheit Getränk mehr Glasflaschen als PET-Flaschen braucht, da erstere<br />
auf dem Weg im statistischen Mittel mit einer Wahrscheinlichkeit von beispielsweise 5%<br />
zerbrechen wird. In diesem Falle sind für eine Tonne konsumbereites Getränk 1'050<br />
Glasflaschen sowie zusätzliche 50 kg Getränk und allenfalls damit verbundene<br />
zusätzliche Transporte, Kühlung, etc. notwendig. Andererseits verdirbt das Getränk<br />
unter Umständen in der Plastikflasche schneller, da PET lichtdurchlässiger ist und auch<br />
Kohlensäure durch das Material austreten kann. Infolge dieses Ausschusses müssen<br />
dann ebenfalls sowohl mehr Flaschen als auch mehr Getränk, Transporte, Kühlleistung,<br />
etc. pro konsumierte Einheit aufgewendet werden.<br />
Mit der Einführung der Forderung, eine Funktionelle Einheit explizit zu definieren 131 ,<br />
wurden materiell sehr unterschiedliche, aber in ihrem Nutzen vergleichbare Produkte<br />
oder Prozesse plausibler vergleichbar. Ein bekanntes Beispiel dazu betrifft<br />
verschiedene Techniken zum Trocknen der Hände –Baumwolltuch, Einwegpapiertuch<br />
oder elektrischer Händetrockner. 132 Wie sich herausstellte, ist dabei nicht die vom<br />
Hersteller spezifizierte Nutzungseinheit (ein Papiertuch, einmal Knopfdrücken, etc.),<br />
sondern das effektive Verhalten der Konsumierenden ausschlaggebend: Denn<br />
Beobachtungen zur realen Nutzung zeigen, dass die meisten Konsumierenden nicht<br />
einfach nur ein Papiertuch, sondern zwei bis drei Papiertücher benutzen und dass der<br />
Knopf des Heizlüfters in der Regel zweimal gedrückt wird. Entsprechend müssen die<br />
Resultate der Sachbilanz bezogen auf die Funktionelle Einheit Trockene Hände zwei<br />
bis dreimal, resp. zweimal höher veranschlagt werden, als wenn auf die vom Hersteller<br />
vorgesehene Einheit abgestellt würde.<br />
Das Denken in Nutzen, resp. Funktionen ist geeignet, relevante Sachverhalte zur<br />
Bestimmung der Umweltbelastung zu Tage zu fördern, die ein einfaches Abstellen auf<br />
das Produkt selbst nicht offenbaren würde. Diese Unterschiede können eine ganze<br />
Reihe von Prozessen des zu betrachtenden Systems betreffen und würden, blieben sie<br />
unentdeckt, die Resultate aller nachfolgenden Berechnungen verzerren.<br />
Die Definition einer angemessenen Funktionellen Einheit erfordert ein gutes<br />
Verständnis sowohl des Lebensweges als auch der Funktion des zu analysierenden<br />
130<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 24.<br />
131<br />
Siehe Sundmacher, 2002, S. 45 – 53.<br />
132<br />
Guinée, 2002, S. 473.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 67<br />
Produkts, resp. des effektiven Verhaltens der -entlang des gesamten Lebensyzklus -<br />
beteiligten Personen. 133<br />
Schwierig ist die Bestimmung einer Funktionellen Einheit in der Praxis auch deshalb,<br />
weil ein Produkt meistens mehrere Funktionen erfüllt. So haben Getränkeverpackungen<br />
nicht nur die Bereitstellung zum Konsum, sondern auch eine kaufwirksame Darstellung<br />
des Produkts zum Ziel. Oder verschiedene Techniken zum Händetrocknen müssen<br />
auch hygienische Anforderungen erfüllen. Man kommt dabei in der Regel nicht umhin,<br />
über plausible Annahmen erhebliche Vereinfachungen der Realität einzuführen. Die<br />
Ökobilanzforschung empfiehlt, die Zielgruppen der Untersuchung in diese Definitionsarbeit<br />
einzubinden. Dies geschieht heute beispielsweise im Rahmen von Ökobilanzen,<br />
die zur Ermittlung von Kriterien zur Vergabe von Umweltkennzeichen erstellt werden.<br />
Fazit: Die Festlegung einer nutzenbezogenen Funktionellen Einheit ist geeignet, die<br />
Präzision von Ökobilanzresultaten erheblich zu erhöhen. Sie ist aber in den meisten<br />
Fällen eine willkürliche Vereinfachung der Realität und damit angreifbar.<br />
4.3.2 Systemabgrenzung und Allokation<br />
Die Definition von Systemgrenzen, resp. die Allokation von <strong>St</strong>offflüssen auf<br />
verschiedene Prozesse, wurde in den 90er Jahren von der Ökobilanzforschung<br />
ebenfalls als entscheidende Operation herausgearbeitet. IM Zentrum der Diskussion<br />
standen die Auswirkungen unterschiedlicher Systemabgrenzungen und Allokationen auf<br />
alle Elemente der Ökobilanzierung (Sachbilanz, Wirkungsanalyse & Gewichtung, Interpretation).<br />
Im Wesentlichen geht es dabei um drei Arten von Abgrenzungen:<br />
- Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse<br />
- Umgang mit Folge-Prozessen, multifunktionalen Prozessen, resp.<br />
Kuppelprodukten<br />
- Abgrenzung des zeitlichen und geografischen Geltungsbereichs der<br />
Untersuchung, der gewählten Daten und Modelle<br />
4.3.2.1 Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse<br />
Um die realen Prozessketten eines zu betrachtenden Systems vollständig zu erfassen,<br />
wäre stets ein unendlich komplexes Modell notwendig. Nimmt man beispielsweise einen<br />
unscheinbaren Zahnstocher als Ausgangspunkt, stellt sich die Frage nach der<br />
Motorsäge, die den Baum gefällt hat, nach dem Sägewerk, in welchem der Baum<br />
verarbeitet wurde, nach der Ölraffinerie, welche das Benzin für den Traktor aufbereitet<br />
hat und den Bohrturm, aus welchem das dazu verwendete Rohöl stammt, etc.. Eine<br />
Vereinfachung und Konzentration auf die relevanten Prozesse ist deshalb unabdingbar.<br />
133<br />
Siehe Thalmann, 1983, S.4 oder Sundmacher, 2002, S. 45 – 53.
68 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Es stellt sich die Frage, wo und wie man die Grenzen der Bilanzbetrachtung ziehen soll,<br />
ohne dass relevante Prozesse unberücksichtigt bleiben.<br />
Als mögliche Abschneidekriterien wurde von verschiedenen Autoren vorgeschlagen, auf<br />
den Einbezug von Hilfsstoffen, Anlagen, resp. Investitionsgütern, unsicheren Daten<br />
oder von Unfällen, resp. Risiken zu verzichten. Für jeden einzelnen dieser Aspekte<br />
konnte jedoch anhand konkreter Beispiele gezeigt werden, dass es Fälle gibt, in denen<br />
sie das Resultat massgeblich beeinflussen. 134<br />
Abbildung 4.4: Aspekte der Systemabgrenzung 135<br />
Die Forschung kann hier also keine allgemeingültige Anweisungen geben, sondern<br />
allenfalls Erfahrungswissen aus bereits durchgeführten <strong>St</strong>udien zu bestimmten<br />
Produkten, Prozessen oder auch bestimmten Branchen aufbereiten. Allenfalls können<br />
sogenannte Proxy-Indikatoren als Indizien für die Relevanz einzelner Prozesse, resp.<br />
<strong>St</strong>offflüsse herangezogen werden: Kosten, Masse, Energieinhalt, kumulierter Materialoder<br />
Energieaufwand, Giftklasse, etc.. Eine weitere behelfsmässige Empfehlung lautet,<br />
zunächst alle verfügbaren Prozessdaten, deren Einbezug ohne grossen Aufwand<br />
möglich ist (beispielsweise aus der Literatur oder aus Datenbanken) in die<br />
Untersuchung einzubeziehen, also das zu untersuchende System so weitläufig wie<br />
möglich zu gestalten. Je nach Verlauf der Untersuchung sind die getroffenen Ab-<br />
134<br />
Frischknecht, R.: Goal and Scope Definition and Inventory Analysis, in: Udo de Haes, H., Wrisberg, N.:<br />
Life Cycle Assessment. <strong>St</strong>ate of the Art and Research Priorities: Results of LCANET, Bayreuth, 1997,<br />
S. 7 oder Mauch, W.: Kumulierter Energieaufwand für Güter und Dienstleistungen, Dissertation,<br />
Universität München, 1993, S. 104 oder Gensch, C.-O.: Erfahrungen bei der Erstellung von Produktökobilanzen<br />
und Produktlinienanalysen in Zusammenarbeit mit der Industrie, in: Griesshammer, R.,<br />
Pfeifer, R.: 2.Freiburger Kongress „Produktlinienanalyse und Ökobilanz“; Werkstattreihe des Öko-<br />
Instituts Freiburg; Nr. 83; S 1993, S. 71.<br />
135<br />
Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 57.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 69<br />
grenzungen flexibel zu modifizieren: als irrelevant erkannte Prozesse auszuschliessen<br />
oder allenfalls nachträglich erkannte Prozesse zusätzlich in das System aufzunehmen.<br />
Demnach lässt sich eine praktikable Lösung nur aufgrund eines anwendungsspezifischen<br />
Kompromisses formulieren, der sich aus dem Ziel der Untersuchung, dem<br />
Vorwissen sowie der Datenverfügbarkeit ergibt. Entsprechend haben sich in der Praxis<br />
allenfalls Usanzen und Konventionen entwickelt, auch wenn deren wissenschaftliche<br />
Validität nicht grundsätzlich gesichert ist.<br />
In der Praxis wird die Allokation denn auch nicht einheitlich und stringent<br />
vorgenommen: Beispielsweise werden Unternehmungsökobilanzen generell und<br />
Produktökobilanzen in der Regel ebenfalls, ohne Einbezug von Anlagen und<br />
Investitionsgütern modelliert. Im Gegensatz dazu werden häufig verwendete <strong>St</strong>andard-<br />
Ökoinventare zu Energieversorgungs- und Entsorgungsprozessen unter Einbezug der<br />
Anlagen erhoben. Dies hat zur Folge, dass in vielen <strong>St</strong>udien keine logisch einheitliche<br />
Systemabgrenzung über alle Prozesse stattfindet, sondern das die Systemgrenzen je<br />
nach Datenquelle und Prozess unterschiedlich ausfallen.<br />
4.3.2.2 Umgang mit multifunktionalen Prozessen, resp. Kuppelprodukten<br />
Die Frage der Systemabgrenzung stellt sich jenseits der Bestimmung der Relevanz<br />
einzelner Prozesse auch bezüglich des Umgangs mit allenfalls auftretenden Folge-<br />
Prozessketten, resp. der Multifunktionalität von Prozessen.<br />
Folgeprozesse liegen vor, wenn ein <strong>St</strong>offfluss aus dem untersuchten System in andere<br />
Systeme –Produkte oder Unternehmen -eingeht und dort weiteren Nutzen stiftet, resp.<br />
Funktionen erfüllt.<br />
Werden die Abfälle eines Produktes wiederum zum Rohstoff anderer Prozesse –<br />
beispielsweise im Falle von Recycling oder Downcycling von Materialien wie Metallen,<br />
Kunststoffen oder organischen <strong>St</strong>offen stellt sich die Frage, welcher Anteil der Inputs<br />
aus der Natur und Outputs an die Natur welchem dieser beiden Systeme belastet<br />
werden soll. Ist der Rohölbedarf der Kunststoffherstellung einzig dem Erstprodukt oder<br />
auch dem rezyklierten Folgeprodukt anzurechnen<br />
Gerade bei den – heute in Ökobilanzen fast immer anzutreffenden - Recycling-<br />
Schlaufen 136 -kann technisch argumentiert werden, dass es ohne das Erstprodukt auch<br />
kein Sekundärprodukt geben kann, und deshalb der Primär-Input auf alle Folgeprodukte<br />
gleichmässig verteilt werden sollte. Genauso kann man aber auch plausibel machen,<br />
dass ohne Recycling das Erstprodukt allein den gesamten Primär-Input verursacht und<br />
dass der Abfall sozusagen eine ungenutzte Ressource darstellt, welche eben ohne<br />
Primär-Input zur Verfügung steht. Tatsächlich wird von verschiedenen Autoren<br />
postuliert, den Primär-Input allein dem Erstprodukt anzulasten, weil die Verwertung von<br />
136<br />
Siehe Ekvall, T., Tillmann, A.M.: Open-loop recycling: criteria for allocation procedures. The<br />
International Journal of LCA, Nr. 2, 1997, 155 - 162.
70 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abfällen gefördert werden solle und somit Recyclingprodukte einen ökologischen Vorteil<br />
erhalten sollten.<br />
Multifunktionalität liegt dann vor, wenn Prozesse aus verschiedenen Motiven heraus<br />
betrieben werden. „Most industrial processes are multifunctional.“ 137 Ein häufiger Fall<br />
stellen Kuppelprodukte dar: Sie sind in der Grundstoffindustrien der Normalfall,<br />
beispielsweise bei der Förderung von gemischten Erzen (häufig: Kupfer, Gold und<br />
Silber) oder bei der Raffinierung von Rohöl (Diesel, Benzin, Bitumen, Gas, etc.). Aber<br />
auch Transport- oder Entsorgungsprozesse sind meistens multifunktional, indem das<br />
Problem auftritt, dass mehrere Produkte gleichzeitig durch den Prozess fliessen und<br />
ggf. - im Falle der Abfallverbrennung - gemeinsam für das Entstehen bestimmter<br />
Schadstoffemissionen verantwortlich sind.<br />
In der Praxis werden bei Materialien häufig der Wert (Kosten oder Preis) zur Allokation<br />
der Inputs und Outputs auf die verschiedenen Produkte verwendet, bei Abfällen das<br />
Gewicht oder das Verhältnis bestimmter Inhaltsstoffe (Chloride, Schwermetalle,<br />
organische Verbindungen, etc.).<br />
Die Ökobilanzforschung kann auch hier keine wissenschaftlich eineindeutige Antwort<br />
geben, sondern lediglich Faustregeln, Usanzen und Konventionen inventarisieren und<br />
zu deren Operationalisierung allenfalls korrekte Vorgehensweisen aufzeigen. Die<br />
entsprechenden Empfehlungen werden unter dem <strong>St</strong>ichwort der Allokationsmethoden<br />
zusammengefasst. Sie werden in der Literatur sowohl unter dem Titel von Zieldefinition<br />
138 139<br />
und Untersuchungsrahmen als auch unter der Sachbilanzierung diskutiert.<br />
Sundmacher hat die Literatur zu dieser Frage systematisch aufgearbeitet. 140 Seine<br />
Schlussfolgerung lautet: „Vereinheitlichungen, ob sie nun auf der Grundlage von goodpractice-Sammlungen<br />
oder aufgrund von theoretisch fundierten Systematisierungen<br />
zustande kommen, werden nicht mehr sein können, als Empfehlungen.“...“Es bleibt<br />
aber das zu lösende Problem einer hochgradigen Abhängigkeit des Ökobilanzergebnisses<br />
von der konkret gewählten Allokation bestehen.“ 141<br />
Ein Blick auf die Ökobilanz-Normierung illustriert diese Situation - am Beispiel der<br />
Anweisungen zur Allokation aus ISO14041-Norm –eindrücklich: Es wird eine Abfolge<br />
von Arbeitsschritten empfohlen, die verschiedenen Möglichkeiten Prioritäten zuordnet:<br />
1. Priorität: Allokation vermeiden. „Whereever possible, allocation should be avoided.“<br />
Dies soll durch eine Aufteilung des fraglichen Prozesses in Subprozesse erreicht<br />
137<br />
Guinée, 2002, S. 505.<br />
138<br />
Siehe Lindejier, E., Huppes, G.: Partitioning economic inputs and outputs to product systems, in:<br />
Guinée, 2002, S. 675 – 692.<br />
139<br />
Siehe Hejiungs, R.: ASpecial View on the Nature of the Allocation Problem, in. The International<br />
Journal of LCA, Nr. 3, 1998, 321 - 332.<br />
140<br />
Sundmacher, 2002, S. 91 – 109.<br />
141<br />
Sundmacher, 2002, S. 109.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 71<br />
werden, für die dann Daten separat erhoben werden. Eine zweite Empfehlung zur<br />
Vermeidung lautet: Das System möglichst so erweitern, dass die zusätzlichen<br />
Funktionen der Kuppelprodukte des Prozesses Teil der Untersuchung werden.<br />
2. Priorität. Wo Allokation nicht vermieden werden kann, sollte eine Aufteilung möglichst<br />
so vorgenommen werden, dass die „underlying physical relationships“ korrekt wiedergegeben<br />
werden.<br />
3. Priorität: Wo die physikalischen Beziehungen „alone can not be established or used“<br />
soll die Allokation so erfolgen, dass „other relationships are reflected“. Als<br />
Möglichkeit werden dann ökonomische Beziehungen („economic value“) genannt.<br />
Die hier geforderte Priorität der physikalischen Allokationsregel gegenüber einer<br />
ökonomischen Aufteilung ist wissenschaftlich unhaltbar. Aufgrund der vagen<br />
Formulierungen wird durch diese Norm keinerlei Formalisierung oder Vereinheitlichung<br />
erreicht. In der Praxis wird bei der Primädatenerhebung denn auch sehr pragmatisch<br />
von Fall zu Fall - unter Würdigung sowohl physikalischer als auch ökonomischer<br />
Verhältnisse -vorgegangen, resp. es werden die, den aus Literatur oder Datenbanken<br />
übernommenen Daten zugrunde liegenden Allokationen meistens einfach<br />
übernommen.<br />
4.3.2.3 Geltungsbereich von Untersuchung, Daten und Modellen<br />
Schliesslich können –neben der Frage der Auswahl der relevanten Prozesse und der<br />
Allokation -zeitliche und geografische Abgrenzungen der Untersuchung das Resultat<br />
einer Ökobilanzierung ebenfalls massgeblich beeinflussen.<br />
Der zeitliche Aspekt wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Deponierung von<br />
Abfällen durch eine Reihe von Autoren herausgearbeitet 142 :Emissionen von Deponien,<br />
beispielsweise infolge der Auswaschung von Schwermetallen oder dem Abbau<br />
organischer Verbindungen, verteilen sich auf Zeiträume von über 100 Jahren. Für die<br />
Verwitterung einer ganzen Reaktor-Deponie wird mit Zeiträumen in der Grössenordnung<br />
von 1'000 Jahren und mehr gerechnet. Es liegt auf der Hand, dass es für die<br />
Bestimmung der Umweltbelastung einen Unterschied macht, ob Emissionen<br />
konzentriert oder über derart lange Zeiträume verteilt anfallen. Sind diese Unterschiede<br />
relevant, muss ihnen im Rahmen der Beurteilung Rechnung getragen werden können.<br />
Entsprechend sind dann die Daten zeitlich differenziert zu dokumentieren, resp. zu<br />
beurteilen. Ein konkretes Beispiel dazu bietet die Ecoinvent 2000 Qualitätsrichtlinie: Sie<br />
sieht beispielsweise für Deponie- Sickerwasser eine zeitliche Abgrenzung vor und weist<br />
diese in spezifischen Kategorien als water, river-long-term sowie water, groundwater-<br />
142<br />
Sundmacher, 2002, S. 58.
72 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
longterm aus. 143 Ähnliche Fragen stellen sich in Bezug auf die Transmission<br />
(insbesondere Akkumulation) und Wirkung von Schadstoffen in der Umwelt.<br />
Eine weitere, zeitliche Abgrenzung von hoher Relevanz besteht in der Frage des<br />
Geltungsbereichs der verwendeten Daten und Modelle: Angesichts der grossen Menge<br />
an benötigten Informationen, der entsprechenden Verfügbarkeitsproblematik und dem<br />
Umstand, dass zumeist auf eine Vielzahl verschiedener Datenquellen zurückgegriffen<br />
wird, zeigt die Erfahrung, dass häufig veraltete, resp. zeitlich stark auseinanderfallende<br />
Datenbestände herangezogen werden. Unsere eigenen Untersuchungen 144 haben<br />
beispielsweise offengelegt, dass die in Japan von vielen Unternehmen zur Erstellung<br />
von Produktökobilanzen verwendete NIRE-Datenbank bezüglich Entsorgungsprozessen<br />
in ihrer Version aus dem Jahr 2000 zu grossen Teilen auf BUWAL-Datenbeständen von<br />
1991 aufbaut, welche sich wiederum auf Erhebungen und Literatur zum<br />
technologischen <strong>St</strong>and der Technik in den 80er Jahren abstützen. Dies kann –je nach<br />
Fragestellung und dem angestrebten Geltungsbereich der Resultate -zu erheblichen<br />
Verfälschungen führen.<br />
Valide Daten müssen mit dem zeitlichen Geltungsbereich der durch die Untersuchung<br />
angestrebten Aussagen übereinstimmen. Was hierbei noch als akzeptable Bandbreite<br />
gelten darf, ist jedoch nicht klar feststellbar, sondern muss mit Blick auf die Datenverfügbarkeit<br />
im Einzelfall bestimmt werden. Das führt in der Praxis dazu, dass man –<br />
anstatt einen Prozess gar nicht einzubeziehen -im Sinne eines worst case Szenarios<br />
Daten zu veralteten technischen Prozessen durchaus bewusst verwendet. Allenfalls<br />
werden ältere Prozessdaten anhand einzelner, bekannter Parameter zu neueren<br />
Prozesstechniken skaliert – beispielsweise anhand des Wirkungsgrads.<br />
Geografische Abgrenzungen schliesslich können bei der Definition der Funktionellen<br />
Einheit, bei der Prozessbeschreibung und wiederum bei der Wirkungsanalyse von<br />
Relevanz sein. Beispiele dazu sind die geografisch unterschiedliche Wasserhärte zur<br />
Bestimmung der benötigten Menge Waschmittel zur Erzielung einer bestimmten<br />
Reinigungsleistung, die Abschätzung von Emissionen aus der <strong>St</strong>rombereitstellung<br />
anhand des europäischen UCPTE-Verbunds (bestehend aus verschiedenen Bereitstellungstechnologien<br />
und der netzspezifischen Übertragungsverluste) oder die Wirkung<br />
des Säureeintrags in Böden verschiedener Pufferqualität.<br />
Es wird anhand dieser Überlegungen rasch deutlich: Universell verwendbare Regeln<br />
sind auch hier nicht rein wissenschaftlich und eineindeutig formulierbar. Es muss im<br />
Einzelfall entschieden, und es müssen in der Regel verschiedene Annahmen getroffen<br />
werden. Sekundärdaten sind entsprechend auf ihre Übereinstimmung den<br />
143<br />
Frischknecht, R., et.al.: Qualitätsrichtlinien Ecoinvent 2000, Arbeitspapier, Uster, 2002, S. 4.<br />
144<br />
Sinum AG: Aufbereitung der NIRE Datenbank für die Verwendung mit der Ökobilanz-Software REGIS,<br />
interne Dokumentation, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2003.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 73<br />
Abgrenzungen der konkreten Untersuchung zu prüfen. Dies ist in der Praxis angesichts<br />
dürftiger Dokumentationen oder aufgrund der hohen Komplexität nur selten möglich.<br />
4.3.2.4 Fazit: Systemabgrenzung und Allokation - zentrale Vorsteuergrössen<br />
Beide Schritte lassen sich nicht wissenschaftlich eineindeutig formalisieren. Es lassen<br />
sich allenfalls für spezifische Fragestellungen und Untersuchungsgegenstände<br />
Usanzen und Konventionen und in diesem Sinne eine konstruierte Objektivität<br />
etablieren.<br />
Der Nutzen dieser Operation darf jedoch nicht ausgeblendet werden: wer sich intensiv<br />
mit den entsprechenden Fragestellungen auseinandersetzt, lernt Zusammenhänge und<br />
Abhängigkeiten verstehen und kann identifizieren, mit welchen Parametern allenfalls<br />
Sensitivitätsanalysen vorzunehmen sind. Ein umfassendes Systemverständnis trägt<br />
auch zur Immunisierung der Resultate bei und kann die Herausbildung von Usanzen<br />
und Konventionen beeinflussen. Die Ökobilanzforschung betont entsprechend die<br />
Bedeutung einer bewussten Auseinandersetzung mit diesen Fragen und fordert, dass<br />
die Abwägungen als auch die schliesslich getroffenen Annahmen transparent gemacht<br />
werden. Eine Aussagekraft der Resultate ist ohne diese Informationen zur Abgrenzung<br />
und Allokation nicht gegeben.<br />
Wurden die Grenzen des Systems festgelegt, so besteht eine zweite kritische Operation<br />
in der Beschreibung der eingeschlossenen Prozesse im Rahmen der Sachbilanzierung:<br />
4.3.3 Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren<br />
Die Sachbilanz stellt das in Form von Daten erzeugte Abbild des zu untersuchenden<br />
Systems von Prozessen dar. Die Beschreibung der als relevant identifizierten Prozesse<br />
erfolgt mittels stofflicher Indikatoren (und Energie).<br />
„Indikatoren können als eine Form der Repräsentanz von Realität aufgefasst werden.<br />
(...) sie sind häufig „pars pro toto“-Konstruktionen, in denen ein Teil des Wirklichkeitsphänomens<br />
als kennzeichnend für das gesamte Phänomen gewertet wird.“ 145<br />
Idealerweise müssen Indikatoren mit vertretbarem Aufwand, resp. ausreichender<br />
Genauigkeit messbar - resp. entsprechende Werte verfügbar -sein und die für die<br />
konkrete Fragestellung relevanten Aspekte - Umfang und Wirkung - abbilden können.<br />
Wie wir bereits festgestellt haben, ist der Anspruch vollständig ausgeglichener Input-<br />
Output-Prozessbeschreibungen in der Praxis nicht einlösbar. Die Ökobilanzierung ist<br />
hier – wie jede andere empirische Wissenschaft – durch die technischen und<br />
ökonomischen Möglichkeiten der Datenerhebung eingeschränkt.<br />
Bedenkt man, dass ein einzelner <strong>St</strong>off in Tausenden von Varianten vorliegen kann<br />
(beispielsweise das Pestizid Toxaphen in 60'000 möglichen Varianten 146 )und mit Blick<br />
145<br />
Sundmacher, 2002, S. 80.<br />
146<br />
Interview mit dem Toxikologen Vyvyan Howard in: Umwelt für Europäer, Informationsblatt der General-
74 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
auf die in Abschnitt 2.1.2 angesprochene Komplexität ökologischer Fragestellungen<br />
wird klar, dass im Rahmen der Indikatorenauswahl erhebliche Vereinfachungen<br />
getroffen, resp. erhebliche Informationsverluste in Kauf genommen werden müssen.<br />
Diese Vereinfachungen beziehen sich nicht nur auf den Umfang der Indikatorenliste<br />
einer Sachbilanz (stoffliches Auflösungsvermögen) und auf den Aggregationsgrad eines<br />
bestimmten Indikators, sondern zusätzlich auf den ökologischen Kontext eines zu<br />
beschreibenden <strong>St</strong>offes. Hinzu kommt, dass eine korrekte Interpretation der<br />
gemessenen Werte häufig von der Kenntnis von Eigenschaften, resp. Zuständen des<br />
zugrundeliegenden Prozesses abhängig ist. Durch die im Rahmen der Sachbilanzierung<br />
praktizierten Summierung der Inputs aus der Natur und Outputs an die<br />
Natur über verschiedene Prozesse entstehen weitere Informationsverluste.<br />
Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich durch die im Rahmen der Sachbilanzierung<br />
entwickelten Beschreibungen der Wirklichkeit für die Aussagekraft der<br />
Resultate ergeben. Wir untersuchen dazu - in Ergänzung zur bereits unter der<br />
Systemabgrenzung beleuchteten Problematik der Allokation -vier weitere, von der Ökobilanzforschung<br />
als kritisch identifizierte Aspekte:<br />
- Auswahl und Umfang der Indikatoren<br />
- Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren<br />
- Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften<br />
- Linearisierung und Virtualisierung der Prozess-Abbildung<br />
4.3.3.1 Auswahl und Umfang der Indikatoren<br />
Betrachtet man das Auflösungsvermögen der Pionier-Ökobilanzen der 70er Jahre so<br />
umfassten deren Sachbilanz Inputs aus der Natur und Outputs an die Natur im<br />
Umfange von 10 bis 20 Indikatoren. Müller-Wenks Ökologische Buchhaltung wies als<br />
Input-Indikatoren Rohöl, Eisen, Mangan, Zinn und Blei aus (neben daraus gefertigten<br />
Materialien, resp. Elektrizität, Benzin, Heizöl) und kannte auf der Output-Seite ungiftige<br />
Abfälle, den Phosphorgehalt des Abwassers sowie die gasförmigen Emissionen SO 2 ,<br />
CO, CO 2 ,HCL, sowie die Gruppe der <strong>St</strong>ickoxide (NO X )und den Summenparameter<br />
Kohlenwasserstoffe - insgesamt 4 Inputs aus der Natur und 8 Outputs an die Natur.<br />
Heute umfassen hingegen die -vorwiegend in Europa -entwickelten <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />
für viele Basismaterialien, Energiebereitstellungs- und Entsorgungsprozesse<br />
mehrere Hundert Indikatoren. Diese enorme Ausweitung des Auflösungsvermögens hat<br />
wesentlich damit zu tun, dass mittlerweile sehr umfangreiche Prozessketten einbezogen<br />
werden. Entsprechend steigt die Vielfalt der zu berücksichtigenden Materialien sowie<br />
der zu ihrer Bereitstellung wiederum benötigten Inputs aus der Natur und Outputs an<br />
die Natur. Solch umfangreiche <strong>St</strong>andard-Ökoinventare werden im Rahmen sehr<br />
direktion Umwelt, Europäische Kommission, Nr. 15, Februar 2004, S. 12.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 75<br />
aufwendiger Forschungsprojekte gewonnen und dann den Ökobilanzierenden in Form<br />
von Datenbanken zur Verfügung gestellt.<br />
Im Rahmen der meisten Ökobilanzen beschränkt sich die Primärdatenerhebung<br />
hingegen auf das unmittelbar Greifbare, also beispielsweise die im Unternehmen<br />
angesiedelten Prozesse. In seltenen Fällen werden für den Hauptstrom (beispielsweise<br />
Papier in der Zeitungsherstellung) die Daten zentraler Prozesse bei Lieferanten und<br />
Kunden erhoben. Der Umfang der Primärdaten ist in der Regel durch die Faktoren<br />
Aufwand, resp. die unabhängig von der Untersuchung bestehende Datenverfügbarkeit<br />
beschränkt. Er bewegt sich je nach Fragestellung und System zwischen einigen<br />
wenigen bis einigen Dutzend Materialien und Emissionen.<br />
Während für Materialien und Rohstoffe, Zwischenprodukte, etc. Daten aus der Finanzbuchhaltung<br />
oder Produktionsplanung relativ einfach ermittelt werden können, da sie<br />
Kosten verursachen 147 ,wird die Datenverfügbarkeit bezüglich Emissionen stark durch<br />
die umweltpolitischen Rahmenbedingungen geprägt – also beispielsweise durch die von<br />
den Behörden verlangten Messungen zur Kontrolle der Einhaltung von Grenzwerten. 148<br />
Eigens für Ökobilanzen werden in der Regel keine zusätzlichen Emissions-Messungen<br />
durchgeführt. Man behilft sich dazu häufig mittels sogenannter Emissionsfaktoren.<br />
Diese aus der Literatur übernommenen Umrechnungen erlauben eine Abschätzung der<br />
Emissionen aus den eingesetzten Inputs (beispielsweise CO 2 aus dem fossilen<br />
Energieverbrauch). In diesem Fall bestimmt dann das Auflösungsvermögen der<br />
verwendeten Tabelle über den Umfang der Indikatoren zur Beschreibung eines<br />
Prozesses.<br />
Die gemessenen oder geschätzten Primärdaten zu Materialien und Emissionen werden<br />
-wie oben bereits beschrieben -, mit den verfügbaren <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren für eine<br />
Vielzahl von Materialien sowie Abfällen und Abwässern zu Inputs aus der Natur und<br />
Outputs an die Natur umgerechnet.<br />
Durch die Umrechnung wird das Auflösungsvermögen erheblich ausgeweitet und dann<br />
–je nach Fragestellung (und Vorliebe der Ökobilanzierenden) allenfalls in einem dritten<br />
Schritt wieder auf die als relevant erachteten Indikatoren reduziert. Häufig wird aber mit<br />
allen verfügbaren Daten weitergearbeitet. In beiden Fällen wird Auswahl und Umfang<br />
der Indikatoren massgeblich fremdgesteuert, resp. durch die <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />
geprägt.<br />
4.3.3.2 Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren<br />
Betrachtet man nun den Informationsgehalt der einzelnen Indikatoren, so ist zunächst<br />
einmal deren Aggregationsstufe ausschlaggebend: Als Aggregationsstufen lassen sich<br />
verschiedene Varianten eines Elements (beispielsweise Eisen-Ionen: Fe 2+ ,Fe 3+ ,etc.)<br />
147<br />
Siehe Kytzia, S: Die Ökobilanz als Bestandteil des betrieblichen Informationsmanagements, Rüegger,<br />
Chur, 1995, S. 41. oder Tarara, 1997, S. 38.<br />
148<br />
Sundmacher, 2002, S. 89.
76 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
verschiedene Formen eines Einzelstoffes (beispielsweise Sauerstoff: O, O 2 )oder eine<br />
Zusammenfassung von Formen eines Einzelstoffes (Sauerstoffverbindungen:<br />
Sauerstoff und Ozon: O, O 2 , O 3 ) verstehen. Aber auch verschiedene, jeweils unter<br />
spezifischen Gesichtspunkten wie Messbarkeit, Aggregatszustand oder spezifische<br />
Wirkung gebildete Summenparameter werden als Indikatoren zur Beschreibung von<br />
<strong>St</strong>offen verwendet. Beispiele wären flüchtige organische (sprich Kohlenstoff C<br />
enthaltende) Verbindungen, ausgewiesen als VOC (Volatile Organic Compounds) oder<br />
der chemische Sauerstoffbedarf CSB für diverse <strong>St</strong>offe nach Einleitung in ein<br />
Gewässer. Ein bestimmter Einzelstoff kann von mehreren solchen Summenparametern<br />
bezüglich einer jeweils spezifischen Eigenschaft repräsentiert werden –beispielsweise<br />
Methan als VOC oder als Treibhausgas.<br />
Einzig nicht-aggregierte – das heisst: bis auf Varianten von Einzelstoffen hinunter<br />
reichende - Indikatoren (beispielsweise Chlorid-Ion Cl - ) erlauben grundsätzlich das<br />
trennscharfe Erfassen der ökologischen Eigenschaften eines <strong>St</strong>offes. In der Praxis ist<br />
dies jedoch mangels Datenverfügbarkeit, resp. infolge hoher Kosten der erforderlichen<br />
Analytik nur in Ausnahmefällen möglich. Zur Einhaltung vieler Grenzwerte kommen<br />
deshalb in der Regel Zusammenfassungen von Formen eines Einzelstoffes (NO X ,SO X ,<br />
etc.) oder - insbesondere bei der Erfassung der Abwasserbelastung –<br />
Summenparameter (CSB, TOC, DOC, PAK) oder gar reine Zustandsindikatoren ohne<br />
stofflichen Informationsgehalt – beispielsweise der PH-Wert – zum Einsatz.<br />
Die Bestimmung der Aggregationsstufe von Indikatoren in Ökobilanzen wird entsprechend<br />
in der Regel nicht spezifisch für eine Fragestellung vorgenommen, sondern<br />
durch die Datenverfügbarkeit bestimmt. Es wird also das Aggregationsniveau der<br />
gesetzlich vorgeschriebenen und durch die Behörden standardisierten Messungen oder<br />
der allenfalls verwendeten Emissionsfaktoren übernommen. Damit werden Prozesse<br />
nicht durchgehend auf einer bestimmten Aggregationsstufe beschrieben, sondern je<br />
nach Indikator repräsentieren unterschiedliche Aggregationsstufen die entsprechenden<br />
Flüsse: von der untersten <strong>St</strong>ufe (beispielsweise Ammonium in Wasseremissionen) über<br />
Einzelstoff-Indikatoren (beispielsweise CO) oder <strong>St</strong>offgruppen (SO X , NO X , Gesamtstickstoff,<br />
etc.) bis Summenparameter (CSB, TOC, PAK, etc.). Somit wird nicht nur der<br />
Umfang der Indikatoren, sondern auch das Aggregationsniveau einzelner Indikatoren in<br />
der Praxis stark fremdgesteuert und durch Konventionen und Usanzen geprägt.<br />
4.3.3.3 Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften<br />
Der Informationsgehalt eines Indikators ist aber nicht vom Aggregationsgrad allein<br />
abhängig: zur Ermittlung seiner ökologischen Bedeutung ist der jeweilige Kontext eines<br />
<strong>St</strong>offes entscheidend. Dieser ökologisch relevante Kontext lässt sich insbesondere<br />
chemisch-physikalisch (Zusammensetzung, Temperatur, Druck, etc.), geografisch<br />
(beispielsweise am Punkt der Emission, in einem ganz bestimmten Abschnitt eines
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 77<br />
Flusses, in einem bestimmten Fluss, in schweizerischen Flüssen, in europäischen<br />
Flüssen, etc.) sowie zeitlich (unmittelbar nach der Emission, nach 1Tag, nach 100<br />
Jahren, etc.) beschreiben.<br />
Das Beispiel der Wirkung von NO X inBezug auf die Bildung bodennahen Ozons kann<br />
diese Kontextgebundenheit illustrieren: NO X trägt bei bestimmten Verhältnissen zur<br />
Bildung von Ozon bei. Nach Überschreitung einer bestimmten –kontextabhängigen –<br />
Konzentrationsschwelle beginnt NO X hingegen Ozon abzubauen. Dieser Schwellenwert<br />
ist von der Zusammensetzung der Luft sowie von Temperatur, Druck und Sonneneinstrahlung<br />
abhängig. Dies erklärt das in der Schweiz häufige Phänomen, dass die<br />
Immissionswerte für bodennahes Ozon in ländlichen Gegenden zeitweise deutlich<br />
höher ausfallen, als in den erheblich stärker mit NO X belasteten urbanen Zentren.<br />
Damit ist die Vielfalt zu erfassender Kontexte und damit die Komplexität der zu<br />
beschreibenden Situationen, wie schon bei der Frage der Systemabgrenzung in Bezug<br />
auf die Vernetzung von Prozessketten diagnostiziert, unendlich gross.<br />
Eine ökologisch ausreichend genaue Charakterisierung eines <strong>St</strong>offes kann deshalb<br />
letztlich nur mit Bezug zu einem bestimmten, recht allgemein bestimmbaren Phänomen<br />
regionaler, nationaler oder globaler Dimension (Treibhauseffekt, Bodenversauerung,<br />
etc.), welches sich statistisch fassen lässt, bestimmen.<br />
In der heutigen Praxis der Ökobilanzierung wird der Kontext der einzelnen Indikatoren<br />
in der Regel ausgeblendet, resp. ausser Acht gelassen. Rohstoffentnahmen werden im<br />
Hinblick auf eine grundsätzliche, globale Ressourcenknappheit erhoben, unabhängig<br />
von der spezifischen Umweltproblematik einer Erzmine oder Kiesgrube. Und nicht nur<br />
Emissionen, welche globale Wirkungen -Treibhausgase oder ozonschichtabbauende<br />
<strong>St</strong>offe –sondern auch in ihrer Wirkung stark von einer lokalen Situation bestimmte<br />
Indikatoren (beispielsweise VOC, CSB, Schwermetalle, etc.) werden üblicherweise<br />
losgelöst von ihrem Kontext einfach über die verschiedenen Prozesse hinweg aufsummiert.<br />
Eine Sachbilanz weist entsprechend eine bestimmte Menge NO X aus und dieses wird in<br />
der Wirkungsanalyse oder Gewichtung gesamthaft beurteilt, unabhängig davon, ob die<br />
Emission in einer stark belasteten <strong>St</strong>adt, über dem Ozean oder allenfalls in der <strong>St</strong>ratosphäre<br />
emittiert wurde. Die Präzision vieler im Rahmen der Sachbilanzierung<br />
ausgewiesener Indikatoren ist somit aus ökologischer Sicht erheblich eingeschränkt.<br />
Es besteht die Gefahr, die Beurteilung der Umweltbelastung sehr stark zu verfälschen:<br />
Denn zumeist wird aus der Optik einer hohen Belastungssituation heraus –etwa unter<br />
dem Eindruck noch immer überschrittener Immissionsgrenzwerte für NO X in vielen<br />
Schweizer <strong>St</strong>ädten –die gesamte Emissionsmenge an NO X beurteilt, obwohl vielleicht<br />
ein Grossteil der ausgewiesenen Emissionen –beispielsweise bei der Beurteilung von<br />
Transporten per Schiff – in einem vollkommen anderen Kontext emittiert werden.
78 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Ökobilanzen für Produkte und Unternehmen mit mehreren <strong>St</strong>andorten sind<br />
zwangsläufig immer mit dieser Problematik behaftet. Das hat die Ökobilanzforschung<br />
deutlich herausgearbeitet und damit einen der gewichtigsten, grundsätzlichen Kritikpunkte<br />
an der Methodik aufgegriffen. Sie versucht zunehmend, diesem Umstand<br />
Rechnung zu tragen, indem kontextbezogene Indikatoren postuliert und neuestens<br />
auch im Rahmen von <strong>St</strong>andard-Ökoinventar-Datenbanken ausgewiesen werden. Als für<br />
Ökobilanzen taugliche Kontext-Ebenen von Indikatoren werden u.a. vorgeschlagen:<br />
Arbeitsumgebung, dicht besiedeltes Gebiet, resp. wenig besiedeltes Gebiet, oder<br />
geografische Angaben (Tokyo, Japan, Ostasien, etc.).<br />
Damit erhöht sich der Umfang an Indikatoren erheblich, da nun für viele Indikatoren<br />
mehrere Varianten ausgewiesen werden sollten und es ergeben sich zusätzliche<br />
Hierarchien der Sachbilanz-<strong>St</strong>ruktur (Beispielsweise: 1.<strong>St</strong>ufe: NO X total, 2.<strong>St</strong>ufe: NO X<br />
dicht besiedelt &NO X wenig besiedelt &NO X unspezifisch, etc.). Die Einführung solcher<br />
Unterscheidungen ist bei der Primärdatenerhebung infolge der Kenntnis des<br />
Messpunktes, resp. des <strong>St</strong>andorts des Prozesses durchaus möglich. Bei den <strong>St</strong>andard-<br />
Ökoinventaren, welche sich auf ganze Kontinente beziehen und über eine Vielzahl von<br />
Messpunkten gemittelte Indikatoren beinhalten, wird der Dokumentationsaufwand<br />
entsprechend hoch.<br />
Als eines der wenigen verfügbaren Beispiele von <strong>St</strong>andard-Datenbanken, die<br />
kontextspezifische Indikatoren ausweisen, gilt das im Jahr 2003 publizierte Ecoinvent<br />
2000 Datenformat 149 schweizerischer Ökoinventare 150 . Es unterscheidet zwischen<br />
Emissionen in dichtbesiedelte resp. wenig besiedelte Gebiete sowie die traditionell<br />
unspezifischen Emissionen. Zudem werden die Prozesse nach ihrem regionalen<br />
Geltungsbereich charakterisiert (beispielsweise Schweiz, Europa, Welt).<br />
Die Problematik des Kontextes von <strong>St</strong>offen stellt sich nicht nur im Rahmen der Sachbilanz,<br />
sondern ebenfalls bei der Wirkungsanalyse und Gewichtung. Die<br />
entsprechenden Modelle müssen dieselben kontextspezifischen Differenzierungen<br />
aufweisen. Ansonsten werden die Emissionen zwar mit Kontextbezug in der Sachbilanz<br />
ausgewiesen, danach jedoch von den verwendeten Wirkungs- und Gewichtungsfaktoren<br />
unspezifisch beurteilt.<br />
4.3.3.4 Linearisierung und Virtualisierung der Prozessabbildung<br />
Der vierte kritische Aspekt der Beschreibung eines zu untersuchenden Systems betrifft<br />
die Abbildungsqualität der Prozesseigenschaften.<br />
Primärdaten, also durch die Ausführenden einer bestimmten Ökobilanzierung selbst<br />
erhobene Daten zur Beschreibung der Prozesse, wie auch Sekundärdaten (<strong>St</strong>andard-<br />
Ökoinventare, Emissionsfaktoren, etc.) basieren entweder auf einzelnen Messungen<br />
149<br />
Siehe auch Abschnitt 5.3.3.<br />
150<br />
Siehe www.Ecoinvent.ch.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 79<br />
oder auf Mittelwerten aus mehreren Messungen unter ganz bestimmten Bedingungen.<br />
In der Realität sind die effektiven <strong>St</strong>offflüsse vieler Einzelprozesse und die Beziehungen<br />
zwischen verschiedenen Prozessen aber weder stetig, noch linear skalierbar, sondern<br />
bewegen sich innerhalb von Bandbreiten und können ab bestimmten, technisch,<br />
zeitlich, meteorologisch, ökonomisch, etc. Bedingten - sich allenfalls dynamisch<br />
verändernden - Schwellenwerten schwerwiegende Änderungen erfahren.<br />
Beispielsweise wird im Falle der Auslastung eines Prozesses (beispielsweise ein<br />
Kraftwerk, eine Papiermaschine, ein Kühllager, etc.) ab einem bestimmten Schwellenwert<br />
das Aufsetzen eines zweiten Prozesses für dieselbe Funktion benötigt und damit<br />
der Mittelwert pro produzierte Einheit massgeblich verändert.<br />
Es entspricht in der Ökobilanzierung der gängigen Praxis, auf der Basis eines einzelnen<br />
Messpunktes oder einiger gemittelter Messwerte einen Prozess als lineare Input-<br />
Output-blackbox darzustellen. Die reale Input-Output-Relation, resp. Funktion wird<br />
dabei in der Regel nicht erfasst. Diese Art der Modellierung entspricht der<br />
vorherrschenden Berechnungsmethode mittels Taschenrechner, resp. Programmen zur<br />
Tabellenkalkulation und liegt ebenfalls den meisten Ökobilanz-Software-Programmen<br />
zugrunde. 151 Die für die Abbildung von Prozessketten praktisch immer notwendigen<br />
Sekundärdaten können im Rahmen der Umrechnungen auf die Funktionelle Einheit<br />
ebenfalls nur linear skaliert werden. Arbeitet man in der Ökonomie häufig mit der<br />
Annahme steigender Grenzkosten, so könnte man sagen, Ökobilanzen unterstellen in<br />
der Regel, dass die Grenzkosten stabil den Durchschnittskosten entsprechen und damit<br />
beliebig linear skaliert werden können. Eine offensichtlich wenig realistische<br />
Unterstellung.<br />
Hinzu kommt der oftmals virtuelle Charakter der <strong>St</strong>andard-Ökoinventare: Diese werden<br />
über eine Vielzahl von unterschiedlichen -auch bezüglich ihres Auslastungsgrades oder<br />
anderer relevanter Kontexteigenschaften verschiedenen -Prozessen als generischer<br />
Mittelwert ausgewiesen. Dieser Wert bildet dann unter Umständen einen rein<br />
statistischen Zusammenhang zwischen Inputs und Outputs ab, der so in der Realität<br />
gar nicht vorkommt, sondern allein aufgrund der Mittelung technisch verschiedener<br />
Prozesse und sehr unterschiedlicher Zustände dieser Prozesse resultiert. Die Ökobilanzforschung<br />
hat die damit verbundenen Probleme an diversen Beispielen<br />
untersucht.<br />
Tatsächlich kann es dann vorkommen, dass sich die Bandbreiten der Input-Output-<br />
Indikatorwerte unterschiedlicher Technologien in der Realität überlappen: die<br />
modernste Verarbeitung von Frischfasern mit weitgehend geschlossenen Wasserkreisläufen<br />
und hohem energetischen Wirkungsgrad kann dann bezüglich bestimmter<br />
Emissionen deutlich vorteilhafter sein, als eine relativ veraltete Prozesskette zur<br />
Herstellung von Recyclingpapier, - wenngleich im (generischen) Mittel aller<br />
151<br />
Siehe Abschnitt 5.3.3.
80 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
untersuchten Fälle resultiert, dass Recyclingpapier einem Frischfaserpapier deutlich<br />
überlegen ist. 152<br />
Greifbar wurde desweiteren, dass die in weit verbreiteten <strong>St</strong>andard-Ökoinventar-<br />
Datenbanken enthaltenen Mittelwerte sehr unterschiedlich ausfallen können, wie die<br />
nachfolgende Abbildung deutlich macht:<br />
Abbildung 4.5: Vergleich von zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien<br />
<strong>St</strong>reuung des CBS-Wertes aus Abwässern von Zellstofffabriken und Vergleich mit den Mittelwerten aus<br />
zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien 153<br />
Die Ökobilanzforschung ist sich der von uns als Linearisierung und Virtualisierung<br />
bezeichneten Aspekte schon seit Mitte der 80er Jahre durchaus bewusst. 154<br />
Festgestellte Bandbreiten von einem Faktor 20 für die Herstellung eines bestimmten<br />
Materials stellten das Projekt Ökobilanz natürlich massiv in Frage !<br />
Entsprechend wurde schon zu Beginn der 90er Jahre gefordert, Ökoinventar-Daten<br />
nach dem technologischen <strong>St</strong>and der Prozesse getrennt auszuweisen (beispielsweise<br />
charakterisiert durch die installierten Umwelttechniken) oder <strong>St</strong>andarddaten nur für die<br />
jeweils best available technology auszugeben. Desweiteren wurde empfohlen, die<br />
Bandbreiten möglicher Prozesszustände statistisch zu beschreiben (Min- und Max-<br />
Werte sowie die Verteilung – beispielsweise eine lognormal Verteilung); oder die<br />
Unsicherheit anhand verschiedener Kriterien verbal-argumentativ und ggf. mittels einer<br />
–analog zur Nutzwertanalyse subjektiven –Gewichtung in einer Masszahl zu erfassen<br />
152<br />
Siehe dazu beispielsweise einen Vergleich der Abwasserbelastung verschiedener Faser-Herstellprozesse<br />
in Umweltbundesamt, 1992, Anhang 19.<br />
153<br />
Darstellung aus Umweltbundesamt, 1992, Anhang 20.<br />
154<br />
Eine Zusammenstellung entsprechender Befunde, resp. Lösungsvorschläge findet sich bereits in<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 39 – 53.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 81<br />
und somit für die Interpretation der Ergebnisse verfügbar zu machen. Jedoch stösst die<br />
Beschreibung der Unsicherheiten auch auf methodische Grenzen: Bandbreiten lassen<br />
sich nur für die untersuchte <strong>St</strong>ichprobe von Prozessen angeben. Es bleibt also die<br />
Unsicherheit bezüglich aller nicht-untersuchten gleichartigen Prozesse, die sich nur<br />
statistisch angeben lässt.<br />
Heute ist eine technologische Charakterisierung der Prozesse (anhand der Technik und<br />
des Alters der Messung) in der Regel verfügbar, ebenso ein allgemeiner, qualitativer<br />
Hinweis auf die Datenqualität im Sinne einer ABC-Beurteilung (A=hohe Qualität, B=...).<br />
Eine statistische Beschreibung der Datenqualität von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren (Bandbreiten<br />
der <strong>St</strong>ichprobe sowie statistische Unsicherheit) hat sich jedoch angesichts des<br />
Aufwands, resp. der sich bei deren Bemessung stellenden methodischen Probleme<br />
noch nicht durchgesetzt. Auch hier markiert die bereits erwähnte Ecoinvent 2000<br />
Datenbank best practice.<br />
Abbildung 4.6: Kumulierte NO X-Emissionen eines Boilers<br />
Beispiel für die Quantifizierung der Unsicherheit von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren, wie sie erstmals im<br />
Rahmen der Ecoinvent 2000 Datenbank ausgewiesen werden Das Bild zeigt die <strong>St</strong>reuung der kumulierten<br />
NO X-Emissionen eines Boilers inklusive Bereitstellung des Energieträgers. 155<br />
Zum Umgang mit Nicht-Linearität von Prozessen wurde vorgeschlagen, die Prozesse<br />
realistischer zu modellieren, indem für jede Input-Output-Relation zwischen den<br />
Indikatoren entsprechende Formeln hinterlegt werden (stöchiometrische Gleichungen,<br />
nicht-lineare Gleichungen, von Schwellenwerten gesteuerte alternative Gleichungen<br />
mittels if-then-Abfragen, etc.). Dazu sind aber heute nur einzelne Ökobilanz-Software-<br />
155<br />
Darstellung aus Frischknecht, R.: Ecoinvent Database Methodology. Präsentation, Special LCA Forum<br />
ETH Lausanne, Dezember 2003, S. 21.
82 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Werkzeuge in der Lage. 156 Liegt ein solches mathematisches Modell der untersuchten<br />
Prozessketten vor, lassen sich verschiedenste Simulationen vornehmen, welche mittels<br />
linearer Input-Output-Relationen nicht abgebildet werden können. Es können beispielsweise<br />
Restriktionen wie die Einhaltung von Grenzwerten eingeführt und die Frage<br />
beantwortet werden, bis zu welcher Auslastung, resp. welcher Menge Funktioneller<br />
Einheiten ein Prozess gesetzeskonform betrieben werden kann. Die Modellierung der<br />
Prozesse kann also erheblich näher an die realen Verhältnisse angenähert werden.<br />
In der Praxis stellt dies jedoch wiederum hohe Anforderungen an die Datenverfügbarkeit<br />
und kann zumeist nur für die vom Ökobilanzierenden allenfalls selbst<br />
betriebenen Prozesse modelliert werden. Da die Prozessbeherrschung und damit deren<br />
genaue Beschreibung in der Industrie häufig unter wettbewerbskritische Betriebsgeheimnisse<br />
fallen, sind entsprechende Angaben in der Literatur oder den <strong>St</strong>andard-<br />
Ökoinventar-Datenbanken (parametrisierbare Ökoinventare) kaum verfügbar. Damit<br />
bleibt also in vielen Fällen nichts anderes übrig, als mit linearen Input-Output-blackboxes<br />
zu arbeiten.<br />
4.3.3.5 Fazit: Sachbilanzierung erfordert zahlreiche Konventionen<br />
Unsere <strong>St</strong>andortbestimmung zur Erfassung und Beschreibung der <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüsse einer Ökobilanz macht deutlich, dass dieser Arbeitsschritt im Verlaufe der<br />
letzten 20 Jahre erheblich an Komplexität gewonnen hat, resp. dass man sich der<br />
Komplexität einer wissenschaftlichen Beschreibung von Prozessen bewusst geworden<br />
ist.<br />
Mit der Verfügbarkeit von immer umfassenderen <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren kann zwar<br />
einerseits das Postulat einer ganzheitlichen, dass heisst am Lebenszyklus des zu<br />
betrachtenden System ausgerichteten Betrachtung zunehmend eingelöst werden.<br />
Diese Ausweitung der Perspektive geht jedoch mit einer Virtualisierung und<br />
Konventionalisierung des Informationsgehalts der zu verwendenden <strong>St</strong>offflussdaten<br />
einher. Umfang und Aggregationsniveau der Input- und Output-Indikatoren werden<br />
zentral durch einige wissenschaftliche Datenlieferanten standardisiert und gesteuert.<br />
Die bislang infolge mangelnder Datenverfügbarkeit unsichtbaren Prozesse werden<br />
anhand von statistischen Mittelwerten mit den durch die Anwendenden selbst<br />
erhobenen Mess- und Schätzwerten vermischt. Sie dominieren häufig die Sachbilanzergebnisse,<br />
haben aber kaum noch einen Kontextbezug, der für präzise ökologische<br />
Beurteilungen unabdingbar wäre. In der Folge können bei der späteren Wirkungsanalyse<br />
und Gewichtung Artefakte entstehen. Die auftretenden Verzerrungen führen<br />
dabei tendenziell eher zu einer Überschätzung der Umweltbelastung, da der worst case<br />
als rettende Grundannahme für die Anwendenden eine hohe Plausibilität aufweist.<br />
Die Ökobilanzforschung ist sich den identifizierten Problemfeldern durchaus bewusst<br />
und sie erscheint bestrebt Abhilfe zu schaffen, indem versucht wird, wieder einen –<br />
wenngleich noch rudimentären - Kontextbezug einzuführen und die Datenqualität<br />
156<br />
Beispielsweise Umberto mit dem Ansatz der Petrinetze (Siehe Abschnitt 5.3.1): www.umberto.de.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 83<br />
mittels qualitativer und statistischer Unsicherheitsangaben zu beschreiben. Sie beginnt<br />
damit, die eigenen, vor bald 10 Jahren aufgestellten Postulate zur Erstellung von<br />
Sachbilanz zunehmend zu erfüllen – soweit dies überhaupt möglich ist.<br />
Aus Sicht der Praxis muss jedoch vermerkt werden, dass für den Anwendenden –<br />
jenseits grosser Grundlagenforschungsprojekte -letztlich kaum die Möglichkeit besteht,<br />
die Postulate zur Sachbilanzierung selbstständig einzuhalten. Bezüglich der -meistens<br />
nur geringen Anzahl -selbst erhobener Prozessdaten wird die Datenqualität durch die<br />
Verfügbarkeit bestehender Messungen sowie den hohen Aufwand eigener Messungen,<br />
resp. die Komplexität der Beschreibung von Prozessen letztlich stark eingeschränkt.<br />
Damit wird deutlich, dass die Sachbilanzierung, resp. ihre Resultate einen hohen Grad<br />
an Abstraktion fernab von der realen Situation des zu untersuchenden Gegenstandes<br />
aufweisen. Anhand einer geringen Zahl durch die Anwendenden selbst erfasster<br />
Material-, resp. <strong>St</strong>offflüsse werden letztlich Modelle der Ökobilanzforschung skaliert.<br />
Diese Modelle basieren wiederum auf vielfältigen, durch die Forschenden getroffenen<br />
Annahmen und Konventionen. Sie sind damit geeignet die Ausrichtung der Lernprozesse<br />
der Anwendenden erheblich zu beeinflussen.<br />
4.3.4 Selektion und Modellierung von Wirkungsketten<br />
Neben der oben beschriebenen Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Behandlung<br />
besonders kritischer Operationen der Sachbilanzierung erfuhr in den 90er Jahren auch<br />
die systematische Beurteilung der <strong>St</strong>offbilanzen stark an Bedeutung.<br />
Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die Arbeiten der 70er und 80er Jahre nur in<br />
sehr rudimentären Ansätzen direkt Bezug auf konkrete Umweltveränderungen nahmen.<br />
Die (Output-seitige) Umweltbelastung wurde anhand der Emissionen, nicht anhand der<br />
von ihnen ausgehenden Umweltveränderungen beurteilt. Eine Datenverdichtung<br />
beschränkte sich allenfalls auf umweltmedienspezifische Kategorien wie Luft<br />
(-belastung), Wasser(-belastung) sowie Abfall (Deponieraumbedarf) und Rohstoff-,<br />
resp. Energieverbrauch.<br />
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, resp. Modelle der Umweltforschung fanden<br />
zunächst nur indirekte Berücksichtigung über die Priorisierung via gesetzliche<br />
Grundlagen wie Umweltqualitätsziele, MIK- oder MAK-Werte. Transmissionsprozesse -<br />
also die zwischen Emission und Immission stattfindenden Abbau- und<br />
Umwandlungsprozesse -wurden ebenfalls nicht systematisch einbezogen, sondern nur<br />
–in seltenen Fällen -sehr pragmatisch und punktuell für einzelne <strong>St</strong>offe im Ansatz<br />
berücksichtigt. Wir haben diese Situation in Abschnitt 3.2.2 dargestellt. Sie muss vor<br />
dem Hintergrund gesehen werden, dass in den 70er Jahren die Umweltforschung selbst<br />
noch wenig entwickelt war und damit die Voraussetzungen für einen differenzierten und<br />
systematischen Einbezug von Umweltwirkungen in die Ökobilanzierung noch gar nicht<br />
gegeben waren. Unter dem Eindruck einer drohenden Ökologischen Katastrophe wurde<br />
sie als Überlebenswissenschaft seither jedoch erheblich ausgebaut und ihr Einfluss auf
84 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
die Definition gesellschaftlich wahrgenommener Umweltthemen stieg insbesondere ab<br />
Mitte der 80er Jahre deutlich an.<br />
Die klassischen Themen-Kategorien wie Ressourcenknappheit, Luftbelastung und<br />
Gewässerverschmutzung wurden nun auch in Öffentlichkeit und Politik differenzierter<br />
thematisiert und in verschiedene Phänomene wie Smog, Überdüngung, Versauerung,<br />
etc. unterteilt. Die sich einer unmittelbaren Erfahrbarkeit entziehenden, globalen<br />
Umweltveränderungen – Abbau der Ozonschicht, Treibhauseffekt, Verlust an Artenvielfalt<br />
–gewannen an wissenschaftlicher Fundierung und gesellschaftlicher Beachtung.<br />
Das Phänomen Umweltbelastung wurde immer mehr zu einem vorwiegend auf<br />
Emissionen, resp. Immissionen bezogenen Thema. Die drohende Rohstoffverknappung<br />
wurde hingegen hauptsächlich auf Energieknappheit reduziert.<br />
Diese Entwicklung prägte schliesslich auch die Differenzierung des Impact Assessment<br />
von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen. Die Frage einer systematisierten ökologischen<br />
Priorisierung wurde damit immer drängender, und die Validität als auch<br />
Operationalisierbarkeit einer subjektiven, verbal-argumentativen Beurteilung angesichts<br />
der zunehmenden Komplexität grundsätzlich in Frage gestellt. 157 Dazu trug neben den<br />
immer vielfältigeren und verwissenschaftlichten Umweltthemen auch das enorm<br />
gestiegene Auflösungsvermögen der Sachbilanzierung wesentlich bei: Konzepte der<br />
subjektiven ABC-Beurteilung oder Nutzwertanalyse verlieren mit zunehmender Anzahl<br />
Indikatoren –insbesondere jenseits von 10 -20 Indikatoren pro Umweltmedium -ihre<br />
Praktikabilität, weil die Beurteilenden überfordert werden, resp. ihr Mangel an umweltwissenschaftlicher<br />
Sachkenntnis offengelegt wird.<br />
Erste Ansätze in Richtung Formalisierung der Erfassung von Wirkungsaspekten im<br />
Rahmen der Ökobilanzierung wurden mit Bezug zur Risikoanalyse von Chemikalien<br />
entwickelt: In der Literatur wird dazu das Beispiel der vom Batelle Institut 1978<br />
publizierten Methodik zur Beurteilung organischer Substanzen als Pionierleistung<br />
gewürdigt: 158 Die <strong>St</strong>offe wurden anhand von 5 Kriterien und naturwissenschaftlichexperimentell<br />
fundierter Daten beurteilt und dann gewichtet zu einem Gefährdungspotential<br />
aggregiert. Die Kriterien waren: Menge, Persistenz (Abbaubarkeit anhand der<br />
Halbwertszeit des <strong>St</strong>offes), Mobilität (normiert auf den Wasser-Verteilungskoeffizient<br />
von n-octanol) und Schadwirkung (MAK Maximale Arbeitsplatzkonzentration 159 ). Als<br />
fünftes Kriterium wurden auch „indirekte Schadwirkungen“ wie Kanzerogenität,<br />
Ozonabbau und Treibhauseffekt anhand einer simplen Ja/Nein-Klassifizierung<br />
mitberücksichtigt.<br />
157<br />
Siehe Enquête Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages<br />
(Hrsg.): Die Industriegesellschaft gestalten, Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit <strong>St</strong>off- und<br />
Materialströmen, Economica, Bonn, 1994, S. 676.<br />
158<br />
Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 102.<br />
159<br />
Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen =Bemessen auf Arbeitsnehmer durchschnittlicher Konstitution<br />
und im Rahmen der normalen Arbeitszeit. Nicht vergleichbar mit den auf Risikogruppen (Kindern,<br />
Personen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder besonderer Anfälligkeit) und eine andauernde<br />
Exposition bemessenen MIK-Werten.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 85<br />
Ende der 80er Jahre setzte sich dann zur Risikobeurteilung von Chemikalien<br />
zunehmend durch, die Schadwirkung nicht mehr anhand der politischen MAK-Werte,<br />
sondern durch direkten Einbezug der toxikologischen Charakterisierung von <strong>St</strong>offen zu<br />
bestimmen, indem sogenannte Toxizitätsäquivalente zur Beurteilung eingesetzt wurden.<br />
In der Ökobilanzforschung waren dazu die Arbeiten von Gebler wegweisend. 160 Er<br />
berechnete solche Charakterisierungsfaktoren auf der Basis von -über verschiedene<br />
Organismen gemittelten -, stoff-spezifischen Schwellenwerten für Kanzerogenität,<br />
Mutagenität und Toxizität sowie unter Einbezug der Bioakkumulation (Anreicherung von<br />
<strong>St</strong>offen in den Organismen) und der Persistenz.<br />
Damit fanden (umwelt-)naturwissenschaftliche Konzepte und Daten erst gegen Ende<br />
der 80er Jahre wirklich -sprich systematisch -Eingang in die Ökobilanzierung. Zuvor<br />
bestand das Konzept im Kern lediglich aus einer ingenieurwissenschaftlichen<br />
Beschreibung von <strong>St</strong>offflüssen und Beurteilungsmethoden, welche verschiedene Wertmassstäbe<br />
repräsentierten. Diese Wertmassstäbe wurden zwar verschiedentlich naturwissenschaftlich<br />
begründet, bildeten jedoch nicht Teil der Modellierung von Ökobilanzen,<br />
sondern stellten exogene, also über Annahmen eingeführte Referenzwerte,<br />
resp. Bewertungsprinzipien dar.<br />
Die Ökobilanzforschung der 90er Jahre ging nun dazu über diese naturwissenschaftlich<br />
modellierbaren Umweltveränderungen und deren Schadwirkung von der ökonomisch<br />
oder sozialwissenschaftlich bestimmten Gewichtung klar zu trennen und unter dem Titel<br />
der Wirkungsanalyse zu operationalisieren. Es entstanden eine ganze Reihe neuer<br />
Begrifflichkeiten und Arbeitsschritte:<br />
1. Selektion: Welche Wirkungskategorien sind zu berücksichtigen<br />
2. Klassifizierung: Zuordnung der Substanzen zu den Wirkungskategorien<br />
3. Charakterisierung: Quantifizierung des Beitrags des Untersuchungsgegenstandes<br />
zu den ausgewählten Wirkungskategorien<br />
Für die praktische Ökobilanzierung spielen die Arbeitsschritte Klassifizierung und<br />
Charakterisierung als einzelne Operationen keine Rolle. Sie werden an die Forschung<br />
delegiert. Dort werden sie zwingend als -zweistufige –Einheit ausgeführt. Eine isolierte<br />
Betrachtung macht für unsere Untersuchung deshalb wenig Sinn. Wir fassen diese<br />
beiden Schritte deshalb unter dem Begriff Modellierung von Wirkungsketten<br />
zusammen.<br />
Sowohl die Selektion von Wirkungen als auch die Modellierung von Wirkungsketten<br />
stellen kritische Arbeitsschritte dar und haben wesentlichen Einfluss auf das Resultat,<br />
deren Realitätsbezug und damit auf die durch Ökobilanzen angestossenen<br />
Lernprozesse.<br />
160<br />
Gebler, W.: Ökobilanzen in der Abfallwirtschaft. Methodische Ansätze zur Durchführung einer<br />
Programm-Umweltverträglichkeitprüfung, <strong>St</strong>uttgarter Berichte zur Abfallwirtschaft Band 41, 1990.
86 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
4.3.4.1 Selektion von Wirkungskategorien<br />
Als Wirkungskategorien kommen verschiedenste, als problematisch empfundene,<br />
zumeist durch verschiedene Substanzen ausgelöste Phänomene in Frage. „Die Liste<br />
der zu betrachtenden Wirkungen sollte dabei einerseits kompakt mit einer möglichst<br />
geringen Zahl an Wirkungen ausgestaltet sein, um die wesentliche Aufgabe der<br />
Wirkungsbilanz –die Schaffung von Voraussetzungen für eine auch öffentlich nachvollziehbare<br />
Bilanzbewertung –zu erfüllen. Andererseits sollte sie möglichst vollständig<br />
sein, um die in der Umweltschutzdiskussion allgemein anerkannten Zielsetzungen zu<br />
erfüllen.“ 161<br />
Einen Meilenstein stellten hierzu die Arbeiten des niederländischen Zentrums für<br />
Umweltwissenschaften in Leiden (CML) dar, deren Forscher bereits innerhalb der<br />
SETAC bei der Formulierung des Rahmenkonzepts der Ökobilanzierung im Rahmen<br />
des Code of Practice massgeblich beteiligt waren. Der 1992 unter der Leitung von<br />
Heijungs publizierte Leitfaden 162 und die dazu erarbeiteten Datengrundlagen aus<br />
Modellen zur Klassifizierung und Charakterisierung prägten Diskussion und Anwendung<br />
weltweit. Erstmals war es möglich, die Bedeutung einer Vielzahl von Inputs und Outputs<br />
im Hinblick auf verschiedene Wirkungen numerisch zu quantifizieren. Konkret umfasste<br />
die Methode folgende 15 Wirkungskategorien:<br />
– Erschöpfung abiotischer Ressourcen<br />
– Erschöpfung biotischer Ressourcen<br />
– Landbeanspruchung<br />
– Treibhauseffekt<br />
– Ozonabbau (in der <strong>St</strong>ratosphäre)<br />
– Humantoxizität<br />
– Aquatische Ökotoxizität<br />
– Terrestrische Ökotoxizität<br />
– Bildung von Photooxidantien<br />
– Versauerung<br />
– Überdüngung (Eutrophierung)<br />
– Abwärme in Oberflächengewässer<br />
– Geruchsbelästigung<br />
– Lärm<br />
– Opfer (Tote und Kranke)<br />
161<br />
Klöpffer/Renner, 1995, S. 17.<br />
162<br />
Heijungs, R., et.al.: Environmental Life Cycle Assessment of Products, Guideline and Backgrounds,<br />
CML, Leiden, 1992.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 87<br />
In der Folge haben sich verschiedene Institutionen mit ähnlichen Vorschlägen<br />
eingebracht und Listen von Wirkungskategorien diskutiert, die grundsätzlich in Frage<br />
kommen. 163 Damit wurde der Rahmen absteckt, was innerhalb der Ökobilanzforschung<br />
als ökologisch relevant, wissenschaftlich fassbar -und mit Blick auf die weitläufigen<br />
Prozessketten, resp. die umfangreichen Sachbilanz - als passend erachtet wurde.<br />
Heute sind hier die nach wie vor wesentlich durch Forschende aus Leiden geprägten<br />
Arbeiten der SETAC 164 ,resp. der Life Cycle Initiative des United Nations Environmental<br />
Programs (UNEP) 165 massgeblich.<br />
Ein Vergleich von CML 1992 und aktuellen Vorschlägen offenbart, dass ein Grossteil<br />
der damals postulierten Wirkungskategorien auch heute noch als relevant erachtet wird.<br />
Allerdings haben sich <strong>St</strong>ruktur und Detaillierungsgrad erheblich verändert, wie wir bei<br />
der Frage der Modellierung noch sehen werden. Grundsätzlich neuartige Kategorien<br />
werden erst seit kurzem diskutiert: hier sind einerseits Wirkungen zu nennen, welche<br />
aus Sicht des hochindustrialisierten Nordens bislang nicht Gegenstand der Umweltdiskussion<br />
waren, jedoch in Ländern der südlichen Hemisphäre und in Asien als<br />
relevant eingestuft werden: Versalzung, Vertrocknung, Wüstenbildung, Bodenerosion.<br />
Anderseits sind technologiespezifische Wirkungskategorien vorgeschlagen worden:<br />
Effekte ionisierender <strong>St</strong>rahlung oder Wirkungen gentechnisch veränderter Organismen<br />
oder invasiver (durch den Menschen in ein Ökosystem eingebrachter Arten) auf Ökosysteme<br />
und den Menschen (beispielsweise pathogene Organismen).<br />
Weitere Kategorien in Diskussion sind Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder generell<br />
dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen. 166<br />
Gegen Ende der 90er Jahre ist hingegen die Wirkungskategorie Abfall 167 , resp. der<br />
Bedarf an Deponievolumen weitgehend aus den Listen relevanter Wirkungen<br />
verschwunden.<br />
Im konkreten Anwendungsfall einer Ökobilanzierung dienen diese Listen als<br />
Ausgangspunkt. Die wissenschaftliche Rationalisierung durch Wirkungsmodelle<br />
erfordert also zunächst einen willkürlichen, wenig formalisierten aber kritischen<br />
Arbeitsschritt: die Selektion von Wirkungen. Bislang haben sich dazu sehr allgemein<br />
formulierte Kriterien entwickelt, wie auch der ISO14042 entnommen werden kann: Die<br />
Wirkungskategorien sollen im Hinblick auf die spezifische Fragestellung einer Ökobilanzierung<br />
„zielführend“, „wissenschaftlich fundiert“ und „ökologisch relevant“ sein. Sie<br />
sollen mit den effektiv durch den Untersuchungsgegenstand verursachten Wirkungen<br />
163<br />
Siehe Consoli, 1993 sowie Klöpffer/Renner, 1995 oder Lindfors, L.G., et.al: Impact Assessment. LCA-<br />
NORDIC Technical Report Nr.10, Nordic Council of Ministers, Copenhagen, 1996.<br />
164<br />
De Haes, U. et.al.: Life Cycle Impact Assessment – <strong>St</strong>riving for Best Practice, SETAC, 2002.<br />
165<br />
UNEP Life Cycle Initiative: LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II, January 2003.<br />
166<br />
Klöpffer, W., Renner, I.: The Problem of New Impact Categories, in: UNEP Life Cycle Initiative: LCIA<br />
Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II, January 2003, ohne Seitenangaben.<br />
167<br />
Sundmacher, 2002, S. 173.
88 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
übereinstimmen und Überschneidungen zwischen den gewählten Kategorien sind zu<br />
vermeiden.<br />
De facto konnten sich diese Postulate jedoch nur sehr beschränkt durchsetzen: schon<br />
die von verschiedenen Forschenden und Behörden erarbeiteten Auswahllisten wurden<br />
den Kriterien von ISO14042 nicht gerecht: Die bekannten Vorschläge verstiessen alle<br />
gegen das Postulat der Vermeidung von Überschneidungen zwischen den Kategorien.<br />
Neben Human- und Ökotoxizität führten sie in der Regel auch Versauerung, Überdüngung<br />
und Photooxidantien nebeneinander auf, obwohl diese Kategorien Umweltveränderungen<br />
darstellen, welche mittelbar zur Human- resp. Ökotoxizität beitragen.<br />
Nicht konsistent waren die Listen auch insofern, als dass sie vereinzelt Sachbilanz-<br />
Indikatoren –Energieverbrauch oder Abfall –enthielten, wenngleich diese <strong>St</strong>offflüsse<br />
im Rahmen der Sachbilanz sowie anhand von Wirkungen anderer Kategorien<br />
abgedeckt wurden. Emissionen aus der Abfallentsorgung beispielsweise über<br />
Ökotoxizität, Versauerung, Überdüngung, etc..<br />
Im Kontrast zum Postulat einer entscheidungsspezifischen Selektion standen zudem<br />
die verschiedentlich unternommenen Versuche, einen Konsens über den minimalen<br />
Umfang an Wirkungsindikatoren, die immer einbezogen werden sollten, herbeizuführen.<br />
Man sprach in solchen Fällen dann von „Pflicht- und Kür-Kategorien“. 168 Wurden diese<br />
Listen durch einflussreiche Institutionen wie dem Deutschen Umweltbundesamt<br />
publiziert, so führten sie aufgrund ihrer Autorität zur Selektion bei den Anwendenden.<br />
Aus Sicht der Praxis stellte wiederum die Datenverfügbarkeit das zentrale Selektionskriterium<br />
dar: denn die Modellierung einzelner Wirkungen ist sehr aufwendig und<br />
erfordert sehr spezifisches Umweltwissen. <strong>St</strong>eht für eine als relevant erachtete Wirkung<br />
jedoch kein Modell zur Verfügung, so muss auf deren Einbezug in der Regel verzichtet,<br />
resp. auf eine qualitative Beurteilung abgestellt werden. Ebenfalls selektierend wirkt die<br />
vermeintliche Plausibilität von Wirkungen: so werden Themen von nationaler, resp.<br />
internationaler umweltpolitischer Relevanz unabhängig von der Angemessenheit<br />
bezüglich der spezifischen Fragestellung, resp. ihrer allenfalls stark an einen regionalen<br />
Kontext gebundenen Wirkung ausgewählt. Gerade die stark von der bereits<br />
bestehenden, sogenannten Hintergrundbelastung sowie anderen lokalen Faktoren<br />
abhängigen Kategorien Versauerung, Überdüngung sowie Photooxidation wurden und<br />
werden häufig zur Beurteilung von kontext-unspezifischen Emissionen herangezogen.<br />
Hingegen lässt sich feststellen, dass die Anwendenden diejenigen Wirkungen kaum<br />
einbezogen haben, deren Kontextbezug auch für Laien leicht erkennbar und deren<br />
politische Diskussion zudem eher kontextspezifisch erfolgt: Dies betrifft aus der Liste<br />
von CML die Kategorien Geruchsbelastung, Lärm, Abwärme, Arbeitsplatzbelastung<br />
sowie Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen,<br />
dass dazu bereits spezifische, auf lokale Problemfelder spezialisierte Beurteilungsinstrumente<br />
wie die Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Risikoanalyse ausserhalb<br />
der Ökobilanzierung zur Verfügung stehen.<br />
168<br />
Siehe Klöpffer/Renner, 1995, S. 63 – 70.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 89<br />
Die zwar im Hinblick auf Biodiversität- und Habitatschutz allgemein anerkannte Landbeanspruchung<br />
konnte sich ebenfalls lange Zeit nicht durchsetzen –denn in der Sachbilanzierung<br />
fehlten bis Ende der 90er Jahre entsprechende Daten. Im Zuge der<br />
gestiegenen Datenverfügbarkeit wird diese Kategorie heute jedoch vereinzelt miteinbezogen<br />
und bei der Beurteilung von landwirtschaftlichen Prozessen, resp. Rohstoffen<br />
als Pflichtkriterium betrachtet.<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass Datenverfügbarkeit, wissenschaftliche<br />
Fundierung, politische Autorität der verfügbaren Modelle sowie deren vordergründige<br />
Plausibilität, resp. deren vordergründig erkennbarer Kontextbezug die Selektion<br />
prägten.<br />
Dies führt uns zur zweiten kritischen Operation der Wirkungsanalyse: der Modellierung<br />
von Wirkungsketten.<br />
4.3.4.2 Modellierung von Wirkungsketten<br />
Die Modellierung der Wirkungen im Rahmen von Ökobilanzen erhebt nicht den<br />
Anspruch reale Umweltwirkungen abzubilden: „It must be emphasized, that these<br />
methods of analysis do not indicate that actual impacts will be observed in the<br />
environment because of the life cycle of the product or process under study, but only<br />
that there is apotential linkage (...).“ 169 Der Wirkungsanalyse liegt das Konzept des<br />
<strong>St</strong>ressors zugrunde: <strong>St</strong>ressoren sind Bedingungen, die zur Beeinträchtigung der<br />
menschlichen Gesundheit, der Gesundheit von Ökosystemen oder zur Erschöpfung von<br />
Ressourcen führen können. 170<br />
Schon zu Beginn der 90er Jahre war man sich bewusst, dass eine solche Übersetzung<br />
von Emissionen in potentielle Beeinträchtigungen über komplexe Wirkungsketten<br />
erfolgt. Es wurden bezüglich verschiedener Umweltphänomene verschiedene <strong>St</strong>ufen<br />
von Wirkungen unterschieden: Im Falle des Treibhauseffekts beispielsweise die<br />
Veränderung der <strong>St</strong>rahlungsabsorption der Atmosphäre, der Temperatur, der<br />
Vegetation, der Artenvielfalt, der Gesundheit eines Ökosystems, etc.<br />
Je weiter man sich von einer spezifischen Emission entlang der Wirkungskette bewegt,<br />
desto komplexer wird das Wirkungsgefüge, da eine Vielzahl von Wirkungen<br />
angestossen werden und sich die Wirkungskette mehrfach verzweigen kann.<br />
Entsprechend wird eine Quantifizierung des potentiellen Beitrags einer bestimmten<br />
Emission immer schwieriger, resp. wissenschaftlich immer weniger gesichert quantifizierbar.<br />
Wie schon bei der Problematik der Systemabgrenzung zur Beschreibung des<br />
Untersuchungsgegenstands sieht sich die Ökobilanzierung auch bei der Beurteilung<br />
Umweltwirkungen letztlich wieder mit einem unendlich komplexen System konfrontiert.<br />
Besteht diese Problematik bei der Sachbilanzierung bezüglich der Vernetzung der<br />
169<br />
Hejiung, R., Guineé, J.: CML on actual versus potential risks, in: LCA News, SETAC Europe, Nr. 3, July<br />
1993, S. 4.<br />
170<br />
Klöpffer/Renner, 1995, S. 24.
90 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Prozesse der Technosphäre, stellt sie sich bei der Wirkungsanalyse bezüglich der<br />
Vernetzung der Prozesse der Ökosphäre.<br />
Abbildung 4.7: Wirkungskette Versauerung<br />
Aufbau einer Wirkungskette am Beispiel der Wirkungskategorie Versauerung. Die Bildung von Wasserstoffionen<br />
stellt hier den Umweltveränderungsindikator dar, der Schaden wird anhand des<br />
Schadensindikators PDF beschrieben. (Potentially Disappeared Fraction of Species; ein Wert von 1<br />
bedeutet, dass alle Arten von der Fläche 1m 2 für die Dauer eines Jahres verschwinden oder dass 10% der<br />
Arten während 10 Jahren verschwinden oder dass 10% der Arten während eines Jahres von 10m 2<br />
verschwinden 171 ) 172<br />
Um angesichts dieser hohen Komplexität dennoch Zusammenhänge erfassen und einer<br />
formalen Modellierung zuführen zu können, begann die Ökobilanzforschung die<br />
Wirkungsketten der in den verschiedenen Listen vorgeschlagenen Umweltveränderungen<br />
systematisch zu strukturieren, Wirkungsstufen zu entflechten, und die<br />
Umweltveränderungen von den durch sie verursachten Schäden zu trennen. Dementsprechend<br />
unterscheidet man heute bewusst zwischen den Schutzobjekten (saveguard<br />
subjects 173 ) - auch areas of protection 174 genannt -, den zugehörigen Schadens-<br />
171<br />
Goedkoop, M., Spriensma, R.: The Eco-indicator 99 –Adamage oriented method for Life Cycle Impact<br />
Assessment, Methodology Report, Second Edition, April 2000, S. 116.<br />
172<br />
Leicht veränderte Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 161.<br />
173<br />
Dieser Begriff wird in der ISO 14040 Normreihe zur Ökobilanzierung verwendet.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 91<br />
kategorien (endpoints), charakterisiert anhand von Schadensindikatoren (endpoint<br />
indicators) und Umweltveränderungskategorien (midpoints), operationalisiert durch<br />
Umweltveränderungsindikatoren (midpoint indicators).<br />
4.3.4.3 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Emissionen<br />
Wenngleich schon zu Beginn der 90e Jahre von Schutzobjekten gesprochen wurde, so<br />
erfolgte die wissenschaftliche Aufarbeitung der Wirkungsketten zunächst ausgehend<br />
von den Emissionen entlang der Wirkungskette zu verschiedenen in den oben<br />
erwähnten Listen als besonders relevant erachteten Wirkungskategorien auf Ebene<br />
Umweltveränderungen, welche am Anfang erheblich komplexerer Wirkungszusammenhänge<br />
stehen. Sie liessen sich zumeist anhand von experimentell bestimmbaren<br />
<strong>St</strong>offeigenschaften beschreiben: Versauerung anhand der Protonenbildung und<br />
normiert über das gewichtsbezogene Protonenbildungspotential von SO2 (Indikator:<br />
Acidification Potential in kg SO2-Equivalent) oder anthropogener Treibhauseffekt mittels<br />
der stoffbezogenen <strong>St</strong>rahlungsabsorptionsfähigkeit, zeitlich abgegrenzt unter Einbezug<br />
der Verweil-, resp. Wirkungsdauer normiert auf die Leitsubstanz Kohlendioxid<br />
(Indikator: Global Warming Potential, Modell 100 Jahre, in kg CO 2 -Equivalent).<br />
Die entsprechende Wirkungsbilanzierung kannte keine Schäden an Schutzobjekten,<br />
resp. entsprechende Schadenskategorien. Sie berücksichtigte zudem nur Persistenz,<br />
resp. Verweildauer von <strong>St</strong>offen sowie ganz einfache Transmisionsprozesse. Im<br />
Verlaufe der 90er Jahre wurden diese vorwiegend im Labor bestimmbaren Parameter<br />
der <strong>St</strong>offeigenschaften für verschiedene Wirkungsketten mit Transmissions- und<br />
Aufnahmemodellen verknüpft: Zur Operationalisierung der Wirkungskategorien Humanund<br />
Ökotoxizität sind heute solche Modelle meistens Bestandteil der Wirkungsanalyse.<br />
Vereinzelt sind mittlerweile auch Modellierungen für Versauerung unter Einbezug der<br />
Hintergrundbelastung, resp. Pufferkapazität von Böden und Gewässern im Einsatz 175 .<br />
Diese Wirkungsmodelle bilden Verteil-, Abbau- und Umwandlungsprozesse in den<br />
einzelnen Umweltmedien ab, indem die Mobilitäts-, Persistenz-, Akkumulations- und<br />
Reaktionseigenschaften bestimmter Leitsubstanzen mit Daten zur Beschreibung der<br />
Eigenschaften der jeweiligen Umweltmedien (Wind- und Fliessgeschwindigkeiten, Luftfeuchtigkeit,<br />
<strong>St</strong>rahlungsintensität, etc.) kombiniert werden. Zu diesem fate modelling<br />
kommen exposure models hinzu. Sie beschreiben die Aufnahmewege von <strong>St</strong>offen<br />
durch Pflanzen, Tiere und schliesslich Menschen.<br />
174<br />
Dieser Begriff wird in den Arbeiten der UNEP Life Cycle Initiative verwendet.<br />
175<br />
Potting, J., Hauschild, M.: Spatial Differentiation in Life Cycle Assessment via the site-dependent<br />
Characterisation of Environmental Impact from Emission, in: Intern. Journal of LCA, Nr. 4, 1997, S.<br />
209-216.
92 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Modelle stammen ursprünglich aus der Risikoanalyse für Chemikalien 176 und es<br />
existieren verschiedene Varianten, die jeweils im Hinblick auf spezifische Fragestellungen<br />
entwickelt wurden. 177 Angefangen von Modellen zur Beschreibung eines<br />
ganz bestimmten geografischen Raums, beispielsweise eines spezifischen Flussdeltas,<br />
einer <strong>St</strong>adt oder einer länderübergreifenden Region bis hin zu Globalmodellen 178 ohne<br />
räumliche Auflösung.<br />
Entsprechend unterschiedlich sind die damit untersuchten Fragestellungen: angefangen<br />
bei den Auswirkungen des Baus einer Fabrik über die Erfassung grenzüberschreitender<br />
Schadstofffrachten bis hin zu sehr generellen Abschätzungen der Masseverteilung von<br />
Substanzen auf die Umweltmedien oder der potentiellen Anreicherung von <strong>St</strong>offen in<br />
der Nahrungskette.<br />
Für die Berechnung von Grundlagendaten zur Wirkungsanalyse in Ökobilanzen finden<br />
vorwiegend die sehr abstrakten, in der Regel nicht räumlich-geografisch differenzierten<br />
Modelle Anwendung. Infolge der hohen Komplexität in diesem Forschungsbereich,<br />
befassen sich nur wenige, hochspezialisierte Forschungsgruppen mit der Modellierung<br />
und Berechnung entsprechender Grundlagendaten 179 ,wobei die Arbeiten von CML 180<br />
anhand des USES-Modells in der Literatur am häufigsten genannt werden. In jüngerer<br />
Vergangenheit finden zudem auch die Arbeiten der EPFL Lausanne 181 sowie der<br />
Technischen Universität Dänemark 182 innerhalb der Ökobilanzforschung Anerkennung.<br />
Im Vordergrund steht die Ermittlung von Verteilungskoeffizienten, resp. Konzentrationen<br />
verschiedener Gruppen von Chemikalien in sehr allgemein modellierten Umweltkompartimenten<br />
(Boden, <strong>St</strong>ratosphäre, Troposphäre, Oberflächengewässer, Grundwasser,<br />
Ozeane) und darauf aufbauend die Abschätzung der Aufnahmekoeffizienten<br />
durch Lebewesen.<br />
176<br />
Mackay, D. et.al.: Evaluating the Environmental Behaviour of Chemicals with a Level III Fugacity<br />
Model, in: Chemosphere, Nr. 14, 1985, S. 335. (Literaturverzeichnis: 335 – 374.)<br />
177<br />
Einen Überblick bietet. Pennington, D. et.al: Construction of aChemical Fate &Human Exposure<br />
Model of Toxic Substances for Japan, Final Report, EPFL, 2001, Abschnitt 2.2 Multimedia Models –<br />
Background, ohne Seitenangaben<br />
178<br />
Siehe Mackay, D.: Multimedia Environmental Models: The Fugacity Approach. Lewis Publishers, Boca<br />
Raton, 1991.<br />
179<br />
Jolliet, O., Pennington, D.: Ecotoxicity, Description and <strong>St</strong>ate of the Art, in: UNEP Life Cycle Initiative,<br />
LCA Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, Background Document III, 2003, S. 17<br />
180<br />
Siehe Guinée, J., et. al. :LCA Impact Assessment of Toxic Releases: Generic modelling of fate,<br />
exposure and effect for ecosystems and human beeings for about 100 chemicals, Centre of<br />
Environmental Science, Leiden, National Institute of Public Health and Environmental Protection,<br />
Netherlands, 1996.<br />
181<br />
Siehe Jolliet, O., et.al.: IMPACT 2002+, ANew Life Cycle Impact Assessment Methodology, in: Int.<br />
Journal of LCA, Nr. 8, 2003, S. 324 – 330.<br />
182<br />
Hauschild, M., Wenzel, H.: Environmental Assessment of Products. Volume 2: Scientific Background,<br />
Chapman & Hall, London, 1998.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 93<br />
Resultate wurden zunächst als Umweltveränderungsindikatoren in Form von auf<br />
bestimmte Leitsubstanzen normierten Toxizitätspotentialen (beispielsweise als kg 1,4-<br />
Dichlorobenzene-Equivalent) für einige Hundert Substanzen ausgedrückt. Diese<br />
werden differenziert nach Umweltmedien ausgewiesen, womit entsprechende Datenbanken<br />
einen Umfang in der Grössenordnung von 1'000 Indikatoren aufweisen. 183<br />
Mittlerweile werden die Expositions-Daten von einigen Forschergruppen in einem<br />
weiteren Schritt mit den experimentell gewonnenen Dosis-Wirkungs-Funktionen aus der<br />
Toxikologie, resp. Pharmakologie kombiniert und als Schadensindikatoren anhand ihres<br />
Schadenspotentials charakterisiert. Damit wird die von der Wirkungsanalyse letztlich<br />
angestrebte Modellierung einer Wirkungskette von der Emission bis zur Gefährdung<br />
eines bestimmten Schutzobjekts realisiert.<br />
Abbildung 4.8: Komplexität ökologischer Prozesse<br />
Die hohe Komplexität ökologischer Prozesse stellt die Modellierung von Wirkungsketten vor eine Reihe<br />
von Herausforderungen 184 .<br />
Diese Verbindung kann nur über extreme Vereinfachungen in der Modellierung und<br />
unter Inkaufnahme grosser Unsicherheiten vorgenommen werden. Das wird deutlich,<br />
wenn man sich vor Augen hält, dass die Modellierung in der Regel ohne räumlich-<br />
183<br />
Beispielsweise bei den durch CML publizierten Resultaten aus Hujibregts, M.: Priorities Assessment of<br />
Toxic Substances in the Framework of LCA: Development and Application of multi-media fate,<br />
exposure and effect model USES-LCA, University of Amsterdam, 1999.<br />
184<br />
Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 174.
94 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
geografisch differenzierte Parameter auskommen muss. Entsprechend wir unterstellt,<br />
dass sich alle <strong>St</strong>offe innerhalb des Umweltmediums gleichmässig verteilen, dass überall<br />
dieselben meteorologischen Verhältnisse herrschen, dass die Aufnahme der <strong>St</strong>offe<br />
durch alle Menschen gleich und gleich verteilt erfolgt, und dass die Dosis-<br />
Wirkungsbeziehungen ebenfalls äusserst vereinfachend anhand von Norm-Organismen<br />
und unterstellten, idealtypischen Kurvenverläufen modelliert werden. Zudem müssen<br />
die modellierten Modelle zeitlich abgegrenzt werden, da die Verteilungs- und<br />
Umwandlungsprozesse grundsätzlich nie abgeschlossen sind.<br />
Sundmacher stellt in seiner anschaulichen Abbildung einige der Herausforderungen an<br />
die Modellierung übersichtlich dar.<br />
In allen genannten Bereichen wurden in den letzten Jahren Fortschritte im Sinne eines<br />
prinzipiellen Einbezugs in die Modellierung erreicht. Dennoch: Für einzelne Substanzen<br />
wurde verschiedentlich gezeigt, dass die für spezifischere Fragestellungen, <strong>St</strong>offe und<br />
Kontexte geschaffenen Modelle in vielen Fällen zu sehr unterschiedlichen Resultaten<br />
führen. Selbst Vergleiche der Resultate verschiedener Global-Modelle zeigen bezüglich<br />
zahlreicher Substanzen Abweichungen um einige Grössenordnungen. 185<br />
Eine abschliessende Beurteilung der Qualität der Modelle ist insbesondere im Falle von<br />
auf Schadensindikatoren bezogenen Wirkungsketten enorm schwierig. Erste<br />
statistische Unsicherheitsanalysen zeigen eine hohe Unsicherheit von Resultaten<br />
aufgrund der statistischen Unsicherheit der verwendeten Dosis-Wirkungsbeziehungen.<br />
186 Jedoch wurden diese Analysen bislang erst für die Wirkungsketten von<br />
ozonschichtzerstörenden <strong>St</strong>offen in Bezug auf Todesfälle infolge Hautkrebs<br />
unternommen. Dabei spielen die Unsicherheiten bei der Modellierung komplexer Transmissionsprozesse,<br />
wie sie für toxische <strong>St</strong>offe von besonderer Relevanz sind, kaum eine<br />
Rolle.<br />
Einen Hinweis auf die Qualität der Transmissionsmodelle unter Ausklammerung der<br />
Schadensmodellierung, kann zumindest anhand des Vergleichs von realen Emissionen<br />
und gemessenen Konzentrationen näherungsweise abgeschätzt werden (verzerrt durch<br />
Messbedingungen und Hintergrundbelastungen). Doch auch hier zeigen sich grosse<br />
Abweichungen zwischen den gemessenen Konzentrationswerten und den<br />
entsprechenden Schätzungen der Modelle.<br />
Hinzu kommt, dass die heutigen Modelle für Toxizität nur rund 350 Substanzen –<br />
vorwiegend Pestizide, VOC sowie Schwermetalle abdecken. Angesichts der über<br />
100'000 industriell genutzten Chemikalien sowie der (in der EU) rund 30'000 mit einem<br />
Jahresvolumen von über einer Tonne genutzten Chemikalien ein sehr geringer<br />
Ausschnitt der Realität. Tatsächlich bestehen zu den meisten dieser Chemikalien nicht<br />
einmal die zur Charakterisierung innerhalb der Wirkungsanalyse benötigten,<br />
185<br />
Siehe Pennington, D. et.al: Construction of a Chemical Fate & Human Exposure Model of Toxic<br />
Substances for Japan, Final Report, EPFL, 2001, Abschnitt 15 Result Comparison, ohne<br />
Seitenangaben, 2001.<br />
186<br />
Itsubo, N. et.al.: Uncertainty Analysis of Damage Function of Human Health Caused by Ozonlayer<br />
Depletion, in: Proceedings of The 5 th International Conference on Ecobalance, Tsukuba, 2002, S. 89.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 95<br />
umfassenden Grundlagendaten. 187 Lediglich für 7'120 <strong>St</strong>offe (N-Class-Datenbank)<br />
stehen Ausgangsdaten aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Risikoprüfungen sowie für<br />
insgesamt 20'600 Chemikalien (QSAR-Datenbank) provisorische Prüfungen im<br />
Rahmen von Selbstdeklarationen der Hersteller zur Verfügung. 188 Diese Daten sind<br />
allerdings vor allem auf den sicheren Umgang im Gebrauch gerichtet und im Hinblick<br />
auf die Wirkungsmodellierung unvollständig.<br />
Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass in den vergangenen 10 Jahren zwar<br />
Methoden zur Modellierung ganzer Wirkungsketten - von der Emission bis zu den<br />
Schäden an Schutzobjekten -geschaffen wurden. Diese Methoden sind heute aber<br />
noch kaum ausreichend empirisch unterlegt, was zu einer hohen Unsicherheit der<br />
Resultate führt. Dennoch hat sich die Wirkungsmodellierung zu einem anerkannten und<br />
dynamischen Forschungszweig der Ökobilanzierung entwickelt, in welchem<br />
Spezialisten an den Schnittstellen zu den Umweltwissenschaften und der Toxikologie,<br />
resp. Pharmakologie die Wirkungskategorien erforschen, das vorhandene Wissen<br />
inventarisieren, Vor und Nachteile verschiedener Modelle für jede <strong>St</strong>ufe der<br />
Wirkungskette abwägen und auf deren Basis Wirkungsindikatoren und<br />
Charakterisierungsfaktoren berechnen.<br />
Allein für die Wirkungskategorien Human- sowie terrestrische und aquatische Ökotoxizität<br />
sind derzeit mindestens 8verschiedene Modelle zur Ermittlung von Charakterisierungsfaktoren<br />
verfügbar oder in Entwicklung. 189<br />
Die Spezialisten sind sich der Grenzen ihrer Modelle durchaus bewusst und weisen<br />
darauf hin, dass die Unsicherheiten der Modelle möglichst quantitativ fassbar gemacht<br />
werden sollten, um so einerseits eine gezielte Forschung zur Verbesserung der Modelle<br />
und der Datenbasis zu betreiben und anderseits in der Anwendung falsche Schlussfolgerungen<br />
zu vermeiden.<br />
In der Praxis werden die Resultate aus den Modellen dennoch meistens unbesehen<br />
übernommen. Denn Inhalt und <strong>St</strong>ruktur einzelner Wirkungskategorien, ihrer Wirkungsmodelle<br />
und -indikatoren werden nicht im Rahmen der angewandten Ökobilanzierung<br />
entwickelt, da der entsprechende Aufwand zu gross und das dazu erforderliche Wissen<br />
viel zu spezifisch ist. Man vertraut auf die Autorität der Experten. Die Modellierung bleibt<br />
dabei für die Anwendenden meistens eine black box. Aus ihrer Sicht sind deshalb<br />
Datengrundlagen offizieller, resp. öffentlicher Organe von besonders hohem Wert. Die<br />
ISO 14042 fordert denn auch: „The impact categories, category indicators and<br />
characterisation models should be internationally accepted, i.e. based on an<br />
international agreement or approved by acompetent international body“. 190 Gerade die<br />
187<br />
OECD: Environmental Outlook, Paris, 2001, S. 211.<br />
188<br />
Larsen, H.F. et.al.: Inventory of LCIA Selection methods for assessing toxic releases, Presentation on<br />
OMNIITOX, Technical University of Denmark, 13.6.2002, ohne Seitenangaben.<br />
189<br />
Larsen, 2002, ohne Seitenangaben.<br />
190<br />
ISO14042 zitiert in Guinée, 2002, S. 539.
96 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
endpoint-orientierten, noch sehr unsicheren Modelle sind jedoch weit von einer solchen<br />
Anerkennung entfernt. Dies im Gegensatz zu den am Anfang der Wirkungskette<br />
liegenden Potential-Indikatoren für Treibhauseffekt, Ozonschichtabbau, Versauerung,<br />
Überdüngung oder Photooxidation. Die Charakterisierungsfaktoren dieser Umweltveränderungskategorien<br />
stammen häufig aus international anerkannten Gremien, zum<br />
Beispiel dem Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (Treibhauseffekt), den<br />
Berichten zum Montreal Protocol (Ozonabbau) oder werden von internationalen<br />
Branchenorganisationen wie der Responsible Care Initiative der Chemischen Industrie<br />
postuliert (Photooxidation).<br />
4.3.4.4 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Schutzobjekten<br />
Während sich die Ökobilanzforschung zu Beginn der 90er Jahre sozusagen von links –<br />
ausgehend von den Inputs und Outputs –nach rechts –also entlang der Kausalketten<br />
entwickelte, setzte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts eine intensive Diskussion<br />
ausgehend von den Schutzobjekten –also von rechts nach links –über die Schäden<br />
hin zu den Wirkungsmodellen und schliesslich zu den Emissionen ein.<br />
Man versprach sich davon eine konsistentere und fokussiertere Modellierung, indem<br />
lediglich die für bestimmte Schutzobjekte, resp. Schäden dominierenden Wirkungsketten<br />
und schliesslich auch Sachbilanzindikatoren einbezogen werden sollten. Damit<br />
wollte man dem Vorwurf einer vorwiegend durch die Verfügbarkeit von Wirkungsmodellen<br />
bestimmten <strong>St</strong>eigerung der Komplexität der Wirkungsketten entgegenwirken,<br />
und dem Umstand Rechnung tragen, dass die bislang modellierten Umweltwirkungen<br />
(midpoints) am Anfang der Wirkungsketten zunächst einmal nur ökologische<br />
Veränderungen abbildeten, unabhängig von der Relevanz der dadurch allenfalls<br />
ausgelösten Schäden.<br />
Zur Ermittlung relevanter Schäden muss jedoch explizit spezifiziert werden, welche<br />
Objekte als schützenswert erachtet werden. Die Schutzobjekte selbst liegen<br />
ausserhalb der wissenschaftlichen Modellierung. Sie dienen der Klärung, was in Ökobilanzen<br />
als bedrohtes Gut betrachtet werden soll und erlauben die Selektion und<br />
Zuordnung von Schadenskategorien.<br />
Seit Beginn der 90er Jahre gelten als allgemein akzeptierte Schutzobjekte drei sehr abstrakte<br />
Begriffe: die Menschliche Gesundheit, die Natürliche Umwelt und Ressourcen.<br />
Weitere, eher in jüngeren Vorschlägen postulierte Schutzobjekte stellen zudem die<br />
Kulturelle Umwelt dar, womit die Technosphäre selbst (beispielsweise Kulturgüter, Infrastruktur,<br />
etc.) bezeichnet wird, resp. das Schutzobjekt Gesellschaftliche Wohlfahrt.<br />
Die Bedrohung der Schutzobjekte wird im Rahmen der Formulierung von endpoint<br />
indicators operationalisiert. Es ist also zu fragen, welche Schäden - durch Umweltveränderungen<br />
ausgelöst und anhand messbarer Indikatoren beschreibbar - den<br />
einzelnen Schutzobjekten zuzuordnen sind. Zur Beschreibung der Schäden an der<br />
Menschlichen Gesundheit werden beispielsweise Years of Life Lost (YOLL) oder<br />
Disability Adjusted Life Years (DALY) vorgeschlagen. In der Praxis hat sich bisher
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 97<br />
DALY als praktikabler Indikator etabliert. Er geht auf Vorschläge im Umfeld der Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO 191 zurück, in deren Rahmen DALY-Tabellen zu<br />
verschiedenen Krankheitsbildern publiziert wurden. Diese Krankheitsbilder (Herz- und<br />
Kreislaufkrankheiten, verschiedene Formen von Krebs, Atemwegserkrankungen, etc.)<br />
dienen der Ökobilanzforschung zur - durch Schadensfunktionen formalisierten, auf<br />
mehr oder weniger „kausalen“ 192 ,resp. epidemiologischen 193 Grundlagen basierenden -<br />
Verbindung mit den verschiedenen die Gesundheit beeinträchtigenden<br />
Umweltveränderungen.<br />
Für das Schutzziel Natürliche Umwelt wird häufig vorgeschlagen, als<br />
Schadenskategorie den Verlust an Biodiversität (beispielsweise mittels sogenannter<br />
Potentially Affected Fraction of Species PAF, resp. Potentially Disappeared Fraction of<br />
Species PDF in m2 pro Jahr) sowie die Reduktion biotischer Ressourcen<br />
heranzuziehen (beispielsweise anhand der Veränderung der Netto-Primärproduktion in<br />
Trockengewicht Biomasse).<br />
Abbildung 4.9: Operationalisierung von Schutzobjekten 194<br />
191<br />
Murray, C, Lopez, C.: The Global Burden of Disease, aComprehensive Assessment of Mortality and<br />
Disability from Diseases, Injuries and Risk Factors in 1990 projected to 2020, Harvard School of Public<br />
Health, World Health Organization and World Bank, 1996.<br />
192<br />
Im Sinne von experimentell bestimmbarer Dosis-Wirkungsbeziehungen (beispielsweise gemessene<br />
Funktion zwischen Konzentration eines <strong>St</strong>offes und dem Absterben einer Population eines bestimmten<br />
Organismus unter Laborbedingungen.<br />
193<br />
Im Sinne von statistisch unterlegten, vermuteten Wirkungsbeziehungen (beispielsweise statistische<br />
Korrelation zwischen dem Auftreten von Atemwegserkrankungen und der Konzentration von<br />
Luftschadstoffen.<br />
194<br />
Darstellung aus Müller-Wenk, R.: Development of a consistent framework for Life Cycle Impact<br />
Assessment, in: UNEP Life Cycle Initiative, LCA Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, Background<br />
Document II, 2003, S. 8.
98 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Bis jetzt noch keine klare Vorstellung für die Operationalisierung eines<br />
Schadensindikators besteht hingegen bezüglich den allgemein als wichtig anerkannten<br />
und dem Schutzobjekt Natürliche Umwelt zugeordneten life support functions 195 des<br />
globalen Ökosystems. In den bislang vorgeschlagenen Modellen werden sie ihrer<br />
Bedeutung zum trotz nicht separat behandelt. Neuerdings wird vorgeschlagen, sie als<br />
Umweltveränderungskategorien oder als eine Art vorgelagerte <strong>St</strong>ufe von Schutzobjekten<br />
separat zu modellieren, da diese Funktionen für Mensch und Natur relevant<br />
seien und je spezifische Schäden von deren Beeinträchtigung auf die anderen<br />
Schutzobjekte ausgehen würden. 196 Noch ist jedoch nicht absehbar, anhand welcher<br />
Indikatoren eine Anbindung an die Wirkungsindikatoren oder die Schadensindikatoren<br />
erfolgen könnte.<br />
Für die Kulturelle Umwelt werden Schäden an Gütern mit Marktwert, resp. an Gütern<br />
ohne Marktwert in monetären Einheiten als Operationalisierungen postuliert. Ebenso<br />
werden für das Schutzziel Soziale Wohlfahrt monetäre Grössen vorgeschlagen<br />
(economic value). Aber in beiden Fällen ist noch weitgehend unklar, anhand welcher<br />
Schadensfunktionen oder Wirkungsketten eine konkrete Modellierung erfolgen soll.<br />
Abbildung 4.10: Vorschlag von Itsubo zur Operationalisierung von Schutzzielen 197<br />
Erscheint das Konzept der Schutzobjekte und deren Übersetzung in<br />
Schadensindikatoren am Beispiel der Menschlichen Gesundheit zunächst als<br />
überzeugend und gut formalisierbar, so offenbaren bereits die Formulierungen zur<br />
195<br />
Siehe Abschnitt 2.3.4.<br />
196<br />
Müller-Wenk, 2003, S. 7.<br />
197<br />
Darstellung aus UNEP, 2003, ohne Seitenangaben.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 99<br />
Operationalisierung der anderen Schutzobjekte Probleme einer wissenschaftlich<br />
eineindeutigen Bestimmung der Kategorien sowie der Indikatoren.<br />
Tatsächlich sind die Schutzobjekte unterschiedlich formulierbar. Es existieren neben<br />
den im Rahmen der SETAC und der ISO14'040er Norm postulierten drei Schutzobjekte<br />
auch andere, plausible Vorschläge: Beispielsweise wird im National LCA Database<br />
Project Japans von zwei Schutzobjekten erster Ordnung ausgegangen, aus denen je<br />
zwei weitere Schutzobjekte zweiter Ordnung abgeleitet werden, aus denen dann als<br />
Schutzobjekte dritter Ordnung eigentliche endpoint-Kategorien hergeleitet werden.<br />
Diese Situation illustriert, dass -nach mehr als 30 Jahren Ökobilanzforschung -nach<br />
wie vor umstritten ist, ob im Rahmen dieser Methodik ausschliesslich Fragen der<br />
Gesundheit, resp. der ökologischen Existenzsicherung oder aber das gesamte<br />
Zieldreieck des Konzepts Nachhaltige Entwicklung integriert werden soll.<br />
Dabei ist die Definition der Schutzobjekte mehr als eine rein philosophische Frage: sie<br />
hat erhebliche Konsequenzen für die Methodik als Ganzes: Würde man<br />
Ökobilanzierung an den drei Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung ausrichten, so<br />
würde sozusagen die Umweltökonomie teil der Modellierung von Wirkungsketten,<br />
indem social welfare operationalisiert und damit ökonomische Schadens-, resp. Wertindikatoren<br />
eingeführt und mit den Umweltwirkungen verknüpft werden müssten.<br />
Belässt man das Konzept bei den drei ursprünglichen Schutzobjekten, so bliebe der<br />
naturwissenschaftliche Charakter der Wirkungsanalyse bestehen.<br />
Dies stellt ein zentrales Anliegen des vier Elemente umfassenden Rahmenkonzepts der<br />
Ökobilanzierung in Frage: Dass man naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche<br />
Operationen strikt voneinander abgrenzt: Zunächst also naturwissenschaftlich<br />
Wirkungen ermittelt und dann getrennt diese Wirkungen mit den sozialen Wertvorstellung<br />
einer Gewichtung zuführt. Aus diesem Grund hatte man auch die Schutzobjekte<br />
vorgeschlagen, in der Annahme, dass es Anwendenden leichter fallen würde<br />
zwischen Schutzobjekten oder Schadensindikatoren abzuwägen als zwischen<br />
abstrakten, naturwissenschaftlichen Umweltveränderungspotentialen oder gar einer<br />
mittlerweile kaum mehr überschaubaren Vielzahl von Inputs, resp. Outputs, deren<br />
Konsequenzen in beiden Fällen für den Laien diffus sind.<br />
Die Einführung der Schutzobjekte war somit als Schnittstelle zwischen Wirkungsanalyse<br />
und Gewichtung konzipiert. Auch wenn ihre Selektion und <strong>St</strong>rukturierung noch<br />
bei weitem nicht abgeschlossen erscheint, hat die Diskussion um ihre<br />
Operationalisierung eine integrierende Wirkung auf die Ökobilanzforschung ausgeübt<br />
und somit wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung der Wirkungsanalyse gegeben.<br />
Da die Initiative zu dieser Fokussierung von verschiedenen Exponenten der Befürworter<br />
einer Gewichtung ausging - also der in den Umweltwissenschaften äusserst<br />
umstrittenen Gesamtaggregation zu einem einzigen Index der Umweltbelastung –<br />
fühlten sich die Protagonisten der traditionellen Wirkungsanalyse zunächst offenbar<br />
herausgefordert, die noch schwache empirische Fundierung, resp. hohe Unsicherheit
100 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
der Schadensmodellierung zu kritisieren. Mittlerweile scheint dieses Spannungsfeld<br />
jedoch die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben, dass Bruchstellen in den<br />
Wirkungsketten gemeinsam geschlossen werden.<br />
Die Diskussion um die Schutzobjekte hat zudem die Frage nach der Relevanz<br />
bestimmter Wirkungskategorien wiederbelebt und damit auch gezeigt, dass selbst bei<br />
strikter Trennung zwischen Gewichtung und Wirkungsanalyse dennoch Werturteile in<br />
den Modellen enthalten sind: viele kleine Entscheidungen der Wirkungsanalyse-<br />
Spezialisten prägen die Modelle und beeinflussen damit die Ergebnisse.<br />
4.3.4.5 Fazit: Selektion und Modellierung bewirken weitere Spezialisierung<br />
Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit der im Verlaufe der 90er Jahre von beiden<br />
Seiten der Wirkungsketten her geleisteten wissenschaftlichen Aufarbeitung der<br />
Wirkungsanalyse dem Phänomen Umweltbelastung ein logischer Rahmen zugrunde<br />
gelegt werden konnte. Angefangen von der Frage, welche Wirkungen als relevant<br />
eingestuft werden, bis zur Diskussion über die Schutzobjekte, resp. über zu<br />
vermeidende Schäden.<br />
Abbildung 4.11: Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtung<br />
Diese Darstellung der integrierten Wirkungsanalyse- und Gewichtungs-Methodik LIME stellt verschiedene<br />
Ebenen einer ökologischen Beurteilung anschaulich dar. 198<br />
198<br />
UNEP Life Cycle Initiative, backgroung document II, 2003, ohne Seitenangaben.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 101<br />
Es steht nun ein generisches, resp. universelles Rahmen-Konzept zur Verfügung,<br />
welches eine nachvollziehbare <strong>St</strong>rukturierung unterschiedlicher, als relevant erachteter<br />
Wirkungen und Schäden erlaubt. Und das seinem Wesen nach unterschiedliche<br />
Operationen oder <strong>St</strong>ufen begrifflich und modelltechnisch trennt.<br />
Dieser Rahmen ist nicht abschliessend bestimmt, sondern grundsätzlich offen für die<br />
Aufnahme neuer Wirkungen oder Schadenskonzepte. Er ist darüber hinaus geeignet<br />
sich weiter zu differenzieren und sich entsprechend dem jeweils zu erzielenden<br />
Konsens zu restrukturieren. Es entstand damit eine Landkarte der Meta-Wissenschaft<br />
Life Cycle Impact Assessment, in der die verfügbaren Modelle und Daten verortet<br />
werden können. Und in welcher Bruchstellen oder Inkonsistenzen zwischen den<br />
Modellen zur Beschreibung der Umweltveränderungen und denjenigen zur<br />
Beschreibungen von Schäden identifiziert und somit wissenschaftliche Arbeiten<br />
koordiniert, resp. aus der Perspektive beider Enden der Wirkungsmodellierung<br />
priorisiert werden können. 199<br />
Es liegt auf der Hand, dass solche Wirkungsmodelle bei aller Komplexität vereinfachte,<br />
letztlich konstruierte Zusammenhänge darstellen. Dennoch tragen sie ganz erheblich zu<br />
einem rationalen Verständnis von Umweltbelastungen bei, indem sie jenseits von lokalspezifischen<br />
Situationen, den Anwendenden einen aktuellen Erkenntnisstand der<br />
Umweltwissenschaften zur Verfügung stellen.<br />
Die Wirkungsanalyse ist damit grundsätzlich geeignet, das steigende Bedürfnis nach<br />
einer Komplexitätsreduktion bei Beurteilung umfangreicher Input-Output-Bilanzen durch<br />
eine Fokussierung auf das ökologisch Vordringliche zu befriedigen. Jedoch wurde damit<br />
das Komplexitätsproblem lediglich auf die Ebene der Umweltnaturwissenschaften<br />
transferiert: wer wirklich verstehen will, wie die Resultate der Wirkungsanalyse -<br />
insbesondere die Ergebnisse auf <strong>St</strong>ufe von endpoint indicators –zustande kommen,<br />
muss sich enorm anstrengen und über ein profundes naturwissenschaftliches Grundwissen<br />
verfügen!<br />
Die Wirkungsanalyse nimmt aber den Beurteilenden die Aufgabe einer subjektiven oder<br />
formalisierten Beurteilung ab. Sie verlagert jedoch diese Entscheidung von der Ebene<br />
der Sachbilanz auf die Ebene der Umweltveränderungen und/oder Schäden an<br />
Schutzielen. Diese Resultate sind jedoch -mit Ausnahme der Selektion eines einzigen<br />
Umweltveränderungs-Indikators - als Resultate immer mehrdimensional und damit<br />
muss der Anwendende zwischen verschiedenen Resultaten bezüglich Umweltveränderungspotentialen<br />
(Treibhauseffekt, Ozonschichtabbau, etc.) oder<br />
Schadenspotentialen (DALY, PDF, etc.) abwägen.<br />
Dies führt uns schliesslich zur Betrachtung der methodischen Entwicklung bezüglich der<br />
fünften und letzten kritischen Operation der Ökobilanzierung: der Gewichtung.<br />
199<br />
Siehe UNEP Life Cycle Initiative, 2003.
102 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
4.3.5 Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung<br />
Durch die Wirkungsanalyse nach wie vor nicht formalisiert, wurde die Frage nach einer<br />
Gesamtbeurteilung von Umweltbelastung und deren Quantifizierung anhand eines<br />
einzigen Gesamtindikators. Dieser letzte Schritt auf dem Weg zum Grünen <strong>St</strong>ein der<br />
Weisen wurde schon zu Beginn der 90er Jahre eindeutig als nicht naturwissenschaftlich<br />
machbar herausgearbeitet und entsprechend von der Wirkungsanalyse begrifflich<br />
getrennt, wenngleich im Rahmen desselben Elements (Wirkungsanalyse und<br />
Gewichtung) des Grundrasters belassen. Es bildeten sich jenseits der Wirkungsanalyse<br />
auch für die Beurteilung spezifische Operationen aus:<br />
1. Normalisierung: Vergleich der Resultate mit Referenzgrössen zur Ermittlung<br />
des relativen Beitrags innerhalb einer Wirkungskategorie<br />
2. Gruppierung: Klassifizierung oder ranking von Wirkungsbilanzresultaten nach<br />
Priorität oder relativer Bedeutung<br />
3. Gewichtung: Numerische Gewichtung aller Wirkungskategorien zur<br />
Berechnung eines gesamtaggregierenden Indikators (single score)<br />
Für unsere Untersuchung ist hiervon die Gewichtung als kritische Operation genauer zu<br />
betrachten. Denn bei der Gewichtung erfolgt ein weiterer Modellierungs- und<br />
Formalisierungsschritt. Normalisierung und Gruppierung stellen hingegen modellfreie<br />
Berechnungsschritte dar, wie sie auch in anderen Zusammenhängen vorgenommen<br />
werden. Sie sollen der Vollständigkeit halber kurz charakterisiert werden, da sie in der<br />
Praxis häufig Anwendung finden.<br />
Normalisierung<br />
Bei der Normalisierung werden die Resultate von Wirkungsbilanz und/oder Sachbilanz<br />
in Relation zu Referenzgrössen gesetzt. Beispielsweise werden häufig <strong>St</strong>offflüsse,<br />
Wirkungen, oder Schäden eines Landes mit den potentiellen <strong>St</strong>offflüssen, Wirkungen,<br />
resp. Schäden des Untersuchungsgegenstands verglichen. Auch eine Normalisierung<br />
der Ergebnisse auf eine Person oder ein bestimmtes Konsumverhalten werden häufig<br />
als anschauliche Grössen empfohlen. 200 Die Ökobilanzforschung selbst sammelt und<br />
publiziert dazu sogenannte Normalisierungssets für verschiedene Länder, grössere<br />
regionale Einheiten oder gar die Erde als Ganzes. 201 Meistens handelt es sich dabei um<br />
Datenbestände die aus diversen Quellen zusammengestellt und allenfalls auf die<br />
gewünschte Region anhand des Bruttosozialprodukts oder der Bevölkerungszahl<br />
skaliert werden. Empfehlenswert ist das Abstellen auf offizielle <strong>St</strong>atistiken von Umweltbehörden,<br />
internationalen Organisationen (beispielsweise der OECD), Branchen-<br />
200<br />
Siehe Guinée, 2002, S. 625 – 628 sowie Sundmacher, 2002, S. 212 - 228.<br />
201<br />
Huijbregts, M.A.J., et.al.: LCA normalisation data for the Netherlands (1997/1998), Western Europe<br />
(1995) and the World (1990 and 1995), CML, Leiden, Niederlanden, 2000.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 103<br />
verbänden oder bekannten Forschungsinstituten (beispielsweise des World Resource<br />
Institute).<br />
Es liegt auf der Hand, dass wiederum die Qualität dieser Daten und insbesondere<br />
deren Kontextbezug einen direkten Einfluss auf die Abbildungsqualität entsprechend<br />
normalisierter Ökobilanz-Resultate haben.<br />
„Normalization reveals which effects are large and which are small in relative terms.<br />
However, it does not say anything about the relativ importance of the effects. Asmall<br />
effect can very well be the most important.“ 202 Diese Wichtigkeit ist nicht ohne die<br />
Einführung von irgendwelchen Präferenzen, resp. Manifestationen von Präferenzen<br />
oder Werturteilen bestimmbar. Dazu dienen die beiden Operationen Gruppierung und<br />
Gewichtung:<br />
Gruppierung<br />
Bei der Gruppierung sortiert man einzelne Resultate der Sach- oder Wirkungsbilanz<br />
anhand von Kategorien unterschiedlicher Priorität oder man führt ein verbal<br />
argumentativ fundiertes ranking durch. Das Resultat hat die Form von Ranglisten oder<br />
Klassen von Wirkungskategorien. Diese sollen dann bei der Interpretation der<br />
numerischen Resultate (Wirkungen, resp. Schäden) als Interpretationshilfe dienen.<br />
Wenngleich dieser Arbeitsschritt in den gängigen Leitfäden und auch der ISO14040-<br />
Normreihe aufgeführt wird, schenkt man ihm im Rahmen der Ökobilanzforschung kaum<br />
Beachtung: Guinée et. al. stellen fest, dass hierzu keine spezifischen Aktivitäten oder<br />
Fortschritte im Verlaufe der 90er Jahre zu verzeichnen sind.<br />
Dies Situation kontrastiert mit der dynamischen und vielbeachteten Entwicklung der<br />
Gewichtung, mit der wir unsere Untersuchung zur Differenzierung und<br />
Operationalisierung der Ökobilanzforschung abschliessen:<br />
Gewichtung<br />
Die Gewichtung ist der letzte Schritt einer vollständig formalisierten und damit<br />
algorithmusbasierten Ökobilanz. Er basiert zwingend auf Werturteilen und kann nicht<br />
allein naturwissenschaftlich ausgeführt werden. Gerade deshalb ist dieser Schritt nach<br />
wie vor äusserst umstritten: „Die angestrebte idealtypische Lösung -Darstellung der<br />
gesamten Umweltbelastung auf einer eindimensionalen Skala oder mit Hilfe eines Index<br />
– wird als methodisch unlösbar, pseudo-objektiv und nicht konsensfähig angesehen“. 203<br />
Dieser deutlichen Aussage des deutschen Umweltbundesamtes zum Trotz wurden in<br />
den 90er Jahren zahlreiche Versuche in diese Richtung unternommen. Die bereits in<br />
den 70er Jahren formulierten Grundideen wurden dabei weiterentwickelt und zu einer<br />
grossen Vielfalt von Methodenvorschlägen kombiniert. Im Gegensatz zur Wirkungs-<br />
202<br />
Goedkoop, M.: The Eco-Indicator 95, A tool for designers, Pré Consultants, Amersfoort, 1995, S. 5.<br />
203<br />
Umweltbundesamt, 1992, S. 54.
104 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
analyse, für die im Verlaufe der 90er Jahre ein -zumindest theoretisch überzeugendes<br />
– einheitliches Vorgehen mit klar bestimmten Teiloperationen und Begrifflichkeiten<br />
geschaffen wurde, besteht bezüglich der Gewichtung kein solcher Konsens. 204 Vielmehr<br />
sind sehr verschiedene Vorgehensweisen entstanden, resp. in der Praxis verbreitet.<br />
Abbildung 4.12: Seit 1990 entwickelte Gewichtungsmethoden<br />
In der Literatur häufig genannte und in der Praxis eingesetzte Gewichtungsmethoden<br />
Die Forschung zur Operation Gewichtung konzentriert sich auf die Diskussion formaler,<br />
intersubjektiver Bewertungsprinzipien und die Bereitstellung generischer Gewichtungsfaktoren<br />
für eine möglichst grosse Zahl von Sachbilanz-Indikatoren. In unserer<br />
Untersuchung tragen wir diesem Umstand Rechnung, indem wir anhand der gängigsten<br />
204<br />
Bengtsson, M.,: Environmental Valuation and Life Cycle Impact Assessment, Chalmers University of<br />
Technology, CPM Report 2000:1, Göteborg, 2000, S. 17. sowie Finnveden, G.: Acritical review of<br />
operational valuation/weighting methods for life cycle assessment. AFR-report 253, Swedish Waste<br />
Research Council, Swedish EPA, <strong>St</strong>ockholm, 1999 , S. 2.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 105<br />
<strong>St</strong>andard-Methoden aufzeigen, wie sich die Operationalisierung einzelner Prinzipien seit<br />
den 70er Jahren entwickelt hat.<br />
Die Tabelle zeigt in der Literatur häufig genannte Methoden nach Datum des<br />
Erscheinens, resp. ihrer Weiterentwicklung. Dabei handelt es sich jeweils nicht nur um<br />
konzeptionelle Beiträge, sondern für alle hier aufgeführten Methoden sind entsprechende<br />
Gewichtungsfaktoren verfügbar und die Methoden wurden im Rahmen<br />
mehrerer Untersuchungen in der Praxis eingesetzt. Angesichts der Vielzahl der Ansätze<br />
konzentrieren wir unsere Diskussion auf diejenigen Konzepte, die in der Literatur<br />
ausführlich behandelt werden und die für die Weiterentwicklung der Gewichtung<br />
wichtige Beiträge geleistet haben. Die meisten davon sind im Rahmen von<br />
Kooperationen zwischen Umweltbehörden, bekannten Forschungsinstitutionen<br />
und/oder Beratungsunternehmen entstanden.<br />
Die Entwicklung der formalisierten Gewichtung wurde massgeblich durch die<br />
Pionierarbeiten aus der Schweiz geprägt: Das Prinzip der Ökologischen Knappheit 205<br />
ursprünglich von Müller-Wenk vorgeschlagen, ist bis heute stetig überarbeitet und auf<br />
zahlreiche andere Länder übertragen worden. Aus den in der Tabelle aufgeführten 33<br />
Gewichtungsmethoden berufen sich 12 – umgesetzt für 8 verschiedene Länder -<br />
unmittelbar auf dieses Prinzip. Zählt man andere Methoden hinzu, die Gewichtungsfaktoren<br />
ebenfalls auf der Basis eines Vergleichs zwischen dem aktuellen Zustand und<br />
einem politisch angestrebten Zustand (distance-to-target) ermitteln, sind es insgesamt<br />
15.<br />
Als Nachfolger-Konzepte von Methoden auf der Basis von naturwissenschaftlich<br />
begründeten Referenzwerten oder Prinzipien gelten 5der aufgeführten Ansätze und der<br />
Familie der umweltökonomisch inspirierten Konzepte sind weitere 5 zuzuordnen; 4<br />
gelten als Panel-Methoden und die restlichen drei stellen Mischformen dar.<br />
Die Tabelle zeigt zudem, dass sich die Methodenentwicklung auf bestimmte Regionen<br />
konzentriert: so sind seit Beginn der 90er Jahre neben der Schweiz insbesondere die<br />
Niederlande, Schweden und Dänemark präsent, in jüngerer Vergangenheit auch<br />
insbesondere Japan. Dies im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland und den USA,<br />
die auch heute noch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Gewichtung anbringen<br />
(beispielsweise innerhalb der ISO) und heute über keine <strong>St</strong>andard-Methoden verfügen.<br />
Wir orientieren unsere Übersicht 206 anden vier identifizierten Bewertungkonzeptionen:<br />
Umwelt-Naturwissenschaften, Politik, Empirische Sozialforschung (Panel) und Umweltökonomie.<br />
205<br />
Siehe Abschnitt 3.2.6.<br />
206<br />
Siehe <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Die Frage der Bewertung in Ökobilanzen -<strong>St</strong>and und Perspektiven, in: Energie<br />
und Umweltforschung im Bauwesen, 11. Schweizerisches <strong>St</strong>atus-Seminar, Zentrum für Nachhaltigkeit<br />
im Bauwesen, Zürich, 2000, S. 411 – 416.
106 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
4.3.5.1 Umwelt-Naturwissenschaften als Referenz<br />
Zu dieser Kategorie werden häufig die sogenannten Proxy-Indikatoren gezählt: Sie<br />
bilden Umweltbelastung indikativ ab, indem unterstellt wird, dass eine enge Beziehung<br />
zwischen Indikator und Umweltbelastung besteht. Ein solcher Proxy-Indikator wurde<br />
beispielsweise mit dem Konzept der MIPS -Material Intensity per Service Unit -von<br />
Schmidt-Bleek vorgeschlagen 207 .Der Indikator basiert auf der Erfahrung, dass Masse<br />
oft mit Umweltbelastung korreliert. Es wird vom Prinzip „Weniger ist besser“<br />
ausgegangen.<br />
Es handelt sich damit eigentlich nicht um einen formalisierten Gewichtungsansatz,<br />
sondern um einen Summenparameter zur Aggregation der Sachbilanz. Unberücksichtigt<br />
bleiben sowohl Wirkungen der <strong>St</strong>offe als auch Präferenzen der<br />
Beurteilenden. 1kg CO 2 wird gleich gewichtet wie 1kg Plutonium. Der Einfluss dieses<br />
Konzepts auf die Ökobilanzforschung ist -seiner Bekanntheit in der Öffentlichkeit im<br />
Zuge der weltbekannten Leitbilder Faktor 4 (E.U. Von Weizsäcker) und Faktor 10<br />
(Schmid-Bleek) zum Trotz – als gering einzustufen. 208<br />
Die Vorstellung, es lasse sich ein Referenzzustand ökologischer Nachhaltigkeit als<br />
maximal zulässiger Fluss pro Zeiteinheit und geografischem Bezug beschreiben, liegt<br />
hingegen dem Konzept den nachfolgend genannten Vorschläge zugrunde:<br />
Ein prominentes Beispiel dieser Kategorie hatten wir bereits erwähnt: die durch Odum<br />
und andere Wegbereiter der Ökologischen Ökonomie, aus den Hauptsätzen der<br />
Thermodynamik, abgeleiteten Indikatoren für Energie, resp. Ordnung (resp. Exergie,<br />
Enthalpie, Entropie) 209 .Mit der natürlich durch die Sonneneinstrahlung vorgegebenen<br />
Entropieabnahme auf der Erde, resp. der in Rohstoffen verfügbaren Exergie steht ein<br />
Referenzwert im Sinne einer Ökologischen Knappheit zur Verfügung. Allerdings trägt<br />
dieser Ansatz letztlich nur der Verfügbarkeit von Rohstoffen Rechnung und vermag<br />
schädliche Wirkungen von <strong>St</strong>offumsätzen nur dadurch einzubeziehen, dass der<br />
Energiebedarf von Sanierungs- oder Vermeidungaktivitäten abgeschätzt wird. Diese<br />
Grundidee der Ökologischen Ökonomie wird heute allgemein eher als eine Wirkungskategorie<br />
unter anderen diskutiert, resp. angewendet.<br />
Neben Masse und Energie wurden auch Konzepte mit Bezug zu Raum und Zeit als<br />
naturwissenschaftliche Gewichtungsprinzipien postuliert:<br />
207<br />
Schmidt-Bleek, F.: Wieviel Umwelt braucht der Mensch MIPS –Das Mass für ökologisches Wirtschaften.<br />
Birkhäuser, Berlin, 1993.<br />
208<br />
Siehe beispielsweise: Braunschweig, et.al.: Developments in LCA Valuation, IWÖ-Diskussionsbeitrag<br />
Nr. 32, IWOE-HSG, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1996, S. 10 – 15.<br />
209<br />
Siehe Abschnitt 3.2.5.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 107<br />
Der 1993 publizierte Ökologische Fussabdruck von Wackernagel 210 ,bezieht sich auf<br />
den Flächenbedarf zur Versorgung mit Energie auf rein erneuerbarer Basis (Sonneneinstrahlung,<br />
resp. Wirkungsgrad der Photosynthese) sowie dem Flächenbedarf zur<br />
Bereitstellung ökologischer Regenerationsleistungen. 211 Es wird berechnet, welche<br />
Anzahl m² notwendig wäre, um die verwendeten Inputs auf erneuerbarer Basis<br />
herzustellen, resp. um die Wirkungen der Outputs durch Regeneration zu<br />
neutralisieren. Vergleicht man den resultierenden Flächenbedarf zum Beispiel für eine<br />
ganze Nation mit der dort effektiv zur Verfügung stehenden Fläche, so ist das Kriterium<br />
der strengen ökologischen Nachhaltigkeit bei Werten >1 entsprechend verletzt.<br />
Analog zur Energie ist dieses Prinzip jedoch kaum geeignet, Umweltwirkungen und<br />
Schäden angemessen zu berücksichtigen. Er wird deshalb in der Ökobilanzforschung<br />
nicht weiter beachtet. Hingegen findet er aufgrund seiner Anschaulichkeit in der Praxis<br />
auch durchaus Anwendung: so bezieht sich beispielsweise der WWF verschiedentlich<br />
auf dieses Mass (beispielsweise mit dem Eco-Footprint-Rechner zur Ermittlung der<br />
persönlichen Ökobilanz). Wackernagel selbst hat den Ansatz verwendet, um ein weitherum<br />
beachtetes Nachaltigkeits-“ranking“ von Ländern vorzunehmen 212 .<br />
Ebenfalls nicht im Blickfeld der Ökobilanzforschung sind die zeitbezogenen<br />
Gewichtungsprinzipien wie sie beispielsweise von Yasui 213 oder Jolliet entwickelt<br />
wurden. Während Yasuis Ansatz auf einer Abschätzung der Zeit bis zum Eintreten einer<br />
ernsthaften Krise für verschiedene Wirkungskategorien beruhte und damit letztlich<br />
ebenfalls eher veranschaulichenden Charakter aufwies, da dieser Wert nicht wissenschaftlich<br />
eindeutig bestimmt werden kann (was Yasui anerkannte), stellt die Cricital<br />
Surface Time 214 Methode von Jolliet eine naturwissenschaftlich fundierte<br />
Fortentwicklung der bekannten Kritischen Volumina 215 dar. Die Critical Surface Time<br />
baut auf den Transmissionsprozessen von <strong>St</strong>offen auf: Abbau- und Verdünnungsprozesse<br />
werden verwendet, um Zeit und Raum zu ermitteln, welche benötigt werden,<br />
um eine Emission in eine unschädliche Konzentration zu überführen. Diese Referenzkonzentrationen<br />
verschiedener <strong>St</strong>offe wurden –analog zu den Kritischen Volumina aus<br />
der Gesetzgebung übernommen. Auch dieser Ansatz wird heute nicht mehr im Sinne<br />
210<br />
Wackernagel, M.: How Big Is Our Ecolocigal Footprint: AHandbook For Estimating ACommunity‘s<br />
Appropriated Carrying Capacity, University of British Columbia, Vancouver, 1993.<br />
211<br />
Ein ähnlicher Vorschlag stellt auch der Sustainable Process Index dar, siehe: Krotschek, Ch.,<br />
Naradoslawsky, M.: The Sustainable Process Index; a new dimension in ecological evaluation,<br />
Amsterdam, 1994.<br />
212<br />
Wackernagel, M., et.al.: Ecological Footprints of Nations, How much nature do they have – How much<br />
nature do they have, Centro de Estudios para la Sustentabilidad, Universidad Anàhuac de Xalapa<br />
Mexico, Xalapa, 1997.<br />
213<br />
Yasui, I.: Anew Scheme of Life Cycle Impact Assessment Method Based on the Consumption of Time,<br />
in: Proceedings of the 3 rd International Ecobalance Conference, Tsukuba, 1998, S. 89 - 92.<br />
214<br />
Siehe Jolliet, O.: Critical Surface-Time: An Evaluation Method for Life Cycle Assessment, in: Udo de<br />
Haes, H.A. et.al.:Integrating Impact Assessment into LCA, SETAC Press, 1994, S. 133 – 144.<br />
215<br />
Siehe Abschnitt 3.2.8.
108 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
einer Gewichtungmethode weiterentwickelt. Jolliets Arbeiten sind in der Modellierung<br />
von Schadensindikatoren auf <strong>St</strong>ufe Wirkungsanalyse aufgegangen.<br />
Alternativ zu den politisch legitimierten Grenzwerten wurden von Kortmann 1994 No<br />
Observable Effect Levels (NOEL) 216 , resp. No Significant Adverse Effect Levels<br />
(NSAEL) als naturwissenschaftliche Referenzgrössen zur Gewichtung diskutiert. Diese<br />
Schwellenwerte werden in der Toxikologie verwendet, um Aussagen darüber zu<br />
machen, bis zu welcher <strong>St</strong>offkonzentration keine Effekte im Ökosystem beobachtet<br />
werden können, resp. keine negativen Effekte wahrgenommen werden.<br />
Abbildung 4.13: NSAEL Methode<br />
Gewichtungsfaktoren auf der Basis der NSAEL Methode für 5 CML-Umweltwirkungskategorien 217<br />
Kortmann schlug vor, auf diesem Wege zu bestimmen, welche Menge an Emission pro<br />
Zeit und Raum das Einhalten dieser Konzentrationswerte erlaubt. Während NOEL für<br />
Organismen eine rein experimentelle Bestimmung zulassen, jedoch per definitionem<br />
nichts über die ökologische Bedeutung einer Überschreitung des Referenzwertes<br />
aussagen können, 218 wurden NSAEL-basierte Referenzwerte kritisiert, weil sie durchaus<br />
von subjektiven Wertvorstellungen geprägt werden: Letztlich muss jemand definieren,<br />
was unter signifikanten, unerwünschten Effekten verstanden werden soll. Dies kann<br />
toxikologisch im Laborversuch für einzelne <strong>St</strong>offe und bestimmte Organismen allenfalls<br />
noch bestimmt werden, hingegen kaum für andere Wirkungskategorien, beispielsweise<br />
den Treibhauseffekt. Als problematisch in der Umsetzung wurde zudem das<br />
Zurückrechnen von Immissionskonzentrationen auf Emissionsfrachten erkannt. Auch<br />
NOEL und NSAEL haben sich somit nicht als allgemein anerkannte Gewichtungs-<br />
216<br />
Heute spricht man zumeist von NOEC = No Observable Effect Concentrations<br />
217<br />
Eigene Darstellung mit Gewichtungsfaktoren aus Müller-Wenk, R.: Methode der wirkungsorientierten<br />
Klassifikation nach CML Leiden sowie darauf aufbauende Methoden für die Bewertung, in:<br />
Braunschweig, et.al.: Evaluation und Weiterentwicklung von Bewertungsmethoden für Ökobilanzen –<br />
Erste Ergebnisse, IWÖ Diskussionsbeitrag, Nr. 19, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1994, S. 34.<br />
218<br />
Siehe Müller-Wenk, R.. Political and scientific targets distance-to-target valuation models, in<br />
Braunschweig, 1996, S. 86 - 93.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 109<br />
faktoren etablieren können. Sie werden aber in den schadensorientierten Modellen der<br />
Wirkungsanalyse spezifisch für die Abbildung von Toxizität verwendet, beispielsweise<br />
NOEL bei der Ermittlung von Potentially Disappeared Fraction of Species (PDF). 219<br />
Damit ist festzustellen, dass sich die Ideen einer rein naturwissenschaftlich fundierten<br />
Gewichtung und rationalen Operationalisierung von Umweltbelastung als nicht tragfähig<br />
erwiesen haben. Einerseits, weil die rein physikalischen Referenzgrössen Energie,<br />
Fläche, Zeit oder Masse nicht in der Lage sind, alle Aspekte von Umweltwirkungen<br />
ausreichend abzubilden. Andererseits, weil die Ökobilanzforschung zur Kenntnis<br />
nehmen musste, dass auch wissenschaftlich gängige Begriffe und Modelle letztlich von<br />
Werturteilen der Forschenden selbst abhängig sind. 220 Forschung mag zwar auf<br />
Wahrheit gerichtet zu sein; ohne wertbasierte Entscheidungen -beispielsweise bei der<br />
Auswahl von Modellen oder der Annahme des Verlaufs von Schadensfunktionen -lässt<br />
sich aber auch keine Naturwissenschaft betreiben.<br />
Heute wird die Gewichtung innerhalb der Ökobilanzforschung als allein mittels<br />
sozialwissenschaftlichen Ansätzen realisierbar anerkannt. In Anlehnung an Luhmann<br />
kann man sagen „Die Gesellschaft kann ihre Wirkungen auf die Umwelt nur selbst<br />
bewerten“. Das sahen viele der beteiligten NaturwissenschafterInnen zu Beginn der<br />
90er Jahre keineswegs so.<br />
Dennoch kann festgehalten werden, dass einige dieser Ideen –Energie, NOEL, Transmissionsmodellierung<br />
-durchaus Eingang in das Rahmenkonzept der Wirkungsanalyse<br />
gefunden haben, wenngleich auf einer anderen Ebene und mit erheblich geringerem<br />
Geltungsanspruch.<br />
4.3.5.2 Politik und Gesetzgebung als Referenz<br />
Von der Grundidee einer Ökologischen Grenze wie die oben beschriebenen naturwissenschaftlich<br />
orientierten Methoden sind auch die Pionier-Methoden der Ökologischen<br />
Knappheit ,resp. die Kritischen Volumina ausgegangen. Dabei suchten sie<br />
diese Grenze aus politischen Vorgaben abzuleiten: Grenzwerte oder <strong>St</strong>offflussziele der<br />
Umweltpolitik wurden dazu herangezogen. 221<br />
Obwohl die Kritischen Volumina keine eigentliche Gewichtungsmethode darstellen,<br />
sondern nur eine Teilaggregation vornahmen und damit der Wirkungsanalyse<br />
zugeordnet wurden, haben sie die Entwicklung verschiedener Gewichtungsmethoden<br />
auf der Basis von Grenzwertrelationen angestossen. Die oben bereits beschriebene<br />
Critical Surface Time von Jolliet baut direkt darauf auf. Eine umfassende und<br />
systematische Weiterentwicklung stellen die Qualitätsziel-Relationen von<br />
Schaltegger/<strong>St</strong>urm dar: Sie rechnen 1992 die Immissionsgrenzwerte von m 3 auf Mol um<br />
219<br />
Siehe Abschnitt 4.3.2.2.<br />
220<br />
Siehe Bengtsson, 2000, S. 17.<br />
221<br />
Siehe Abschnitt 3.2.6.
110 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
und machen damit einen Vergleich der Grenzwerte über alle Umweltmedien möglich.<br />
Die Grenzwertrelation erhalten sie schliesslich über eine Normalisierung auf CO 2 (wozu<br />
allerdings kein Grenzwert-Ziel existiert und sie pragmatisch die Konzentration von 1960<br />
als Qualitätsziel annehmen). Sie empfehlen schliesslich eine Multiplikation des<br />
Ergebnisses mit der Halbwertszeit des entsprechenden <strong>St</strong>offes, wobei sie selbst diesen<br />
Schritt mangels Daten nicht umsetzen. In der Literatur wird dieser Ansatz bis Ende der<br />
90er Jahre ebenfalls häufig diskutiert und die entsprechenden Gewichtungsfaktoren<br />
wurden in verschiedenen Software-Programmen Anwendenden zur Verfügung gestellt.<br />
Heute finden die Qualitätsziel-Relationen jedoch keine Beachtung mehr und die<br />
Gewichtungsfaktoren werden von den Autoren nicht mehr aktualisiert. Die Methodik ist<br />
jedoch in der Praxis zumindest beim Pharmakonzern Roche noch in Gebrauch und<br />
dient dort zur Ermittlung einer „Eco-Efficiency-Rate“ 222 .<br />
Die grenzwertorientierten Methoden unterscheiden sich von den distance-to-target-<br />
Ansätzen insbesondere dadurch, dass sie lediglich etwas über die politisch, resp.<br />
administrativ anerkannte relative Gefährlichkeit eines <strong>St</strong>offes aussagen. Sie berücksichtigen<br />
hingegen den aktuellen Zustand der Umwelt nicht und enthalten damit keine<br />
Informationen über den politisch gebotenen Handlungsbedarf zur Begrenzung von<br />
Emissionen.<br />
Die Ökologische Knappheit - der Vorläufer aller distance-to-target-Methoden wurde<br />
hingegen immer wieder aktualisiert und die Herleitung der Gewichtungsfaktoren an<br />
neue Entwicklungen der Ökobilanzforschung angepasst. Dies obwohl die meisten der<br />
führenden Forschenden diese Methode ablehnen, da die Gewichtungsfaktoren auf<br />
<strong>St</strong>ufe der <strong>St</strong>offflüsse bestimmt werden, ohne dass die allgemein geforderte Abfolge von<br />
Arbeitschritten der Wirkungsanalyse (Selektion von Wirkungskategorien, resp. Schutzobjekten,<br />
Modellierung der Wirkungsketten, Normalisierung und erst dann Gewichtung)<br />
durchlaufen wird. Auch die ursprünglichen Autoren der Ökologischen Knappheit haben<br />
sich seit Mitte der 90er Jahre in Ihren Arbeiten der schadensorientierten Wirkungsanalyse<br />
und darauf basierenden Gewichtungsmethoden zugewandt.<br />
Grundsätzliche Kritik seitens der Ökobilanzforschung an distance-to-target-Methoden<br />
entspringt einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der ökologischen Angemessenheit<br />
von Umweltpolitik und Umweltgesetzgebung: Einerseits werden die Ziele häufig als zu<br />
wenig umfassend sowie als zu wenig restriktiv erachtet. 223 Umweltrechtsexperten<br />
verweisen zudem auf den Umstand, dass viele Umweltgesetze in ihrer Aussagekraft<br />
durch Formulierungen wie „soweit wirtschaftlich tragbar und technisch machbar“ letztlich<br />
unbestimmt seien und eher einen technokratischen Kompromiss zwischen Behörden<br />
und Wirtschaft darstellen, als eine demokratisch legitimierte Präferenzordnung.<br />
In der Praxis ist die Methode jedoch weiterhin präsent und es haben sich andere<br />
Autoren gefunden, die heute die Weiterentwicklung vorantreiben. 224 Diese haben<br />
222<br />
Roche AG, Sicherheit und Umweltschutz bei Roche: Konzernreport 2002, Basel, 2002, S. 40.<br />
223<br />
Schoenbaum, T.: Environmental Law and Ecofactors, in: Miyazaki, N., et.al.: JEPIX –Japan Environmental<br />
Policy Priorities Index, Social Science Research Institute Monograph Series Nr. 7, Tokyo, 2004,<br />
S. 55 - 59.<br />
224<br />
Siehe Doka, G.: Synopsis of variations of the BUWAL Ecopoints LCIA Method, Ecoscarcity ,Übersicht
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 111<br />
begonnen, bezüglich bestimmter <strong>St</strong>offgruppen selektiv auch Modelle der Wirkungsanalyse<br />
in die Berechnung einzubeziehen. So wird in aktuellen Auflagen der Ökologischen<br />
Knappheit für Treibhausgase und ozonschichtabbauende <strong>St</strong>offe so<br />
vorgegangen, dass Gewichtungsfaktoren zunächst nur für die explizit gesetzlich<br />
geregelten <strong>St</strong>offe ermittelt und diese Faktoren dann mittels Charakterisierungsfaktoren<br />
(insbesondere für die Umweltwirkungen Treibhauspotential, resp. Ozonabbaupotential<br />
sowie Photooxidationspotential) auf andere <strong>St</strong>offe skaliert werden, sofern das Gesetz<br />
explizit auf diese Wirkungen hin ausgerichtet ist. Dadurch kann das Auflösungsvermögen<br />
der Methodik erheblich erhöht werden. 225<br />
Zusätzlich wurde angeführt, dass die Methodik durchaus auf Schutzobjekten beruht, da<br />
sich entsprechende Formulierungen in den Gesetzen finden und man anhand dieser<br />
Schutzobjekte auch Wirkungsmodelle zur Bestimmung der Zielflüsse legitimerweise<br />
verwenden könne.<br />
Beispielsweise haben wir eine solche Erweiterung für den Einbezug toxischer<br />
Substanzen vorgeschlagen und für Japan auf dieser Basis Gewichtungsfaktoren für<br />
rund 300 Substanzen, nach Umweltmedien differenziert, berechnet. Das Auflösungsvermögen<br />
der Methodik kann damit auf über 1'000 Gewichtungsfaktoren erhöht werden<br />
und viele bislang unberücksichtigte, aber zweifelsfrei relevante <strong>St</strong>offe –insbesondere<br />
Schwermetalle, Pestizide und Dioxine –können damit in die Beurteilung einbezogen<br />
werden. Da das Chemikaliengesetz „den Schutz der Gesundheit von Mensch und<br />
Umwelt“ zum Ziel hat und da in Japan für rund 20 toxische Substanzen nationale Ziele<br />
bestehen, wird so die distance-to-target auf der Basis von Toxizitätswerten legitimiert,<br />
ohne dass von Immissionsgrenzwerten auf Emissionsfrachten zurückgerechnet werden<br />
muss. Die gemessenen Immissionswerte dienen in dieser Version der Methodik<br />
vielmehr dazu, um erstmals eine Regionalisierung der Gewichtungsfaktoren<br />
vorzunehmen: Die auf nationaler Ebene berechneten Gewichtungsfaktoren wurden<br />
anhand der spezifischen Konzentrationswerte von 47 Präfekturen skaliert (für Luftqualität<br />
anhand NO X , SO X , Photooxidantien, sowie für Wasserqualität anhand DOC,<br />
Phosphor und <strong>St</strong>ickstoff).<br />
Dem Umstand, dass sich für einen <strong>St</strong>off, resp. eine Wirkung unterschiedliche Ziele aus<br />
verschiedenen politisch legitimierten Quellen ergeben können wird zudem Rechnung<br />
getragen, indem für jede dieser Quellen ein Gewichtungsfaktor berechnet und dann mit<br />
Berufung auf das Vorsorgeprinzip der höchte Faktor ausgewählt wird.<br />
Das Konzept der Ökologischen Knappheit trägt somit in seinen aktuellen Umsetzungen<br />
durchaus den Entwicklungen der Wirkungsanalyse Rechnung. Im Gegensatz zum<br />
Anspruch der Wirkungsanalyse, eine möglichst naturwissenschaftliche Bestimmung von<br />
Wirkungen, resp. Schäden zu erreichen, versucht das distance-to-target-Prinzip explizit<br />
im Auftrag des BUWAL, Doka Life Cycle Assessments, Zürich, 2000.<br />
225<br />
Siehe Scheidegger, A.,: Der Umgang mit politischen Zielwerten –Erfahrungen aus der Überarbeitung<br />
der Methode der Ökologischen Knappheit, in: in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden,<br />
Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 29 – 33.
112 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
politische Wertungen abzubilden und erhebt damit keinen naturwissenschaftlichen<br />
Anspruch. Deshalb haben wir auch vorgeschlagen, den missverständlichen Namen<br />
Ökologische Knappheit aufzugeben und angemessener von politischen Prioritäten zu<br />
sprechen. Die für Japan entwickelte Variante wurde entsprechend als JEPIX –Japan<br />
Environmental Policy Priorities Index bezeichnet. 226<br />
National Ecobalance for Japan 1999<br />
Ozon Depletion Potential<br />
BOD (biggest rivers)<br />
4%<br />
4%<br />
COD (desig. water areas)<br />
4%<br />
Road Noise<br />
5%<br />
Photochemical Oxidant<br />
5%<br />
N0x<br />
3%<br />
SPM<br />
3%<br />
Greenhouse Gas<br />
40%<br />
P (desig. water areas)<br />
5%<br />
N (desig. water areas)<br />
7%<br />
Waste to Landfilling<br />
10%<br />
Toxicity Potentials<br />
10%<br />
Abbildung 4.14: Ökobilanz Japans 1999 nach JEPIX<br />
Die Darstellung zeigt die nationale Ökobilanz für Japan des Jahres 1999 auf der Basis des Japan Environmental<br />
Policy Priorities Index JEPIX 227<br />
Eine durchgängige Integration von Wirkungsbilanz und Gewichtung (es ergeben sich –<br />
sozusagen von links nach rechts -Resultate auf beiden Ebenen) wurde erstmals 1994<br />
durch niederländische Forscher umgesetzt. Kalisvaart und Remmerwaal griffen mit der<br />
MET-Point-Methode 228 die von CML vorgelegte Wirkungsanalyse-Methodik sowie die<br />
entsprechenden Datenbestände auf und begannen nicht die <strong>St</strong>offe der Sachbilanz,<br />
sondern die Wirkungsindikatoren („effect scores“) -beispielsweise Treibhauseffekt -zu<br />
gewichten. Dazu orientierten sie sich zwar analog zur Ökologischen Knappheit an<br />
nationalen <strong>St</strong>offflusszielen. Diese wurden für 8 der 13 durch CML vorgeschlagenen<br />
Wirkungskategorien auf Wirkungsindikatoren umgerechnet und auf dieser Basis der<br />
Zielwert mit dem effektiven jährlichen Wert jedes Wirkungsindikators verrechnet. Die<br />
226<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, 2002, ohne Seitenangaben.<br />
227<br />
Leicht veränderte Darstellung aus Miyazaki, 2004, S. 53.<br />
228<br />
Kaalisvart, S., Remmerswaal, J.: The MET-Point method: Anew single figure performance indicator<br />
based on effect scores, zitiert in Müller-Wenk, 1994, S. 36.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 113<br />
Methode wurde später nicht weiterverfolgt, inspirierte jedoch andere Autoren, Modelle<br />
der Wirkungsanalyse zur Operationalisierung politischer Zielwerte zu verwenden<br />
(beispielsweise Ökologische Knappheit 1997, JEPIX).<br />
Dieser Ansatz liegt auch der dänischen Environmental Design of Industrial Products<br />
EDIP Methode von Hauschild und Wenzel zugrunde: sie berechnen 1997 Gewichtungsfaktoren<br />
für 8 Wirkungskategorien sowie diverse Ressourcen und gewichten diese<br />
ebenfalls anhand der Entfernung von politisch legitimierten Referenzwerten. Je nach<br />
geografischer Bedeutung einer Wirkungskategorie werden die Daten global oder<br />
national pro Kopf normalisiert. EDIP findet sowohl in der Literatur als auch in der Praxis<br />
Beachtung. Dieser Ansatz wurde 1999 auch in einer Version für China publiziert. 229<br />
Insgesamt kann festgestellt werden, dass die an politischen Zielwerten orientierten<br />
Methoden zu Beginn der 90er Jahren die Gewichtungs-Diskussion angestossen haben.<br />
Sie wurden stetig aktualisiert und haben die Erkenntnisse, resp. Modelle und Daten der<br />
Wirkungsanalyse zunehmend integriert. Nach wie vor sind diese Ansätze aber<br />
methodisch einfach aufgebaut (einfache Formel zur Verrechnung von Zielfluss und<br />
aktuellem Fluss) ohne die vorgängig notwendigen Schritte zur Datengewinnung und<br />
Selektion an konsequent durchgehaltenen Kriterien zu durchlaufen oder Prinzipien<br />
formal einheitlich zu gestalten. Damit sind sie mehr von Pragmatismus und Plausibilität<br />
geprägt, als vom Anspruch einer wissenschaftlich reproduzierbaren Vorgehensweise.<br />
Zumindest im Falle der Gewichtungsfaktoren auf Basis der Ökologischen Knappheit für<br />
die Schweiz, resp. Japan als auch für die EDIP Methodik in Dänemark wurden die<br />
Gewichtungsfaktoren in Koordination mit den Umweltbehörden und Vertretern von<br />
Unternehmen erarbeitet und auch durch anerkannte Institutionen publiziert. Damit<br />
haben die Daten eine gewisse Qualitäts- und Vollständigkeitsprüfung durchlaufen und<br />
erhalten auch eine offizielle Autorität. In der Schweiz spricht man häufig von der<br />
BUWAL-Methodik - dies obwohl das BUWAL - Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />
Landschaft -explizit festhält, dass man die entsprechende Publikation nur als einen von<br />
mehreren Beiträgen zur Methoden-Diskussion verstanden haben will und es sich<br />
keinesfalls um eine offizielle Methode handelt.<br />
Da sich sowohl der Umweltzustand als auch die Gesetzgebung stetig verändern,<br />
müssen die Gewichtungsfaktoren periodisch aktualisiert und neue Ziele aufgenommen<br />
werden. In Kombination mit ihrer Autorität sind sie darum grundsätzlich geeignet,<br />
Trends umweltpolitischer Differenzierung und Priorisierung an die Entscheidungsträger<br />
zu vermitteln. Diese Kategorie von Ansätzen bildet also eher einen sozialen Lern- und<br />
229<br />
Nielsen, P., Yang, J.: Chinese normalization references and weighting factors –According to the EDIP<br />
impact assessment method, Technical University of Denmark &Chinese Academy of Science, Inco<br />
China, 1999.
114 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Priorisierungsprozess ab (gesellschaftliche Resonanz !), als eine naturwissenschaftliche<br />
Ökologische Wahrheit.<br />
4.3.5.3 Empirische Sozialforschung (Panel) als Referenz<br />
Die bereits in den 70er und 80er Jahren praktizierten, subjektiven Beurteilungsmethoden<br />
(verbal-argumentativ, ABC, Nutzwertanalyse), welche spezifisch auf eine<br />
bestimmte Fragestellung zugeschnitten sind, werden in der Praxis weiterhin häufig<br />
eingesetzt. Sie sind aber eher Gegenstand der allgemeinen Entscheidungstheorie und<br />
werden in der Ökobilanzforschung nicht spezifisch thematisiert. An ihre <strong>St</strong>elle traten<br />
Befragungstechniken aus der empirischen Sozialforschung, die unter dem <strong>St</strong>ichwort<br />
Panel-Methoden Eingang in die Ökobilanzierung gefunden haben.<br />
Der Begriff Panel ist in der empirischen Sozialforschung eigentlich für sogennante<br />
Längsschnittstudien reserviert, in welchen die Probanden periodisch mit denselben<br />
Fragestellungen konfrontiert werden. In der Ökobilanzierung hat sich der Begriff ganz<br />
allgemein für Befragungen zu Präferenzen etabliert 230 – jedoch ohne die umweltökonomischen<br />
Methoden zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft einzuschliessen.<br />
Diese bilden eine eigenständige Kategorie.<br />
Die häufig zitierte Landbank Panel <strong>St</strong>udie von Wilson 231 verwendete erstmals eine<br />
mehrstufige Delphi-Befragung zur Gewichtung einer 39 Emissionen umfassenden<br />
Sachbilanz. Eine Gruppe von 11 Umweltwissenschaftern aus 10 britischen<br />
Universitäten hatte mittels score allocation (Punkte-Budget verteilen) und ranking<br />
(Rangliste bilden) ihre Beurteilungen abzugeben. Diese Beurteilung erfolgte anonym<br />
und die statistisch ausgewerteten Resultate wurden vor einer zweiten Befragung den<br />
Experten zugestellt. Die meisten passten daraufhin ihre Einschätzungen erheblich an.<br />
Diese Änderungen waren zu begründen und diese Kommentare standen dann in einer<br />
dritten Runde allen Experten zur Verfügung. Diese Runde zeigte kaum mehr<br />
Veränderungen der Gewichtungsfaktoren. In diesem Sinne wurde ein Konsens unter<br />
den Experten erzielt, auf dessen Basis Sachbilanzen gewichtet werden konnten.<br />
Auch Kortmann verwendete 1994 parallel zu dem oben erwähnten NSAEL-Ansatz für<br />
die Gewichtung ein Experten-Panel. Er liess hingegen die ausgewählten 22<br />
holländischen Umweltexperten aus verschiedenen Organisationen (Universitäten,<br />
Behörden, Verbänden, u.a.) nicht einzelne <strong>St</strong>offe aus der Sachbilanz, sondern 5<br />
Wirkungskategorien aus CML mittels ranking und score allocation gewichten. Er wählte<br />
dazu ebenfalls ein mehrstufiges Vorgehen, in welchem die Experten im Verlaufe des<br />
Verfahrens weitere Informationen - u.a. auch die Gewichtung nach der NSAEL-<br />
230<br />
Mettier, Th.: Der Vergleich von Schutzgütern –Ausgewählte Ergebnisse einer Panel-Befragung, in:<br />
ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums<br />
Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 59.<br />
231<br />
Wilson, B., Jones, B.: The Phosphate Report, Landbank Consulting, London, 1994, übernommen aus<br />
Foerster, R,: Panel Method according to Landbank, in: Braunschweig, 1994, S. 141 – 151.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 115<br />
Methode –erhielten. Sie hatten zudem ihre Werturteile zu begründen und konnten die<br />
Begründungen und scores der anderen Experten einsehen. Damit wurden die<br />
verwendeten Kriterien transparent. 232<br />
Abbildung 4.15: PANEL-Methode<br />
Gewichtungsfaktoren der PANEL-Methode für 5 CML-Wirkungskategorien 233<br />
Es zeigte sich, dass die Experten anhand sehr unterschiedlicher Kriterien<br />
argumentierten. In einem weiteren Schritt selektierte man eine Gruppe von 10<br />
Experten, welche ungefähr dieselben Kriterien zugrunde gelegt hatten. Nur deren<br />
scores wurden schliesslich zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren verwendet, da die<br />
Resultate der anderen 12 Experten sehr stark variierten und als nicht vergleichbar<br />
taxiert wurden. Dieses Beispiel zeigt, dass unter den Experten erhebliche Differenzen<br />
nicht nur in der Gewichtung bestimmter Wirkungskategorien, sondern auch bezüglich<br />
der persönlichen Vorgehensweise, resp. den persönlich als relevant erachteten<br />
Aspekten bestehen. Die resultierenden Gewichtungsfaktoren zeigen schliesslich eine<br />
gewisse Gleichgewichtung der verschiedenen Wirkungskategorien. –dies in starkem<br />
Gegensatz zu den NSAEL-basierten (naturwissenschaftlich-begründeten) Gewichtungsfaktoren.<br />
Eine Befragung von Umweltexperten und Fachpersonen wurde auch 1995 von Nagata<br />
zur Ermittlung von Gewichtungsfaktoren für 9 Wirkungskategorien verwendet. Sein<br />
Panel umfasste 5 verschiedene Personengruppen (Total 242 Befragte) – Umweltwissenschaftler<br />
(57), Umweltexperten der Chemical Engineering Society (48), Ökobilanzanwendende<br />
aus der Industry (30), Laien-Mitglieder der Chemical Enginering<br />
232<br />
Kortmann, J.G.M., et al.: Towards a single Indicator for Emissions. An Exercise in Aggregating Environmental<br />
Effects; Ministry of VROM, Report Nr. 1994/12, Zoetermeer, 1994, übernommen aus Müller-<br />
Wenk, 1994, S. 34 – 42.<br />
233<br />
Eigene Darstellung; Gewichtungsfaktoren aus Müller-Wenk, 1994, S. 34.
116 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Society (50) und <strong>St</strong>udierende der Ingenieurwissenschaften (57). Dabei wurden drei<br />
verschiedene Befragungsmethoden –ranking, score allocation und analytical hierarchy<br />
process (Paarweise Beurteilung aller Wirkungskategorien) –getestet. 234 Die Resultate<br />
der drei verschiedenen Verfahren wurden gegenübergestellt und ihre <strong>St</strong>reuung<br />
untersucht. Schliesslich wurde jeweils der Mittelwert der Befragungen als Gewichtungsfaktor<br />
verwendet und die Ergebnisse mit einer Reihe anderer Methoden – so zum<br />
Beispiel der Ökologischen Knappheit für die Schweiz, die Niederlande, Norwegen und<br />
Schweden verglichen.<br />
Abbildung 4.16: Beurteilung von Umweltveränderungen durch Befragung<br />
Die RADEX-Darstellung stellt die Ergebnisse des Panels von Nagata für verschiedene Gruppen von<br />
Befragten dar. Es zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Einschätzungen. 235<br />
Nagata stellte fest, dass sich die einzelnen Gruppen in der Beurteilung der 9Wirkungskategorien<br />
stark unterschieden. Einzig die Kategorie Abfälle wurde von allen als relativ<br />
unwichtig taxiert. Grosse Unterschiede ergaben sich hingegen bei der Einschätzung<br />
des Treibhauseffekts, der Gewässerbelastung, der Energie sowie bei den ökologischen<br />
Schäden. Zudem stellte er fest, dass die verschiedenen getesteten<br />
Befragungsmethoden (ranking, score allocation und analytical hierachy process) keine<br />
nennenswerten Unterschiede in den Resultaten zeigten.<br />
234<br />
Nagata, K., et.al.: Developing an Impact Assessment Methodology using Panel Data, in: RITE<br />
International Workshop on Total Ecobalance, Tokyo, 1996, S. 101 – 119.<br />
235<br />
Nagata, 1996, S. 103.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 117<br />
Auch die weltweit viel beachtete schadensorientierte Gewichtungsmethodik Eco-<br />
Indicator 99 236 von Goedkoop und Spriensma baut auf Ergebnissen einer Befragung<br />
auf: Sie verwendet die Ergebnisse einer fragebogenbasierten Umfrage unter 82<br />
Mitgliedern des LCA Forums ETHZ/EPFL -vorwiegend Forschende und Mitarbeitende<br />
von Beratungsunternehmen -durch Mettier. Dabei wurden erstmals Schutzgüter und<br />
entsprechende Schäden (endpoints) und nicht wie bis dato Emissionen oder Umweltveränderungen<br />
durch die Befragten beurteilt.<br />
Es waren die Präferenzen zum Schutze der Menschliche Gesundheit, der Qualität des<br />
Ökoystems sowie von Ressourcen zu ermitteln. Aufbauend auf der Erkenntnis, dass in<br />
Befragungen ohne Zusatzinformationen eine starke Tendenz zur Gleichgewichtung<br />
besteht, enthielt der Fragebogen verschiedene Interpretationshilfen, war mehrstufig,<br />
qualitativ und quantitativ aufgebaut und fragte die Bewertungen anhand verschiedener<br />
Entscheidungskontexte (Schäden in Europa, Schäden aus einem hypothetischen<br />
Produkt, etc.) ab. 237<br />
Mettier stellte fest, dass die Befragten erheblich Mühe hatten, vorgegebene Schäden<br />
konsistent zu beurteilen, die nicht in demselben Enscheidungskontext liegen. Die<br />
Befragten bevorzugten eine Bewertung auf einer eher allgemeinen Ebene gegenüber<br />
einer sehr konkreten Ebene. Bei den rankings der Schutzobjekte wurden „Ressourcen“<br />
deutlich weniger wichtig eingestuft als die beiden anderen, während die Ökosystemqualität<br />
mit leichtem Vorsprung am häufigsten als wichtigstes Schutzziel taxiert wurde.<br />
Beim nachfolgenden scoring zeigte sich, dass 50% der Befragten nicht bereit waren,<br />
ihre Gewichtung der Schutzobjekte numerisch auszudrücken. Dies ist ein Phänomen,<br />
welches auch im Rahmen von Befragungen zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft in<br />
der umweltökonomischen Forschung häufig in dieser Grössenordnung anzutreffen ist. 238<br />
Die Befragung versuchte desweiteren die Wertvorstellungen der Befragten anhand der<br />
sogenannten Kulturtheorie zu erfassen, die eine Typenbildung aufgrund von zwei<br />
Merkmalen vornimmt (group/grid analysis). Während das Merkmal group erfasst, wie<br />
stark jemand in festen Gruppen eingebunden ist, versucht das Merkmal grid zu<br />
bestimmen, wie stark jemand durch Vorschriften und Zwänge beeinflusst wird.<br />
Entsprechend den Ausprägungen werden verschiedene Archetypen unterschieden.<br />
Hofstetter hatte den Ansatz der Kulturtheorie in die Ökobilanzforschung eingebracht<br />
und Mettier untersuchte nach dessen Vorschlägen drei Ausprägungen: Individualist<br />
(grosse Unabhängigkeit und Selbstbestimmung), Egalitarian (Gruppenindentität und<br />
Hierarchieaversion) sowie Hierachist (Gruppenidentität und Unterordnung). 239 Anhand<br />
der Antworten von 29 Befragten, die in diesen Kategorien starke Ausprägungen zeigten,<br />
wurden schliesslich typenspezifische Gewichtungsfaktorensets berechnet.<br />
236<br />
Siehe Goedkoop, M., Spriensma, R.: The Eco-indicator 99 –Adamage oriented method for Life Cycle<br />
Impact Assessment, Methodology Report, Second Edition, April 2000, S. 3.<br />
237<br />
Mettier, Vergleich von Schutzgütern, 1999, S. 58.<br />
238<br />
Mitchell, R.C., Carson,R.T.: Using Surveys to Value Public Goods. The Contingent Valuation Method,<br />
Resources for the Future, Washington, 1989, S. 34.<br />
239<br />
Siehe ausführlich: Hofstetter, P.: Perspectives in Life Cycle Assessment: Astructured approach to<br />
combine models of the technosphere, ecosphere and valuesphere. Kluwer, Norwell, 1998.
118 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Abbildung zeigt die Resultate des rankings und des scorings sowie die daraus<br />
(pragmatisch) abgeleiteten Gewichtungsfaktoren.<br />
Abbildung 4.17: Gewichtung von Schutzobjekten für den Eco-indicator 99<br />
Gewichtung von Schutzobjekten Im Rahmen des Eco-Indicator 99. Links sind die Resultate des rankings,<br />
rechts die Resultate des scorings dargestellt. Die Tabelle zeigt die darauf basierenden Gewichtungen auf<br />
Ebene Schutzobjekte und für das Gesamtresultat (Average), sowie die drei getesteten Archetypen.<br />
Anhand der Resultate aus <strong>St</strong>ichproben mit nur 46, resp. 65 Ökobilanz-Interessierten aus dem Verteiler<br />
des ETH LCA Forums, werden heute weltweit zahlreiche Ökobilanzen gewichtet (siehe auch Abschnitt<br />
5.3.3). 240<br />
In der Anwendung einer konkreten Ökobilanzierung wählt man die Perspektive zur<br />
Gewichtung aus und erhält ein spezifisch für diese Perspektive typisches Resultat.<br />
Später wurde auch eine Software bereitgestellt, damit man sich selbst im Gewichtungsdreieck<br />
verorten und damit individuelle Gewichtungsfaktoren erstellen und zur<br />
Berechnung von Ökobilanzen einsetzen kann.<br />
Eine solche zielgruppenspezifische Konfiguration der Ökobilanz ist grundsätzlich<br />
begrüsst worden und entspricht den Forderungen diverser Leitfäden als auch der ISO-<br />
14040ff. Allerdings sind die entsprechenden Resultate nicht mehr mit anderen <strong>St</strong>udien<br />
vergleichbar. Wohl deshalb findet man in der Literatur kaum Fallbeispiele, die diese<br />
typenspezifische Konfiguration tatsächlich anwenden. In der Regel wird mit den<br />
durchschnittlichen Gewichtungsfaktoren (Average) gerechnet.<br />
Das von Mettier entwickelte <strong>St</strong>udie stellt die unseres Wissens bislang anspruchsvollste<br />
Befragung zur Herleitung von Gewichtungsfaktoren im Rahmen der Ökobilanzforschung<br />
dar. Angesichts der geringen <strong>St</strong>ichprobe sind die Resultate jedoch nicht repräsentativ.<br />
240<br />
Darstellungen zusammengefasst aus Goedkoop/Spriensma, 2000, S. 96/97.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 119<br />
Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Panel-basierten <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden<br />
feststellen, dass in den durchgeführten Befragungen ranking und scoring<br />
sowie analytical hierarchy process eingesetzt werden. Die <strong>St</strong>ichproben beziehen sich in<br />
der Regel auf ausgewählte Umwelt- und (meistens hauptsächlich) Ökobilanzfachleute.<br />
Sie geben weder Aufschlüsse über die Einschätzungen der Bevölkerung, noch<br />
zeichnen sie ein repräsentatives Bild der in den Umweltwissenschaften engagierten<br />
Forschenden.<br />
Mit Blick auf den erheblichen Aufwand und die enorme Komplexität der einzelnen<br />
Arbeitsschritte einer Ökobilanz mag dies überraschen. Offenbar ist die Schnittstelle zur<br />
empirischen Sozialforschung noch wenig ausgeprägt. Es werden keine bestehenden<br />
Forschungsresultate der Demoskopie genutzt und die Diskussion der verschiedenen<br />
Methoden der Befragung ist -mit Ausnahme der umfangreichen Arbeit von Mettier in<br />
der Ökobilanzliteratur vergleichsweise oberflächlich. Dies bestätigen auch die Untersuchungen<br />
von Hofstetter 241 , Finnveden 242 und Sundmacher, die die verschiedenen<br />
Panel-basierten Gewichtungsprojekte inventarisiert haben. Alle drei Autoren stellen fest,<br />
dass die Befragungen tendenziell dazu führen, dass die Befragten die zu beurteilenden<br />
Wirkungs- oder Schadenskategorien gleich gewichten. Sie weisen zudem auf die<br />
Herausforderung hin, diese wertbeladene Frage überhaupt tauglich im Rahmen eines<br />
Fragebogens zu formulieren und konstatieren eine latente Überforderung der<br />
Befragten.<br />
Sundmacher stellt zusammenfassend fest: „(...) dass hier insgesamt von einem bisher<br />
eher embryonalen <strong>St</strong>adium der Befragungstechnik gesprochen werden muss.“ 243<br />
4.3.5.4 Monetarisierung als umweltökonomische als Referenz<br />
Die monetäre Bewertung von Umweltschäden dient im Rahmen der Ökobilanzierung<br />
nicht der Internalisierung Externer Kosten, sondern primär einer indikativen Information<br />
der Beurteilenden über die gesellschaftliche Bewertung verschiedener Umweltwirkungen<br />
des Untersuchungsgegenstands. 244<br />
Monetarisierung als Vorschlag zur Gewichtung wurde in rudimentärer Form bereits in<br />
den 70er Jahren vereinzelt anhand von Vermeidungs-, resp. Schadenskosten in<br />
Sozialbilanzen vorgenommen. 245 In den 90er Jahren wurden die entsprechenden<br />
Konzepte von der Ökobilanzforschung wieder aufgegriffen.<br />
Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildeten zwei Publikationen aus dem Jahre 1992:<br />
Die eine entstand im Zusammenhang mit einer Verpackungsökobilanz-<strong>St</strong>udie des<br />
241<br />
Siehe Braunschweig, 1996, S. 138 - 140.<br />
242<br />
Finnveden, G.: Acritical review of operational valuation/weighting methods for life cycle assessment.<br />
AFR-report 253, Swedish Waste Research Council, Swedish EPA, <strong>St</strong>ockholm, 1999.<br />
243<br />
Sundmacher, Umweltinformationsinstrument Ökobilanz, 2002, S. 246.<br />
244<br />
Kytzia, S., Seidel, I.: Monetarisierung – ein Weg für die vergleichende Bewertung von<br />
Umweltschäden, in ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9.<br />
Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 34.<br />
245<br />
Siehe Abschnitt 3.2.3.
120 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Tellus Institute. Sie basierte auf dem Vermeidungskostenansatz, indem aus der<br />
Literatur die Kosten von gesetzlich vorgeschriebenen Umwelttechnologien und –<br />
massnahmen recherchiert und als Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Emissionen<br />
verwendet wurden. 246 Vermeidungskosten werden auch heute noch häufig verwendet.<br />
Jedoch nur stoffspezifisch und nicht zur Gewichtung verschiedenster Emissionen oder<br />
Wirkungskategorien. Dies im Gegensatz zum Prinzip der Zahlungsbereitschaft<br />
(willingness to pay).<br />
Auf der Zahlungsbereitschaft basiert die schwedische Environmental Priority <strong>St</strong>rategies<br />
Methodik (EPS). Als erste Methode überhaupt geht sie von Schutzobjekten aus und<br />
zielt dabei im Gegensatz zu den anderen bisher diskutierten Methoden auf einen<br />
globalen Geltungsbereich. Sie wurde in Zusammenarbeit mit namhaften Unternehmen,<br />
insbesondere Volvo, später auch Akzo Nobel und ABB entwickelt.<br />
Konkret werden für 5 – aus dem Protokoll der Rio-Konferenz (UNCED 1992) abgeleitete<br />
- Schutzobjekte Zahlungsbereitschaften zur Wiederherstellung eines als nachhaltig<br />
erachteten Niveaus ermittelt: Menschliche Gesundheit, Ressourcen, Produktionskapazität<br />
des Ökosystems, Biodiversität und Ästhetische Werte. Für die Schutzobjekte<br />
werden nicht zwingend jeweils ein endpoint-Indikator, sondern mehrere Indikatoren<br />
verwendet, welche dann spezifisch mit Zahlungsbereitschaften belegt werden. Das<br />
heisst, für menschliche Gesundheit werden anstelle eines endpoint- Indikators Disability<br />
Adjusted Life Years DALY (Eco-indicator 99) fünf Wirkungsindikatoren – Years of Life<br />
Lost YOLL, Severe Morbidity, Morbidity, Severe Nuisance und Nuisance separat<br />
ermittelt und dann die Zahlungsbereitschaften für jeden dieser Indikatoren addiert.<br />
Je nach Schutzziel werden sehr unterschiedliche Wege zur Herleitung der Zahlungsbereitschaften<br />
verwendet: 247 einerseits werden Marktpreise für biotische Ressourcen<br />
(Mais, Reis, etc.) und Frischwasser verwendet, anderseits werden fossile Energieträger<br />
mit dem Marktpreis der durch den Abbau verdrängten biotischen Ressourcen (Ernteausfall<br />
infolge Landbeanspruchung) bewertet. Auch mineralische Rohstoffe werden<br />
anhand der Marktpreise von Holzenergie bewertet, die aufgewendet werden müsste,<br />
um den Rohstoff aus einem minderwertigen Erz (definiert als 10-fache Konzentration<br />
der Erdkruste) zu gewinnen.<br />
Neben Marktpreisen werden auch „collective revealed preferences“ über staatliche und<br />
damit politisch legitimierte Ausgaben ermittelt. Die Ausgaben der schwedischen<br />
Behörden für den Arten- und Biotopschutz pro Kopf dienen zur Hochrechnung der<br />
Zahlungsbereitschaft auf die gesamte Weltbevölkerung.<br />
Bei der Gewichtung der unterschiedlichen Schadensindikatoren für Menschliche<br />
Gesundheit kommen verschiedenste Bewertungsgrundlagen zur Anwendung: Zum<br />
einen der Versicherungswert für einen Todesfall, zum anderen contingent valuation<br />
Zahlungsbereitschaftsbefragungen für die verschiedenen Arten von Beein-<br />
246<br />
Tellus Institute: The Tellus Institute Packaging <strong>St</strong>udy, Boston, 1992 zitiert in Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1992,<br />
S. 72.<br />
247<br />
Wir beziehen uns bei dieser Diskussion auf die Version von 1992.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 121<br />
trächtigungen. Insgesamt beschränken sich die Autoren auf Sekundär-Forschung, das<br />
heisst, es werden alle Werte aus der Literatur übernommen und allenfalls umgerechnet.<br />
Der Ansatz wurde heftig kritisiert, da die diversen Methoden nicht direkt vergleichbare<br />
Werte ergeben, aber dennoch ohne weiteres und in nicht nachvollziehbarer Weise<br />
addiert werden. Ebenfalls kritisiert wurden zahlreiche der sehr arbiträren Annahmen und<br />
die Hochrechnung von schwedischen, teils US-amerikanischen Zahlungsbereitschaften<br />
auf die gesamte Weltbevölkerung. „The method (..) suffers from alack of transparency<br />
(e.g. valuation of biodiversity) and contains some scientific, logical and computational<br />
errors.“ 248<br />
<strong>St</strong>een hält dem entgegen, dass es ohnehin nur indikative Zahlen zur Ermittlung relativer<br />
Unterschiede sind und die resultierenden ELU (entsprechend einem ECU) nicht direkt<br />
mit echtem Geldwert zu vergleichen sind. Aller Kritik zum Trotz wurde die Methodik<br />
1994, 1996 und 1999 überarbeitet und die Datengrundlagen wurden aktualisiert. 249 Ein<br />
weiteres prominentes Unternehmen zählt heute zudem zu den Anwendenden: Ricoh<br />
Inc. – in Japan als das führende Unternehmen in Sachen Umweltmanagement<br />
mehrfach ausgezeichnet –verwendet das EPS System zur Gewichtung der Betriebsökobilanz<br />
und Berechnung der Ökoeffizienz.<br />
Die Methodik ist aus umweltökonomischer Sicht sicherlich als abenteuerlich zu taxieren.<br />
Dennoch nimmt <strong>St</strong>een einige Entwicklungen der Ökobilanzforschung vorweg: das<br />
Ausgehen von Schutzobjekten, eine Operationalisierung der Ressourcen-Kategorie<br />
anhand des Energieaufwandes zur Aufbereitung minderwertiger Erze sowie grundsätzlich<br />
die Einführung des Grundgedankens der Zahlungsbereitschaft zur Gewichtung.<br />
Gegen Ende der 90er Jahre fand eine zweite <strong>St</strong>andard-Methodik zur Gewichtung von<br />
Sachbilanzen Beachtung. Auch sie basiert auf dem Prinzip der Zahlungsbereitschaft,<br />
wurde aber nicht innerhalb der Ökobilanzforschung entwickelt, sondern aus der<br />
empirischen Umweltökonomie übernommen: ExternE. Im Auftrag der Europäischen<br />
Kommission wurden zur Politikberatung (Vorbereitung einer Energie- oder Ökosteuer)<br />
zunächst die marginalen Externen Kosten der <strong>St</strong>rombereitstellung in Europa abgeschätzt,<br />
später dann auch die Externen Kosten des Verkehrs ermittelt. Das Projekt<br />
wurde auf europäischer Seite von mehr als 50 wissenschaftlichen Institutionen<br />
ausgeführt und es bestand auch eine Zusammenarbeit mit dem US Departement for<br />
Energy. ExternE entwickelte dazu -sozusagen parallel zur Ökobilanzforschung –ein<br />
umfassendes Wirkungsmodell –ausgehend von Emissionen an konkreten Lokalitäten<br />
über Transport und Umwandlung, Konzentration und Deposition, Wirkung auf<br />
Rezeptoren bis zur Ermittlung der physikalischen Schäden und den dadurch<br />
ausgelösten Kosten, resp. Wohlfahrtsänderungen. 250 ExternE weist damit erhebliche<br />
248<br />
Guinée, 2002, S. 631<br />
249<br />
<strong>St</strong>een, B.: Asystematic approach to environmental priority strategies for product development (EPS),<br />
Version 2000 – general system characteristics, CPM Report 1999/4, 1999.<br />
250<br />
Krewitt, W., Friedrich, R.: Monetäre Bewertung von Umweltschäden –Erfahrungen aus dem ExternE<br />
Projekt, in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9.<br />
Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 44 – 57.
122 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
strukturelle Parallelen zur Wirkungsanalyse in der Ökobilanzierung auf und stellt damit<br />
ein vollkommen integriertes Modell dar. Dieses erlaubt Auswertungen auf Ebene der<br />
Wirkungsanalyse anhand von Umweltwirkungs- und Schadensindikatoren und<br />
gewichtet schliesslich zu einer einzigen (Geld-)Einheit.<br />
Allerdings werden Schäden an Ökosystemen nicht monetarisiert, sondern nur als<br />
endpoint (Zunahme der Flächen, in welchen die „critical loads“ überschritten werden)<br />
ausgewiesen, da keine Ansätze zur Ermittlung der Schadenskosten entsprechender<br />
Überschreitungen zur Verfügung stehen. Auch kennt ExternE kein Schutzobjekt<br />
Ressourcen im Sinne der Ökobilanzierung, da ihre Kosten über Marktpreise als<br />
internalisiert unterstellt werden. Materialschäden werden hingegen -vergleichbar dem<br />
Schutzobjekt Kulturelle Umwelt miteinbezogen.<br />
ExternE verwendet zur Monetarisierung einerseits Marktpreise für Materialschäden und<br />
Ernteverluste. Ansonsten werden Zahlungsbereitschaftsbefragungen eingesetzt, z.B.<br />
zur Verringerung eines statistischen Risikos. Dabei werden einkommensabhängige<br />
Zahlungsbereitschaften verwendet und mit dem jeweiligen Grenznutzen des<br />
Einkommens gewichtet, um den einheitlichen Wert eines statistischen Lebens zu<br />
ermitteln. Entsprechend sind die Resultate hauptsächlich durch Gesundheitsschäden<br />
bestimmt.<br />
Die Berechnungen sind im Vergleich zum EPS System von erheblich höherer<br />
Konsistenz und spiegeln den aktuellen <strong>St</strong>and umweltökonomischer Forschung. Dabei<br />
betonen die Autoren, dass ExternE entwickelt wurde, um auf der Basis von<br />
Schadenskosten ein optimales Belastungsniveau zu ermitteln. Sie weisen<br />
korrekterweise darauf hin, dass im Rahmen der Ökobilanzierung durchaus auch andere<br />
umweltökonomische Ansätze verwendet werden könnten, beispielsweise zur<br />
Gewichtung der von ExternE nicht monetarisierten Ökosystemschäden anhand von<br />
<strong>St</strong>andard-Preis-Modellen. Es stünden für diese Schadenskategorie denn auch Vermeidungskostenschätzungen<br />
auf der Basis der offiziellen EU-Zielsetzung einer Halbierung<br />
der Flächen, auf denen die critical loads überschriten werden zur Verfügung. „Im Prinzip<br />
entspricht die Monetarisierung auf der Basis des <strong>St</strong>andard-Preis-Ansatzes der Methode<br />
der Ökologischen Knappheit.“ 251<br />
Zwar wurden schon vor ExternE sogenannte Emissions-Zuschläge aus diversen<br />
<strong>St</strong>udien zur makroökonomischen Abschätzung der Externen Kosten 252 auch im Rahmen<br />
von Ökobilanzen und Energiebilanzen verwendet. Sie werden aber von der Ökobilanzforschung<br />
nicht thematisiert. ExternE stimmt jedoch über weite <strong>St</strong>recken mit dem<br />
<strong>St</strong>andard-Ablauf der Ökobilanzierung überein und verwischt damit eigentlich die<br />
Grenzen zwischen Umweltökonomie und Ökobilanzierung. Man könnte diesen Ansatz<br />
auch als Ökobilanz-Methodik bezeichnen, wenngleich mit eingeschränktem<br />
(Schutzobjekt-)Fokus und einer hohen Kontextbezogenheit (Energiebereitstellungs- und<br />
Transportprozesse in Europa).<br />
251<br />
Krewitt, 1998, S. 52.<br />
252<br />
Beispielsweise aus Prognos, Ecoplan, Infras: Die Vergessene Milliarden, Bern, 1996
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 123<br />
Verwendete die Ökobilanzforschung bis Ende der 90er Jahre umweltökonomische<br />
Instrumente nur insofern, als dass Ergebnisse aus entsprechenden <strong>St</strong>udien in<br />
Gewichtungsmethoden übernommen wurden, so haben in jüngster Zeit auch Ökobilanz-Forschende<br />
selbst Techniken zur Erhebung der Zahlungsbereitschaft als<br />
Arbeitsfeld erschlossen.<br />
Abbildung 4.18: Conjoint Tabelle zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft<br />
Die Darstellung zeigt ein Beispiel einer Auswahl-Tabelle zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften für<br />
verschiedene Schutzobjekte der schadensorientierten LIME Methodik. 253<br />
Erwähnenswert ist hierzu das japanische National LCA Database Project: Die von<br />
Itsubo und Inaba geleiteten Arbeiten zur sogenannten LIME-Methodik (Life Cycle<br />
Impact Assessment based on Endpoint Modelling) stellt ähnlich wie bereits EPS und<br />
Eco-Indicator 99 eine <strong>St</strong>andard-Methode dar, die von Schutzobjekten ausgeht. Die<br />
Schadensindikatoren zu Menschliche Gesundheit, Soziale Wohlfahrt, Primärproduktion<br />
sowie Biodiversität werden auf der Basis einer sogenannten conjoint analysis gewichtet.<br />
Die Probanden wählten dabei aus drei vorgegebenen Kombinationen von Werten zu<br />
den vier Schutzobjekten sowie einem fünften monetären Wert, in diesem Falle<br />
„<strong>St</strong>euern“. Es wurden 8unterschiedliche Sets solcher Auswahlkombinationen gebildet<br />
und dann zufällig den Befragten zugeteilt. Aus den Antworten wurden indirekt die<br />
Zahlungsbereitschaften für jeden Parameter aufgrund der Ausprägungen der gewählten<br />
253<br />
Itsubo, N.: Development of LCIA Methodology considering the Damages of Endpoints in LCA National<br />
Project of Japan, National Institute of Advanced Industrial Science and Technology, Folienpräsentation,<br />
Tsukuba, Januar 2003, ohne Seitenangaben.
124 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Kombinationen bestimmt. Dazu haben die Forschenden rund 300 Erwachsene in Tokyo<br />
befragt. 254<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass umweltökonomische Ansätze in der<br />
Ökobilanzforschung in jüngster Zeit zunehmend Beachtung finden. Sie werden in der<br />
Literatur neben den Panel-Methoden als am vielversprechendsten für die Entwicklung<br />
von formalen <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden erachtet –dies im Gegensatz zu den<br />
distance-to-target-Ansätzen. Dennoch erscheint auch diese Kategorie von<br />
Gewichtungsmethoden erst in Grundzügen wissenschaftlich diskutiert. Es lassen sich<br />
einige Systematisierungen und Diskussionen der in Frage kommenden Ansätze finden<br />
–so erneut bei Finnveden 255 oder Sundmacher oder auch bei Kytzia/Seidel. Sie stellen<br />
im wesentlichen auf die auch in der Umweltökonomie selbst diskutierten prinzipiellen<br />
Probleme bei der Ermittlung von Schäden oder Zahlungsbereitschaften ab. Eine<br />
vertiefte Auseinandersetzung mit den aktuellsten Resultaten umweltökonomischer<br />
Forschung, deren Möglichkeiten und Grenzen im Rahmen der Ökobilanzierung sowie<br />
insbesondere eine Inventarisierung und Beurteilung der allenfalls verfügbaren Datenbestände<br />
scheint aber noch ausstehend zu sein.<br />
Ein wesentliches Moment der Attraktivität der umweltökonomischen Gewichtungsansätze<br />
wird darin gesehen, dass Resultate in Geldwerten bei Anwendenden als<br />
attraktiv, weil vermeintlich vertraut wahrgenommen werden und damit die bei Panel-<br />
Methoden konstatierte tendenzielle Überforderung gelindert werden kann. Sicherlich ist<br />
CHF 1.- näher an der Lebenswelt der Beurteilenden als 1DALY. Anderseits ist diese<br />
Vertrautheit in vielen Fällen irreführend und kann erhebliche Verzerrungen in der<br />
Beurteilung verursachen: Der Informationsgehalt von CHF 1.- ermittelt in Umfragen zur<br />
Zahlungsbereitschaft ist keinesfalls mit dem Marktpreis CHF 1.- gleichzustellen.<br />
Braunschweig spricht hier treffend von „pseudo-monetären“ Resultaten. 256 Esbesteht<br />
die Gefahr, dass diese Werte unbedarft auf gänzlich andere Kontexte übertragen<br />
werden. Ein Beispiel dazu liefert die in Japan bekannte Ebara-Methode: Dabei wurden<br />
Vermeidungskosten für verschiedene Emissionen durch einen Vergleich zweier<br />
Generationen von Wärmepumpen berechnet. Diese Vermeidungskosten wurden bereits<br />
in verschiedensten Beispielen zur Gewichtung von Emissionen in ganz anderen<br />
Bereichen verwendet: so u.a. zur Berechnung der Ökoeffizienz verschiedener<br />
Elektronikkonzerne. Der Informationsgehalt der Vermeidungskosten für Emissionen aus<br />
Herstellung und Betrieb einer Wärmepumpe ist bezogen auf diese Anwendung aber<br />
offensichtlich gleich Null. Trotzdem zirkulieren diese Werte noch immer, denn die<br />
meisten Anwendenden kennen den Ursprung dieser Daten gar nicht. 257<br />
254<br />
Itsubo, N., et.al.: Development of Weighting Factors for Safeguard Subjects Applying Conjoint Analysis,<br />
in: Proceedings of the 5 th International Ecobalance Conference, Tsukuba, 2002, S. 65 – 69.<br />
255<br />
Finnveden, G.: On the possibilities of life-cycle assessment, development of methodology and review<br />
of case studies, <strong>St</strong>ockholm University, 1998, zitiert in Guinée 2002, S. 630.<br />
256<br />
Braunschweig, 1994, S. 124.<br />
257<br />
Honda, T.: Comparing JEPIX, LIME and Ebara Methods for Weighting, in: Proceedings of the JEPIX
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 125<br />
Aus umweltökonomischer Sicht ist zudem anzumerken, dass die Übertragbarkeit von<br />
Resultaten umweltökonomischer Forschung auf Ökobilanzen nicht nur vom technologischen,<br />
geografischen und zeitlichen Kontext abhängt. Zumindest theoretisch gilt es zu<br />
berücksichtigen, ob es sich sowohl in der Ökobilanzierung als auch in der verwendeten<br />
umweltökonomischen Gewichtung um Durchschnitts- oder Marginalbetrachtungen<br />
handeln kann. Da schadensorientierte Ökobilanzansätze darauf abzielen, dass<br />
marginale Schadenspotential zu erfassen, wäre eine Gewichtung anhand makroökonomischer<br />
Durchschnittswerte Externer Kosten mit Vorsicht zu betrachten. Zudem ist<br />
der Einfluss von Fragestellung und Untersuchungsgegenstand auf den Einsatz umweltökonomischer<br />
Gewichtungsmethoden noch nicht systematisch erforscht worden.<br />
Das Projekt ExternE macht zudem deutlich, dass eine mikroökonomische Operationalisierung<br />
der (neoklassischen) umweltökonomischen Schadensermittlung<br />
ausgehend von Emissions- über Transmissions-, Immissions- und schliesslich<br />
Schadensfunktionen 258 methodisch weitgehend mit den Operationen der Ökobilanzierung<br />
übereinstimmt. Man könnte umgekehrt den Schluss ziehen, dass die Ökobilanzierung<br />
letztlich denselben Grenzen unterliegt, wie sie kritische Ökonomen der<br />
neoklassischen Umweltökonomie nachgewiesen haben.<br />
Diese Einschränkung wird von den Ökobilanzforschenden zumindest insofern erkannt,<br />
dass die verschiedenen Techniken jeweils nur spezifische Wertaspekte zu ermitteln<br />
vermögen und dass auch die Ökonomie grösste Probleme hat, einen ganzheitlich,<br />
universalen und richtigen Wert zu ermitteln. „Für eine vollumfängliche und eindeutige<br />
Beschreibung von Werten/Schäden besteht keine Methode. Es können immer nur<br />
Teilaspekte von Schäden/Werten monetarisiert werden.“ 259<br />
4.3.5.5 Fazit: Es ist kein Konsens zur Gewichtung absehbar<br />
Die Gewichtung hat in den 90er Jahren –trotz grosser Skepsis seitens der Ökobilanzforschung<br />
selbst –ebenfalls eine erhebliche Differenzierung erfahren. Dabei haben sich<br />
die Bemühungen zur Operationalisierung einer umwelt-naturwissenschaftlichen<br />
Gewichtung als Sackgasse der Forschung erwiesen, da sie jeweils nur sehr spezifische<br />
Einzelaspekte des Phänomens Umweltbelastung herausgreifen und damit eher von<br />
illustrativem Wert sind. Die Frage der Gewichtung ist heute anerkannt eine Frage der<br />
gesellschaftlichen Bewertung.<br />
Dabei dürften zielgruppenspezifische Befragungstechniken für ganz konkrete<br />
Anwendungsbereiche von Ökobilanzen die höchste Akzeptanz und Konformität mit den<br />
eigenen Ansprüchen und Vorgaben der Ökobilanzforschung aufweisen: Dann nämlich,<br />
wenn die Zielgruppen und die von den Resultaten Betroffenen begleitend in den<br />
Prozess einbezogen werden. Je nach Anwendungsbereich ist dies in der Praxis möglich<br />
Forum Japan, Januar 2004, ohne Seitenangaben.<br />
258<br />
Siehe Heller, 1989, S. 90 – 105.<br />
259<br />
Kytzia/Seidel, 1998, S. 39.
126 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
und wird auch so praktiziert (insbesondere, wenn es um politische Entscheidungen<br />
geht). In solchen Fällen nähert sich die Ökobilanzierung dem Vorgehen der Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
an. Bei der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse oder bei der<br />
Beurteilung der Umweltleistung von Unternehmen ist eine massgeschneiderte Ökobilanzierung<br />
jedoch infolge des erheblichen Aufwands nur selten möglich.<br />
Für die Ökobilanzforschung zur Gewichtung prägend sind deshalb die <strong>St</strong>andard-<br />
Methoden, deren Entwicklung wir in diesem Abschnitt nachgezeichnet haben. Es wurde<br />
deutlich, dass diese Methoden ihre Gewichtungsfaktoren auf grundlegend verschiedene<br />
gesellschaftliche Referenzen beziehen und auf jeweils sehr unterschiedlichen Ebenen<br />
der Ökobilanz-Methodik angreifen. Zwar stellen alle Methoden ihre Resultate als Listen<br />
von Gewichtungsfaktoren für die Inputs- und Outputs der Sachbilanz zur Verfügung. Sie<br />
gewichten jedoch teilweise auf Ebene der Emissionen, teils auf Ebene der Wirkungspotentiale<br />
und teils auf Ebene der Schutzobjekte, resp. Schäden. Dabei ist allen<br />
aktuellen Methoden gemein, dass sie in irgendeiner Form Resultate aus der Wirkungsanalyse<br />
einschliessen.<br />
Insgesamt sind die Gewichtungsmethoden wissenschaftlich noch wenig entwickelt: 260<br />
Die Panel-Methoden basieren auf sehr beschränkten (Experten-)<strong>St</strong>ichproben und<br />
liefern deshalb keine repräsentativen Resultate. Zu den politisch-gesetzlich<br />
abgestützten distance-to-target-Methoden sind anerkannte Prozeduren zur<br />
eineindeutigen Selektion der verwendeten Daten noch wenig entwickelt und sie sind in<br />
ihrem Geltungsbereich immer auf einen nationalen, allenfalls supranationalen Kontext<br />
beschränkt. Das ist für die meisten Produkte und für Grossunternehmen in einer<br />
globalisierten Wirtschaft nicht angemessen. Mit denselben Probleme sehen sich auch<br />
die umweltökonomischen Gewichtungsmethoden konfrontiert. Deren ökobilanzspezifische<br />
Auf- und Ausarbeitung sowie empirische Fundierung hat offenbar gerade<br />
erst begonnen.<br />
Gewichtungsmethoden reduzieren die numerische Komplexität der umfangreichen<br />
Sachbilanz und mehrdimensionaler Wirkungsbilanzen erheblich. Sie erlauben damit<br />
eine starke Fokussierung des Ökobilanzprozesses, indem beim iterativen Durchlaufen<br />
der vier Elemente (Systemabgrenzung – Sachbilanzierung – Wirkungsanalyse und<br />
Interpretation) -Schwerpunkte zur Konzentration von Aufmerksamkeit und Ressourcen<br />
auf wesentlich erscheinende Aspekte schnell und einfach identifiziert werden können.<br />
Jedoch erhöht der Einsatz von Gewichtungsmethoden die inhaltliche Komplexität<br />
enorm, da jedes Modell wiederum auf seine Kompatibilität mit Zielsetzung, Kontext, etc.<br />
geprüft werden sollte, damit die Resultate überhaupt präzise interpretiert werden<br />
können.<br />
260<br />
Siehe hierzu: <strong>Siegenthaler</strong>, C., Inaba, A.: Life Cycle Impact Assessment – Current <strong>St</strong>ate and<br />
Perspectives for Research, in: ECP Newsletter, Nr. 10, JEMAI Japan Environmental Management<br />
Association for Industry, Tokyo, 1998, S. 1 – 6.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 127<br />
Abbildung 4.19: Typologie von Gewichtungsmethoden<br />
Die Abbildung ordnet die wichtigsten Methoden unterschiedlichen Gewichtungsprinzipien zu und zeigt auf,<br />
auf welcher Ebene das jeweilige Prinzip angewendet wird. 261<br />
Dennoch sind Gewichtungsmethoden in der praktischen Ökobilanzierung weit<br />
verbreitet, wie unsere empirische <strong>St</strong>andortbestimmung zeigen wird. Und im Gegensatz<br />
zu den Ökobilanz-Forschenden selbst, vertrauen die Anwendenden diesen Methoden.<br />
Die Ökobilanzforschung selbst empfiehlt angesichts dieser Situation, mehrere<br />
verfügbare <strong>St</strong>andard-Methoden parallel zur Gewichtung der Sachbilanz anzuwenden<br />
und damit das Spektrum der möglichen Resultate zu erkennen, ein Verständnis für die<br />
Mechanik der Modelle und für auftretende Widersprüche zu entwickeln.<br />
Für eine vorwiegend von Persönlichkeiten aus den exakten Naturwissenschaften<br />
geprägte Wissenschaft dürfte dies ein ernüchternder Prozess gewesen sein. Man<br />
überschritt sozusagen die Grenze von der rationalen, echten Wissenschaft zu den<br />
unscharfen Sozialwissenschaften. Oder wie ein japanischer Kollege im Rahmen eines<br />
gemeinsamen Projektes zum Thema Gewichtung einmal mit Schrecken feststellte: „Oh<br />
my god: it is not science !“<br />
261<br />
Eigene Darstellung.
128 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
4.4 Ökobilanzierung wird zur Wissenschaft<br />
Unsere Betrachtungen zur Phase der Differenzierung und Operationalisierung<br />
verfolgten zwei Zielsetzungen: erstens sollte dargelegt werden, wie stark sich die Ökobilanzforschung<br />
in den 90er Jahren entwickelt hat, und entlang welcher kritischen<br />
Operationen, resp. Forschungsschwerpunkte diese Differenzierung erfolgt ist. Zweitens<br />
diente die Diskussion der Erkenntnisse der Ökobilanzforschung dazu, einen Eindruck<br />
von den Möglichkeiten und Grenzen der Methodik, aber auch vom Selbstverständnis<br />
dieser Wissenschaft zu gewinnen.<br />
4.4.1 Differenzierung der Methodik<br />
Ausgehend von den bereits zu Beginn der 90er Jahre als Konsens greifbaren vier<br />
Elementen haben sich eine grosse Zahl von Arbeitsschritten entwickelt. Je nach Quelle,<br />
werden zwischen 25 und 35 wesentliche Operationen aufgeführt, die im Rahmen jeder<br />
Ökobilanz-Untersuchung bearbeitet, resp. zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit<br />
dokumentiert werden sollten. Diese umfassen jeweils wiederum eine Vielzahl einzelner<br />
Detailarbeitsschritte.<br />
Auch nach Vorliegen der internationalen Normreihe ISO14040 werden nach wie vor<br />
Bezeichnungen, Detailierungsgrad und Anzahl der benötigten Arbeitsschritte von<br />
verschiedenen Autoren(-gruppen) unterschiedlich ausgestaltet -wenngleich sich alle an<br />
den vier genannten Elementen orientieren. Beispielsweise werden einzelne<br />
Operationen bezüglich der Modellierung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse mal der Definition<br />
von Ziel und Untersuchungsrahmen, mal der Sachbilanzierung zugeordnet. Oder die<br />
unter Interpretation subsumierte Prüfung der Datenqualität wird häufig direkt bei der<br />
jeweiligen Modellierung der Sachbilanz, der Wirkungsanalyse und der Gewichtung<br />
verortet.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 129<br />
Abbildung 4.20: Differenzierung der Methodik im Verlaufe der 90er Jahre 262<br />
4.4.2 Ökobilanzierung als eine Theorie der Umweltbelastung<br />
Die Liste macht deutlich, dass Ökobilanzierung im Sinne eines massgeschneiderten<br />
Prozesses -im Hinblick auf eine ganz spezifische Fragestellung und mit einem hohen<br />
Anspruch an Präzision und Kontextbezug -nur im Rahmen äusserst umfangreicher<br />
Projekte und unter Einbezug der Zielgruppen, resp. Betroffenen stattfinden kann. Selbst<br />
in einem solchen Rahmen wird man auf den Einsatz von <strong>St</strong>andard-Daten angewiesen<br />
sein und damit ist der Anspruch einer vollkommen konsistenten Modellierung aller<br />
Ebenen in der Praxis nicht durchzuhalten. In diesem Sinne stellt der bislang erreichte<br />
Konsens zu den Operationen eine Utopie dar, deren Anspruch in der Praxis nicht<br />
eingelöst werden kann. Je nach Anwendung, Urheberschaft und Tragweite der<br />
262<br />
Eigene Darstellung, zusammengestellt aus Guinée, 2002, sowie aus ISO14040:1997, ISO14041:1998,<br />
ISO14042:2000, ISO14043:2000.
130 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Resultate ist ein angemessener Kompromiss zu schliessen. Das entwickelte Programm<br />
dient dabei zur Orientierung und als Massstab.<br />
Unsere Untersuchung anhand der fünf als kritisch identifizierten Operationen hat zudem<br />
deutlich gemacht, dass selbst im Falle einer konsistenten Anwendung aller Arbeitsschritte<br />
der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen dennoch unerreichbar bleibt: man kann die<br />
Operationen noch so gewissenhaft ausführen, letztlich wird man nicht ohne<br />
Vereinfachungen und Konventionen auskommen, um überhaupt zu einem Resultat zu<br />
gelangen.<br />
Angefangen von der Definition einer Funktionellen Einheit, über die Abgrenzung und<br />
Beschreibung der relevanten Prozesse und der Auswahl der <strong>St</strong>offindikatoren bis hin zur<br />
Berechnung der Sachbilanz: schon auf Ebene einer systematischen Beschreibung der<br />
<strong>St</strong>off- und Energieflüsse wird deutlich, dass es keine Ökologische Wahrheit geben kann<br />
und dass die Resultate durch Variation der Annahmen um Grössenordnungen<br />
verändert und ins Gegenteil verkehrt werden können.<br />
Diese Situation setzt sich auf der Ebene der Wirkungsmodellierung fort: dort löst sich<br />
die vermeintliche Präzision wissenschaftlicher Erkenntnisse im grossen Mangel an<br />
verfügbaren Daten sowie in der Konkurrenz verschiedener Theorien, Messmethoden<br />
und Modelle zur Beschreibung von Umweltveränderungen auf. Je weiter man sich von<br />
im Labor bestimmbaren <strong>St</strong>offeigenschaften in Richtung Umweltveränderungen und<br />
schliesslich Schäden bewegt, desto grösser werden Komplexität und Unsicherheit.<br />
Ohne Konventionen, resp. Usanzen was man als Zusammenhang zwischen Untersuchungsgegenstand<br />
und Wirkung noch als akzeptabel und richtungstreu erachtet<br />
(oder als normative Kraft des Numerischen einfach akzeptiert), können bald keine<br />
präzisen und validen Ergebnisse mehr gewonnen werden.<br />
Dies war für den letzten Schritt auf dem Weg zu einem Gesamtindikator für Umweltbelastung<br />
schon seit jeher anerkannt: die Gewichtung muss sich an gesellschaftlichen<br />
Präferenzen orientieren und versucht dies über Befragungen direkt oder indirekt über<br />
collective revealed preferences aus sozial legitimierten Konstruktionen abzuleiten.<br />
Jenseits eines mediativen Einbezugs der Betroffenen in einen Beurteilungsprozess,<br />
indem dann eine massgeschneiderte Konvention über die Prioritäten einzelner<br />
Emissionen, Umweltveränderungen oder Umweltschäden verhandelt wird, sind auch<br />
hier keine allgemein gültigen Resultate zu erhalten.<br />
Damit könnte man die Erkenntnisse aus 30 Jahren Ökobilanzforschung pointiert mit<br />
dem Satz zusammenfassen: „Umweltbelastung entsteht im Kopf“ -sei es in den Köpfen<br />
von Forschenden, wenn es um eine naturwissenschaftliche Modellierung von ökologischen<br />
Phänomenen geht; im Kopf von Entscheidenden und Handelnden, wenn es<br />
um eine Beurteilung dieser Phänomene geht. In beiden Bereichen sind Aussagen nur<br />
möglich, wenn Annahmen getroffen werden. Und jenseits der persönlichen Ebene ist<br />
Umweltbelastung ein Konstrukt auf der Basis vielerlei Konventionen. Somit entsteht<br />
Umweltbelastung auf gesellschaftlicher Ebene durch Kommunikation und Konvention.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 131<br />
Die Ökobilanzforschung zieht damit letztlich im Kern ihrer Erkenntnis denselben<br />
Schluss wie Luhmann in seiner Ökologischen Kommunikation.<br />
Ist angesichts dieses Befundes das Projekt Ökobilanzierung als gescheitert zu<br />
betrachten Keineswegs, denn die Ökobilanzforschung hat in den letzten 15 Jahren<br />
wesentliches zur Überwindung einer Ökologischen Beliebigkeit oder einer rein<br />
glaubensbasierten Digital-Ökologie geleistet:<br />
1. Sie hat das soziale Konstrukt Umweltbelastung in ein logisch-rationales Konzept<br />
überführt. Sie hat systematisch aufgearbeitet, welche Fragen zur Operationalisierung<br />
von Umweltbelastung zu beantworten sind. Und sie hat aufgezeigt, welche<br />
Informationen, resp. welches Wissen auf verschiedenen Ebenen –über den Untersuchungsgegenstand,<br />
über die Umwelt –über die Gesellschaft -notwendig wären<br />
und welche Anforderungen an die Daten zu stellen sind.<br />
2. Sie hat identifiziert, in welchen Bereichen zur Erfassung, resp. Beschreibung der<br />
Realität letztlich Konventionen notwendig sind, um die Komplexität auf ein verarbeitbares<br />
Mass zu reduzieren. Sie hat dazu alternative Möglichkeiten der Beschreibung<br />
von <strong>St</strong>offen, Prozessen, Wirkungen, Schäden und Präferenzen getestet und nachgewiesen,<br />
dass hier keine eineindeutige Realität erfasst werden kann, sondern<br />
Entscheidungen über Vereinfachungen getroffen werden müssen. Sie weist klar<br />
darauf hin, dass diese Entscheidungen offengelegt und begründet werden sollten.<br />
3. Sie hat eine Landkarte geschaffen, in der konzeptionelles und empirisches Umweltwissen<br />
verortet werden kann. Sie entwickelt konzeptionelle Schnittstellen zwischen<br />
verschiedenen umweltwissenschaftlichen Teildisziplinen und treibt eine ganzheitliche<br />
Integration dieser Disziplinen im Hinblick auf die Beschreibung und/oder<br />
Veränderung von Umweltbelastung voran. Sie hat dazu eine differenzierte Sprache<br />
geschaffen.<br />
4. Sie anerkennt und betont, dass die Qualität ihrer Ergebnisse durch ihre Einbindung<br />
in konkrete soziale Entscheidungsprozesse entsteht. Gerade darum ist die Ökobilanzierung<br />
keine naturwissenschaftliche Disziplin, sondern verbindet ökologische<br />
Erkenntnisse mit Erkenntnissen und Methoden aus Ingenieur-, Sozial- und<br />
Wirtschaftswissenschaften.<br />
5. Sie ist selbst als sozialer Lernprozess angelegt, indem sie das inventarisierte Wissen<br />
mit wissenschaftlichen Methoden auf Unsicherheiten und Inkonsistenzen hin prüft,<br />
Schwachstellen identifiziert und gezielt Bedarf an zusätzlicher Forschung oder<br />
weiteren Konventionen aufzeigt. Sie ist in der Lage, ihre interne Sprache und<br />
<strong>St</strong>ruktur zu reorganisieren, indem weitere Operationen und Begriffe geschaffen<br />
werden. Grundsätzlich offen konzipiert, kann sie neue Wirkungsketten aufnehmen,<br />
resp. bestehende austauschen oder weglassen.<br />
Die Ökobilanzforschung allein auf dieser Ebene gibt keine Antworten auf spezifische<br />
Fragen zur Umweltbelastung, sondern generiert Fragen, Arbeitsanweisungen und An-
132 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
forderungen. Sie spiegelt den Konsens über die Erfordernisse einer rationalen –<br />
vernunftbasierten - Erfassung von Umweltbelastung wieder. Sie ist nur Methodik,<br />
Sprache und Prozess.<br />
Ihre kritische Selbstreflexion offenbart, dass sie sich bewusst (geworden) ist, wie gering<br />
das gesellschaftliche Umweltwissen und wie beschränkt die Möglichkeiten einer<br />
präzisen Beschreibung und damit Optimierung letztlich sind.<br />
4.4.3 Die angewandte Ökobilanzforschung schafft Konventionen<br />
Ökobilanzforschung ist aber nicht nur der Versuch, eine Theorie der Umweltbelastung<br />
zu schaffen und dabei zu akzeptieren, dass wissenschaftlich präzise Aussagen gar<br />
nicht möglich sind. Im Gegenteil: neben der theoretischen Ökobilanzforschung wird<br />
auch angewandte Forschung betrieben. Man identifiziert nicht nur die Grenzen einer<br />
Operationalisierung von Umweltbelastung, sondern geht im Gleichschritt dazu über,<br />
diese Grenzen selbst mit Vereinfachungen und Konventionen zu überschreiten, um<br />
dennoch zu Aussagen, resp. zu numerischen Grössen der Umweltbelastung zu<br />
gelangen.<br />
Die angewandte Ökobilanzforschung geht äusserst pragmatisch vor: sie akzeptiert<br />
Vereinfachungen und übernimmt Konventionen aus den verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Disziplinen, die sie in ihrer Landkarte verortet hat. Sie baut auf den verfügbaren<br />
Resultaten von Messverfahren auf und übernimmt deren stofflichen<br />
Aggregationsgrad. Sie entscheidet sich für eine bestimmte aller möglichen Abgrenzungen<br />
und nimmt Allokationen von <strong>St</strong>offen auf Prozesse vor. Sie trifft Annahmen<br />
zum Umgang mit rekursiven (Recycling) <strong>St</strong>offströmen und aggegriert <strong>St</strong>offe<br />
pragmatisch über verschiedene Kontexte hinweg. Sie charakterisiert ganze <strong>St</strong>offgruppen<br />
in ihrem Umweltverhalten auf der Basis von einzelnen Laborwerten, schätzt<br />
deren Verteilung im Raum anhand einiger weniger Parameter und unterlegt ihre idealtypisch<br />
gleichförmigen Schadensfunktionen mit den dürftigen und selbst umstrittenen<br />
Ergebnissen der dose response-, resp. der epidemiologischen Forschung. Und<br />
schliesslich summiert sie diese Ergebnisse anhand von unterstellten oder nichtrepräsentativ<br />
ermittelten Präferenzen der Gesellschaft.<br />
Bildet der generell abstrakte Rahmen sozusagen den Grundkonsens der Ökobilanzierenden,<br />
so zerfällt diese Gemeinschaft aus Sicht der Anwendungsforschung in<br />
verschiedene Fraktionen: Man entwickelt gemeinsam die Theorie, steht aber bezüglich<br />
deren Anwendung in konstruktiver Konkurrenz. Es gibt Gruppierungen, die eine Auswertung<br />
allein auf der Ebene der Sachbilanzergebnisse fordern, andere empfehlen,<br />
nicht über die Wirkungspotentiale hinaus zu gehen und wieder andere halten die Ebene<br />
der Schadensindikatoren oder gar der Gewichtung für zielführend und vertretbar. Jede<br />
Fraktion versucht in Forschung und Praxis möglichst ihre Konventionen durchzusetzen.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 133<br />
Abbildung 4.21: Arbeitsteilung innerhalb der Ökobilanzforschung<br />
Entsprechend hat sich die angewandte Ökobilanzforschung in den 90er Jahren stark<br />
arbeitsteilig entwickelt: einige Institutionen konzentrierten sich auf die Bereitstellung von<br />
generischen Sachbilanz-Daten (<strong>St</strong>andard-Ökoinventare), andere stellten<br />
Charakterisierungsfaktoren für diverse Wirkungskategorien zur Verfügung, wieder<br />
andere erarbeiteten Charakterisierungsfaktoren für Schadensindikatoren oder Gewichtungsfaktoren.<br />
Die angewandte Ökobilanzforschung fügt das verfügbare Wissen in<br />
die Landkarte ein, testet die Eignung von Modellen und evaluiert die Qualität von Daten<br />
und Resultaten. Damit trägt sie wesentlich zur weiteren Entwicklung und<br />
Differenzierung der Theorie bei. Die Grenze zwischen der theoretischen und der<br />
angewandten Forschung ist in der Realität fliessend – es sind häufig dieselben<br />
Institutionen und Personen auf beiden Ebenen aktiv. Man betreibt sozusagen ein<br />
Modell konstruktiver Konkurrenz zur Weiterentwicklung der generischen Methodik,<br />
obwohl man in der Anwendung unterschiedliche <strong>St</strong>andpunkte einnimmt und auch an<br />
anderen Schwerpunkten arbeitet.<br />
Die angewandte Ökobilanzforschung beeinflusst mit steigender Komplexität der<br />
Methodik, resp. steigendem Umfang der verfügbaren, resp. der benötigten Daten auch<br />
zunehmend die praktische Anwendung. Sie tut dies insbesondere im Zuge der<br />
zunehmenden Arbeitsteilung und Zentralisierung von Datenaufbereitung und Methodenentwicklung.<br />
4.4.4 Zentralisierung der Ökologischen Wahrheit über Datenbanken<br />
Die Datenverfügbarkeit hat im Verlaufe der 90er Jahre enorm zugenommen: Von einem<br />
Dutzend Input-Output-Indikatoren anfangs der 70er Jahre über einige Dutzend Ende
134 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
der 80er stieg der Umfang von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren zunächst auf über 100<br />
(BUWAL 250; 1995) 263 ,dann über 400 (ETH-ESU;1996) 264 und erreicht heute aufgrund<br />
einer Differenzierung nach Kontext und Wirkungsdauer rund 1'000 Indikatoren für rund<br />
400 <strong>St</strong>offe (Ecoinvent; 2003). 265 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht alle<br />
wichtigen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare ein solch immenses Auflösungsvermögen aufweisen:<br />
Beispielsweise beschränkt sich die japanische National LCA Database aus dem Jahr<br />
2003 mit 14 <strong>St</strong>offindikatoren. 266<br />
<strong>St</strong>andard-Ökoinventare sind nicht mehr nur für einige wenige Energiebereitstellungsoder<br />
Entsorgungsprozesse sowie Verpackungen verfügbar, sondern für eine grosse<br />
Anzahl von Materialien und Prozessen. Die aktuelle Ecoinvent Datenbank umfasst rund<br />
2'700 Datensätze. Die oben erwähnte japanische Datenbank enthält rund 250 Datensätze,<br />
teilweise auf <strong>St</strong>ufe komplexer Produkte wie Personal Computer oder<br />
Kopiergeräte. Damit wird es zunehmend möglich, sehr umfassende Lebenszyklen von<br />
Produkten, resp. Wertschöpfungsketten von Unternehmen systematisch abzubilden.<br />
Hinzu kommen die Meta-Informationen, also die Beschreibung der Datenerhebung, der<br />
Berechnungsmethoden und Annahmen sowie zu den einzelnen Prozessen und<br />
Materialien, dem Alter der Daten, dem geografischen Geltungsbereich, etc. sowie<br />
qualitative -in den state-of-the-art Datenbanken auch quantifizierte –Datenqualitätsindikatoren<br />
zu jedem Datensatz. Die zugehörigen Dokumentationen können<br />
entsprechend mehrere Tausend Seiten umfassen (beispielsweise ESU 1996: 1'946<br />
Seiten; Ecoinvent 2003: 8'491 Seiten).<br />
Mit der Einführung der Wirkungsmodellierung ist das Auflösungsvermögen bezüglich<br />
Charakterisierungsfaktoren ebenfalls enorm gestiegen: verarbeiteten die Kritischen<br />
Volumina noch knapp 30 Sachbilanz-Indikatoren für alle vier Wirkungskategorien<br />
zusammen, hat CML 2001 ein Auflösungsvermögen von rund 1'000 Sachbilanz-<br />
Indikatoren (ca. 300 <strong>St</strong>offe, nach Umweltmedien differenziert) und beinhaltet für<br />
verschiedene Wirkungskategorien jeweils eine Auswahl unterschiedlicher Modelle pro<br />
Wirkungskategorie mit insgesamt über 23'000 Charakterisierungsfaktoren auf Ebene<br />
Umweltveränderungen.<br />
Auch die Gewichtungsmodelle sind entsprechend umfangreicher geworden: Die<br />
Ökologische Knappheit von 1991 wies Gewichtungsfaktoren für 19 Substanzen aus, die<br />
Version 1998 -unter Einbezug von Charakterisierungsfaktoren aus Wirkungsmodellen<br />
für Treibhauseffekt und Ozonschichtabbau - deren 91.<br />
Die Japanische Version JEPIX umfasst unter Einbezug von Humantoxizität über 1'000<br />
Gewichtungsfaktoren und zusätzlich Skalierungsfaktoren für rund 150 Luftemissionen in<br />
47 Präfekturen, für BOD in 120 Flüssen, für P, Nund COD in 41 Seen sowie 3halboffenen<br />
Buchten. Das ergibt insgesamt über 8'000 regional und nach Umweltmedium<br />
263<br />
Habersatter, K., et.al.: Ecobalance of Packaging Materials, BUWAL, SRU 250, Bern, 1995.<br />
264<br />
ETH-ESU/PSI: Environmental Life Cycle Inventories of Energy Systems, ENET, 1996.<br />
265<br />
Swiss Centre for Life Cycle Inventories: Ecoinvent 2000, Zürich, 2003.<br />
266<br />
Narita, N., et.al: Current <strong>St</strong>atus of National LCA Project in Japan, in: Proceedings of the 5 th International<br />
Ecobalance Conference, Tsukuba, 2002, S. 125.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 135<br />
differenzierte Gewichtungsfaktoren 267 für rund 370 <strong>St</strong>offe.<br />
Die neuste Generation der schadensorientierten Gewichtungsmethoden weist zudem<br />
modular für jede Substanz die Charakterisierungsfaktoren auf Ebene Umweltveränderungspotential,<br />
Schadenspotential sowie gewichtet aus. Die Anwendenden<br />
verfügen damit über die von der Theorie geforderte Flexibilität und können auf allen<br />
<strong>St</strong>ufen Resultate ausgeben, resp. diejenige Ebene auswählen, die für die Beantwortung<br />
ihrer Fragestellung am besten geeignet ist.<br />
Abbildung 4.22: <strong>St</strong>andardfaktoren von LIME 2003<br />
Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtungsmethoden der neusten Generation wie LIME 2003 erlauben<br />
es den Anwendenden, Auswertungen auf Ebene Umweltveränderungspotential, Schadenspotential sowie<br />
gewichtet vorzunehmen, indem für jede Ebene entsprechende Faktoren zur Verfügung gestellt werden. 268<br />
Die angewandte Ökobilanzforschung schafft durch die Bereitstellung der Daten und<br />
insbesondere durch die dazu erforderliche, zentralisierte Durchführung kritischer<br />
Operationen (Modellierung) in hohem Masse Konventionen: es werden Entscheidungen<br />
zur Datensammlung, zum Aggregationsgrad der <strong>St</strong>offindikatoren, zu Allokationen 269 und<br />
Systemabgrenzungen eines Grossteils der - die Resultate einer praktischen<br />
267<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C.: JEPIX 2005 - Ecofactors for Japan, Datasheet to the JEPIX Technical Report,<br />
erhältlich über www.jepix.org, Tokyo, 2003.<br />
268<br />
UNEP Life Cycle Initiative, LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background document II, ohne Seitenangabe, 2003.<br />
269<br />
Als Novum werden in der Ecoinvent Datenbank nebst den Inventarresultaten auch Rohdaten vor<br />
Allokation verfügbar gemacht. Die Anwendenden können dann ihre Allokationsregeln einführen bevor<br />
sie die Inventardaten berechnen lassen. Allerdings ist zu erwarten, dass viele Anwendende sowie die<br />
Softwarehersteller jeweils die <strong>St</strong>andard-Einstellungen nutzen.
136 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Anwendung prägenden -Daten getroffen. Die Datenbasis wird damit vereinheitlicht und<br />
die Vergleichbarkeit der Resultate erhöht.<br />
Den Anwendenden bleibt die Aufgabe, die (technologische, zeitliche, geografische, etc.)<br />
Angemessenheit der verwendeten Daten in ihrer spezifischen Anwendung kritisch zu<br />
prüfen. Zu prüfen ist zudem auch, ob die verschiedenen Daten –Sachbilanz, Wirkungsbilanz,<br />
ggf. Gewichtung auch wirklich zusammenpassen. Ob sie dies in der Realität<br />
tatsächlich tun und ob sie sich angesichts der enormen Datenmenge dazu überhaupt im<br />
<strong>St</strong>ande fühlen, ist freilich eine andere Frage. Zumindest hätten sie die Möglichkeit, in<br />
Übereinstimmung mit der Theorie zu handeln. Es ist zu erwarten, dass viele<br />
Anwendende auf die Autorität der Ökobilanzforschung vertrauen, wenn die Daten von<br />
renommierten Institutionen erhoben und/oder publiziert wurden.<br />
Im Zuge der explosionsartigen Zunahme der Datenverfügbarkeit ist es aber erwiesenermassen<br />
bedeutsam, die Kompatibilität der verwendeten Daten auf jeder Ebene sowie<br />
zwischen den verschiedenen Ebenen zu prüfen. Dies ist insbesondere dann geboten,<br />
wenn Inventare aus unterschiedlichen Quellen sowie verschiedene Beurteilungsmethoden<br />
parallel eingesetzt werden –eine im Zusammenhang mit dem Einsatz von<br />
Ökobilanz-Software häufig anzutreffende Konstellation. Wie vergleichende <strong>St</strong>udien<br />
offengelegt haben, passten die Datenformate der verschiedenen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />
in der Regel nicht überein. 270 Hier wurde im Verlaufe der 90er Jahre ein hoher<br />
<strong>St</strong>andardisierungsbedarf offensichtlich.<br />
Number of<br />
substances<br />
Number of substances not covered<br />
BUWAL SRU 250 Inventory CML 92<br />
UBP’97<br />
Ecoscarcity<br />
Eco-Indicator 95<br />
Emissions to air 40 18 24 20<br />
Emissions to water 47 28 3 24<br />
Emissions to soil 13 6 8 Not considered<br />
Abbildung 4.23: Mangelnde Übereinstimmung von Indikatoren<br />
Die Tabelle zeigt die Anzahl Indikatoren der <strong>St</strong>andard-Ökoinventare aus BUWAL 250 und offenbart,<br />
wieviele dieser Substanzen von den damals gängigen <strong>St</strong>andard-Methoden nicht erfasst und damit auch<br />
nicht beurteilt wurden. Viele Anwendende waren sich dieser Situation nicht bewusst.. 271<br />
Die in der Literatur ebenfalls häufig anzutreffenden Vergleiche verschiedener<br />
Beurteilungsmethoden haben zudem gezeigt, dass auch diese Daten in der Regel nicht<br />
vollständig kompatibel mit den Sachbilanzdaten sind, was zu erheblichen Verzerrungen<br />
der Resultate führen kann: Manche Methoden sehen Gewichtungsfaktoren nur für<br />
270<br />
Siehe hierzu Abschnitt 5.3.3.<br />
271<br />
Tabelle aus einer Präsentation von Foerster, R., EMPA, in: Proceedings of „6.Ecobalance-Forum:<br />
LCIA, <strong>St</strong>ate-of-the-art, New Developments 1998, Future Perspectives, March, 1998, ETH-Zürich,<br />
Anhang, ohne Seitenangaben.
Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 137<br />
Summenparameter anstelle von Einzelstoffen vor (also beispielsweise nur einen Faktor<br />
für die, eine Vielzahl von Einzelstoffen umfassenden, flüchtigen organischen<br />
Verbindungen VOC). In der Folge wurden <strong>St</strong>offe entweder gar nicht gewichtet oder<br />
allenfalls doppelt gezählt –einmal als Einzelstoff und einmal als Summenparameter –<br />
dies häufig ohne, dass sich die Anwendenden dieser Problematik bewusst waren.<br />
Zudem deckten die Beurteilungsmethoden häufig unterschiedliche Ausschnitte aus der<br />
Sachbilanz ab, was ebenfalls die Resultate beeinflusst. Mal berücksichtigte eine<br />
Methode keine Schwermetalle, eine andere wiederum keine Dioxine und eine dritte<br />
keine Ressourcen.<br />
Es entstand an der Schnittstelle zwischen Anwendung und Praxis eine weitere kritische<br />
Operation: Die Datenharmonisierung. Es mussten Ansätze entwickelt werden, wie<br />
Gewichtungsfaktoren von Summenparametern auf die Einzelstoffe umgelegt, resp.<br />
einzelstoffliche Gewichte auf Summenparametern konsolidiert werden können, resp.<br />
sollen. 272 Die Methodenentwickler waren gefordert, das Auflösungsvermögen ihrer<br />
Charakterisierungs- und Gewichtungsfaktoren auf die Datenformate der Inventar-Datenbanken<br />
abzustimmen. Weitere Konventionen und teilweise auch Vereinfachungen<br />
wurden notwendig. Und weil die Weiterentwicklung, resp. die Veröffentlichung von<br />
verschiedenen Datenbanken wie auch Beurteilungsmethoden nicht im Gleichschritt<br />
erfolgt, ergibt sich ein ständiger Koordinations, resp. Harmonisierungsbedarf. Diese<br />
Aufgabe fällt im Grenzbereich zwischen Forschung und Praxis einerseits den jeweiligen<br />
Forschenden, aber auch den kommerziellen Anbietern von Softwarelösungen zu, da sie<br />
jeweils die neusten Entwicklungen in ihren Datenstrukturen zu berücksichtigen haben.<br />
Bei dieser Datenharmonisierung werden nicht selten auch Fehler in den Berechnungen,<br />
Übertragungsfehler oder einfach nur Tippfehler in den Daten aufgedeckt. Die<br />
Zusammenarbeit zwischen den Datenlieferanten und Software-Anbietern entpuppt sich<br />
als ein qualitätssichernder Arbeitsschritt. Auch dieser erfolgt zentral und entlastet die<br />
Anwendenden von der eigenen Kontrolle, resp. stärkt deren Akzeptanz der Daten –und<br />
damit bewusst oder unbewusst auch der durch diese implementierten Konventionen.<br />
So entsteht der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest im Ansatz durch die Verwendung<br />
von Datenbanken und <strong>St</strong>andard-Beurteilungsmethoden der angewandten Ökobilanzforschung.<br />
Was die Frage aufwirft, wo und durch wen dieser Zentralisierungs- und<br />
<strong>St</strong>andardisierungsprozess stattfindet. Die Analyse der dritten Phase der Ökobilanz-<br />
Entwicklung – Institutionalisierung - soll uns hierzu Klarheit verschaffen.<br />
Bevor wir uns dieser Phase zuwenden, werfen wir noch einen abschliessenden Blick<br />
auf die noch immer auftretenden grossen Unterschiede in den Resultaten von<br />
verschiedenen Datengrundlagen und Bewertungsmethoden. Die nachfolgende<br />
272<br />
Siehe <strong>St</strong>ahel, R., Foerster, R.: Zuordnung der Ökofaktoren 97 und des EcoIndicators95 zu Schweizer<br />
Ökoinventaren, ÖBU Schriftenreihe 16/1998, Zürich, 1998 sowie BUWAL: Bewertung von Ökoinventaren<br />
für Verpackungen, BUWAL SRU 300, Bern, 1998.
138 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung stellt an ausgewählten Beispielen gegenüber, welche Abweichungen<br />
verschiedene Beurteilungsmethoden zeigen, wenn Ökoinventare der aktuellen<br />
Datenbank Ecoinvent 2003 mit ihrem Vorläufer ESU 1996 verglichen werden. Die<br />
auftretenden Unterschiede ergeben sich real aus einer veränderten technologischen<br />
Basis der betrachteten Prozesse, sind aber vorwiegend methodisch bedingt, weil für<br />
viele Prozesse, zu denen früher keine Informationen einbezogen werden konnten heute<br />
Daten zur Verfügung stehen und somit die Systemgrenzen entsprechend erweitert<br />
werden konnten.<br />
Abbildung 4.24: Resultate von Ecoinvent 2003 im Vergleich mit ESU 1996<br />
Vergleich der Ökoinventare verschiedener Materialien aus der aktuellen Ecoinvent 2003 Datenbank mit<br />
den Resultaten aus der Vorgänger-Version ESU 1996. Die Werte zeigen, welche Differenzen sich unter<br />
verschiedenen Beurteilungsmethoden ergeben (UBP'97 =Ökologische Knappheit 1997, EI'99 (H,A) =<br />
Eco-Indicator 99 Hierachist Damagefactors/Average Weighting, GWP100a =Global Warming Potential,<br />
100 Jahre, nach IPPC 2001) 273<br />
Es wird deutlich, wie unterschiedlich sich diese Veränderungen in der Datenbasis auf<br />
die Resultate der verschiedenen <strong>St</strong>andard-Methoden auswirken. Die <strong>St</strong>abilität der<br />
Erkenntnisse ist also selbst bei Datenerhebung durch dieselbe Projektleitung sowie<br />
dem Einsatz von etablierten <strong>St</strong>andard-Methoden im Zeitverlauf noch keineswegs<br />
gegeben; der Erkenntnisgewinn bei der Datenerhebung ist noch immer erheblich; die<br />
Resultate der Beurteilungsmethoden widersprüchlich. Die Ökologische Wahrheit lässt<br />
weiterhin aus sich warten... allen bislang durch die angewandte Ökobilanzforschung<br />
getroffenen Konventionen und eingespielten Usanzen zum Trotz.<br />
273<br />
Abbildung aus Frischknecht, 2003, Folie Nr. 41.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 139<br />
5 Phase der Institutionalisierung<br />
Die Phase der Institutionalisierung bezeichnet den Prozess des Aufbaus einer eigenständigen,<br />
organisatorischen Infrastruktur des Projekts Ökobilanz. Mit organisatorischer<br />
Infrastruktur sind einerseits die sich in Forschung und Praxis formierenden Netzwerke,<br />
Organisationen und Plattformen, resp. Medien zur fachspezifischen Kommunikation<br />
gemeint, anderseits die Prozesse der (internationalen) Harmonisierung- und<br />
<strong>St</strong>andardisierung der Methodik. Angesichts der grossen Bedeutung von Daten und<br />
Software an der Schnittstelle zwischen angewandter Ökobilanzforschung und der<br />
praktischen Anwendung in Unternehmen, stellt die Entwicklung eines entsprechenden<br />
Marktes ebenfalls einen wichtigen Pfeiler der Institutionalisierung dar. Ziel dieses<br />
Kapitels ist eine Bestandesaufnahme der Ausprägung dieser Merkmale:<br />
– Netzwerke und Organisationen<br />
– Fachzeitschriften und Konferenzen<br />
– <strong>St</strong>andardisierung von Methodik und deren Anwendung<br />
– Entwicklung eines Marktes für Ökobilanz-Software<br />
Wir orientieren unsere Untersuchung an den internationalen Bestrebungen, die Ökobilanzierung<br />
als Methodik, resp. Wissenschaft zu institutionalisieren. Denn bereits 1992<br />
schreibt das deutsche Umweltbundesamt: „Im Rahmen der <strong>St</strong>ichworte „Product-Life-<br />
Cycle-Assessments“ (LCA) und „Ecobalances“ sind derzeit eine kaum mehr überschaubare<br />
Fülle von Initiativen internationaler und nationaler Institutionen zu<br />
registrieren.“ 274 Eine umfassende Darstellung nationaler Entwicklungen würde deshalb<br />
zu weit greifen. Wo dies für das Verständnis hilfreich und für die internationale Ebene<br />
als relevant erscheint, werden wir nationale Entwicklungen jedoch in unsere<br />
Betrachtung einschliessen.<br />
Zur Abgrenzung der Phase Institutionalisierung halten wir uns willkürlich an die<br />
Publikation internationaler <strong>St</strong>andards sowie international breit abgestützter Gremien.<br />
Dies erlaubt einerseits eine klare Feststellung von Meilensteinen und erscheint uns<br />
andererseits als guter Indikator institutioneller Fortschritte, da beide Merkmale auf<br />
einem breiten Konsens wichtiger Akteursgruppen basieren.<br />
Denn Beginn dieser Phase verorten ist demnach im Jahre 1993 zu verorten. In diesem<br />
Jahr publizierte die Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC) den<br />
ersten, internationale Anerkennung findenden Leitfaden zur Methodik, der das heute<br />
noch geltende Rahmenkonzept sowie ihren modularen Aufbau prägte.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich Ökobilanzierung vorwiegend unkoordiniert und<br />
unter diversen verschiedenen Bezeichnungen im Rahmen der praktischen Anwendung<br />
und des dadurch ausgelösten Diskurses (siehe Kapitel 2).<br />
274<br />
UBA, 1992, Anhang 10, S. 1.
140 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
5.1 Entwicklung einer internationalen Forschungsgemeinschaft<br />
„Erst ab 1990 begannen die (...) Ökobilanz-Entwickler international zu kooperieren und<br />
zunächst eine Bestandesaufnahme der verschiedenen Ansätze durchzuführen.“ 275<br />
Dieser Prozess nahm seinen Anfang im Rahmen eines 1989 in Vermont, USA, abgehaltenen<br />
Workshops unter dem Titel A Technical Framework for Life Cycle<br />
Assessment, der 1990 in Leuven, Belgien fortgesetzt wurde. 276 Ausgehend von diesen<br />
Workshops der SETAC entstand eine internationale Forschungsgemeinschaft, deren<br />
Netzwerke und Plattformen wir in diesem Abschnitt umreissen.<br />
5.1.1 Netzwerke und ihre Leistungen<br />
5.1.1.1 SETAC Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC)<br />
Die SETAC, eine seit 1979 bestehende Organisation mit heute weltweit rund 5'000<br />
Mitgliedern aus Forschung, Industrie, Behörden und non-governmental organisations<br />
(NGOs), entwickelte zur führenden Plattform der Ökobilanzforschung. Die meisten<br />
Mitglieder stammen aus den (Umwelt-)Naturwissenschaften, der Toxikologie sowie dem<br />
chemical engineering.<br />
Von den regionalen Sektionen der weltweiten Dachorganisation haben sich die SETAC<br />
North America und SETAC Europe zu zwei unterschiedlich ausgeprägten Schulen der<br />
Ökobilanzierung entwickelt. „The European workings groups have regarded the<br />
development and harmonisation of LCA methodology as their main aim, while the North<br />
American groups have focused on analysing the limitations of LCA and warning against<br />
its unwarranted use.“ 277<br />
Die SETAC organisiert zu verschiedenen Themenbereichen jeweils Arbeitsgruppen,<br />
welche den <strong>St</strong>and von Forschung und Praxis zusammentragen, bestehende Konsens-,<br />
resp. Dissensbereiche feststellen und das entsprechende Wissen publizieren. Seit 1990<br />
wurden so über 10 Bücher und Berichte von SETAC Press veröffentlicht. 278 Hinzu<br />
kommen eine Vielzahl von Publikationen einzelner Forscher sowie Tagungsberichte,<br />
Fallstudien, etc. in diversen Fachzeitschriften. Mit dem Journal for Environmental<br />
Toxicology and Chemistry stellt SETAC ein wichtiges Medium zur Publikation von<br />
Forschungsergebnissen bereit, wobei Ökobilanzierung in diesem Magazin nicht einen<br />
Schwerpunkt einnimmt, sondern sich vielmehr neben den anderen, traditionellen<br />
Themen der SETAC entwickeln konnte. Ab Herbst 2004 wird nun ein spezifischeres<br />
Magazin Integrated Environmental Assessment and Management lanciert, indem<br />
quartalsweise und peer-reviewed Artikel zur Anwendung von Risiko- und Umweltanalysen<br />
in Management und Politik erscheinen sollen. Dieses neue Medium macht<br />
deutlich, dass die SETAC-Forschenden zunehmend die Grenzen ihrer Umweltnatur-<br />
275<br />
Klöpffer/Renner, 1995, S. 5.<br />
276<br />
Guinée et.al, 2002, S. 10.<br />
277<br />
Guinée et.al, 2002, S. 11.<br />
278<br />
Fava, J.: Life Cycle Initiative: Ajoint UNEP/SETAC Partnership to Advance the Life-Cycle-Economy, in:<br />
Int. Journal of LCA, Nr. 2, Volume 7, 2002, S. 196. (Verzeichnis: S. 196 - 198)
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 141<br />
wissenschaften überschreiten und die Bedeutung der Sozialwissenschaften,<br />
insbesondere der Wirschafts- und Politikwissenschaften für die Umsetzung ihrer<br />
Methoden anerkennen.<br />
Im Rahmen der Jahrestagungen der Sektionen werden Ökobilanz-Themen jeweils<br />
neben anderen Forschungsbereichen der SETAC behandelt. Seit 1992 konnte mit dem<br />
einmal jährlich stattfindenden SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium eine spezifische<br />
Plattform etabliert werden, die dem Austausch und der Aufbereitung von Erfahrungen<br />
zwischen Forschung und Praxis dient und jeweils ein breites Spektrum von spezifischen<br />
Fragen abdeckt.<br />
Betrachtet man die Liste der Teilnehmenden sowie die Namen der Verantwortlichen<br />
von Arbeitsgruppen sowie Tagungen, so fällt die personelle Kontinuität seit Beginn der<br />
Zusammenarbeit auf. Rund 40 Personen scheinen diesen Prozess aktiv zu gestalten<br />
und zu verwalten. Es sind dieselben Namen, die auch in den einschlägigen Bibliografien<br />
zur Ökobilanzierung und auch in unserem Literaturverzeichnis häufig vertreten sind.<br />
Dabei sind Forschende des Zentrums für Umweltwissenschaften CML in Leiden,<br />
Niederlanden, seit Beginn auffällig präsent, aber auch zahlreiche Forschende aus<br />
Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland sowie aus der Schweiz (ETH-<br />
Institutionen sowie Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>). Auffällig ist zudem die seit Ende der 90er<br />
Jahre zunehmende Präsenz der japanischen Forschenden. Ebenfalls überdurchschnittlich<br />
präsent in den Gremien der SETAC sind zahlreiche Experten von Beratungsunternehmen,<br />
insbesondere aus den Niederlanden, Deutschland und den USA.<br />
Der 1993 vorgelegte SETAC Code of Practice, resp. dessen vorgängig publizierte<br />
Entwürfe beeinflussten die in einzelnen Ländern einsetzenden<br />
<strong>St</strong>andardisierungssaktivitäten verschiedener Berufs- und Branchenorganisationen<br />
sowie länderübergreifender Gremien massgeblich: Beispielsweise des Nordic Council of<br />
Ministers (of Environment), der als erstes internationales Gremium den <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung<br />
zusammenfasste und 1995 die Nordic Guidelines on Life Cycle<br />
Assessment publizierte.<br />
Die SETAC-Arbeiten bildeten auch den Ausgangspunkt der internationalen Normierung<br />
von Ökobilanzen, die ab 1993 im Rahmen der International Organization for<br />
<strong>St</strong>andardization ISO vorangetrieben wurde. Wir betrachten diese Entwicklung detailliert<br />
in Abschnitt 5.2.2.<br />
5.1.1.2 ISIE - International Society for Industrial Ecology<br />
Eine stärker transdisziplinäre Ausrichtung als die SETAC pflegt die zweite internationale<br />
Forschungsgesellschaft mit starkem Bezug zur Ökobilanzforschung: die, 2001 von<br />
vorwiegend amerikanischen Forschenden, gegründete International Society for<br />
Industrial Ecology. In ihrem Rahmen koordinieren und kommunizieren Forschende
142 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Arbeiten, die über den Fokus auf Produktlebenszyklen hinausgehen und Anwendungen<br />
der Ökobilanzmethodik auf Unternehmen, Regionen und ganze Volkswirtschaften<br />
analysieren. Neben umweltnaturwissenschaftlichen Aspekten wird dabei ökonomischen<br />
und politischen Analysen der Einsatzmöglichkeiten und -grenzen von Ökobilanzen ein<br />
hoher <strong>St</strong>ellenwert beigemessen. Die Gesellschaft mit Sitz an der amerikanischen<br />
Universität Yale stellt damit eine Art Schnittstelle zwischen SETAC und der Society for<br />
Ecological Economics dar, was auch in den entsprechenden personellen<br />
Verflechtungen zum Ausdruck kommt: In ihren Reihen finden sich prominente<br />
Forschende aus beiden Bereichen.<br />
Die Aktivitäten der ISIE nehmen sich im Vergleich zur SETAC (noch) realtiv bescheiden<br />
aus: Ein vierteljährlich erscheinender newsletter informiert die Mitglieder über<br />
Veranstaltungen, bespricht Publikationen und Projekte und berichtet über das Netzwerk<br />
der beteiligten Personen. 2001 und 2003 fanden die ersten zwei ISIE Konferenzen<br />
statt, deren dritte Auflage für 2005 geplant ist. Die ISIE beteiligt sich ausserdem seit<br />
2003 an der Organisation des SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposiums und stellt einen<br />
Vertreter im International Life Cycle Panel (siehe Abschnitt 5.2.3).<br />
Ein Fachmagazin gibt die ISIE selbst nicht heraus. Als offizielles Organ der Gesellschaft<br />
fungiert das quartalsweise und peer-reviewed erscheinende Journal of Industrial<br />
Ecology, 279 welches seit 1997 durch MIT Press in Zusammenarbeit mit der Universität<br />
Yale herausgegeben wird. Die Liste der bislang 350 Autoren belegt die enge<br />
Verflechtung mit den Mitgliedern der SETAC.<br />
5.1.2 Unabhängige Plattformen zur fachspezifischen Kommunikation<br />
5.1.2.1 International Journal for Life Cycle Assessment<br />
Als das zentrale Medium der Ökobilanzforschung vermochte sich das -1996 durch den<br />
deutschen Ecomed Verlag lancierte -International Journal for Life Cycle Assessment zu<br />
etablieren.<br />
Es erscheint peer-reviewed alle 6 Monate in gedruckter und elektronischer Fassung und<br />
betreibt mehrere online-Foren zur Diskussion spezifischer Fragen der Ökobilanzforschung<br />
und -praxis. Neben den Fachbeiträgen wird auch über die institutionelle<br />
Entwicklung der Ökobilanzierung berichtet; über Konferenzen, Normierungsaktivitäten,<br />
Software, Netzwerke und Publikationen. Der Autorenindex umfasst für 1996 bis Mai<br />
2004 mehr als 700 Autoren und der Artikelindex über 500 Fachbeiträge.<br />
Seit 2001 ist das Journal im Science Citation Index Expanded SCIExp des Institute für<br />
Scientific Information ISI vertreten. Im Rahmen dieses -rund 5'800 wissenschaftliche<br />
Fachzeitschriften umfassenden – Index wird ein sogenannter Journal Impact Factor<br />
ermittelt, der aufzeigen soll, wie oft Artikel eines bestimmten Magazins im Verlaufe von<br />
mindestens drei Jahren in anderen Zeitschriften oder in anderen Ausgaben desselben<br />
Magazins zitiert werden. Liegt ein solcher Journal Impact Factor vor, so kann das<br />
Magazin in den –die vermeintlich 3'800 einflussreichsten Zeitschriften umfassenden –<br />
279<br />
Siehe Abschnitt 2.4.2.2.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 143<br />
Science Citation Index SCI aufgenommen werden. Lediglich 10% der neu im SCIExp<br />
vertretenen Magazine werden für den SCI ausgewählt. Der Impact Factor wird für das<br />
Jahr 2003 mit 1.035 angegeben, was das Magazin an 10. <strong>St</strong>elle der Kategorie<br />
Engineering, Environmental, resp. unter den insgesamt 131 Magazinen der Kategorie<br />
280 281<br />
Environmental Sciences an 64.<strong>St</strong>elle positioniert.<br />
5.1.2.2 ICEB - International Conference on EcoBalance<br />
Keine Organisation im formalen Sinne, aber ein wichtiges Forum der Ökobilanzforschung<br />
stellt die seit 1994 alle zwei Jahre im japanischen Tsukuba stattfindende<br />
International Conference on EcoBalance ICEB dar: Mehr als 450 Teilnehmende aus 21<br />
Ländern besuchten die 147 Referate sowie 116 Poster-Präsentation im Jahr 2002. Die<br />
entsprechenden proceedings umfassen mittlerweile über 1'000 Seiten und<br />
dokumentieren die grosse Vielfalt an Ergebnissen aus Forschung und Praxis. 282 Die<br />
ICEB deckt dabei das gesamte Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten der Methodik<br />
ab.<br />
280<br />
News from the International Journal of LCA, in: Int. Journal of LCA, Vol. 9 (2), 2004, S. 8A.<br />
281<br />
Siehe http://www.scientificjournals.com/sj/LCA.<br />
282<br />
Siehe http://www.sntt.or.jp/ecobalance/.
144 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Year International Conference<br />
1989 SETAC LCA Workshops<br />
1992 1. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1993 2. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1994 3. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1. ICEB International Ecobalance Conference<br />
1995 4. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1996 5. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
2. ICEB International Ecobalance Conference<br />
1997 6. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1998 7. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
3. ICEB International Ecobalance Conference<br />
1999 8. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
2000 9. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
4. ICEB International Ecobalance Conference<br />
1. INLCA International LCA Conference<br />
2001 10. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
1. ISIE International Society for Industrial Ecology Conference<br />
2002 11. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
5. ICEB International Ecobalance Conference<br />
2003 12. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
2. INLCA/LCM International LCA Conference<br />
2. ISIE International Society for Industrial Ecology Conference<br />
2004 14. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />
6. ICEB International Ecobalance Conference<br />
Abbildung 5.1: Internationale Konferenzen der Ökobilanzforschung<br />
Der sich verdichtende internationale Veranstaltungskalender ist ein Indiz für die zunehmende Vernetzung<br />
der Ökobilanzforschenden. Seit Mitte der 90er Jahre hat die Anzahl der Konferenzen sowie der<br />
Teilnehmenden deutlich zugenommen. In den Gremien dieser Veranstaltungen finden sich häufig<br />
dieselben Namen wie in den editorial boards der Fachzeitschriften sowie den Vorständen der Forschungsgesellschaften.<br />
5.1.2.3 INLCA/LCM Intern. Conference on LCA & Life Cycle Management 283<br />
Ergänzend zur ICEB wurde im Jahr 2000 erstmals die International Conference on Life<br />
Cycle Assessment INLCA in Washington organisiert. Verantwortlich zeichnete damals<br />
die amerikanische Umweltagentur EPA. Mittlerweile wird der Anlass unter dem neuen<br />
Namen International Conference on LCA &Life Cycle Management INLCA/LCM durch<br />
das American Centre for LCA ACLA ausgerichtet. Mit dem erweiterten Titel soll die<br />
Umsetzung der Ökobilanzierung stärker betont werden und vermehrt auch Delegierte<br />
aus der Industrie ansprechen.<br />
Die INLCA/LCM findet alle drei Jahre als traditionelle Konferenz sowie in den Zwischenjahren<br />
als online-Forum statt. Die jeweils rund 300 Teilnehmenden der ersten beiden<br />
Konferenzen 2000 und 2003 stammten aus 30 Ländern.<br />
283<br />
Siehe http://www.lcacenter.org/INLCA-LCM03/Index.html.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 145<br />
5.1.3 Fazit: Die Ökobilanzforschung konstituiert sich<br />
Mit zwei internationalen Forschungsgesellschaften, zwei spezifischen Fachzeitschriften<br />
und der Präsenz in mehreren, breiter angelegten Fachmagazinen sowie drei<br />
regelmässig stattfindenden, internationalen Fachkonferenzen verfügt die Ökobilanzforschung<br />
heute über eine hochgradig vernetzte und etablierte akademische<br />
Infrastruktur. Sie hat sich als Wissenschaft konstituiert. 284<br />
Orientiert man sich an Indizien wie Autorenverzeichnissen und Listen von Konferenz-<br />
Teilnehmenden, so lässt sich abschätzen, dass die international vernetzte Forschungsgemeinschaft<br />
zwischen 200 und 300 aktive Personen umfassen dürfte. Diese stammen<br />
vorwiegend aus Forschungsinstituten, Beratungsunternehmen und zunehmend auch<br />
aus grossen, multinationalen Unternehmen. Diese Gemeinschaft stellt Zentrum und<br />
Taktgeber der stetigen Weiterentwicklung der generischen Methodik sowie der<br />
angewandten Ökobilanzforschung dar. Den Kern dieser Gemeinschaft bilden ca. 40<br />
Personen, deren Namen seit Beginn der 90er Jahre sowohl in der Literatur als auch in<br />
den Gremien von Fachzeitschriften und Konferenzen immer wieder anzutreffen sind.<br />
Auch dies ein Zeichen institutioneller <strong>St</strong>abilität und eine wichtige Voraussetzung für die<br />
Institutionalisierung des Projekts Ökobilanz.<br />
5.2 <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung<br />
Wie wir anhand unserer Untersuchung zur Phase der Differenzierung und<br />
Operationalisierung deutlich gemacht haben, ist die praktische Umsetzung der<br />
Ökobilanzierung auf eine Vielzahl von Konventionen angewiesen. Wir haben<br />
diagnostiziert, dass diese Normierung nicht theoretisch begründet, sondern einzig durch<br />
Übereinkunft oder Usanzen entsteht. Deshalb kommt der angewandten Ökobilanzforschung<br />
eine zentrale Rolle zu für die gesellschaftliche Relevanz des Projekts<br />
Ökobilanz.<br />
Es stellt sich die Frage, welche Netzwerke diese Schnittstelle zwischen Theorie und<br />
Anwendung durch Transfer und <strong>St</strong>andardisierung der Methodik gestalten. Wir<br />
betrachten dazu im folgenden Abschnitt fünf, für die internationale Institutionalisierung<br />
der angewandten Ökobilanzforschung, resp. der praktischen Anwendung in<br />
Unternehmen zentrale Netzwerke.<br />
5.2.1 SPOLD Society for the Promotion of Life Cycle Assessment<br />
Neben den hauptsächlich durch Wissenschaftler und Beratungsunternehmen<br />
verwalteten Plattformen, entstand 1992 mit der Society for the Promotion of Life Cycle<br />
Assessment SPOLD eine spezialisierte Industrievereinigung. Unter den Gründungsfirmen<br />
fanden sich Grossunternehmen wie Ciba, Procter&Gamble, Unilever oder<br />
Electricité de France. Im Rahmen von SPOLD wurden verschiedene <strong>St</strong>udien vergeben,<br />
welche auf die Förderung der Praktikabilität sowie der Akzeptanz von Ökobilanzen<br />
284<br />
konstituieren = gründen, einrichten, zur festen Einrichtung machen, aus Wahrig, 1994, S. 942.
146 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
abzielten. So entstanden Publikationen wie LCA anew business planning tool 285 ,die<br />
Guidelines for the Application of Life Cycle Assessment in the European Union<br />
Ecolabelling Programme 286 oder das Directory of Life Cycle Inventory Data Sources 287 .<br />
Mit dem Beginn der Normierung im Rahmen der ISO verlagerte SPOLD seine<br />
Aktivitäten zunehmend auf die Entwicklung eines standardisierten Datenformats 288 für<br />
Inventare und entwickelte zwischen 1995 und 1999 eine Software, mit der die Daten<br />
erfasst und im sogenannten SPOLD-Format ausgegeben werden konnten (siehe<br />
unten). Nachdem sowohl die SETAC als auch ISO das Thema <strong>St</strong>andard-Datenformate<br />
aufgriffen, stellte die Organisation 2001 ihre Aktivitäten ein. 289<br />
5.2.2 ISO International Organization for <strong>St</strong>andardization<br />
Formal begann die internationale Normierung der Ökobilanzmethodik mit der<br />
Einrichtung der Arbeitsgruppe ISO/TC207/SC5 Life Cycle Assessment anlässlich der<br />
TC207-Sitzung im Juni 1993 in Toronto. Zuvor bestand bereits eine Ökobilanz-<br />
Arbeitsgruppe innerhalb der ISO <strong>St</strong>rategic Advisory Group on Environment SAGE. Die<br />
SAGE hatte die Schaffung einer umfassenden Normreihe zu Themen des<br />
Umweltmanagements angeregt. Damit griff die ISO bestehende, nationale<br />
Normierungsbestrebungen auf, wie sie beispielsweise im Rahmen des Deutschen<br />
Normen Ausschusses DIN-AGUS-AA3 oder der Canadian <strong>St</strong>andard Association CSA<br />
vorangetrieben wurden -und im Falle der CSA auch bald zur weltweit ersten nationalen<br />
Norm für Produktökobilanzen führten: 1994 wurde die CAN/CSA-Z760 Life Cycle<br />
Assessment in Kraft gesetzt. In der Folge konzentrierte sich der <strong>St</strong>andardisierungsprozess<br />
zur Ökobilanzierung im Rahmen der ISO-Gremien; nationale <strong>St</strong>andards<br />
basieren heute auf den Arbeiten des TC207.<br />
Die International Organization for <strong>St</strong>andardization ISO (von griechisch: isos =gleich) ist<br />
die weltweit grösste und bedeutendste <strong>St</strong>andardisierungsorganisation mit Sitz in Genf.<br />
1946 auf Beschluss von Delegationen aus 25 Ländern gegründet, umfasst sie heute<br />
148 nationale <strong>St</strong>andardisierungsorganisationen. Diese stellen nicht zwingend staatliche<br />
Behörden dar, sondern können auch rein privatwirtschaftlich organisiert sein. Jedes<br />
Land wird durch diese nationalen Organisationen mit einer <strong>St</strong>imme vertreten, wenn es<br />
um die Verabschiedung von Normen geht; die Länderorganisationen sind für die<br />
nationalen Koordinationsprozesse verantwortlich. Zudem delegieren 570 internationale<br />
Organisationen Experten in die 188 sogenannten Technical Committees (TC), resp. die<br />
zugehörigen 546 Subcommittees (SC) und 2'224 Working Groups (WG). 290<br />
285<br />
Fussler, C. :Life Cycle Assessment - A New Business Planning Tool, SPOLD, Brussels, 1993.<br />
286<br />
Groupe des Sages (chaired by Udo de Haes, H A).: Guidelines for the Application of Life-Cycle<br />
Assessment in the European Union Ecolabelling Programme. CML Leiden/SPOLD, 1994.<br />
287<br />
Hemming, Chr.:Directory of Life Cycle Inventory Data Sources. SPOLD, Brussels, 1995.<br />
288<br />
Weidema, B.: SPOLD ‘99 format – an electronic data format for exchange of LCI data, SPOLD,<br />
Brussels, 1999.<br />
289<br />
Siehe http://LCA-netc.com/SPOLD/whatis.html.<br />
290<br />
ISO: ISO in figures for the year 2003. Central Secretariat, Genf, 2004, S. 1 - 3.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 147<br />
Hauptprodukt der ISO sind die seit 1947 verabschiedeten rund 13'700 ISO International<br />
<strong>St</strong>andards. Sie stellen den höchsten Konsens im Rahmen der ISO Gremien dar und<br />
durchlaufen mehrstufige und langwierige Abstimmungsprozesse. Die ISO kennt aber<br />
auch eine Reihe von weniger verbindlichen Produkten, an welche geringere<br />
Anforderungen gestellt werden und die häufig Vorstufen von ISO International<br />
<strong>St</strong>andards darstellen: diese werden in Form sogenannter Publicly Available<br />
Specifications (PAS), Technical Specifications (TS), Technical Reports (TR) oder<br />
International Workshop Agreements (IWA) publiziert.<br />
Abbildung 5.2: ISO TC 270 Environmental Management im Überblick.<br />
Normen zur Ökobilanzierung werden im Rahmen des SC5 entwickelt -in Koordination mit verwandten<br />
Themen wie Umweltkennzeichnung von Produkten oder der Umweltleistungsmessung von Unternehmen.
148 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Ökobilanz-Normierung findet im Rahmen des SC 5 des TC 207 Environmental<br />
Management statt, welche für die Normreihe ISO14000 verantwortlich zeichnet.<br />
Das TC 207 befasst sich einerseits mit organisationsbezogenen Methoden,<br />
insbesondere der <strong>St</strong>andardisierung und Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen<br />
(UMS) sowie der betrieblichen Umweltleistungsmessung (Environmental<br />
Performance Evaluation EPE).<br />
Andererseits werden produktbezogene Aspekte durch diese Normserie abgedeckt:<br />
Umweltkennzeichnung und Ökobilanzierung stehen dabei im Zentrum. Diese<br />
Architektur soll gewährleisten, dass eine einheitliche Sprache entwickelt und die<br />
einzelnen Fachgebiete in ihrem übergeordneten Zusammenhang gesehen und<br />
konsistent normiert werden können. In Ergänzung zu den Subcommittees sind dem TC<br />
207 vier Arbeitsgruppen zugeordnet, die sich spezifischen Themenbereichen (climate<br />
change, environmental communication) widmen oder Koordinationsfunktionen<br />
wahrnehmen (terminonology coordination, NGO task group, chairman's advisory group).<br />
Von der Arbeit des TC 207 explizit ausgeschlossen wird das Setzen von „limit values<br />
and levels of environmental performance“. 291 Die Normierung bezieht sich also immer<br />
und ausschliesslich auf Prozesse, resp. Methoden, Terminologien und Spezifikationen<br />
von Anforderungen.<br />
Die meisten Normen des TC 207 werden direkt vom European Committee for<br />
<strong>St</strong>andardization CEN übernommen und erhalten damit in 19 europäischen <strong>St</strong>aaten<br />
direkt den <strong>St</strong>atus als nationaler <strong>St</strong>andard, so auch in der Schweiz, in Deutschland,<br />
Frankreich oder England.<br />
Im SC 5zur Ökobilanzierung sind mittlerweile 61 Länderorganisationen vertreten, wobei<br />
42 davon <strong>St</strong>immrecht haben und aktiv an der Normierung beteiligt sind. Zusätzlich sind<br />
15 internationale Organisationen eingebunden, darunter verschiedene Branchenorganisationen<br />
(<strong>St</strong>ahl-, Aluminium-, Chemie-, Textil-, Leder- und Juteindustrie),<br />
Wirtschaftsverbände (International Chamber of Commerce ICC, International Network<br />
for Environmental Management INEM), diverse NGOs (European Environmental<br />
Citizens Organisation for <strong>St</strong>andardisation ECOS, Global Ecolabelling Network,<br />
Consumers International) sowie supranationale Organisationen (Europäische<br />
Kommission, World Trade Organisation WTO). Auch die SETAC ist in die Arbeiten des<br />
SC 5offiziell eingebunden, wobei zudem in einigen nationalen Delegationen (Japan,<br />
Niederlanden, Deutschland, USA, Schweden und Dänemark) SETAC-Exponenten<br />
vertreten sind.<br />
291<br />
Siehe http://www.ISO.org/ISO/en/stdsdevelopment/tc/.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 149<br />
Abbildung 5.3: Nationale Mitglieder-, resp. Beobachtergremien des TC 207 / SC 5<br />
Das SC 5 ist wiederum in Arbeitsgruppen untergliedert in deren Rahmen die<br />
spezifischen Normentwürfe erarbeitet werden. Diese Arbeitsgruppen tagen je nach<br />
Bedarf mehrmals pro Jahr, das SC 5selbst in der Regeln halbjährlich und das TC 207<br />
im Rahmen einer Vollversammlung einmal jährlich.<br />
Seit der Beginn der Ökobilanznormierung 1993 wurden 7Dokumente verabschiedet;<br />
davon 4 mit dem <strong>St</strong>atus eines ISO International <strong>St</strong>andards. Diese decken sich<br />
weitgehend mit dem von der SETAC vorgeschlagenen Rahmenkonzept und wurden<br />
auch entsprechend strukturiert: Zieldefinition und Untersuchungsrahmen sowie Sachbilanzierung<br />
in der ISO 14041 (1998), Wirkungsanalyse und Gewichtung in ISO 14042<br />
(2000) sowie Interpretation in ISO 14043 (2000). Die bereits 1997 verabschiedete erste<br />
Norm 14040 umschreibt diesen Rahmen generell.<br />
Im Gegensatz zu den Umweltmanagementsystemen sind die Ökobilanznormen keine<br />
zertifizierbaren <strong>St</strong>andards. Sie beschreiben vielmehr die Methodik generell, diskutieren<br />
Modellierungsvarianten und weisen allenfalls Anforderungen und Einschränkungen<br />
genereller Natur aus, beispielsweise, dass im Falle einer Veröffentlichung der Resultate<br />
zwingend ein critical review also eine Begutachtung durch unabhängige Experten<br />
erfolgen soll, oder dass im Falle von Veröffentlichungen – insbesondere Produktvergleichen<br />
–keine gewichteten Resultate ausgewiesen werden sollten. Insgesamt sind<br />
jedoch die Vorgaben minimal: so fordert die Normreihe zwar zwingend eine Wirkungsanalyse,<br />
lässt aber offen, welche Umweltwirkungen selektiert werden sollen und macht
150 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
auch keine Vorgaben bezüglich Wirkungsindikatoren- oder Wirkungsstufen (Umweltveränderungen<br />
oder Schäden, etc.).<br />
Entsprechend ist unstrittig, dass insgesamt immer noch sehr viel Spielraum in der<br />
Auslegung und Anwendung besteht. Einen Eindruck davon vermittelt die entsprechende<br />
Fachliteratur: beispielsweise das Handbook on Life Cycle Assessment -Operational<br />
Guide to the ISO <strong>St</strong>andards (3 Bände, 700 Seiten) 292 oder in deutscher Sprache Das<br />
Umweltinformationsinstrument Ökobilanz (LCA) – Anwendungsbezug und<br />
instrumentelle Ausgestaltungsmöglichkeiten (370 Seiten) 293 .<br />
Dennoch: diesen Normen ist es zu verdanken, dass bezüglich der Grundstruktur der<br />
Methodik ein von verschiedenen Interessengruppen getragener Konsens herrscht und<br />
eine hochgradig differenzierte Fachsprache jenseits der wissenschaftlichen Plattformen<br />
etabliert werden konnte. Die Normen tragen zudem erheblich dazu bei, dass das<br />
Interesse an der Methodik in verschiedenen Ländern überhaupt erst geweckt wurde.<br />
Dies im Hinblick auf eine Verwendung von Ökobilanzen zur Umweltkennzeichnung: die<br />
sogenannten Type III Kennzeichnungen (ISO 14025) - Environmental Product<br />
Declarations – sehen den Einsatz von lebenszyklusbasierten Sachbilanzen vor. 294<br />
Aus Sicht der generellen Anwendbarkeit der Methodik ist desweiteren bemerkenswert,<br />
dass die betriebsbezogenen Normen einen Einbezug der ökologischen Produktlebenszyklen<br />
zwar fordern, dazu aber nicht zwingend die Methodik der Ökobilanzierung<br />
vorgeschrieben wird. Bislang beschränkt sich der internationale Konsens bezüglich der<br />
betrieblichen Umweltleistungsmessung lediglich auf Kennzahlen, welche sich auf Sachbilanzindikatoren<br />
beziehen. Vor- und nachgelagerte <strong>St</strong>ufen der Wertschöpfungskette<br />
sind dabei nicht zwingend numerisch einzubeziehen (ISO 14031 EPE), ja werden nur<br />
am Rande erwähnt. Die generische Methodik des Life Cycle Assessment wäre jedoch<br />
grundsätzlich dazu geeignet – und wird in der Praxis vereinzelt tatsächlich zur<br />
betrieblichen Umweltleistungsmessung eingesetzt, wie wir im Rahmen unserer<br />
empirischen Untersuchung aufzeigen werden (siehe Kapitel 6). Von Delegierten aus<br />
Ökobilanz-Netzwerken wurde verschiedentlich (erfolglos) vorgeschlagen, die<br />
betriebliche Umweltleistungsmessung in die Ökobilanz-Normen zu überführen und die<br />
separate Norm 14031 aufzugeben. 295<br />
Die ISO-Normen haben sich insgesamt als wichtiger Transmissionsriemen der Ökobilanzforschung<br />
erwiesen und tragen wesentlich zu ihrer Institutionalisierung bei. Bis<br />
Ende der 90er Jahre hat sich so auf der internationalen Ebene eine duale, arbeitsteilige<br />
<strong>St</strong>ruktur entwickelt: während sich die SETAC auf die wissenschaftliche Weiter-<br />
292<br />
Guinée, et.al., 2002<br />
293<br />
Sundmacher, 2002.<br />
294<br />
Siehe Abschnitt 5.2.5.<br />
295<br />
Buxmann, K.: Protokoll der TK 174 vom 19.1.2004, S. 1. Das TK 174 ist der Spiegelausschuss des<br />
TC207 im Rahmen der Schweizerischen Normenvereinigung SNV. Dieses Gremium koordiniert die<br />
nationalen Beiträge im Rahmen des TC 207. Mitglieder sind rund 30 Personen, resp. Organisationen,<br />
davon 5aus Zertifizierungsgesellschaften, 6aus Behörden (insbesondere BUWAL), 2aus Universitäten,<br />
5 aus Beratungsunternehmen und 11 aus Unternehmen.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 151<br />
entwicklung und die Herausbildung des Konsens zwischen den wissenschaftlichen<br />
Experten etabliert hat, bietet die ISO mit dem TC 207 eine Plattform zur Herstellung von<br />
Konsensbereichen zwischen Interessengruppen, resp. Anwendenden und damit eine<br />
mächtige Absicherung von methodischen Konventionen. Dabei bestehen Synergien<br />
bezüglich der Mobilisierung von Ressourcen zur Fortsetzung des Projekts Ökobilanz.<br />
Es bestehen aber auch divergierende Interessen zwischen den Anspruchsgruppen und<br />
den Forschenden der SETAC. Einerseits sind die ISO-Normen bei einer vollständigen<br />
Umsetzung sehr aufwendig und schränken damit die - normkonforme - praktische<br />
Anwendung stark ein. Die Dokumentationspflichten sind ebenfalls enorm. Andererseits<br />
streben die Ökobilanzforschenden eine weitergehende <strong>St</strong>andardisierung der Wirkungsanalyse<br />
im Sinne eines minimalen Umfangs zu berücksichtigender Wirkungen<br />
(Selektion) an. „However, in an ISO TC 207 meeting, it was established, that particularly<br />
at this stage, ISO would not take up this task. Nevertheless, there was the need for an<br />
authoritative organisation showing willingness to join SETAC.“ 296<br />
Ein solcher Partner wurde schliesslich in UNEP gefunden. Damit besteht seit 2002 eine<br />
dritte, international abgestützte Organisation zur Förderung und <strong>St</strong>andardisierung der<br />
Ökobilanz-Methodik: die UNEP/SETAC Life Cycle Initiative.<br />
5.2.3 UNEP/SETAC Life Cycle Initiative<br />
UNEP -das United Nations Environmental Program -wurde im Zuge der ersten Weltkonferenz<br />
zu Umwelt und Gesundheit 1972 gegründet, um die Umweltaktivitäten<br />
innerhalb der Vereinten Nationen zu koordinieren. Seit 1975 wird es von einem<br />
Governing Council geleitet, bestehend aus 58 Ländervertretern. Zu den Aufgaben des<br />
UNEP gehören neben der UNO-internen Koordination ein breites Spektrum von<br />
Tätigkeiten, u.a. globale Umweltbeobachtung, Technologietransfer und Ausbildung,<br />
Entwicklung und Förderung umweltpolitischer Instrumente sowie die Förderung von<br />
Initiativen/Partnerschaften verschiedener Anspruchsgruppen. Dem UNEP<br />
angeschlossen sind die zudem die Sekretariate völkerrechtlicher Verträge,<br />
beispielsweise das Sekretariat des Montreal Protokolls zum Schutz der Ozonschicht<br />
oder der Basler Konvention über den Verkehr mit Sonderabfall. Innerhalb des UNEP<br />
hat sich die Division für Technologie, Industrie und Wirtschaft seit Mitte der 90er Jahre<br />
mit der Methodik der Ökobilanzierung befasst und dazu zwei Publikation<br />
herausgegeben, ein internationales Expertentreffen einberufen und eine Umfrage zur<br />
weltweiten Anwendung der Methodik in Auftrag gegeben. 297<br />
Im Rahmen des 10-year Framework of Programmes on Sustainable Consumption and<br />
Production wurde 2002 gemeinsam mit der SETAC die Life Cycle Initiative als Plattform<br />
zur weltweiten Förderung und Weiterentwicklung der Ökobilanzierung gegründet.<br />
296<br />
Udo de Haes, H.A.: The UNEP/SETAC Life Cycle Initiative –APersonal View of the Results after one<br />
Year, in: Int. Journal of LCA, Vol. 8 (5), S. 307.<br />
297<br />
UNEP-Division of Technology, Industry and Economics: Towards the Global Use of Life Cycle<br />
Assessment, UNEP, Paris, 1999. sowie UNEP-Division of Technology, Industry and Economics: Life<br />
Cycle Assessment – What it is and How to do it, UNEP, 1996.
152 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Organisatorisch besteht die Initiative als Netzwerk von vorwiegend freiwillig arbeitenden<br />
Experten und Anspruchsgruppen. Diese werden durch ein zentrales Sekretariat mit<br />
derzeit zwei Vollzeit-Mitarbeitenden unterstützt. Formaler Sitz der Initiative und des<br />
Sekretariats ist die UNEP Division für Technologie, Industrie und Wirtschaft in Paris.<br />
Die Projekte werden in einer ersten Phase im Rahmen von 3 thematischen<br />
Programmen in Arbeitsgruppen bearbeitet. Im Jahre 2004 wurden 12 solche Arbeitsgruppen<br />
gestartet. Sowohl die Programmverantwortlichen als auch der operative<br />
Direktor der Initiative sind dezentral an ihren jeweiligen Institutionen im Rahmen eines<br />
Teilzeitpensums aktiv. Die Arbeit erfolgt sehr ähnlich wie im Rahmen der ISO, das<br />
heisst vorwiegend im Rahmen elektronischer Kommunikation sowie jährlich zwei bis<br />
vier Sitzungen, die zumeist anderen Fachveranstaltungen angegliedert werden.<br />
Als strategisches <strong>St</strong>euerungsgremium fungiert das International Life Cycle Panel ILCP,<br />
in dem verschiedene Anspruchsgruppen sowie Delegierte der Sponsoren vertreten<br />
sind. Neben SETAC und UNEP sind wichtige Organisationen wie das ISO TC 207 /SC<br />
5, die Society for Industrial Ecology ISIE, der World Business Council for Sustainable<br />
Development WBCSD sowie die International Society for Exposure Analysis<br />
eingebunden. Insgesamt stellen Delegierte der Wirtschaft die Mehrheit im ILCP und ein<br />
wesentlicher Anteil der finanziellen Mittel wird durch Unternehmensverbände aus der<br />
Rohstoffindustrie aufgebracht, wenngleich die Finanzierung der Aufbauphase<br />
hauptsächlich durch Behörden aus Japan, Canada, Deutschland, den Niederlanden<br />
und der Schweiz bestritten wurde.<br />
Die Initiative hat zum Ziel, die Anwendung und Anwendbarkeit von Ökobilanzen zu<br />
erhöhen und das Denken in ökologischen Lebenszyklen, resp. <strong>St</strong>off- und<br />
Energieflüssen zu fördern, „through the development of an international life-cycle<br />
management (LCM) framework (...) and databases of best available LCA methods and<br />
data.“ 298 Mit LCM wird einerseits die Ausrichtung auf eine konkrete Umsetzung der<br />
Methodik besonders betont: Life Cycle Management meint letztlich die Nutzung und<br />
Implementation der Ökobilanzierung in konkreten Anwendungszusammenhängen,<br />
beispielsweise in der Produktentwicklung, im Marketing oder im Rahmen des<br />
betrieblichen Umweltmanagements. LCM umfasst in diesem Sinne neben der Methodik<br />
auch Techniken und Instrumente zur Ausbildung, zur organisationalen Verankerung<br />
und zur Kommunikation von Ökobilanz-Informationen.<br />
298<br />
Fava, 2002, S.197.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 153<br />
Abbildung 5.4: Organisation der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative 299<br />
Anderseits zielt die Initiative darauf ab, über die ISO Normen insofern hinauszugehen,<br />
als das nicht mehr nur eine generische Methodik sowie Anforderungen und Grenzen<br />
der Ökobilanzierung bezeichnet, sondern konkrete Modelle und Daten empfohlen<br />
werden sollen, wie sie die angewandte Ökobilanzforschung entwickelt hat. Man zielt<br />
also konkret darauf ab, Empfehlungen zu bestimmten Modellen -und somit auch zu<br />
den darin enthaltenen Konventionen – abzugeben. Es wird dabei betont, dass eine<br />
eineindeutige <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzmethodik im Rahmen der Life Cycle<br />
Initiative nicht angestrebt wird. Vielmehr wolle man - je nach „generic situation<br />
dependency“ -für unterschiedliche Anwendungsbereiche verschiedene „good (but quite<br />
different) side-by-side methods“ 300 empfehlen. Gegenüber den rein prozeduralen ISO-<br />
Normen wäre dies dennoch eine erhebliche Konkretisierung.<br />
Abbildung 5.5: Arbeitsschwerpunkte der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative<br />
Die Themenschwerpunkte und Arbeitsgruppen der Life Cycle Initiative machen deutlich, dass mittels<br />
Empfehlungen zu Daten und Modellen gegenüber den generischen ISO-Normen eine erhebliche<br />
Konkretisierung angestrebt wird.<br />
Die anfangs 2004 lancierten Arbeitsgruppen, resp. deren Produkte wurden auf der<br />
Grundlage sogenannter definition studies für jeden der drei Themenschwerpunkte<br />
konzipiert. Diese <strong>St</strong>udien inventarisieren einerseits den Wissensstand und die<br />
299<br />
Eigene Zusammenstellung aus Sonnemann, G: Activities ahead for 2004, in: Int. Journal of LCA, Vol. 9<br />
(2), 2004, S. 74 sowie Sonnemann,G: International Life Cycle Panel: Decisions for 2003, Int. Journal of<br />
LCA, Vol. 8 (2), 2003, S. 61.<br />
300<br />
Udo de Haes, 2003, S. 309.
154 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Verfügbarkeit von Daten und Modellen –analog zu den Arbeiten der SETAC –weisen<br />
aber eine stärkere Einbindung der Perspektive von wirtschaftlich wenig entwickelten<br />
Ländern auf. Dies führt zu anderen <strong>St</strong>andpunkten, resp. Bedürfnissen als sie im<br />
Rahmen der europäisch-amerikanischen SETAC Arbeitsgruppen oder der ISO<br />
formuliert werden. Die definition studies zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht und<br />
welchen Aktivitäten Priorität eingeräumt werden sollte. „The idea was that these studies<br />
could well build on the results of the SETAC Europe working groups in these areas,<br />
making it possible to perform such astudy at short notice. However, as aconsequence,<br />
for the global outreach requirement author teams had to be established with global<br />
representation, which, in part, necessitated to start from fresh.“ 301<br />
Den definition studies voraus gegangen, war eine fragebogenbasierte Umfrage zu den<br />
Bedürfnissen von Ökobilanz Anwendenden (User Needs Survey). Rund 200 Experten,<br />
resp. Anwendende aus aller Welt nahmen daran teil. Allerdings ist einschränkend zu<br />
bemerken, dass es sich dabei mehrheitlich um Antwortende aus Wissenschaft und<br />
Beratungsunternehmen handelte und davon rund 70% aus Europa und Amerika<br />
stammen. Die Resultate widerspiegeln somit eher developer needs, resp. die Wünsche<br />
und Ansichten der angewandten Ökobilanzforschung als die der Anwendenden in<br />
Unternehmen.<br />
Abbildung 5.6: Arbeitsschwerpunkte zukünftiger Ökobilanzforschung<br />
Die <strong>St</strong>ruktur der User Needs Survey zeigt auf, welche Anspruchsgruppen sich im Rahmen der<br />
UNEP/SETAC Life Cycle Initiative inhaltlich einbringen. Die Antworten bezüglich Zustimmung und<br />
Priorisierung von Themen zur Förderung der Ökobilanzierung machen deutlich, dass die Umsetzung<br />
gegenüber einer weiteren Differenzierung der Methodik im Vordergrund steht. 302<br />
Der Bedarf nach weiterer Konkretisierung, Autorisierung und <strong>St</strong>andardisierung kommt<br />
dabei einerseits in der Anerkennung der Notwendigkeit sowie der hohen Priorisierung<br />
der Themen scientific confidence, recommended factors sowie scientific cooperation<br />
zum Ausdruck. Anderseits deuten auch die niedrigen Werte für Themen wie fully<br />
301<br />
Udo de Haes, 2003, S. 307.<br />
302<br />
Darstellung zusammengestellt aus <strong>St</strong>ewart, M., Goedkoop, M.: LCIA Needs analysis report of the<br />
UNEP-SETAC Life Cycle Initiative, UNEP/SETAC Life Cycle Initiative, Paris, Version 2, October 2003,<br />
S. 4 sowie 12.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 155<br />
detailed, spatial differentiation und temporal differentiation darauf hin, dass man die<br />
Komplexität der Methoden -und damit die Unsicherheit der Modelle -nicht weiter zu<br />
erhöhen wünscht. Trotz dieser starken Umsetzungsorientierung wird dennoch zum<br />
Ausdruck gebracht, dass man die hohen Anforderungen an die Ökobilanzmethodik, wie<br />
sie in den 90er Jahren formuliert wurden, nicht aufgegeben möchte: Transparenz, eine<br />
anwendungsspezifische Ausgestaltung der generischen Methodik sowie die Berücksichtigung<br />
der Unsicherheit von Daten und Modellen erzielten ebenfalls hohe<br />
Zustimmung und Priorität.<br />
Wie wir im Abschnitt 4.4.4 ausgeführt haben, ist zu erwarten, dass diese Anforderungen<br />
nur im Zuge einer weiteren Zentralisierung der angewandten Ökobilanzforschung -im<br />
Rahmen von sehr umfangreichen Grossprojekten zur Datenerhebung und Modellierung<br />
-sowie über den Markt für Datenbanken und Software erreicht werden können. Im<br />
Hinblick darauf, sind die in jüngster Zeit in verschiedenen Ländern geschaffenen,<br />
nationalen Ökobilanz-Zentren von besonderer Bedeutung. Einige dieser Zentren haben<br />
begonnen, sich auf internationaler Ebene im Rahmen der Global Alliance of LCA<br />
Research Centers zu koordinieren.<br />
5.2.4 GALAC - Global Alliance of LCA Research Centres<br />
Die Global Alliance of LCA Research Centers GALAC wurde im Februar in Tokyo<br />
gegründet. Sie stellt somit die vierte und jüngste internationale Plattform zur Institutionalisierung<br />
der Ökobilanzforschung dar.<br />
Mitglieder von GALAC sind ausschliesslich nationale oder supranationale, nicht-gewinnorientierte<br />
Organisationen, die auf die Förderung von lebenszyklus-basierten Methoden<br />
und Ökobilanzen in staatlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen spezialisiert<br />
sind. Als Zielgruppen ihrer Arbeit erachtet GALAC die Mitglieder von Parlamenten und<br />
nationalen Verwaltungen, Meinungsführende aus Medien und dem Bildungssektor<br />
sowie alle Arten von Unternehmen. 303<br />
GALAC umfasst im Mai 2004 vier solche Zentren:<br />
– ACLCA American Center for Life Cycle Assessment<br />
– CIRAIG Canadian Interuniversity Reference Center for Life Cycle Assessment<br />
– LCI Network - Forschungszentrum Karlsruhe, Germany<br />
– LCA Center Denmark<br />
– National Research Center for LCA Japan<br />
Im Rahmen von GALAC wollen die zusammengeschlossenen Zentren Personal und<br />
Erfahrungen austauschen, Fallstudien zur erfolgreichen Umsetzung von Ökobilanzmethoden<br />
aufbereiten, Promotionsmaterial zur Ökobilanzierung erstellen und verbreiten<br />
sowie Modelle zur Integration von Ökobilanzelementen in Politik und Gesetzgebung auf<br />
303<br />
Siehe http://galacenters.org.
156 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
nationaler und kommunaler Ebene entwickeln. Derzeit wird ein gemeinsamer Business<br />
Plan erarbeitet; noch liegen dazu keine konkreten Informationen vor. Dennoch ist die<br />
Gründung von GALAC ein bemerkenswerter Beitrag zur Institutionalisierung der Ökobilanzforschung:<br />
Einerseits, weil durch die in verschiedenen Ländern entstehenden<br />
Zentren die Ausgestaltung von Methoden als auch die Qualität von Daten massgeblich<br />
gesteuert wird. Anderseits, da die bisherigen internationalen Netzwerke –SETAC, ISO,<br />
UNEP/SETAC Life Cycle Initiative – auf den Beiträgen verschiedener Anspruchsgruppen,<br />
insbesondere jedoch von Delegierten der Wissenschaft und der Wirtschaft<br />
(Grossunternehmen, Verbände, Beratungsunternehmen) beruhen. Im Gegensatz dazu<br />
sind die nationalen Zentren formal stärker in der Verwaltung verankert und besetzen<br />
bezüglich Autorität damit eine besondere Position.<br />
Es gilt jedoch zu beachten, dass auch hier der Übergang zwischen Forschung,<br />
Verwaltung und Wirtschaft fliessend ist: Die meisten Zentren nehmen auf nationaler<br />
Ebene eine Koordinationsfunktion zwischen verschiedenen Forschungsinstitutionen,<br />
Wirtschaftsverbänden sowie Verwaltungseinheiten wahr: Im deutschen LCI-Network<br />
(Netzwerk Lebenszyklusdaten) sind beispielsweise 10 Universitäten, resp. Fachhochschulen,<br />
12 private Forschungsinstitute, 8 Wirtschaftsverbände, einige Grossunternehmen<br />
sowie das Umweltbundesamt und das Forschungsministerium<br />
zusammengeschlossen. Andere Zentren werden im Auftrag des Umweltministeriums<br />
und unter Leitung eines vorwiegend durch Delegierte von Wirtschaftsverbänden<br />
besetzten <strong>St</strong>euerungsgremium durch Beratungsunternehmen geführt -beispielsweise in<br />
Dänemark.<br />
Innerhalb von GALAC nimmt das Japanische Research Center for LCA ein besondere<br />
<strong>St</strong>ellung ein: Als Forschungszentrum ist es einerseits dem National Institute for<br />
Advanced Industrial Science and Technology AIST zugehörig. Das AIST selbst ist ein<br />
Verbund diverser nationaler Forschungsinstitute mit insgesamt über 3'500<br />
Forschenden, welche alle durch das Ministry for Economy, Trade and Industry METI<br />
finanziert und verwaltet werden. Das Research Center for LCA ist innerhalb der SETAC,<br />
der ISO sowie dem International Life Cycle Panel aktiv und hat zudem ein Netzwerk von<br />
Ökobilanzforschenden in APEC-<strong>St</strong>aaten (Asia Pacific Economic Co-Operation) initiiert.<br />
Anderseits ist das Research Center for LCA personell und im Rahmen konkreter<br />
Projekte eng mit JEMAI verbunden - der Japan Environmental Management<br />
Association for Industry. JEMAI umfasst rund 1'200 vorwiegend international<br />
ausgerichtete Unternehmen und betreut zudem den nationalen Spiegelausschuss des<br />
ISO TC 207. JEMAI bietet den Mitgliedern Software, Ausbildung sowie Beratungsleistungen<br />
an und nimmt für den <strong>St</strong>aat verschiedene Kontrollfunktionen im<br />
Zusammenhang mit der Einhaltung von Umweltgesetzen wahr. JEMAI koordiniert<br />
zudem das National LCA Database Project, in dessen Rahmen 54 Industrieverbände<br />
eingebunden sind, führt das Sekretariat der Life Cycle Assessment Society of Japan<br />
JLCA, dem –mit Unterstützung des METI -über 250 Organisationen sowie direkt 420
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 157<br />
Mitgliedsfirmen 304 angehören und betreibt desweiteren das nationale ECO-LEAF<br />
Program. Dieses Programm spezifiziert und zertifiziert ISO 14025 TR Type III<br />
Environmental Product Declarations EPD, das heisst lebenszyklusbasierte Ökobilanz-<br />
Daten zu verschiedenen Produkten. 305 JEMAI ist auch auch Mitglied im GEDnet, einer<br />
internationalen Organisation zur Förderung von EPDs.<br />
Neben den vier im Rahmen von GALAC kooperierenden Zentren bestehen in 10<br />
weiteren Ländern verschiedene, nationale Ökobilanz-Koordinationsstellen, resp.<br />
Netzwerke, die sich von ihrer Ausrichtung her ebenfalls GALAC anschliessen könnten.<br />
Allen gemeinsam ist der Anspruch, die Methodik der Ökobilanzierung auf nationaler<br />
Ebene zu fördern. Bezüglich Aktivitäten, Mitgliedern und Ressourcenausstattung<br />
unterscheiden sich diese Plattformen jedoch sehr stark.<br />
Gründungsjahr Nationale Zentren und Netzwerke<br />
1995 Japan LCA Society JLCA<br />
1996 Swiss LCA Forum ETHZ/EPFL<br />
1997 Indian Society for LCA ISLCA<br />
Korean Society for LCA KSLCA<br />
1998 Swiss Center for Life Cycle Inventories<br />
1999 Italian LCA Society<br />
2001 American Center for LCA ALCA<br />
Australian LCA Society ALCAS<br />
Brazilian Life Cycle Association<br />
Chinese Center for Materials Life Cycle Assessment<br />
CIRAIG Canadian Interuniversity Reference Center for Life Cycle Assessment<br />
Research Center for LCA Japan<br />
Taiwan LCA Forum<br />
Thai LCAnet<br />
2002 LCA Centre Denmark<br />
2003 LCI-Network Deutschland<br />
GALAC Global Alliance of LCA Research Centers<br />
2004 African LCA Network Alcan<br />
Abbildung 5.7: Netzwerke und Zentren zur Förderung der Ökobilanzierung 306<br />
Einige stellen reine Plattformen zum Austausch von Erfahrungen im Rahmen von<br />
Konferenzen dar (beispielsweise LCA Forum der Eidg. Technischen Hochschulen<br />
Zürich und Lausanne ETHZ/EPFL), andere sind als Interessengemeinschaften von<br />
Forschungsinstituten, Beratungsunternehmen und allenfalls Industrieunternehmen<br />
konzipiert und zielen auf die Akquisition von inländischen und internationalen<br />
Forschungsmitteln sowie allenfalls den Aufbau nationaler Zentren (beispielsweise<br />
Australian LCA Society ALCA, Thai LCAnet, Indian Society for LCA ISLCA, Brazilian<br />
Life Cycle Association, Italian LCA Society) während eine dritte Kategorie von Netzwerken<br />
bereits die Rolle solcher Zentren wahrnimmt, wenngleich sie nicht zwingend<br />
304<br />
Life Cycle Assessment Society of Japan, in: Int. Journal of LCA, Vol. 4 (5), 1999, S. 248.<br />
305<br />
JEMAI: Toward a Sustainable Society, Brochure, JEMAI, Tokyo, ohne Datum.<br />
306<br />
Eigene Zusammenstellung, <strong>St</strong>and Mai 2004.
158 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
auch entsprechende Namen tragen (beispielsweise LCA Forum Taiwan, Korean<br />
Society for LCA KSLCA).<br />
Institutionell breit abgestützt und mit erheblichen Ressourcen ausgestattet sind die<br />
Zentren in Japan, Korea, Taiwan, Canada, Dänemark, Deutschland und der Schweiz.<br />
Die Netzwerke in Korea und Taiwan sind ähnlich ausgerichtet, resp. organisiert wie in<br />
Japan: Neben dem koordinierten <strong>St</strong>udium von Methoden und insbesondere der<br />
internationalen Entwicklung, werden nationale Datenbanken für Ökoinventare, nationale<br />
Wirkungsanalyse- und Gewichtungsmethoden sowie entsprechende Software<br />
entwickelt. In Korea werden diese Projekte von KSLCA in Zusammenarbeit mit<br />
Universitäten und der Industrie ausgeführt. Die Finanzierung wird durch das Ministry for<br />
Commerce, Industry and Energy MOCIE zur Verfügung gestellt. In Taiwan sind die<br />
Arbeiten am Industrial Technology Research Institute ITRI angesiedelt, welches<br />
wiederum dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist.<br />
Im Gegensatz dazu stellt das Swiss Centre for Life Cycle Inventories das einzige,<br />
aussschliesslich durch Forschungsinstitutionen konstituierte Zentrum dar: es besteht<br />
aus 7, dem ETH-Verbund zugehörigen Forschungsanstalten. Die bereits erwähnte<br />
Datenbank Ecoinvent wurde durch dieses Zentrum entwickelt und wird nun durch die<br />
Eidgenössische Materialprüfungs- und -forschungsanstalt EMPA betreut.<br />
Abbildung 5.8: Organisation des Swiss Centre for Life Cycle Inventories<br />
Das bislang einzige Produkt des Zentrums, die Datenbank Ecoinvent 2000, wurde<br />
zwischen 1998 und 2003 als gemeinsames Projekt der ETH und verschiedener<br />
Bundesämter entwickelt. Im Gegensatz zu den Datenbanken der asiatischen Zentren
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 159<br />
wird die Ecoinvent Datenbank vorwiegend über eine Reihe international tätiger<br />
Ökobilanz-Softwareanbieter vertrieben. Das Zentrum bietet bislang keine weiteren<br />
Dienstleistungen an. Auf Initiative des BUWAL soll in naher Zukunft ein Competence<br />
Center for LCA entstehen, welches sich verstärkt der praktischen Anwendung der<br />
Methoden widmen soll. 307<br />
5.2.5 GEDnet – Global Environmental Product Declarations Network<br />
GEDnet ist die fünfte internationale Organisation mit grossem Einfluss auf die<br />
Institutionalisierung der Ökobilanzierung. Dabei steht weniger die Forschung im<br />
Zentrum, sondern die Umsetzung von produktspezifisch standardisierten, lebenzyklusbasierten<br />
Sach- und Wirkungsbilanzen. 1999 auf Initiative von JEMAI gegründet zielt<br />
das Netzwerk auf den Erfahrungsaustausch und eine gemeinsame Förderung der<br />
Verbreitung von Type III EPDs.<br />
EPDs „provide quantified environmental product information for the entire life cycle (...)<br />
based on independently verified, systematic data and is presented (...) in aformat, that<br />
facilitates comparison between products.“ 308<br />
Grundlage dieser Arbeiten bilden der ISO Technical Report 14025:2000 Type III<br />
Environmental Product Declarations, die ISO 14040 Norm zu Ökobilanzierung sowie die<br />
ISO Technical Specification 14048:2002 für Ökobilanz-Daten.<br />
307<br />
Rentsch, Chr.: Sustainable Development <strong>St</strong>rategy 2002, Präsentation, Special LCA Forum ETH<br />
Lausanne, Dezember 2003, S. 6.<br />
308<br />
GEDnet: International Guide to Environmental Product Declarations. Pre-print Edition, GEDnet,<br />
<strong>St</strong>ockholm, 2002, S. 7.
160 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung: <strong>St</strong>ruktur des schwedischen EPD (c) Programms für EPDs 309 S.29.<br />
Demnach hat eine nationale <strong>St</strong>elle generelle Anforderungen an die Spezifikation der<br />
EPDs sowie der zu durchlaufenden Arbeitsschritte zu formulieren. Diese werden als<br />
guidelines veröffentlicht. Auf der Basis solcher generell-abstrakter Richtlinien sind für<br />
einzelne Produktkategorien jeweils Product Specific Requirements PSR zu<br />
spezifizieren. Diese regeln zentrale Modellierungsanforderungen, u.a. zur Funktionellen<br />
Einheit und Systemabgrenzung, zu Allokationsregeln, zur Auswahl von Sachbilanzindikatoren<br />
und ggf. Wirkungsindikatoren, etc.. Die PSRs regeln auch, welche<br />
Ökoinventar-Daten(banken) zur Erstellung eines EPDs in der spezifischen Produktkategorie<br />
verwendet werden dürfen und wie hoch der Anteil spezifisch erhobener<br />
Daten, resp. der Anteil von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren sein darf. Die PSRs können durch<br />
die nationale <strong>St</strong>elle selbst, durch Branchenorganisationen oder auch durch einzelne<br />
Unternehmen veröffentlicht werden. Die PSRs sind jedoch auf alle Fälle durch die<br />
nationale <strong>St</strong>elle auf ihre Konformität mit den guidelines hin zu prüfen und zu<br />
autorisieren.<br />
Die Sachbilanzdaten über den gesamten Lebenszyklus werden alsdann durch jedes<br />
teilnehmende Unternehmen erhoben und berechnet. Je nach Spezifikation können<br />
auch zusätzliche, nicht-numerische Informationen ausgewiesen werden, beispielsweise<br />
wenn das Produkt in ISO 14001-zertifizierten Betrieben hergestellt wurde oder wenn es<br />
309<br />
Darstellung aus GEDnet, 2002, S. 29.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 161<br />
andere Umweltkennzeichen (Blauer Engel, etc.) erhalten hat. Die PSRs können auch<br />
vorsehen, dass bestimmte Indikatoren nicht veröffentlicht werden dürfen (beispielsweise<br />
Resultate zu einzelnen Wirkungsindikatoren).<br />
Akkreditierte Zertifizierungsstellen führen – entsprechend der Anforderung von<br />
ISO14040 für öffentlich zu kommunizierende Ökobilanzen –ein neutrales critical review<br />
durch. Produkte mit einem derart validierten EPD können mit einem Umweltkennzeichen<br />
ausgestattet werden -in Japan beispielsweise mit dem ECO-LEAF von JEMAI.<br />
Das zugehörige EPD wird über das Internet und eine dem Umweltkennzeichen zu<br />
entnehmende Identifikationsnummer verfügbar gemacht.<br />
EPDs enthalten keine Beurteilungen und Interpretationen, gewichtete Ökobilanzresultate<br />
sind ebenfalls nicht zugelassen. Sie stellen ausschliesslich Daten zur<br />
Verfügung und bieten Gewähr dafür, dass für das entsprechende Produkt eine<br />
Ökobilanz nach einem standardisierten Verfahren, mittels geprüfter Daten durchgeführt<br />
wurde und das die Spezifikation der Anforderungen an dieses Verfahren unter<br />
Einbezug relevanter Anspruchsgruppen erstellt wurde.<br />
GEDnet zielt darauf ab, guidelines und PSRs international zu standardisieren. Dem<br />
Netzwerk sind mittlerweile Canada, Dänemark, Deutschland, Italien, Japan, Südkorea,<br />
Norwegen und Schweden angeschlossen. In einigen dieser Länder (Italien,<br />
Deutschland und Dänemark) befindet man sich erst im Aufbau der entsprechenden<br />
Infrastruktur zur Spezifikation der PSRs, resp. zur Validierung der EPDs.<br />
Es gilt zwischen dem ursprünglich in Schweden entwickelten EPD (c) Programm und<br />
anderen, nationalen Systemen für Type III Environmental Declarations EPD zu<br />
unterscheiden: Das schwedische Programm steht grundsätzlich anderen Ländern offen<br />
und bislang haben sich Dänemark, Deutschland, Finnland, Polen, Japan und Italien<br />
assoziieren lassen. Die entsprechenden PSRs sowie EPDs werden durch den Swedish<br />
Environmental Management Council anhand dessen Guidelines geprüft und autorisiert,<br />
danach dürfen sie mit dem EPD (c) Logo ausgezeichnet werden und sind über die EPD (c) -<br />
Website abrufbar. Die PSR werden periodisch dem <strong>St</strong>and des Wissens angepasst und<br />
die einzelnen EPDs sind jeweils für die Dauer von 3Jahren gültig. Bislang bestehen für<br />
54 Produktgruppen EPD (c) -PSRs und für 65 Produkte liegen EPD (c) svor oder stehen<br />
kurz vor der Autorisierung.<br />
Nicht alle nationalen PSRs, resp. EPDs werden durch die teilnehmenden <strong>St</strong>aaten über<br />
das schwedische Programm autorisiert. Vielmehr bestehen in allen teilnehmenden<br />
Ländern parallel dazu PSRs und EPDs auf ausschliesslich nationaler Ebene, deren<br />
Anforderungen und Validierung nur im entsprechenden Land vorgenommen wird.
162 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Zusätzlich bestehen nicht mit dem schwedischen EPD (c) -System assoziierte Systeme in<br />
den zwei GEDnet-Mitglied-Ländern Canada (Environmental Profile Data Sheet EPDs)<br />
und Norwegen (NOH Type III Program) als auch in Korea (Environmental Declaration of<br />
Products EDP).<br />
Je nach Programm und PSR werden die EPDs mehr oder weniger detailliert<br />
ausgestaltet. Häufig umfasst ein EPD selbst nur wenige, Sachbilanz-Summenparameter<br />
(insbesondere Energie, Abfall) und/oder ausgewählte Wirkungsindikatoren. In diesen<br />
Fällen müssen neben dem EPD zusätzliche Datenblätter mit ausführlicheren Angaben<br />
zu Sach- und Wirkungsbilanz verfügbar gemacht werden. Das Auflösungsvermögen auf<br />
<strong>St</strong>ufe Sachbilanz umfasst beispielsweise bei den japanischen EPDs, resp. den<br />
dazugehörigen Product Environmental Information Data Sheet PEIDS insgesamt 22<br />
einzelstoffliche Input-Indikatoren sowie 18 Emissionen. 310<br />
Das schwedische EPD (c) nennt in einem konkreten Beispiel als Minimalerfordernisse<br />
den Ausweis von Ressourcenverbrauch (erneuerbar, nicht-erneuerbar sowie mit<br />
Energiegehalt), den <strong>St</strong>romverbrauch sowie 5 Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungspotential:<br />
Treibhauseffekt (in CO 2 -Equivalent), Versauerung (in kmol H + -<br />
Equivalent), Ozonabbau (in CFC-11-Equivalent), Überdüngung (in O 2 -Equivalent) sowie<br />
Photooxidation (in Ethylen-Equivalent).<br />
Andere Programme beschränken sich auf weniger Wirkungsindikatoren und/oder<br />
verwenden andere Charakterisierungsfaktoren zu deren Abschätzung –beispielsweise<br />
wird im ECO-LEAF-Program Japans das Versauerungspotential in SO 2 -Equivalent, das<br />
Ozonabbaupotential in CFC-22-Equivalent und das Überdüngungspotential in Phosphat<br />
(PO 4 -Equivalent) durch die guidelines vorgeschlagen. Allerdings werden für die meisten<br />
Produktkategorien lediglich Treibhauseffekt und Versauerung obligatorisch verlangt.<br />
310<br />
Beispiele dazu finden sich unter: www.JEMAI.or.jp/ecoleaf_e/.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 163<br />
Abbildung 5.9: Beispiel einer Type III Environmental Product Declaration von Fuji<br />
Dies macht deutlich, dass die EPDs Ökobilanzen bis auf <strong>St</strong>ufe Wirkungsanalyse weitgehend<br />
standardisieren und damit alle notwendigen Vereinfachungen treffen und Auswahlmöglichkeiten<br />
soweit durch Konventionen einschränken, dass eine Vergleichbarkeit<br />
von verschiedenen EPDs ermöglicht wird. Durch die Vorschriften zur Verwendung<br />
bestimmter Ökoinventare sowie zur Berechnung von Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe<br />
Umweltveränderungen werden zentral geschaffene Artefakte über Konventionen als<br />
Vergleichsmassstäbe eingeführt. Dies trifft insbesondere auf die sehr kontextabhängigen<br />
Wirkungsketten der Versauerung, Überdüngung oder Photooxidation zu.<br />
Schadensorientierte Wirkungsindikatoren finden sich in den bisherigen PSRs genau so<br />
wenig wie gewichtete Resultate.<br />
EPDs stellen damit auf Ebene der internationalen Normierung die konkreteste Form der<br />
Ökobilanzanwendung und einen wesentlichen Schritt in Richtung des Grünen <strong>St</strong>eins<br />
der Weisen dar. Durch den -zumindest formalen -Einbezug der Anspruchsgruppen
164 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
sowie die Veröffentlichung der guidelines, PSRs und der zugrundeliegenden Produktökobilanzdaten<br />
werden EPDs gesellschaftlich legitimiert.<br />
Abbildung 5.10: Verteilung weltweit verfügbarer Type III PSRs und EPDs<br />
Schweden und Japan haben bislang die meisten PSRs ausgearbeitet. Diese bilden die Grundlage zur<br />
Zertifizierung von Environmental Product Declarations EPDs. 311<br />
Da diese Programme zwar im nationalen Rahmen aufgesetzt werden, jedoch die<br />
Teilnahme auf freiwilliger Basis erfolgt, sind die Unternehmen Träger dieser<br />
Entwicklung. Sie erstellen PSRs und EPDs und tragen die Kosten für deren Validierung<br />
und Publikation. Am meisten EPDs haben bislang Minolta Imaging (24, zu Einweg-,<br />
Analog-, und Digitalkameras), Electrolux Deutschland (18, zu Waschmaschinen und<br />
Kühlgeräten) sowie ABB Italien, resp. ABB Schweden (11, zu verschiedenen elektrotechnischen<br />
Produkten) publiziert.<br />
Nach Produktkategorien dominieren Papier- und Zellstoffprodukte (34 EPDs, alle aus<br />
Kanada), Photokopierer (17, Japan) sowie Einwegkameras (16, Japan). In den anderen<br />
Kategorien sind häufig nur einzelne Produkte vertreten.<br />
Während in Japan meistens verschiedene Anbieter EPDs zu denselben Produktkategorien<br />
veröffentlicht haben, sind in den anderen Ländern (mit Ausnahme der<br />
kanadischen Papierprodukte) selten EPDs verschiedener Hersteller zu einer<br />
bestimmten Produktkategorie verfügbar. Es wird sich zeigen müssen, ob sich EPDs<br />
mittel- bis langfristig wirklich etablieren können. Eine wichtige Voraussetzung dazu ist<br />
erst dann gegeben, wenn die wichtigsten Mitbewerber pro Produktkategorie für ihre<br />
Produkte regelmässig EPDs veröffentlichen.<br />
EPDs werden mittlerweile nicht nur im Rahmen allgemein ausgerichteter, nationaler<br />
Programme, sondern ebenfalls sektoriell durch Branchenorganisationen entwickelt.<br />
311<br />
Eigene Darstellung, Daten gemäss eigenen Recherchen zu den einzelnen nationalen Programmen. Ein<br />
Verzeichnis der Programme findet sich unter: www.environdec.com/international/programs.asp.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 165<br />
Dies trifft insbesondere auf die Baustoffindustrie zu, in der bereits 8 Länder EPD-<br />
Programme geschaffen haben oder gerade aufbauen: Frankreich, die Niederlande,<br />
Finnland, Grossbritannien, die USA sowie die Schweiz (resp. im Aufbau: Deutschland<br />
und Dänemark). Frankreich hat zudem im Rahmen des ISO TC 59 eine Arbeitsgruppe<br />
zur Produktedeklaration von Baustoffen initiiert, die sich an ISO TR14025 weitestgehend<br />
orientieren soll. Weitere EPD Programme bestehen zudem in der Chemie-,<br />
Elektronik- und Textilindustrie.<br />
Eine 2002 durch die EU-Kommission Abteilung Umwelt in Auftrag gegebene <strong>St</strong>udie 312<br />
hat jedoch offenbart, dass diese Systeme nur selten den Anforderungen der ISO 14040<br />
Ökobilanznormen, resp. dem ISO TR 14025 für EPDs umfassend entsprechen. Die<br />
meisten beziehen zwar Daten zum gesamten Lebenszyklus mit ein, sind jedoch<br />
bezüglich Detaillierungsgrad, Datenqualität, Modellierung, Validierung, Transparenz<br />
sowie Einbezug von Anspruchsgruppen erheblich weniger anspruchsvoll als die<br />
nationalen – ISO 14040 und ISO TR 14025 folgenden - Programme. Von den 13<br />
untersuchten sektoriellen Systemen, entspricht lediglich das A.I.S.E Programm der<br />
europäischen Waschmittelindustrie beiden <strong>St</strong>andards. Im Gegensatz zu den nationalen<br />
Systemen verzichtet es jedoch auf eine Zertifizierung. Das Auflösungsvermögen der<br />
entsprechenden Deklarationen ist mit lediglich vier hochaggregierten <strong>St</strong>offindikatoren<br />
(Energie, Gewicht Waschmittel, Gewicht Verpackung, Gewicht schwerabbaubarer<br />
Inhaltsstoffe) im Vergleich zu den umfangreichen Sachbilanz, resp. Wirkungsbilanzen<br />
der nationalen EPD Programme sehr bescheiden.<br />
Wir verzichten vor diesem Hintergrund auf eine nähere Darstellung dieser sektoriellen<br />
EPD Programme. Es ist zu erwarten, dass sie sich mittelfristig entweder den nationalen<br />
Programmen anschliessen oder aber durch eine konsequentere Umsetzung der ISO<br />
Normierung angleichen werden.<br />
Für die Institutionalisierung von EPDs, resp. Produktökobilanzen ist insgesamt der<br />
weitere Verlauf der ISO Normierung von zentraler Bedeutung. Aufgrund der erwarteten<br />
Wettbewerbswirkungen wurden die entsprechenden Diskussionen innerhalb des ISO<br />
TC 207 von Beginn weg sehr kontrovers geführt: ISO TR 14025 geht zurück auf einen<br />
Vorschlag eines US-Delegierten im Jahre 1994. Der -zunächst auf starke Ablehnung<br />
stossende Vorschlag -wurde auf Initiative der schwedischen Delegierten im Jahre 1995<br />
erneut traktandiert und erhielt soweit Zustimmung, dass die Ausarbeitung eines ISO<br />
International <strong>St</strong>andards 14025 in Angriff genommen werden konnte. Nach Intervention<br />
der US-Delegation wurden jedoch die Arbeiten 1998 sistiert: Ein Mangel an konkreten<br />
Erfahrungen mit EPDs gab dazu den Ausschlag. Zudem wurde bezweifelt, ob<br />
Konsumenten Ökobilanz-Resultate überhaupt verstehen und akzeptieren würden.<br />
Diese Situation führte dazu, dass die Arbeiten zu EPDs lediglich als ISO Technical<br />
Report veröffentlicht wurden. Der Report zeigt auf, welche Anforderungen an EPD<br />
Programme grundsätzlich zu stellen wären und er zeigt Beispiele aus den bis dahin<br />
312<br />
ERM: Evaluation of Environmental Product Declaration Schemes. Final Report commissioned by<br />
European Commission DG Environment, 2002, S. 68.
166 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
aufgebauten nationalen Programmen, insbesondere dem schwedischen EPD (c)<br />
Programm. Die Schaffung eines International <strong>St</strong>andard blieb jedoch weiterhin auf der<br />
Traktandenliste: 2002 scheiterte ein weiterer, von den meisten europäischen <strong>St</strong>aaten<br />
unterstützter Vorschlag am Widerstand der Entwicklungsländer und der USA. Auf<br />
Vorschlag von Japan und Korea wurde jedoch eine weitere Abstimmung für 2003<br />
angesetzt. Bis dahin sollten konkrete Schritte zur Beilegung der strittigen Punkte in<br />
einem verbindlichen Massnahmenplan festgehalten werden. Die Einbindung der<br />
Entwicklungsländer in die Ökobilanzforschungsgemeinschaft über subventionierte<br />
Beteiligungen an Projekten und Ausbildungsmassnahmen wie sie beispielsweise seit<br />
2002 durch die UNEP/SETAC Life Cycle Initiative vorangetrieben werden, dürften den<br />
Ausschlag dafür gegeben haben, dass die erneute Abstimmung schliesslich erfolgreich<br />
verlief. TR 14025:2000 soll bis 2006 zu einem International <strong>St</strong>andard ISO 14025 weiterentwickelt<br />
werden.<br />
Dabei ist bemerkenswert, dass mittlerweile ein Konsens darüber besteht, dass EDPs<br />
für die Kommunikation mit Endkunden nicht geeignet seien, sondern vielmehr im<br />
Business to Business Bereich einem wachsenden Bedürfnis entsprechen. Diese<br />
Entwicklung dürfte einerseits mit einer stärkeren Ausrichtung betrieblicher Umweltmanagementsysteme<br />
auf die gesamte Wertschöpfungskette zu tun haben, wie sie sich<br />
im Rahmen der Überarbeitung von ISO 14001 abzeichnet. Anderseits dürften die in<br />
verschiedenen <strong>St</strong>aaten forcierten Bestrebungen zur Umsetzung einer Integrated<br />
Product Policy IPP die Nachfrage nach systematisch erhobenen und umfassenden<br />
Umweltinformationen stetig erhöhen: Technische Spezifikationen von Produkten unter<br />
Einschluss ökologischer Kriterien, branchenorientierte Zielvorgaben für das<br />
Management von <strong>St</strong>offströmen, die Einführung des Prinzips Material-, resp. Produktverantwortung<br />
sowie der entsprechenden Haftungsregelungen, Umweltkennzeichnungspflichten<br />
und schliesslich die Berücksichtigung von Umweltaspekten in<br />
der Öffentlichen Beschaffung –sämtliche Elemente von IPP dürften den Bedarf der<br />
Industrie nach einer <strong>St</strong>andardisierung der Messung von Umweltbelastung und damit der<br />
Schaffung klarer Regeln für den Wettbewerb nachhaltig steigern.<br />
Die Mitglieder von GEDnet sind die wesentlichen Treiber dieser Entwicklung. Mit der in<br />
ihrem Rahmen koordinierten Harmonisierung von EPDs schaffen sie für die in ihren<br />
Programmen mitwirkenden Unternehmen die entsprechenden Voraussetzungen im<br />
internationalen Handel. Als assoziiertes Mitglied des ISO TC 207 SC3 sichert GEDnet<br />
die bisherigen Arbeiten ab und verstärkt den Einfluss der nationalen Delegierten ihrer<br />
Mitgliedstaaten. Gelingt es, ihre Vorleistungen in der zu schaffenden ISO 14025<br />
umfassend zur Geltung zu bringen, wird GEDnet zu einer zentralen Plattform der<br />
<strong>St</strong>andardisierung von EPD und damit zur <strong>St</strong>andardisierung von Produktökobilanzen.<br />
5.2.6 Fazit: Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen nimmt Form an<br />
Die Betrachtung der internationalen Normierung und ihrer Trägerorganisationen hat<br />
deutlich gemacht, dass Ökobilanzen zunehmend durch die gesellschaftlichen
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 167<br />
Anspruchsgruppen und insbesondere durch die Wirtschaft selbst einer<br />
<strong>St</strong>andardisierung zugeführt werden. Diese <strong>St</strong>andardisierung erfolgt einerseits im<br />
Rahmen der Normreihe ISO 14040ff im Sinne eines Konsens der generell abstrakten<br />
Vorgehensweise und Anforderungen, sozusagen als Kondensat der theoretischen Ökobilanzforschung.<br />
Eine produktspezifische, konkrete <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzierung<br />
erfolgt hingegen über den Zwischenschritt der Definition von<br />
Anforderungen und Prozeduren zur Gestaltung von Umweltkennzeichnungsprogrammen<br />
(ISO (TR) 14025) letztlich im Rahmen international koordinierter,<br />
nationaler EPD Programme. Diese Programme regeln branchenunabhängige Mindestanforderungen<br />
(Prozess, Daten, Indikatoren, etc.) und legen fest, in welchem Prozess<br />
die produktspezifischen Konventionen zur Erstellung vergleichbarer Ökobilanzen<br />
geschaffen werden sollen. Sie sichern Legitimation und Transparenz dieser Prozesse<br />
und validieren deren Resultate.<br />
Diese <strong>St</strong>andardisierung der produktspezifischen Umsetzung von Ökobilanzen baut auf<br />
den Ergebnissen der angewandten Ökobilanzforschung auf, indem generische Ökoinventare<br />
sowie Wirkungsmodelle, resp. entsprechende Charakterisierungsfaktoren<br />
ausgewählt und in die Spezifikationen aufgenommen werden. Dieser Einbezug erfolgt<br />
selektiv: aus dem gesamten Universum der verfügbaren Daten und Modelle werden<br />
zunächst im Rahmen der nationalen/internationalen guidelines diejenigen ausgewählt,<br />
die von den nationalen Programmen als konsensfähig, wissenschaftlich fundiert und<br />
gesamtgesellschaftlich relevant erachtet werden. Im Rahmen der Spezifikation<br />
einzelner Produktkategorien erfolgt dann nochmals eine Konkretisierung der zu<br />
verwendenden Daten, resp. der auszuweisenden Wirkungskategorien. Auf dieser <strong>St</strong>ufe<br />
erfolgt auch die zentrale Definition von Funktioneller Einheit und Allokation.<br />
Die von uns analysierten Beispiele von PSRs, resp. EPDs offenbaren, dass dieser<br />
Prozess sehr selektiv auf die Ergebnisse der angewandten Ökobilanzforschung abstellt:<br />
Das Auflösungsvermögen der Sachbilanz ist auf maximal 20 Input- und 20 Output-<br />
Indikatoren beschränkt; Emissionen toxischer <strong>St</strong>offe fehlen weitgehend. Von den<br />
zahlreichen Wirkungskategorien werden die –in der angewandten Ökobilanzforschung<br />
am wenigsten umstrittenen - auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungen einbezogen;<br />
Schadensindikatoren finden offenbar noch keine Akzeptanz.<br />
Die Träger dieser zunehmenden Konkretisierung und <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzierung<br />
sind zunächst einmal privatwirtschaftliche Organisationen –Wirtschaftsverbände<br />
und multinationale Grossunternehmen - unter Einbezug der Ökobilanzforschungsgemeinschaft<br />
sowie verschiedener Anspruchsgruppen.<br />
Auf einzelstaatlicher Ebene zeigt sich, dass in den aktivsten Ländern die nationalen<br />
Ökobilanz-Zentren sowie die EPD Programme stark durch die Wirtschaftsministerien<br />
oder wiederum Industrieverbände unterstützt werden. Diese Konstellation ist in den<br />
asiatischen Ländern – Japan, Korea, Taiwan – aber auch in Schweden stark ausgeprägt.<br />
In Dänemark, Deutschland und den Niederlanden sind zudem die Umwelt-
168 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
behörden zusammen mit Wirtschaftsverbänden und Universitäten die Träger der<br />
Institutionalisierung. In der Schweiz wiederum besteht eine duale <strong>St</strong>ruktur, indem<br />
Forschung und Behörden eng zusammenarbeiten, jedoch weitgehend losgelöst von<br />
den im ISO-Normierungsprozess aktiven Akteuren der Wirtschaft.<br />
Der Normierungsprozess wird vor allem von Europa und Asien vorangetrieben, wobei<br />
die Niederlanden, Schweden, Deutschland sowie Japan als aktivste Akteure auftreten.<br />
Das japanische Ökobilanz-Netzwerk nimmt bezüglich seiner personellen und<br />
finanziellen Ausstattung, seiner hochgradigen Integration zwischen Forschung,<br />
Normierung und Praxis, seiner institutionellen Verflechtung und Autorität als auch<br />
bezüglich seiner internationalen Vernetzung eindeutig die Führungsrolle ein. Japan<br />
stellt mitunter die umfangreichsten Delegationen an den TC 207 SC5 und TC207 SC5<br />
Sitzungen, hat sowohl GALAC und GEDnet initiiert, die Gründung der UNEP/SETAC<br />
Life Cycle Initiative wesentlich finanziell unterstützt und betreibt zudem intensive<br />
Ausbildungsaktivitäten in anderen asiatischen Ländern. Kein anderes Land kann mehr<br />
Praxisbeispiele zur Anwendung von Ökobilanzmethoden vorweisen und auch bezüglich<br />
EPDs hat Japan die Führungsrolle übernommen.<br />
Abbildung 5.11: Produktökobilanzierung bei NEC<br />
Die Einführung von Produktökobilanzen bei NEC, einem der weltweit grössten Elektronikkonzerne -steht<br />
symbolisch für die rasche und breit abgestützte Umsetzung der Methodik in Japan. Unter Führung des<br />
Wirtschaftsministeriums hat ein nationales Netzwerk aus Bürokratie, Forschung und Wirtschaft innert<br />
kurzer Zeit die globale Führungsrolle bezüglich der praktischen Anwendung der Ökobilanzierung<br />
übernommen. 313<br />
Dieses Netzwerk wird zentral durch das Wirtschaftsministerium METI koordiniert und<br />
alimentiert. Sowohl JEMAI, die Japan LCA Society als auch das National LCA<br />
313<br />
Darstellung aus NEC: Environmental Report 2002, S. 25.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 169<br />
Research Center sind dem METI unterstellt. Die involvierten Personen wechseln zudem<br />
zwischen diesen Organisationen und stellen die Delegierten für die internationalen<br />
Gremien. Das Umweltministerium spielt in diesem Netzwerk eindeutig eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Wir vertreten deshalb die These, dass Japan das erste Land ist, welches eine<br />
Industrie- und Wettbewerbstrategie auf der Basis der Ökobilanz-Methodik betreibt.<br />
Professor Ryoichi Yamamoto, Vorsitzender der parlamentarischen Kommission für<br />
Wirtschaft und Umwelt, hat uns diese These im Rahmen eines Interviews bestätigt.<br />
„Japan is fully committed to become an ecological super power. Concerning LCA<br />
Europe has already fallen behind us“. 314<br />
5.3 Diffusion von Daten und Modellen über Software<br />
Neben dem Entstehen einer anerkannten Forschungsgemeinschaft und der<br />
<strong>St</strong>andardisierung von Methodik und konkreter Anwendung trägt eine dritte Entwicklung<br />
wesentlich zur Institutionalisierung der Ökobilanzierung bei: der Markt für<br />
entsprechende Software.<br />
Wir haben in Abschnitt 4.4.4 diagnostiziert, dass die im Rahmen der angewandten<br />
Ökobilanzforschung produzierten Datenmengen im Verlaufe der 90er Jahre auf allen<br />
Ebenen –Sachbilanz, Wirkungsanalyse und Gewichtung -enorm zugenommen haben.<br />
Diese Daten werden periodisch überarbeitet, was nicht nur eine Aktualisierung<br />
bestehender Werte bedeutet, sondern noch immer mit substantiellen Veränderungen<br />
an den methodischen Operationen (Systemabgrenzung, Allokationen, etc.) sowie der<br />
<strong>St</strong>ruktur der verwendeten Sach-, Wirkungs- und Gewichtungsindikatoren einhergeht.<br />
Die stetige Veränderung der Datenformate auf allen Ebenen schafft erhebliche Schnittstellenprobleme,<br />
die nur in Koordination der Urheber oder durch zentrale <strong>St</strong>ellen, nicht<br />
jedoch durch die Anwendenden in der Praxis selbst gelöst werden können.<br />
Wir haben schliesslich festgestellt, dass Ökobilanzierung als Lernprozess ausgestaltet,<br />
ein iteratives Vorgehen und damit auch eine gewisse Flexibilität im Umgang mit Daten<br />
und Modellen erfordert.<br />
Für die Bewältigung dieser Rahmenbedingungen einer praktischen Anwendung der<br />
Methodik bietet sich der Einsatz von Datenbanken und Software an. Durch ihren<br />
Einsatz übernehmen die Anwendenden zahlreiche Konventionen der angewandten<br />
Ökobilanzforschung. Wir betrachten nachfolgend, warum der Einsatz von Software aus<br />
Sicht der Anwendenden attraktiv ist, inwieweit sich ein entsprechender Markt<br />
herausgebildet hat und wie Software zur <strong>St</strong>andardisierung und Zentralisierung der<br />
Methodik beiträgt.<br />
314<br />
Interview mit Prof. Dr. Ryoichi Yamamoto, Universität Tokyo, 27. Januar 2004.
170 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
5.3.1 Nutzenpotentiale einer softwaregestützten Ökobilanzierung<br />
Mit der Verfügbarkeit einfach zu bedienender Computersysteme auf Basis von MS<br />
DOS, MS Windows oder Apple Macintosh wurden Ende der 80er Jahre meistens<br />
Tabellenkalkulationsprogramme eingesetzt. Diese erlaubten eine übersichtliche<br />
Darstellung und Berechnung von einfachen Ökobilanzen. Über die sich etablierenden<br />
Dateiformate -beispielsweise ASCII-Text oder Excel –konnten Daten ausgetauscht<br />
werden.<br />
Abbildung 5.12: Tabellenkalkulation als Werkzeug zur Ökobilanzierung<br />
Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus einer Tabelle zur Berechnung einer Betriebsökobilanz nach der<br />
schweizerischen ÖBU-Methodik. 315 Solche Tabellen sind nur für einfache und statische Ökobilanz-<br />
Berechnungen ausreichend, da sie mit zunehmender Komplexität u.a. unübersichtlich und fehleranfällig<br />
werden.<br />
Ökobilanzen auf Basis von Tabellenkalkulationsprogrammen haben sich jedoch als<br />
überaus fehleranfällig erwiesen: nur offensichtliche Fehler aufgrund nicht-plausibel<br />
erscheinender Resultate werden in der Regel erkannt. Systematische Fehlerprüfungen<br />
finden in der Praxis kaum statt. Meistens sind die Berechnungen schlecht dokumentiert<br />
und nicht konsequent - in immer gleicher Weise - umgesetzt. Das führt zu Intransparenz<br />
315<br />
Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Ökobilanzierung und Öko-Controlling, Gastvorlesung, Wahlprogramm<br />
Umweltmanagement, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 20. November 2002, S. 34.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 171<br />
und einer hohen Personenabhängigkeit der entsprechenden Tabellen. Zudem sind<br />
diese Lösungen aufgrund ihrer statischen Natur für eine iterative, lernorientierte<br />
Anwendung der Methodik nur bedingt geeignet: Verändern sich die zu beantwortenden<br />
Fragen, müssen häufig neue Berechnungen abgebildet werden. Dies hat zur Folge,<br />
dass einmal programmierte <strong>St</strong>rukturen angesichts des Aufwands fundamentaler<br />
Eingriffe häufig einfach so belassen werden, wie sie sind. Mit anderen Worten:<br />
Tabellenkalkulationen behindern tendenziell den Lernprozess.<br />
Mit steigendem Datenaufkommen, ständigen Veränderungen in der Methodik sowie der<br />
zunehmenden Detaillierung der einzelnen Operationen nehmen Wartungsaufwand,<br />
Fehleranfälligkeit und der Anreiz sich auf das Bestehende zu beschränken, stetig zu.<br />
Einmal erstellte Tabellen werden deshalb häufig nicht angepasst und führen damit<br />
dazu, dass allenfalls auf der Basis veralteter Daten weiter gearbeitet wird oder dass das<br />
Instrument mit der Zeit gar aufgegeben wird. Die Kosten einer kontinuierlichen Pflege<br />
solcher Tabellen übersteigen nach wenigen Jahren die Kosten kommerzieller Lösungen<br />
– und dies bei geringer Investitionssicherheit infolge hoher Personenabhängigkeit. 316<br />
Die kommerziellen, spezifisch für die Erstellung und Verwaltung von Ökobilanzen<br />
entwickelten Softwarelösungen versprechen vor diesem Hintergrund einen hohen<br />
Nutzen: sie reduzieren den Aufwand der Datenerfassung und Modellierung, werden<br />
zentral auf Fehler geprüft, im Idealfall stetig erneuert und bieten eine spezifisch auf die<br />
Operationen der Ökobilanzierung ausgerichtete Funktionalität. Diese Funktionalität<br />
unterstützt die Modellierung der zu betrachtenden Systeme –häufig mittels grafischer<br />
Oberflächen, die Umrechnung verfügbarer Daten (beispielsweise von Konzentrationswerten<br />
aus Messprotokollen in Mengenflüsse oder in einheitliche Grössen) und erlaubt<br />
eine systematische und nachvollziehbare Dokumentation der verwendeten Ökoinventare<br />
sowie relevanter Zusatzinformationen (Datenqualität, Kommentare zu<br />
einzelnen erfassten Werten, etc.). Die meisten Programme bieten diverse Methoden zu<br />
Auswertung, die einfach auf Knopfdruck ausgetauscht werden können (beispielsweise<br />
verschiedene Gewichtungsmethoden) und fördern damit eine iterative, von einer<br />
spezifischen Methodik unabhängige Identifikation der gewichtigsten Umweltbelastungen,<br />
resp. deuten auf Widersprüche hin. Solche Funktionen lenken die<br />
Aufmerksamkeit auf das Wesentliche und unterstützen ein gezieltes Navigieren durch<br />
Resultate und Datengrundlagen. Damit kann der Lernprozess der Anwendenden<br />
gefördert und auf wesentliche Aspekte konzentriert werden. Diverse Auswertungsmöglichkeiten<br />
sowie vorgefertigte Berichtsvorlagen mit Tabellen und/oder Diagrammen<br />
erleichtern zudem die Aufbereitung der Resultate sowie deren Export in<br />
Textverarbeitungs- oder Präsentationssoftware.<br />
316<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Linder, S., Pagliari, F.: LCA Software Guide 1997. Schriftenreihe der ÖBU, Adliswil,<br />
1997, S. 4.
172 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 5.13: Nutzenpotentiale von <strong>St</strong>andardsoftware zur Ökobilanzierung<br />
Durch den Einsatz kommerzieller <strong>St</strong>andard-Software können die verschiedenen Kostenfaktoren der<br />
Erstellung und Pflege von Ökobilanzdatenbeständen erheblich gesenkt werden. Dabei sind insbesondere<br />
die qualitätssichernden sowie die lernbezogenen Potentiale von Bedeutung. Software kann Methoden<br />
interaktiv vermitteln und die Anwendenden kontinuierlich über den aktuellen <strong>St</strong>and der Forschung<br />
orientieren. 317<br />
Kommerzielle Ökobilanz-Software erlaubt erfahrungsgemäss eine rasche Einarbeitung,<br />
da die Hersteller die entsprechende Ausbildung anbieten, resp. über Lehrmittel und<br />
Schritt-für-Schritt-Beispiele verfügbar machen. Sie bindet darüber hinaus die Nutzenden<br />
in ein Netzwerk von Spezialisten ein: Neben reiner technischer Unterstützung stellen<br />
die Anbieter häufig Beratungsleistungen bezüglich Datenerhebung, Modellierung und<br />
Interpretation der Ergebnisse zur Verfügung.<br />
Die Softwareanbieter selbst müssen stetig mit der Entwicklung der Methodik Schritt<br />
halten, ihre Datenformate anpassen und die Datenbestände aktuell halten. Dazu stehen<br />
sie meistens in engem Kontakt zu den Forschenden. Sie bilden eine wichtige Schnittstelle<br />
zwischen angewandter Ökobilanzforschung und der praktischen Ökobilanzierung.<br />
Im Rhythmus der Aktualisierung der Programme werden die Anwendenden stetig über<br />
Neuerungen bezüglich Datenverfügbarkeit und Methodik orientiert. Die<br />
Nutzenpotentiale des Einsatzes kommerzieller Software sind also aus Sicht der<br />
Anwendenden vielfältig und erheblich.<br />
5.3.2 Entstehung eines Marktes für Ökobilanz-Programme<br />
Solange die verfügbaren Daten und die verwendeten Indikatorenlisten noch überschaubar<br />
und mittels Taschenrechner, resp. Tabellenkalkulation zu bewältigen waren,<br />
blieb der Einsatz spezifisch zur Ökobilanzierung entwickelter Informatiklösungen auf<br />
317<br />
Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong>, 2002, S. 32.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 173<br />
grosse Forschungsprojekte zur Erhebung von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren beschränkt. Im<br />
Rahmen dieser Projekte wurden jeweils hauseigene Datenbanken programmiert, um<br />
die grossen Datenmengen zu erfassen, aber auch um die Berechnungen von<br />
Allokationen und Rekursionen (Recycling-Schlaufen) zu automatisieren. Die Ergebnisse<br />
wurden zunächst nur in Buchform publiziert, aus denen die Anwendenden die<br />
relevanten Daten ablesen und in ihre Berechnungen übernehmen konnten. Die<br />
Mehrheit dieser Werkzeuge wurde später direkt durch die Forschungsinstitute oder im<br />
Rahmen von spin-off Unternehmen als kommerzielle Produkte auf dem Markt<br />
angeboten. Den Markt eröffnet haben hingegen kleine, auf Ökobilanzen spezialisierte<br />
Beratungsunternehmen, resp. private Forschungsinstitute. Auch sie haben zumeist<br />
infolge des internene Bedarfs entsprechende Entwickungen vorangetrieben und ihre<br />
hauseigenen Lösungen später zu <strong>St</strong>andard-Software weiterentwickelt. Traditionelle<br />
Softwareunternehmen haben bislang nur vereinzelt (Siemens Nixdorf, DEBIS) versucht<br />
in diesen Markt einzusteigen und haben dazu Programme von Forschungsinstituten<br />
übernommen. Sie sind aber angesichts der geringen Volumina rasch wieder ausgeschieden.<br />
Der Markt wird nach wie vor durch kleine spezialisierte Beratungs- und Forschungsinstitutionen<br />
bedient. Seine Entwicklung ist gut dokumentiert: Zahlreiche <strong>St</strong>udien<br />
versuchten das gegen Mitte der 90er Jahre rasch zunehmende Angebot und die Vielfalt<br />
an Produkten in Übersichten zusammenzufassen, um so den potentiellen<br />
Anwendenden eine Hilfesstellung für die Auswahl geeigneter Werkzeug zu bieten. 318<br />
Vorläufer-Programme stellen GEMIS (1989, heute betreut durch das Ökoinstitut<br />
Freiburg) sowie The Boustead Model (1990, Boustead Consulting) dar: diese<br />
Programme sind ursprünglich für Energy Analysis also die Ermittlung des kumulierten<br />
Energieaufwandes entwickelt worden, resp. beschränkten ihre Datenbanken auf den<br />
Indikator Energie. In späteren Versionen gingen die Autoren dann dazu über, auch<br />
Input- und Output-Indikatoren aufzunehmen und nahmen Charakterisierungsfaktoren<br />
für die Analyse von Wirkungskategorien auf. Die erste Produkt-Ökobilanz-Software im<br />
eigentlichen Sinne erschien 1990 mit SimaPro von Pré Consultants. Diese Software ist<br />
heute weltweit das wohl bekannteste Werkzeug und mit über 800 Lizenzen führt es die<br />
Rangliste der kommerziell abgesetzten Lizenzen an.<br />
318<br />
Hemming, C.: Directory of Life Cycle Inventory Data Sources, SPOLD, 1995, <strong>Siegenthaler</strong>, C.,<br />
Noppeney, C., Pagliari, F.: Ökobilanz-Software 1995 – Eine Übersicht der derzeit erhältlichen<br />
Programme zur Erstellung von Betriebs- und Produktökobilanzen, ÖBU, Adliswil, 1995, Rice, G,: A<br />
review of commercial LCA Software, with specific emphasis on European industrial application,<br />
Universits of Surrey, 1996, Menke, D., et.al.: Evaluation of Life Cycle Assessment Tools, Environment<br />
Canada, Ottawa, 1996, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997, Gruppe angepasste Technologien Grat:<br />
Ecodesign/Cleaner Production, Software-Recherche und Leistungstest, Schriftenreihe des<br />
Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie BMUJF, Nr. 15/1998, Wien, 1998, Jönbrink, A.K.,<br />
Wolf-Wats, M. Erixon, P. Olsson, Wallén, N.: LCA Software Survey, Industrial Research Institute in<br />
Sweden, IVF Research Publication 824, 2000.
174 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Chronologie des Markteintritts von Ökobilanzsoftware<br />
(total 51 Programme)<br />
9<br />
8<br />
8 8<br />
Anzahl neu erschienene Programme<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
3<br />
4<br />
2<br />
4<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2 2<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
0<br />
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />
Abbildung 5.14: Entstehung des Marktes für Ökobilanz-Software<br />
Die Darstellung zeigt, die Anzahl der jährlich neu auf den Markt kommenden Programme zur Erstellung<br />
von Produkt- und Betriebsökobilanzen. 319 Die <strong>St</strong>atistik erfasst nur Programme, zu denen entsprechende<br />
Informationen zum Erscheinungsjahr öffentlich zugänglich sind, resp. die von den einschlägigen Marktstudien<br />
entsprechend erfasst wurden. Entsprechend dürften die Zahlen für 2000 –2002 eher zu gering<br />
ausgefallen sein, da allenfalls weitere lancierte Werkzeuge noch nicht erfasst wurden.<br />
Die meisten Programme der ersten Generation waren auf Ökobilanzen von<br />
Verpackungen ausgerichtet, so auch der Pionier in der Schweiz: Oekobase der<br />
MIGROS war für interne Zwecke und im Zusammenhang mit den bekannten<br />
BUWAL/EMPA-Daten für Verpackungen (BUS 24, 1984; BUWAL 132, 1990) entwickelt<br />
und später auch erfolgreich Dritten angeboten worden. Nach anfänglich beachtlichem<br />
Absatz (rund 100 Lizenzen) wurde die Entwicklung Ende der 90er eingestellt. Ab Mitte<br />
der 90er Jahre wurden die spezifisch mit bestimmten Datenbanken und Methoden<br />
verbundenen, statischen Programme zunehmend durch universell einsetzbare, flexibel<br />
erweiterbare und an der generischen Methodik von ISO 14040 orientierte Software<br />
abgelöst.<br />
Ein Vorläufer der unternehmungsbezogenen Werkzeuge erschien 1990 mit PIUSoecos,<br />
das eine Erfassung von Inputs und Outputs erlaubte, jedoch keine Wirkungsanalyse<br />
oder Gewichtung vorsah und auch keine Lebenszyklusdaten (Inventare) enthielt. Das<br />
weltweit erste Werkzeug mit entsprechender Funktionalität wurde im Umfeld einer<br />
Arbeitsgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Ökologisch bewusste Unternehmungsführung<br />
ÖBU durch <strong>St</strong>udierende der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> entwickelt und<br />
319<br />
Eigene Darstellung anhand der Angaben aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997, S. 8sowie aktualisiert anhand<br />
der Daten aus Jönbrink et.al., 2000 sowie aus <strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, C.: LCA<br />
Software Guide 2005, ÖBU, Zürich, 2005.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 175<br />
1994 als REGIS für Windows auf den Markt gebracht. 320 Esfindet heute als einzige<br />
Schweizer Ökobilanz-Software international Anwendung.<br />
Herkunft der Programme<br />
(total 52 Programme)<br />
Finnland<br />
1<br />
1<br />
Österreich<br />
2<br />
3<br />
Frankreich<br />
1<br />
3<br />
United Kingdom<br />
2<br />
4<br />
USA<br />
3<br />
5<br />
Schweden<br />
1<br />
5<br />
Niederlanden<br />
3<br />
5<br />
Japan<br />
2<br />
6<br />
Schweiz<br />
7<br />
7<br />
Deutschland<br />
0 2 4 6 8 10 12<br />
9<br />
13<br />
2004 1997<br />
Abbildung 5.15: Herkunft von Ökobilanz-Software<br />
Die Darstellung zeigt die Herkunft von 52, im Verlaufe der 90er Jahre kommerziell angebotenen<br />
Programmen. Der Vergleich mit den Ergebnissen des LCA Software Guide 1997 offenbart, aus welchen<br />
Ländern seither neue Anbieter in den Markt eingetreten sind. 321<br />
Eine Aufschlüsselung der lancierten Programme nach Ursprungsland ist für unsere<br />
<strong>St</strong>andortbestimmung ebenfalls aufschlussreich: Sie kann zeigen, wo ein hohes Niveau<br />
an Aktivitäten bestand, sodass einerseits zahlreiche Projekte zur Entwicklung von<br />
Software führten, resp. wo die Entwickler zur Überzeugung gelangten, dass ein Markt<br />
für ihre Programme und somit ein Bedürfnis nach Ökobilanzen bestand: hier wird<br />
deutlich, dass insbesondere in der Pionierphase bis Mitte der 90er Jahre Deutschland<br />
und die Schweiz führend waren. Allerdings zeigt sich auch, dass seit 1997 andere<br />
Länder deutlich zugelegt haben, während in der Schweiz keine neuen Programme mehr<br />
auf den Markt gebracht wurden. Neben Deutschland verzeichnen in den letzten Jahren<br />
320<br />
Kytzia, S., <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Die schweizerische Methodik „Ökobilanzen für Unternehmungen“ und ihre<br />
Anwendung mit REGIS für Windows, in: Informatik für den Umweltschutz, Metropolis Verlag, 1994, S.<br />
89 – 100.<br />
321<br />
Eigene Darstellung anhand der Angaben in Jönbrink et.al., 2000, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005 ergänzt<br />
durch eigene Recherchen.
176 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Japan und Schweden die meisten Neuentwicklungen. Allerdings ist für Software-Märkte<br />
typisch, dass sich mittel- bis langfristig nur wenige Produkte gleichwertiger<br />
Funktionalität -das heisst im selben Segment -durchsetzen können. Dies ist bei Ökobilanz-Software<br />
nicht anders: zwar sind einige der Pioniere weiterhin präsent, eine<br />
grosse Anzahl Werkzeuge wurde aber bereits wieder aufgegeben.<br />
Der Markt zeigt eine duale <strong>St</strong>ruktur, indem einige Anbieter regional oder sektoriell über<br />
eine starke Position verfügen, die es ihnen erlaubt, die ständige Aktualisierung von<br />
Daten und Programm zu gewährleisten. Anderseits gibt es einen globalen Markt für<br />
universell einsetzbare Programme, auf dem sich nur wenige kommerzielle Anbieter<br />
durchsetzen können: SimaPro (NL), Umberto (D), LCAit (S), GaBi (D) und TEAM (F).<br />
Die meisten Programme sind in englischer Sprache erhältlich; einige wenige sind in<br />
diversen Sprachen, wobei neben Englisch vor allem Japanisch, Schwedisch und<br />
Deutsch dominieren. Es gibt vereinzelt auch spanische, italienische, niederländische<br />
und dänische Versionen, resp. Programme.<br />
Während das Angebot an Software gut dokumentiert ist, liegen bislang keine Angaben<br />
zur Nachfrageseite vor. Es ist also unbekannt, durch wen und wo die Programme<br />
beschafft werden. Neben Unternehmen dürften zahlreiche Universitäten und<br />
Forschungseinrichtungen zu den Anwendenden gehören.<br />
Hingegen sind einige Anhaltspunkte über den gesamthaften Absatz verfügbar. Zwar<br />
machen nicht alle Anbieter entsprechende Angaben, aber immerhin zeigt eine<br />
Zusammenstellung der verfügbaren Absatzzahlen aus vier verschiedenen <strong>St</strong>udien, dass<br />
die Gesamtzahl der im Markt befindlichen Lizenzen weiterhin deutlich zunimmt. Dabei<br />
gilt es zu berücksichtigen, dass die Zahlen für das jeweilige Jahr den Angaben der<br />
Anbieter zu ihren abgesetzten Lizenzen entspricht; einige Anbieter schliessen hierin<br />
jedoch die Lizenzen veralteteter Versionen nicht mehr ein. Der tatsächliche kumulierte<br />
Absatz dürfte also höher liegen. Die Abschätzung der aktuellen Lizenzbestände ist<br />
dennoch geeignet, nachzuweisen, dass die Verbreitung von Ökobilanzen weiterhin<br />
stetig zunimmt.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 177<br />
Abbildung 5.16: Entwicklung der Anzahl Lizenzen kostenpflichtiger Programme<br />
Die verfügbaren Angaben aus verschiedenen <strong>St</strong>udien zeigen ein stetiges Wachstum des Bestandes an<br />
abgesetzten Lizenzen kostenpflichtiger Programme. Zu beachten ist, dass einige Hersteller keine<br />
Angaben veröffentlichen –insbesondere betrifft dies Anbieter japanischer Programme –Hitachi, NEC,<br />
Toshiba. Auch sind keine Zahlen zu den durch staatliche Institutionen vertriebenen Programmen in<br />
Taiwan und Korea erhältlich. Nicht aufgenommen wurden hingegen die im Umlauf befindlichen Lizenzen<br />
kostenlos erhältlicher Software, da uns keine Angaben zu früheren Jahren vorliegen und unklar ist, ob die<br />
Programme in Gebrauch sind. Je nach Programm sind die entsprechenden Volumen gemäss Herstellerangaben<br />
dennoch beachtlich: beispielsweise GEMIS 1'000, TRACI 7'000, EIO-LCA 150'000. Als Hinweis<br />
auf die Verbreitung der Ökobilanzierung erachten wir jedoch die Anzahl kostenpflichtiger Lizenzen als<br />
verlässlicheren Indikator. Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis in der Höhe von rund 5'000 CHF ist<br />
davon auszugehen, dass sie nur beschafft werden, wenn konkrete Projekte ausgeführt werden. 322<br />
5.3.3 Funktionalität, Datenformate und <strong>St</strong>andard-Methoden<br />
Die angebotenen Programme prägen die Anwendung von Ökobilanzen durch die<br />
Ausgestaltung ihrer Funktionalität, der Datenformate sowie mittels bereits enthaltener<br />
Daten zur Sachbilanzierung, Wirkungsanalyse und Gewichtung.<br />
Grundsätzlich ist auf dem Markt ein breites Spektrum an methodischer Funktionalität<br />
anzutreffen: Einfache Programme, die Anwendenden nur ein Minimum an<br />
Dateneingabe erlauben und ihnen alle methodischen Entscheidungen –insbesondere<br />
zu Allokation, Systemabgrenzung, Wirkungsanalyse, Gewichtung, etc. abnehmen. Man<br />
wählt in einem solchen Falle die verwendeten Materialen und Prozesse aus einer<br />
Datenbank, gibt dazu jeweils noch die entsprechende Menge an und erhält dann das<br />
Resultat – beispielsweise in Eco-indicator-Punkten.<br />
322<br />
Eigene Darstellung anhand der Angaben in <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1995, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997,<br />
Jönbrink et.al., 2000, <strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, G. : The LCA Software Guide 2004 –<br />
Poster Presentation, 6 th Int. Conference on EcoBalance, Tsukuba, 2004, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005.
178 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 5.17: Einfache grafische Modellierung mit Ecoscan<br />
Die Darstellung zeigt eine grafische Oberfläche zur Modellierung eines Produktes. Nach Erfassung der<br />
Materialien aller relevanten Bestandteile sowie der Auswahl der entsprechenden Entsorgungswege wird<br />
das Ergebnisse direkt in Eco-indicator-Punkten ausgegeben. Eine Sachbilanz wird nicht berechnet. 323<br />
Solche Programme waren insbesondere in der Pionierphase des Marktes und speziell<br />
für Verpackungsökobilanzen weit verbreitet. Ein heute noch relativ verbreitetes Beispiel<br />
ist das niederländische Ecoscan von TNO, welches auf Produktentwickler abzielt. Mit<br />
einem solchen Programm dauern Einarbeitung und Erstellung einer Ökobilanz nur<br />
wenige <strong>St</strong>unden. Allerdings ist der Aussagewert der Resultate auch sehr eingeschränkt,<br />
da nicht ersichtlich ist, welche <strong>St</strong>offflüsse zu den gewichteten Resultaten führen und<br />
weder Sensitivitätsanalysen noch Methodenvergleiche zur kritischen Prüfung der<br />
Validität des Resultats angestellt werden können. Diese Programme bieten Laien den<br />
Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen sozusagen per Knopfdruck.<br />
Am anderen Ende des Spektrums stehen Programme, die eine weitgehend<br />
parametrisierbare Ökobilanzierung unterstützen. Das heisst das Systemgrenzen variiert,<br />
Allokationen selbst gesetzt und durchgängig mathematisch formulierte Modellierungen<br />
des zu untersuchenden Systems inklusive Rekursionen und nicht-linearer Algebra<br />
323<br />
Screenshot aus EcoScan 3.0.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 179<br />
(Schwellenwerte, if-then-Funktionen, etc.) vorgenommen werden können. schliesslich<br />
können eigene Charaktierisierungs- oder Gewichtungsfaktoren hinterlegt werden und<br />
die Software erlaubt das Durchspielen von Szenarien, Sensitivitäts- und<br />
Unsicherheitsanalysen, etc. Die Ausgabe der Daten kann über standardisierte<br />
Schnittstellen oder über konfigurierbare Berichtseditoren erfolgen und zudem ist eine<br />
eigenständige Programmierung durch die Anwendenden möglich -zur Einbindung in<br />
eine bestehende Informatikstruktur oder zur selbständigen Erweiterung der<br />
Funktionalität. Ein Program dieser Kategorie stellt beispielsweise Umberto von ifu und<br />
ifeu aus Deutschland dar. Entsprechend komplex ist seine Bedienung und<br />
entsprechend aufwendig die Einarbeitung, resp. Modellierung.<br />
Abbildung 5.18: Mathematische Modellierung und Visualisierung von <strong>St</strong>offflüssen<br />
Beispiel einer weitgehend parametrisierbaren Modellierung von <strong>St</strong>offflüssen, indem für jeden Prozess alle<br />
Inputs und Outputs individuell und mittels diverser, auch nicht-linearer Funktionen verknüpft werden<br />
können. Die Prozesse können beliebig zu Systemgrenzen zusammengefasst und summiert werden. Die<br />
<strong>St</strong>offflüsse werden in diesem Beispiel mittels Sankey-Diagramm visualisiert. 324<br />
Zwischen diesen Extremvarianten liegen die meisten Programme -tendenziel eher in<br />
Richtung Einfachheit. Die meisten erlauben mittlerweile die selbständige Erweiterung<br />
der Datenbankinhalte – sprich das Einpflegen oder Verändern von Inventaren,<br />
Indikatorstrukturen, Charakterisierungs- oder Gewichtungsfaktoren sowie eine grafische<br />
Modellierung der Prozesse, resp. Materialien. In der Regel werden die<br />
Datenbankinhalte aber einfach linear skaliert, dass heisst alle Berechnungen skalieren<br />
den Durchschnitt aus der Datenbank – damit werden lineare Emissionsfunktionen<br />
unterstellt. Auch die in den Programmen häufig enthaltenen Charakterisierungs- und<br />
324<br />
Screenshot aus Umberto 1.4.
180 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Gewichtungsfaktoren werden linear skaliert, da bislang keines der Programme die<br />
Wirkungsmodellierung einschliesst, sondern aus der angewandten Ökobilanzforschung<br />
nur die Ergebnisse in Form von statischen Faktoren übernommen werden.<br />
Neben der Funktionalität bestimmen die enthaltenen Daten wesentlich das Resultat der<br />
Ergebnisse: Werden vorwiegend <strong>St</strong>andard-Ökoinventare verwendet, so werden in der<br />
Regel die dort zugrundeliegenden zeitlichen wie geografischen Systemabgrenzungen,<br />
Allokationen und insbesondere <strong>St</strong>offindikatoren übernommen. Die meisten Programme<br />
bieten heute umfangreiche Datenbanken mit Inventaren zu hunderten bis mehreren<br />
tausend Materialien, Produkten und Prozessen an. Dabei dominieren die Resultate<br />
bekannter Forschungsprojekte wie etwa die BUWAL, resp. Ecoinvent-<strong>St</strong>udien. Häufig<br />
fügen die Softwareanbieter aber auch eigene Daten aus ihren Projekten bei.<br />
Abbildung 5.19: Umfang mitgelieferter <strong>St</strong>andard-Inventar-Datenbanken.<br />
Von den im LCA Software Guide 2005 erfassten 27 Programmen werden 23 mit Datenbeständen zu Ökoinventaren<br />
ausgeliefert. Als Datenquelle nehmen davon 12 Bezug auf die BUWAL-, resp. 10 auf die erst<br />
vor kurzem erschienene Ecoinvent 2000 <strong>St</strong>udie. Damit kommen Ökoinventaren aus der Schweiz im<br />
internationalen Markt für Ökobilanz-Software eine starke <strong>St</strong>ellung zu. Bei den 1997 vom LCA Software<br />
Guide erfassten Programmen wurden noch 38% ohne Daten und nur rund 20% der Programme mit<br />
Beständen in der Grössenordnung von 1'000 Datensätzen angeboten. 325<br />
Ebenfalls prägend und eng mit den implementierten <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren verknüpft<br />
ist die Frage des Auflösungsvermögens der Sachbilanz. Welche und wie viele Input-,<br />
resp. Output-Indikatoren in die Ökobilanzierung einfliessen, ob konsistent mit Summenparametern<br />
umgegangen wird, etc. wird meistens durch das Datenformat dieser Datenbanken<br />
bestimmt. Einen Hinweis auf den diesbezüglichen <strong>St</strong>andardisierungsgrad<br />
325<br />
Eigene Darstellung anhand der Angaben in <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 181<br />
geben einerseits die enthaltenen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare sowie die implementierten<br />
Import- und Export-Schnittstellen der Programme.<br />
Werden hingegen keine oder nur eigene Daten des Herstellers und lediglich Excel oder<br />
ASCII-Text Ausgabe oder Import angeboten, sind die Daten in einer proprietären<br />
<strong>St</strong>ruktur organisiert. Ein Austausch mit anderen Programmen ist dann aufwendig, denn<br />
jeder Indikator muss bezüglich Kompatibilität von Hand geprüft werden. Die<br />
Kompatibilität mit allenfalls anzuwendenden Wirkungsindikatoren oder Gewichtungsmethoden<br />
ist dann meistens nicht gewährleistet.<br />
Die Verbreitung von <strong>St</strong>andard-Ökobilanz-Datenformaten ist ein guter Indikator für den<br />
Institutionalisierungsgrad der Branche: waren 1997 noch keine Ökobilanz-<strong>St</strong>andard-<br />
Schnittstellen vorhanden weisen eine wachsende Zahl der Programme zumindest für<br />
den Datenimport solche Formate wie SPOLD, SPINE oder ECOSPOLD aus.<br />
Wie bereits angesprochen, geht das SPOLD-Format auf die Society for the Promotion<br />
of Life Cycle Assessment zurück. Diese hat ab 1995 das SPOLD-Format entwickelt 326<br />
und dazu mehrere Aktualisierungen veröffentlicht 327 bis 2001 die Aktivitäten eingestellt<br />
wurden. Bis dahin hatten sich einige wenige Hersteller zwar auf das Format bezogen,<br />
das heisst ihre Datenbankstrukturen ähnlich, aber nicht wirklich kompatibel<br />
ausgestaltet. 328 Auf der Basis von SPOLD baut das ECOSPOLD-Format des Swiss<br />
Centre for Life Cycle Inventories auf. Das Format wurde im Rahmen der Aktualisierung<br />
und Harmonisierung der Ökoinventare verschiedener ETH-Institutionen entwickelt und<br />
dient dem Vertrieb der Ecoinvent 2000 Datenbank. 329 Anbieter die das Format<br />
implementieren erhalten erhebliche finanzielle Anreize, sprich Rabatte auf den<br />
Ecoinvent 2000-Lizenzen. Innert kurzer Zeit hat ECOSPOLD Eingang in diverse und<br />
insbesondere die marktbeherrschenden Programme gefunden.<br />
Ein anderer Ansatz liegt dem SPINE-Format zugrunde, welches seit 1995 durch das<br />
Swedish Product Information Network for the Environment – einem Verbund des<br />
Swedish Environmental Research Institute und Chalmers University of Technology<br />
entwickelt wird. 330 Während SPOLD ein deskriptives Verfahren im Sinne eines Konsens<br />
zwischen verschiedenen proprietären Formaten darstellt und deshalb nicht<br />
informationstechnisch konsistent ist, wurde SPINE unabhängig davon als relationale<br />
Datenbankstruktur mit rigiden Vorgaben so gestaltet, dass die Konsistenz der<br />
Modellierung im Vordergrund steht. Die neuste Version SIRII SPINE 331 dient<br />
insbesondere dem Datenaustausch zwischen verschiedenen schwedischen<br />
326<br />
Siehe Singhofen, A., Introduction into aCommon Format for Life-Cycle Inventory Data, <strong>St</strong>atus Report,<br />
SPOLD, Brussels, 1996.<br />
327<br />
Siehe Weidema, 1999.<br />
328<br />
Siehe Guinée, 2002, S. 487-490.<br />
329<br />
Frischknecht, R.: Ecoinvent 2000 – Datenaustauschformat, Spezifikation, Version 2.2., 2000. S. 1.<br />
330<br />
<strong>St</strong>een, B., et.al.: SPINE –ARelational Database <strong>St</strong>ructure for Life Cycle Assessments, Chalmers<br />
Industrieteknik, Swedish Environmental Research Insitute, Gothenburg, 1995.<br />
331<br />
Erlandsson, A., Carlsson, A.S.: SIRII SPINE –Documented and Quality Reviewed Environmental Data,<br />
IVL Rapport B 1455-E, <strong>St</strong>ockholm, 2002.
182 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Forschungsinstituten und erlaubt Dritten das Einpflegen von Inventar-Daten in eine<br />
zentrale Datenbank.<br />
Abbildung 5.20: Inkompatibilität von Ökoinventar-Datenformaten<br />
Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus den beiden derzeit bedeutendsten <strong>St</strong>andard-Datenformaten<br />
SIRII SPINE und ECOSPOLD. Zwar bilden beide Formate weitgehend dieselben Inhalte ab. Die <strong>St</strong>ruktur<br />
ist dennoch so unterschiedlich, dass Daten nicht ohne wesentliche Informations-, resp. Qualitätsverluste<br />
ausgetauscht werden könnten. Dies obwohl sich beide <strong>St</strong>andards an ISO TS 14048 orientieren. 332<br />
Neben diesen -bereits in Software implementierten -Datenformaten läuft derzeit ein<br />
europäisches Verbundprojekt unter dem Titel CASCADE – Co-Operation and<br />
<strong>St</strong>andards for Life Cycle Assessment Data in Europe. Das Projekt zielt darauf ab,<br />
Ökobilanzdaten so zu standardisieren, dass sie im Rahmen gängiger industrielller<br />
Informationssysteme (beispielsweise für Computer Aided Design CAD oder Product<br />
Data Management PDM) einfacher integriert werden können. An dem Projekt sind auch<br />
drei der führenden Softwareanbieter beteiligt. 333<br />
Diese verschiedenen Initiativen zur <strong>St</strong>andardisierung der Dokumentation und des<br />
Austausches von Ökobilanz-Daten machen die zunehmende Institutionalisierung der<br />
Sachbilanz-Modellierung deutlich. Mit der - auf Vorschlag Schwedens 1995 -<br />
begonnenen Harmonisierung von Formaten im Rahmen der ISO ist mit der Verab-<br />
332<br />
Darstellung aus Hischier, R., Kumlin, A.S.: How Compatible are the Swiss ECOSPOLD and the<br />
Swedish SIRII SPINE Formats for Data Documentation and Exchange, Präsentation, International<br />
Workshop on Quality of LCI Data, Forschungszentrum Karlsruhe, 21.Oktober 2003, S. 14.<br />
333<br />
Carlson, R., et.al.: CASCADE – <strong>St</strong>andards for Modelling LCA Data, Präsentation, International<br />
Workshop on Quality of LCI Data, Forschungszentrum Karlsruhe, 21.Oktober 2003, S.4.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 183<br />
schiedung des bereits erwähnten ISO TS 14048 im Jahre 2002 ein erster Meilenstein<br />
erreicht worden. 334 Eine Software –WWW.LCA.Workshop aus Schweden –setzt diese<br />
Spezifikation nach eigenen Angaben bereits um. Angesichts der geplanten Weiterentwicklung<br />
zu einem ISO International <strong>St</strong>andard ist hier mit einer baldigen<br />
Harmonisierung zumindest unter den führenden europäischen Datenlieferanten –sprich<br />
nationalen Ökobilanz-Zentren – sowie den wichtigsten internationalen Software-<br />
Anbietern zu rechnen. Theoretisch wären damit die Voraussetzung zur Zertifizierung<br />
von Datenbankstrukturen und damit auch Programmen gegeben.<br />
Abbildung 5.21: Zunehmende <strong>St</strong>andardisierung der Datenformate<br />
Für die Ausgestaltung des Auflösungsvermögens von Sachbilanz sowie deren konsistente Abbildung sind<br />
Datenformate von zentraler Bedeutung. Sie ermöglichen zudem den problemlosen Austausch von Daten<br />
zwischen den verschiedenen Programmen. Die Hersteller beginnen seit wenigen Jahren die Spezifikationen<br />
von SPOLD, SPINE und neustens ECOSPOLD zu übernehmen. 335<br />
Somit ist absehbar, dass innerhalb der nächsten 5Jahre mit vorliegen je eines ISO<br />
International <strong>St</strong>andard für die Daten als auch für die EPDs eine weitgehende<br />
<strong>St</strong>andardisierung sowohl der Anwendung als auch der Datenformate von Ökobilanzen<br />
Realität wird.<br />
Weit weniger Querbezüge zwischen der internationalen Normierung und der<br />
Institutionalisierung der Methodik durch Software bestehen bezüglich der Anwendung<br />
von <strong>St</strong>andard-Methoden zur Wirkungsanalyse und Gewichtung. Wie wir anhand der<br />
334<br />
Siehe Carlson, R, Palsson, A.C.: First examples of practical application of ISO TS 14048 Data<br />
documentation format, Chalmers University of Technology, Göteburg, 2001.<br />
335<br />
Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2004.
184 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Entwicklungen zur <strong>St</strong>andardisierung von EPDs festgestellt haben, fordern die<br />
bisherigen nationalen Gremien nur einzelne der wissenschaftlich thematisierten und in<br />
Form von <strong>St</strong>andard-Charakterisierungsfaktoren zur Verfügung stehenden knapp 20<br />
Wirkungskategorien (insbesondere: Treibhauspotential, Ozonabbaupotential,<br />
Versauerungspotential und vereinzelt Überdüngungspotential oder<br />
Photooxidationspotential).<br />
Abbildung 5.22: Methoden zur Wirkungsanalyse & Gewichtung in Software<br />
Die Darstellung zeig auf, in wie vielen Programmen Charakterisierungs-, resp. Gewichtungsfaktoren<br />
enthalten sind. Dabei ist zu beachten, dass 1997/1995 ausschliesslich CML Wirkungskategorien abgefragt<br />
wurden. In der Umfrage 2004 geben die Hersteller verschiedene Datenquellen an. Während 3Programme<br />
von 27 über keine Daten zur Wirkungsanalyse verfügen, implementierten 5lediglich vereinzelte Wirkungskategorien<br />
(1-3), 8die gebräuchlichsten (4-9) und 11 Programme 10 oder mehr Wirkungskategorien. Von<br />
den Gewichtungsmethoden sind Eco-indicator sowie die Ökologische Knappheit traditionell und nach wie<br />
vor weit verbreitet. In jüngster Zeit fand auch das schwedische EPS System zunehmend Eingang in die<br />
Datenbanken der Software-Hersteller. 336<br />
Bezüglich Gewichtung gilt gar, dass ISO 14040 eine Publikation der Ergebnisse -<br />
beispielsweise im Rahmen von EPDs kategorisch ausschliesst. Hier erweist sich die<br />
Diffusion von Software als der zentrale Treiber der Institutionalisierung: mehrere<br />
Gewichtungsmethoden sind heute in den meistverkauften Ökobilanz-Programmen<br />
standardmässig implementiert. Damit verfügt die grosse Mehrheit der Anwendenden<br />
über die Möglichkeit, ohne grossen Zusatzaufwand ihre Sachbilanz mittels dieser<br />
Modelle zu gewichten. Obwohl eine korrekte Interpretation der Ergebnisse nur mit<br />
fundierten Kenntnissen der einzelnen Methoden, ihrer Annahmen und Geltungsbereiche<br />
möglich wäre, zeigt die Erfahrung, dass viele Anwendende -insbesondere in<br />
336<br />
Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2004.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 185<br />
den Unternehmen – die Ergebnisse ohne kritisches Hinterfragen übernehmen und<br />
akzeptieren.<br />
Die auf diesem Wege am meisten verbreiteten Methode ist mittlerweile der aus den<br />
Niederlanden stammende Eco-indicator99 337 –eine Methodik, die unter Leitung des mit<br />
SimaPro führenden Softwareanbieters entwickelt wurde: 13 von 24 aktuellen<br />
Programmen enthalten die entsprechenden Gewichtungsfaktoren. An Verbreitung<br />
gewonnen hat zudem die schwedische EPS 338 Methodik, während die aus der Schweiz<br />
stammende Methodik der Ökologischen Knappheit 339 stagniert. Angesichts des<br />
Umstands, dass sich deren Gewichtungsfaktoren auf die schweizerische<br />
Umweltsituation und Gesetzgebung beziehen, ist diese Präsenz durchaus noch<br />
beachtlich und ein Hinweis auf unkritische Anwendung von Methoden ohne Bezug zum<br />
effektiven Geltungsbereich. Ebenfalls bemerkenswert ist diesbezüglich, dass auch im<br />
Jahre 2004 noch ein zwei Programme die von den Urhebern selbst schon vor mehr als<br />
10 Jahren aufgegebene Methodik der Kritischen Volumina 340 von 1990 enthalten.<br />
Es wird im Rahmen unserer empirischen <strong>St</strong>andortbestimmung in Kapitel 6von zentraler<br />
Bedeutung sein, zu ermitteln, inwiefern diese Methoden durch Software nicht nur zur<br />
Verfügung stehen, sondern auch effektiv genutzt werden. Wie sich dort zeigt, wird der<br />
dargebotene Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen durchaus auch ergriffen.<br />
5.3.4 Fazit: Software ist ein zentraler Treiber der Institutionalisierung<br />
Software erweist sich einerseits als ein wichtiger Kanal der angewandten Ökobilanzforschung<br />
zur <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung von Ökobilanzen über Datenformate<br />
und <strong>St</strong>andard-Ökoinventare. Die Softwarehersteller selbst beeinflussen jedoch darüber<br />
hinaus durch die zur Verfügung gestellte Funktionalität, wie Ökobilanzierung in der<br />
Praxis konkret angewandt wird. Die vielfältigen Nutzenpotentiale eines Softwareeinsatzes<br />
haben dazu geführt, dass im Verlaufe der 90er Jahre synchron zur<br />
Differenzierung der Methodik eine Vielzahl von Programmen entwickelt und –dies trifft<br />
zumindest für die meistverkauften zu -stets der aktuellen generischen Methodik sowie<br />
der Datenverfügbarkeit angepasst wurde. Damit sind die Softwareanbieter zu einer<br />
wichtigen Schnittstelle zwischen Ökobilanzforschung und -praxis geworden. Sie<br />
erlauben es jedoch den Anwendenden über den Konsens der Forschungsgemeinschaft<br />
und der einschlägigen Normierung hinaus und ohne grossen Aufwand <strong>St</strong>andard-<br />
Methoden zur Gewichtung einzusetzen.<br />
Da bislang nur vereinzelte empirische Hinweise zur Verbreitung der Ökobilanzierung<br />
vorliegen 341 , bietet der Markt für Ökobilanz-Software immerhin einen Indikator, der<br />
337<br />
Siehe Abschnitt 4.3.5.3.<br />
338<br />
Siehe Abschnitt 4.3.5.4.<br />
339<br />
Siehe Abschnitt 3.2.6.<br />
340<br />
Siehe Abschnitt 3.2.8.<br />
341<br />
Siehe Abschnitt 6.2.
186 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
zumindest den Trend der Anwendung anzeigen dürfte. Demnach ist gemäss Herstellerangaben<br />
die Anzahl gesamthaft im Umlauf befindlicher, kommerzieller Lizenzen<br />
zwischen 1994 und 2004 von knapp 800 auf über 5300 angestiegen. Das effektive<br />
Marktvolumen dürfte deutlich darüber liegen, da insbesondere Anbieter aus Japan,<br />
Korea und Taiwan nur vereinzelt Zahlen publizieren.<br />
Die meisten Lizenzen entfallen dabei auf Programme, die sowohl umfangreiche<br />
Ökoinventar-Datenbanken als auch mehrere Gewichtungsmethoden bereitstellen. Der<br />
Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen ist damit für eine beachtliche Anzahl von Anwendenden also<br />
zumindest in Griffnähe.<br />
Unsere Untersuchung des Softwaremarktes hat zudem gezeigt, dass eine<br />
weitergehende Institutionalisierung durch die laufenden Bemühungen zur<br />
<strong>St</strong>andardisierung von Datenformaten für Inventare absehbar ist. Dies wird eine<br />
weitgehende Vereinheitlichung des Auflösungsvermögens und der Datenqualität -<br />
zumindest kommerziell vertriebener -Daten zur Folge haben. Sie dürfte die Autorität,<br />
resp. das Vertrauen in Ökobilanzen erheblich steigern.<br />
5.4 Das Projekt Ökobilanz hat eine kritische Masse erreicht<br />
Mit diesem Kapitel haben wir unsere Retrospektive des Projekts Ökobilanz<br />
abgeschlossen. <strong>St</strong>anden im Kapitel 3die Anfänge der Ökobilanz-Bewegung und die<br />
Vorläufer-Konzepte im Vordergrund, so beleuchtete Kapitel 4 die Entwicklung der<br />
Methodik zum heutigen <strong>St</strong>and. Ziel dieser Darstellungen war es, ein vertieftes<br />
Verständnis über die Möglichkeiten und Grenzen der Schnittstelle zwischen Natur- und<br />
Sozialwissenschaften zu gewinnen und im Detail darzulegen, wie die Methodik der Ökobilanzierung<br />
mit den sich stellenden Herausforderung auf dem Weg zum Grünen <strong>St</strong>ein<br />
der Weisen umgeht.<br />
Im Zentrum dieses fünften Kapitels stand alsdann die Frage, ob und inwieweit es dem<br />
Projekt Ökobilanz gelungen ist, sich als Wissenschaft und Methodik zur rationalen<br />
Codierung ökologischer Informationen zu etablieren.<br />
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass Ökobilanzierung mittlerweile tatsächlich als<br />
eine transdisziplinäre Wissenschaft anerkannt wird, was sich unter anderem an der<br />
Entwicklung einer wissenschaftlichen Infrastruktur -akademische Gesellschaften, Zeitschriften,<br />
Konferenzen, etc. - festmachen lässt.<br />
Ökobilanzierung ist jedoch weit mehr als eine wissenschaftliche Disziplin geworden: sie<br />
wurde von verschiedenen Anspruchsgruppen, insbesondere jedoch von der Wirtschaft<br />
aufgegriffen und im Hinblick auf einen transparenten Wettbewerb mit ökologischen<br />
Argumenten als Methodik anerkannt. Es ist absehbar, dass hier weitere<br />
<strong>St</strong>andardisierungen eine Art level playing field für die diversen Ansatzpunkte der<br />
sogenannten Integrated Product Policy IPP schaffen werden. Dieser Prozess ist bei<br />
weitem noch nicht abgeschlossen und es bestehen hierzu nicht nur aus der Perspektive<br />
von exportorientierten Entwicklungs- und Schwellenländern grosse Vorbehalte.
Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 187<br />
Dennoch: einige Grossunternehmen zeigen mit ihren Investitionen in entsprechende<br />
Experten und ihrem Engagement in Gremien, dass sie sich einen Nutzen vom Einsatz<br />
der Ökobilanzierung versprechen. Wir wir gesehen haben, bereiten sich einige Länder –<br />
allen voran Japan, aber auch Schweden, Korea und Taiwan –mit Unterstützung der<br />
jeweiligen Wirtschaftsministerien auf die Einführung eines solche level playing fields<br />
und damit auf die Ablösung der Ökologischen Beliebigkeit vor.<br />
Unabhängig davon kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Projekt<br />
Ökobilanz mittlerweile auf nachhaltigem Fundament steht: Mit einer geschätzten<br />
Forschungsgemeinschaft von mehreren Hundert international aktiven Forschenden<br />
(plus eine unbestimmte Anzahl Personen auf nationaler Ebene, beispielsweise in der<br />
Ausbildung) sowie mindestens einigen Tausend Anwendenden von Ökobilanz-<br />
Software. Es darf angenommen werden, dass diese Verbreitung unabhängig vom<br />
einem level playing field allein schon aufgrund positiver Wirkungen der Methodik auf die<br />
ökologischen Lernprozesse seiner Anwendenden zustande gekommen ist. Die<br />
Erfassung dieses Nutzens ist Gegenstand unserer empirischen Analyse zur<br />
Anwendung der Ökobilanzierung in Unternehmen.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 189<br />
6 Empirische Bestandesaufnahme<br />
Unsere Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz soll im nachfolgenden Kapitel auf<br />
eine empirische Grundlage gestellt werden. Die bereits in Kapitel 5unter dem <strong>St</strong>ichwort<br />
Institutionalisierung angeführten Indizien zu Diffusion und Ausgestaltung von<br />
Ökobilanzen -die Verbreitung von EPDs und die Bedeutung von Software –sollen<br />
durch eine systematische <strong>St</strong>andortbestimmung aus Sicht der Unternehmen<br />
vervollständigt werden. Wir zielen nun auf eine Einschätzung zur Verbreitung,<br />
Ausgestaltung und Akzeptanz methodischer Elemente, aber auch auf eine Beurteilung<br />
des - durch die Anwendenden – wahrgenommenen Nutzens.<br />
Zu diesem Zweck haben wir eine eigene Umfrage durchgeführt und einen detaillierten<br />
Fragebogen entwickelt. Die Ergebnisse dieser Erhebung werden aufzeigen, in welcher<br />
Form Ökobilanzen in Schweizer Unternehmen zur Anwendung kommen, welche<br />
Methoden dabei eingesetzt werden und wie die Anwendenden selbst Wirkung, Aufwand<br />
und Nutzen beurteilen. Wir konzentrieren uns in dieser Analyse auf die beiden<br />
Anwendungsbereiche Produkt- und Betriebsökobilanzierung. Spezifische material- und<br />
prozessbezogene Anwendungen sind nicht Gegenstand unserer Erhebung.<br />
6.1 Begriffsbestimmung zur Betriebsökobilanzierung<br />
Während Produktökobilanzen (Life Cycle Assessment) in der Praxis –gerade dank ISO<br />
14040 -klar definiert und abgegrenzt sind, findet sich zur Betriebsökobilanzierung in<br />
Praxis und Forschung eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Begriffen und Ausgestaltungsformen.<br />
Deshalb ist es wichtig, den Begriff klar zu bestimmen:<br />
Für unsere Untersuchung gehen wir von einem Referenzmodell aus, welches den<br />
maximalen Begriffsumfang aufweist, indem sowohl die Lebenszyklusbetrachtung als<br />
auch die Wirkungsanalyse, resp. Gewichtung als elementare Elemente eingeschlossen<br />
werden.<br />
Wir tun dies aus zwei Gründen: einerseits ist unbestritten, dass der Einbezug von Vorund<br />
Nachstufen für ein ganzheitliches Verständnis der Umweltbelastung, resp. Umweltleistung<br />
eines Unternehmens unabdingbar ist. Gemäss unserer Erfahrung entfällt in den<br />
meisten industriellen Branchen rund 80% der Umweltbelastung der Wertschöpfungskette<br />
auf Vor- oder Nachstufen. Diese <strong>St</strong>ufen werden von Entscheidungen des<br />
Unternehmens massgeblich beeinflusst –insbesondere durch die Produktentwicklung.<br />
Für die Einführung ökologischer Rationalität aus systemtheoretischer und volkswirtschaftlicher<br />
Sicht ist der Einbezug der Wertschöpfungskette deshalb wichtig. Umweltmanagement<br />
nach ISO 14001 fordert ohnehin zwingend, dass die Umweltaspekte der<br />
Produkte eines Unternehmen ermittelt und beurteilt werden –allerdings ohne konkret<br />
den Einsatz von Ökobilanzen vorzuschreiben.
190 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Anderseits stellen Wirkungsanalyse und Gewichtung -formalisierte und durch unternehmungsexterne,<br />
zentrale Datenlieferanten alimentierte –Beurteilungsverfahren dar,<br />
welche die internen Informationen und Werte ergänzen. Sie können damit ökologisches<br />
Lernen, resp. die Herstellung ökologischer Rationalität erheblich beeinflussen, indem<br />
Signale zur Umweltsituation, zu politischen Prioritäten oder Externen Kosten direkt und<br />
formalisiert in die Entscheidungs- und Lernprozesse des Unternehmens einfliessen<br />
können, ohne dass -oder bevor -sie über den Markt oder die Gesetzgebung greifbar<br />
werden.<br />
Diese Argumente sprechen dafür, als Referenzmodell der Betriebsökobilanzierung die<br />
erweiterte Perspektive und die ökobilanz-typischen Operationen einzuschliessen.<br />
Dennoch ist festzustellen, dass die Normierung der betrieblichen Umweltleistungsmessung<br />
– insbesondere ISO 14031 und Umweltberichterstattung (beispw. Global<br />
Reporting Initiative GRI 342 )-die Systemgrenzen in der Regel an den Werktoren des<br />
Unternehmens festmacht und weder Wirkungsanalyse noch Gewichtung bislang als<br />
Muss-Kriterien Eingang gefunden haben.<br />
In der Praxis wird der Begriff Betriebsökobilanz entsprechend häufig allein auf<br />
<strong>St</strong>andortbilanzen angewendet. Diese können unter Einbezug von Wirkungskategorien<br />
und/oder Gewichtungsmethoden ausgestaltet sein; verbal-argumentativ oder mittels<br />
Nutzwertanalyse beurteilt werden. Damit ergibt sich ein fliessender Übergang von der<br />
Betriebsökobilanzierung in die Umweltleistungsmessung mit einer grossen Vielfalt<br />
möglicher Ausgestaltungsmöglichkeiten: Von einzelstofflichen Bilanzen (beispielsweise<br />
für CO 2 )über stoffgruppenbezogene Bilanzen (beispielsweise Gefahrstoffe) bis hin zu<br />
mehr oder weniger vollständigen Input-Output-Bilanzen und mittels externer<br />
Beurteilungsmethoden formalisierten Umweltbilanzen. Und jede dieser Varianten kann<br />
mit unterschiedlichen Systemgrenzen (<strong>St</strong>andort bis gesamte Wertschöpfungskette)<br />
ausgestaltet werden.<br />
Vor diesem Hintergrund muss unsere Erhebung differenziert vorgenommen werden: Es<br />
gilt bezüglich der Betriebsökobilanzierung in Erfahrung zu bringen, welches Spektrum<br />
an <strong>St</strong>off- und Energieflussbilanzen eingesetzt wird, inwieweit ganzheitliche Systemgrenzen<br />
und/oder formale, externe Beurteilungsmethoden Eingang in die Praxis<br />
gefunden haben, resp. wie diese Elemente aus Sicht der Anwendenden beurteilt<br />
werden.<br />
Bevor wir die Resultate der eigenen Erhebungen vorstellen, fassen wir den <strong>St</strong>and der<br />
quantitativen Erforschung der praktischen Ökobilanzierung zusammen.<br />
342<br />
Siehe GRI Sustainability Reporting Guidelines, Global Reporting Initiative, Boston, 2002.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 191<br />
6.2 Bestehende <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung<br />
Die von uns identifizierten <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung von Produkten und<br />
Betrieben offenbaren, dass die quantitative empirische Forschung noch wenig<br />
entwickelt ist. Zwar finden sich zahlreiche <strong>St</strong>udien zur konkreten Ausgestaltung und<br />
Anwendung der Methodik in der Form von Fallstudien. Allenfalls werden mehrere<br />
Anwendungen zu konkreten Produkten oder Betrieben im Detail analysiert und daraus<br />
Schlussfolgerungen zur Funktionalität der Methodik aus betriebswirtschaftlicher Sicht<br />
gezogen. Für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung steht jedoch eine Erfassung der Diffusion,<br />
Effektivität und Akzeptanz der Methodik in Gesellschaft und Wirtschaft im Vordergrund<br />
des Interesses. Entsprechend können diese Mikro-Analysen nicht mehr als<br />
Anhaltspunkte für die Gestaltung unserer eigenen Erhebung geben.<br />
Der <strong>St</strong>and der Forschung stellt sich je nach Anwendungsfokus unterschiedlich dar, da<br />
die entsprechenden Begrifflichkeiten von unterschiedlicher Trennschärfe sind: Indizien<br />
zur Produktökobilanzierung lassen sich aufgrund der Präzision des Begriffes gezielt<br />
ausmachen. Für die Anwendung von Betriebsökobilanzen stellt sich die im<br />
vorangehenden Abschnitt genannte Abgrenzungsproblematik zu Themen wie Umweltleistungsmessung,<br />
Umweltkennzahlen, Umweltrating, Umweltcontrolling, Umweltberichterstattung,<br />
etc., resp. im englischen Sprachgebrauch environmental accounting,<br />
environmental performance evaluation, environmental metrics, environmental reporting,<br />
etc.. Diese Begriffsvielfalt erschwert eine literaturbasierte Bestandesaufnahme. Unsere<br />
diesbezügliche Recherchen offenbarten, dass die uns interessierenden Elemente –<br />
Erweiterte Systemgrenzen, Einsatz von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren und Beurteilungsmethoden<br />
der Ökobilanzierung –bislang nicht spezifisch quantitativ untersucht wurden.<br />
Wir konzentrieren uns deshalb nachfolgend auf die Darstellung des <strong>St</strong>andes der<br />
Forschung zu Diffusion und Beurteilung von Produktökobilanzen.<br />
6.2.1 Kommunikation über LCA/DfE der Global 100 Unternehmen<br />
Auf globaler Ebene konnten wir einzig eine <strong>St</strong>udie identifizieren, die auf die Verbreitung<br />
von Produktökobilanzen (LCA) 343 hinweist: Im Rahmen der 1999 Benchmark Survey of<br />
the <strong>St</strong>ate of Global Environmental Reporting 344 wurde erhoben, wie viele der umweltberichterstattenden<br />
Fortune Global 100 Unternehmen über Design for the Environment<br />
(DfE) oder LCA Auskunft geben: Demnach berichteten 1998 48 von 100 Konzernen<br />
über entsprechende Aktivitäten gegenüber 22 im Jahr zuvor. Alle 16 Unternehmen der<br />
Elektronikindustrie sowie 11 von 12 Automobilkonzernen machten demnach Angaben<br />
über ihre Aktivitäten in diesem Bereich. Die <strong>St</strong>udie vermag damit zu illustrieren, dass<br />
die weltweit grössten Unternehmen LCA/DfE als Thema aufgegriffen haben und<br />
darüber kommunizieren. Die <strong>St</strong>udie erlaubt jedoch keine Rückschlüsse darüber, ob<br />
343<br />
Wir verwenden in diesem Abschnitt der besseren Lesbarkeit zuliebe die Abkürzung LCA (Life Cycle<br />
Assessment) stellvetretend für Produktökobilanz.<br />
344<br />
CSRnetwork: 1999 Benchmark Survey of the <strong>St</strong>ate of Global Environmental Reporting, Bath UK, 2000,<br />
S. 40 – 41.
192 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
tatsächlich über LCA und nicht nur generell über DfE berichtet wurde. Ebensowenig<br />
lassen die Resultate erkennen, in welchem Umfang diese Techniken eingesetzt<br />
wurden.<br />
Abbildung 6.1: LCA/DfE in Umweltberichten von Fortune Global 100 Unternehmen<br />
6.2.2 <strong>St</strong>udie zu LCA in amerikanischen Fortune 500 Unternehmen<br />
Für die USA konnten wir einzig die Umfrage von Hunkeler und Huang aus dem Jahr<br />
1995 identifizieren. Sie versandten Fragebögen an die 175 grössten US-Konzerne aus<br />
der Fortune 500 Liste und stellten damals fest, dass mehr als die Hälfte der 41<br />
Antwortenden LCA-Methoden einsetzen würde. Sie diagnostizierten jedoch eine grosse<br />
Skepsis der Industrie bezüglich einer zukünftigen <strong>St</strong>andardisierung -insbesondere der<br />
Wirkungsanalyse und Gewichtung. Zudem wurden hohe Kosten sowie die<br />
345 346<br />
Unsicherheiten der Resultate als Vorbehalte identifiziert.<br />
6.2.3 Branchenstudie Elektronikindustrie in nordischen Ländern<br />
Eine länderübergreifende Branchenstudie in der Elektronikindustrie der nordischen<br />
Länder –die Nordic Environmental Survey 347 –untersuchte verschiedene Aspekte zum<br />
Thema Umwelt und Unternehmung: Umweltmanagement, Eco-Design, Kundenbeziehungen,<br />
gesetzliche Erfordernisse, interne Umweltkompetenz sowie Evaluation<br />
eines Branchenprojekts für Umweltmanagement. Von 600, resp. 400 angeschriebenen<br />
Unternehmen in den Jahren 2000. resp. 2001 beteiligten sich 78, resp. 73. Unter den<br />
23 fachspezifischen Fragen betrafen zwei Anwendung und Kenntnisstand zur Ökobilanzierung.<br />
345<br />
Huang, E., Hunkeler, D., :A Corporate Survey of Life-Cycle Concepts for Minimizing Environmental<br />
Impact, Proceedings of the Third International Congress on Environmentally Conscious Design &<br />
Manufacturing, US-Japan Center for Technology Management, Vanderbilt University, Nashville, 1996,<br />
abstract.<br />
346<br />
Leider liegt uns kein ausführlicher Bericht zu den detaillierten Resultaten der Umfrage, sondern<br />
lediglich ein abstract vor. Angesichts der geringen Rücklaufquote und des Alters der Daten, haben wir<br />
auf weitere Nachforschungen verzichtet.<br />
347<br />
Ausen, D.: Results from the Nordic Environmental Survey 2002, Nordic Industrial Fund, Greenpack<br />
Report 2002-01, 2002
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 193<br />
Abbildung 6.2: LCA-Aktivitäten in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten<br />
Hintergrund der Untersuchung bildet ein Entwurf der EU-Kommission für eine Umweltrichtlinie zur<br />
Elektronikindustrie (WEEE-Richtlinie), welche u.a. den Einsatz von Produktökobilanzen (Sachbilanz)<br />
fordert. Es handelt sich bei den befragten Unternehmen demnach um spezifisch sensibilisierte<br />
Unternehmen. 348<br />
Abbildung 6.3: LCA-Kenntnisse in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Antwortenden LCAs durchführt. Rund<br />
ein Viertel stuft sich diesbezüglich als kompetent ein und über 40% bringen einen<br />
Bedarf zum Aufbau entsprechender Kompetenzen zum Ausdruck. Rund 50% aller ISO<br />
14001 zertifizierten -also Umweltmanagementsysteme betreibenden –Unternehmen<br />
der <strong>St</strong>ichprobe wenden Produktökobilanzen an. Bezüglich Unternehmensgrösse lässt<br />
sich feststellen, dass 52% der Grossunternehmen in der <strong>St</strong>ichprobe, jedoch nur 16%<br />
der Kleinunternehmen LCA anwenden.<br />
348<br />
Darstellung aus Ausen, 2002, S. 15 sowie 22.
194 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Im –nur bedingt aussagekräftigen 349 –Vergleich zwischen den beiden Jahren zeigt sich<br />
eine Zunahme der produktökobilanzierenden Unternehmen um 10% sowie ein um 13%<br />
gestiegener Bedarf nach entsprechenden Kompetenzen. Bei der Interpretation gilt es zu<br />
berücksichtigen, dass die <strong>St</strong>udie u.a. im Hinblick auf eine geplante Richtlinie der EU-<br />
Kommission (WEEE-Richtlinie), welche u.a. Anforderungen an Umweltmanagement der<br />
Elektronikindustrie sowie die Erstellung von <strong>St</strong>offbilanzen vorsieht. 350 Die Befragten<br />
wurden im Rahmen des Projektes für entsprechende Fragen sensibilisiert, was sich<br />
entsprechend auf die Antworten ausgewirkt haben dürfte.<br />
6.2.4 Empirische Forschung zu LCA in Japan<br />
Für Japan konnten verschiedene Datenquellen in englischer Sprache identifiziert<br />
werden, welche Hinweise auf die Bedeutung von LCA aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven geben können.<br />
Zur Verbreitung von LCA in Japan und Korea stehen Daten aus einer fragebogengestützen<br />
Umfrage des Institute for Global Environmental <strong>St</strong>rategies IGES 351 zu<br />
Umweltmanagement in Japan (2001) und Korea (2002) zur Verfügung. Es wurden<br />
6'360 japanische Unternehmen (2'644 börsenkotierte, 3'716 nicht-kotierte)<br />
angeschrieben und ein Rücklauf von 45% erreicht. Allerdings sind in der englisch<br />
vorliegenden Vergleichsstudie mit Korea nur die Resultate der 1'264 antwortenden<br />
Unternehmen der Börsen von Tokyo, Osaka und Nagoya enthalten (entsprechend 46%<br />
Rücklauf). In Korea wurden alle 653 Unternehmen der Seoul <strong>St</strong>ock Exchange<br />
angeschrieben, wovon 98 den Fragebogen retournierten. Aus der <strong>St</strong>ichprobe wurden<br />
die Antworten der produzierenden Unternehmen separat ausgewiesen.<br />
Die Zahlen machen deutlich, dass in Japan knapp 19% aller befragten (über 22% der<br />
produzierenden) und damit mindestens 10% aller börsenkotierten Unternehmen LCAs<br />
erstellen. Rund 7% haben die entsprechenden Erfahrungen und Ergebnisse zudem<br />
öffentlich kommuniziert. Weitere 30% treffen mehr oder weniger intensive Vorbereitungen<br />
für die Durchführung von LCA-Projekten und weitere 35% nehmen eine<br />
abwartende Haltung ein. Nur 12% (6.6% der produzierenden) geben an, LCA nicht zu<br />
kennen.<br />
Für die antwortenden Unternehmen aus Korea zeigt sich zunächst ein ähnliches Bild –<br />
allerdings muss hier die sehr unterschiedliche Qualität der <strong>St</strong>ichprobe berücksichtigt<br />
werden: es ist anzunehmen, dass die relativ kleine <strong>St</strong>ichprobe tendenziell einen überproportionalen<br />
Anteil überdurchschnittlich engagierter Unternehmen enthält. Bezogen<br />
349<br />
33% der <strong>St</strong>ichprobe nahm sicher an beiden Befragungen teil, 18% im Jahre 2002 erstmals und 48%<br />
der befragten Unternehmen konnte dazu keine Aussage machen.<br />
350<br />
Ausen, 2002, S. 5.<br />
351<br />
Kanda, Y., Nakaso, Y., Lee ,B.-W.: Corporate SustainabilityManagement in Japan and Korea, Institute<br />
for Global Environmental <strong>St</strong>rategies, IGES-Kansai, Kobe, 2003.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 195<br />
auf die Gesamtsituation wäre demnach zu erwarten, dass die Verhältnisse wesentlich<br />
weniger Aktivitäten im Vergleich zu Japan zeigen würden.<br />
Abbildung 6.4: LCA-Aktivitäten börsenkotierter Unternehmen in Japan und Korea<br />
Eine zweite Umfrage wurde zum Thema Umweltmanagement und LCA 1998 am<br />
National Institute for Resources and the Environment (aus dem das heutige National<br />
LCA Research Center hervorgegangen ist) durchgeführt. 352 Von 250 ISO 14001<br />
zertifizierten Unternehmen beantworteten 112 den Fragebogen. Die <strong>St</strong>ichprobe<br />
umfasste 74 UMS- und 38 LCA-Verantwortliche. Von Antwortenden gaben 45% an,<br />
bereits LCA-Aktivitäten zu unternehmen und 20% hatten solche in Planung.<br />
Einen Hinweis auf Verbreitung und Akzeptanz von LCA in Japan gibt auch eine <strong>St</strong>udie<br />
des Green Purchasing Network GPN, einer Vereinigung mit 2'800 Mitglieder, davon<br />
2'175 Unternehmen, 365 Behörden und 270 Non-Profit-Organisationen (NPO). Diese<br />
hat im Rahmen ihrer Seventh Survey for Green Purchasing 2002 erstmals -neben zahlreichen<br />
anderen Kriterien – eine Frage zur Nutzung von Type III ECO-LEAF EPDs<br />
erhoben. Von den 3'906 an Hersteller, Handelsunternehmen, Behörden und NPOs<br />
versandten Fragebogen konnten 1'365 ausgewertet werden. Auf die Frage, welche<br />
Arten von Informationen zur Evaluation zu beschaffender Güter verwendet werden<br />
gaben 4 % der Antwortenden an, Type III EPDs zu verwenden.<br />
Zudem wurden die Hersteller gefragt, welche Arten von Informationen sie zur Verfügung<br />
stellen würden. Rund 3% nannten hierzu Type III EPDs. Das ist zwar im Vergleich zu<br />
traditionellen Umweltkennzeichen wie dem staatlichen EcoMark (analog Blauer Engel in<br />
Deutschland), welche von 80% der Nachfragenden und 46% der Anbietenden genutzt<br />
werden, eine geringe Anzahl von etwas mehr als 50 Organisationen. Berücksichtigt<br />
man jedoch, dass das EPDs in Japan erst seit dem Jahr 2000 durch JEMAI zertifiziert<br />
werden können, ist sie dennoch beachtlich.<br />
352<br />
Inaba, A., Finkbeiner, M., <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Survey on the Application of LCA and EMS in Japanese<br />
Companies, Internal Report, NIRE; Tsukuba, 1998.
196 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 6.5: Einstellungen japanischer UMS- und LCA-Verantwortlicher 353<br />
Zwei weitere japanische <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Produktökobilanzierung erscheinen uns<br />
erwähnenswert:<br />
Die vom National Institute for Environmental <strong>St</strong>udies NIES durchgeführte Befragung von<br />
2'552 japanischen (1998) sowie 1'166 deutschen Haushaltungen (997) zu<br />
verschiedenen Aspekten der Wahrnehmung von Umweltthemen. Darin wurde auch das<br />
Verständnis ausgewählter Umweltfachbegriffe ermittelt: 8% der Japaner und 15.5% der<br />
Deutschen konnten demnach den Begriff LCA korrekt verstehen – während 47.5%,<br />
resp. 61.7% mit dem jeweils nationalen Umweltkennzeichen (EcoMark/Blauer Engel)<br />
vertraut waren. 354<br />
353<br />
Eigene Darstellung<br />
354<br />
Angaben zitiert aus Ohashi, T.: The Realities of Environmental Communication in Japan, Präsentation,<br />
5. Ecobalance Conference 2002, Tsukuba, 2002, Folie Nr. 19.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 197<br />
Als Thema höchster Priorität wurde schliesslich die Umsetzung von LCA-basierter<br />
Produktentwicklung im Rahmen des National Technology Outlook 2030 identifiziert.<br />
Diese seit 1971 alle 5Jahre durchgeführte, viel beachtete <strong>St</strong>udie zu 13 technologischen<br />
Schwerpunktthemen versucht eine Prognose für die jeweils nächsten 30 Jahre zu<br />
zeichnen. In entsprechenden Themengruppen beurteilen Wissenschaftler einzelne<br />
wissenschaftliche Fragestellungen, resp. technologische Lösungen auf ihre<br />
gesellschaftliche Bedeutung, ihre Realisierungschancen und ihre Förderwürdigkeit. „It is<br />
interesting to note that, of all the topics, the one that was ranked highest in terms of the<br />
degree of importance index was: „Wide acceptance of LCA-style product design<br />
concepts that encourage recycling and reuse”, with its realization time forecasted to be<br />
2007.“ 355 Dabei wurden in zwei Befragungsrunden insgesamt 418 Wissenschaftler im<br />
Umweltbereich befragt und zusätzlich 26 LCA-Experten als Kontrollgruppe. Lediglich 2<br />
Befragte zweifelten an der Implementation von LCA. Als prioritäre Fördermassnahmen<br />
wurden die entsprechende Anpassung der Gesetzgebung sowie eine enge Kooperation<br />
zwischen Industrie, Regierung und Wissenschaft identifiziert. Als führend im Bereich<br />
LCA wurde Europa mit rund 80% Zustimmung der Befragten Wissenschaftler und 96%<br />
Zustimmung der LCA-Experten eingestuft. USA und Japan erhielten je rund 40%<br />
Zustimmung (Mehrfachnennungen möglich).<br />
6.2.5 Verbreitung von LCA in D, H, UK und CH<br />
Die Verbreitung von Produktökobilanzen in verschiedenen europäischen Ländern wurde<br />
im Rahmen des Environmental Business Barometers ermittelt. Die fragebogengestützte<br />
<strong>St</strong>udie zielte darauf ab, ein möglichst repräsentatives Bild betrieblicher<br />
Umweltaktivitäten in den teilnehmenden Ländern zu skizzieren. Angeschrieben wurden<br />
zum einen zufällig, aber repräsentativ, ausgewählte Unternehmen des produzierenden<br />
Gewerbes mit mehr als 50 Mitarbeitenden. In den einzelnen Ländern wurden zudem die<br />
grössten Unternehmen und/oder ISO 14001 Zertifizierte einbezogen. Durchführung von<br />
LCA wurde dabei als eine von 20 verschiedenen managementbezogenen Massnahmen<br />
abgefragt.<br />
Für die Schweiz liegen zudem Vergleichswerte aus der Umweltmanagement-<br />
Barometer-<strong>St</strong>udie 356 von 1997/1998 vor: Damals wurden 800 Fragebogen an eine<br />
repräsentative Auswahl von Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit mehr als<br />
50 Mitarbeitenden versandt. Die resultierende <strong>St</strong>ichprobe von 250 Unternehmen<br />
(Rücklauf 33%) war fast repräsentativ – einzig die Baubranche war deutlich untervertreten.<br />
Die Durchführung von Produkt-, Verpackungs- und Betriebsökobilanzen<br />
wurden zusammen mit 7anderen möglichen Massnahmen im Bereich Organisation und<br />
355<br />
Kashiwagi, T.: Survey Results Environment, in: NIESTEP: National Technology Outlook 2030, National<br />
Institut of Science and Technology Policy NISTEP, 2000, S. 264.<br />
356<br />
Baumast, A., Dyllick, Th.: Umweltmanagement-Barometer Schweiz 1997/98 IWOE-HSG Diskussionsbeitrag<br />
Nr. 59, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.
198 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Führung abgefragt. Es ergaben sich Werte von 28% (70 Nennungen) für Betriebsökobilanzen,<br />
27% (67) für Produkt-, resp. 24% (60) für Verpackungsökobilanzen.<br />
2001 Grossbritannien Deutschland Ungarn Schweiz<br />
Befragte 2'000 2'000 478 1'381<br />
<strong>St</strong>ichprobe 214 179 187 181<br />
Rücklauf 11% 9% 39% 13%<br />
LCA Anwendung 15% 15% 8% 25%<br />
Absolut 32 27 15 45<br />
Rang 20 von 20 19 von 20 11 von 11 18 von 20<br />
Abbildung 6.6: Einsatz von Produktökobilanzen in UK, D, H, CH<br />
Die Darstellung zeigt die Verbreitung der Produktökobilanzierung in verschiedenen europäischen Ländern<br />
im Jahr 2001. 357 Esist zu beachten, dass in den <strong>St</strong>ichproben tendenziell umweltengagierte Unternehmen<br />
gegenüber eher passiven übervertreten waren, weshalb die Zahlen nicht verallgemeinert werden dürfen.<br />
Von den 20 abgefragten managementbezogenen Massnahmen waren Aktivitäten zur Produktökobilanzierung<br />
in allen vier Ländern jeweils unter den am wenigsten häufig genannten.<br />
6.2.6 LCA und <strong>St</strong>offströme in ISO 14001 Zertifizierten in CH<br />
Eine Befragung aller ISO 14001 zertifizierten Unternehmen in der Schweiz im Jahre<br />
1998 wurde durch Hamschmidt durchgeführt. Es wurden 158 Fragebogen retourniert,<br />
was einem Rücklauf von 54% entspricht. Gegenstand der Erhebung war eine<br />
Beurteilung der Wirksamkeit von Umweltmanagementsystemen. Es wurde unter<br />
anderem danach gefragt, welche Massnahmen durch die Einführung eines UMS<br />
ausgelöst, resp. geplant. Die Durchführung von Produktökobilanzen wurde als eine von<br />
10 Massnahmen der Produktökologie abgefragt. Eine systematische Erfassung von<br />
<strong>St</strong>off- und Energieströmen wurde neben 8anderen Massnahmen der Betriebsökologie<br />
abgefragt.<br />
1999 N=158 Bisher Zukünftig<br />
Initiierung/Durchführung von LCA in % Absolut in % Absolut<br />
Weitgehend 5% 8 21% 33<br />
Ansatzweise 28% 44 39% 61<br />
Total 33% 52 60% 95<br />
Systematische Erfassung betrieblicher <strong>St</strong>off- und Energieströme<br />
Weitgehend 43% 68 81% 128<br />
Ansatzweise 43% 68 15% 23.7<br />
Total 86% 136 96% 152<br />
Abbildung 6.7: Durch UMS ausgelöste oder geplante Ökobilanz-Aktivitäten<br />
Produktökobilanzierung gehörte auch in dieser Umfrage zu den am wenigsten<br />
genannten Aktivitäten sowohl unter den bisher durchgeführten als auch unter den<br />
geplanten. Eine weitgehende Umsetzung gaben lediglich 5% der Befragten an, ansatzweise<br />
waren es 28%. Unklar ist jedoch die Interpretation dieser Kategorien: Weitgehend<br />
357<br />
Eigene Darstellung anhand der Daten aus Baumast, A., Dyllick, Th.: Umweltmanagement-Barometer<br />
2001, Tagungsband, IWOE-HSG Diskussionsbeitrag Nr. 93, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2001, S. 35 – 44.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 199<br />
kann bedeuten, dass Produktökobilanzierung für alle Produkte eingesetzt wird. Der<br />
Begriff kann aber auch in Bezug auf die konsequente Umsetzung der Methodik<br />
bezogen werden, unabhängig davon, ob nur vereinzelt oder alle Produkte analysiert<br />
werden. Damit ist unklar, was die Resultate letztlich über die Verbreitung von Ökobilanzen<br />
aussagen können. <strong>St</strong>ünde „ansatzweise“ für eine konsequente Anwendung<br />
der Methodik auf einzelne Produkte, so wäre der festgestellte Wert zur Verbreitung von<br />
LCA mit insgesamt 33% im Vergleich zu den anderen verfügbaren <strong>St</strong>udien überdurchschnittlich<br />
hoch.<br />
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung der Befragten<br />
zur Bedeutung der Umweltbelastung von Vor- und Nachstufen der Wertschöpfungskette:<br />
Demnach halten 25% diese für gering, 42% erachten sie als mittelmässig<br />
bedeutsam und 32% beurteilen sie als gross. Für die meisten Unternehmen stehen der<br />
betriebliche Energieverbrauch, das betriebliche Abfallaufkommen sowie der betriebliche<br />
Materialverbrauch als Umweltaspekte im Vordergrund. 358<br />
Eine systematische Erfassung der betrieblichen <strong>St</strong>off- und Energieströme deutet auf die<br />
Verbreitung von standortbezogenen Input-Output-Bilanzen hin, lässt aber aufgrund der<br />
Fragestellung ebenfalls unbestimmt, ob sich „ansatzweise“ auf den Grad der Vollständigkeit<br />
(Erfassungsqualität) und/oder das Auflösungsvermögen (Anzahl erhobener<br />
Indikatoren) bezieht. Immerhin lässt sich feststellen, dass die Erfassung von <strong>St</strong>off-und<br />
Energieströmen unter den durch UMS ausgelösten Massnahmen der Betriebsökologie<br />
eine relative weite Verbreitung findet. Die Ergebnisse bedeuten aber auch, dass von<br />
den antwortenden ISO zertifizierten Unternehmen in der Schweiz 1999 nur 43% eine<br />
systematische Betrachtung ihrer betrieblichen <strong>St</strong>off- und Energieströme vornehmen.<br />
6.2.7 Einsatz von LCA und Betriebsökobilanzen in D<br />
Die Befragung von Tarara 1995 zielte darauf ab, die Verbreitung ökologieorientierter<br />
Informationsinstrumente in deutschen Industrie-Unternehmen zu erfassen. Die<br />
<strong>St</strong>ichprobe von insgesamt 231 retournierten Fragebogen verteilte sich ungefähr<br />
gleichmässig auf die fünf angeschriebenen Branchen Maschinenbau, Chemische<br />
Industrie, Elektrotechnik, Nahrungs- und Genussmittel sowie Textil und Bekleidung.<br />
40% der antwortenden Unternehmen beschäftigten mehr als 500 Mitarbeitende und die<br />
Fragebögen wurden fast ausschliesslich durch Linienverantwortliche (Geschäftsleitung,<br />
Abteilungsleitung, Gruppenleitung, etc.) ausgefüllt. Rund die Hälfte der befragten<br />
Unternehmen gab an, eine offensive Umweltstrategie zu verfolgen.<br />
Unter den abgefragten ökologieorientierten Informationsinstrumenten fand sich neben<br />
der Produktökobilanz auch die Produktlinienanalyse. In der Praxis wurde letztere häufig<br />
synonym für Produktökobilanzierung verwendet, umfasste genau genommen jedoch<br />
neben der Beurteilung der Umweltrelevanz entlang des Lebenszyklus auch eine<br />
Beurteilung von ökonomischen und sozialen Aspekte. Produktlinienanalysen wurden<br />
358<br />
Hamschmidt, 2001, S. 82.
200 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
meistens verbal-argumentativ beurteilt, ohne dass eine Sachbilanz erstellt -das heisst<br />
die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse quantifiziert – wurde(n).<br />
Als weiteres Instrument erfasste der Fragebogen die Betriebsökobilanzierung nach IWÖ<br />
(ABC-Analyse/verbal-argumentative Beurteilung).<br />
Abbildung 6.8: Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Ökobilanzen<br />
Tarara stellt fest, dass zum Zeitpunkt der Erhebung (1995) die Ökobilanzansätze als<br />
„junge“ Informationstechniken ab 1992 (Produktlinienanalyse) und ab 1993 (Produktökobilanzen/Betriebsökobilanzen)<br />
erstmals in den befragten Unternehmen zur<br />
Anwendung kamen. Mit 29, 12 und 8Nennungen aus einer <strong>St</strong>ichprobe von 225 war<br />
allein die Produktlinienanalyse relativ verbreitet. Die Antworten bezüglich des zukünftig<br />
geplanten Einsatzes zeigten hingegen, dass in den Erwartungen der Antwortenden<br />
Ökobilanzen offenbar ein hoher <strong>St</strong>ellenwert beigemessen wurde. „Somit wird deutlich,<br />
dass in langfristiger Perspektive das Instrument Ökobilanz verstärkt in Unternehmen<br />
eingesetzt werden soll.“ 359 Demnach gaben knapp 30% an, zukünftig<br />
Produktökobilanzen und/oder Betriebsökobilanzen nach IWÖ einführen zu wollen.<br />
6.2.8 Beurteilung von LCA durch ISO 14001 Zertifizierte in D<br />
Das deutsche Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie<br />
das Umweltbundesamt haben im Hinblick auf die Überarbeitung der ISO 14001 Normreihe<br />
eine umfassende Bestandesaufnahme durchgeführt. Dazu wurden 2002 alle der<br />
359<br />
Tarara, 1997, S. 190.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 201<br />
rund 2'300 zertifizierten Organisationen in Deutschland sowie die 34 akkreditierten<br />
Zertifizierungsstellen angeschrieben. Insgesamt konnten 565 Fragebogen von Organisationen<br />
sowie 17 von Zertifizierungsstellen (die zusammen 80% aller Zertifikate erteilt<br />
haben) ausgewertet werden. Die Umfrage bildet die <strong>St</strong>ruktur der Zertifzierten<br />
Organisationen in Deutschland repräsentativ ab.<br />
Die Autoren der <strong>St</strong>udie kommen zum Schluss, dass Produktökobilanzen bei den<br />
Umweltmanagement betreibenden Unternehmen „weder von grosser praktischer<br />
Relevanz, noch Thema für die Einführung als Pflichtbestandteil in die ISO 14001 Norm<br />
sind“. 360 Aus Sicht der Zertifizierungsstellen werden LCAs zwar mehrheitlich empfohlen,<br />
aber relativ zu den anderen Empfehlungen wird ihnen keine Priorität eingeräumt.<br />
Abbildung 6.9: Beurteilung von Produktökobilanzen im Rahmen des UMS<br />
6.2.9 Detaillierte Analyse und Beurteilung von LCA in D, I, S und CH<br />
Als einzige umfassende <strong>St</strong>udie mit Schwerpunkt auf Ökobilanzen haben wir die Arbeit<br />
Application Patterns of Life Cycle Assessment in Geman, Italian, Swedish and Swiss<br />
Companies identifizieren können. 361 Anhand von 35 Fragen wurden Einsatz, Wirkung<br />
360<br />
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt: ISO 14001 in<br />
Deutschland – Erfahrungsbericht, Berlin, 2002, S. 64.<br />
361<br />
Frankl, P., Rubik, F.: Life Cycle Assessment in Industry and Business – Adoption Patterns, Applications<br />
and Implications, Springer Verlag, 1999.
202 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
und Beurteilung von Produktökobilanzen in den vier Ländern erfasst. Von den 1'625<br />
versandten Fragebogen konnten 382 ausgewertet werden. Die <strong>St</strong>ichprobe umfasst<br />
einerseits bekanntermassen umweltengagierte Unternehmen, die anhand ihrer<br />
Mitgliedschaft in entsprechenden Verbänden – beispielsweise der schweizerischen<br />
Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmungsführung ÖBU – ausgewählt<br />
wurden. Anderseits wurden die national jeweils grössten Unternehmen –vorwiegend<br />
mit Börsenkotierung – angeschrieben.<br />
Switzerland<br />
(CH)<br />
Germany<br />
(D)<br />
Italy<br />
(I)<br />
Sweden<br />
(S)<br />
Total<br />
Total number of questionnaires 403 410 400 412 1625<br />
to „environmental“ oriented companies 252 200 100 182 734<br />
to largest companies 151 210 300 230 891<br />
Answers (absolute number) 82 101 30 169 382<br />
Answers (in %) 20% 25% 8% 41% 24%<br />
from „environmental“ oriented companies 43 59 10 49 161<br />
from largest companies 18 45 6 72 141<br />
from "environmental" oriented and largest<br />
21 - 14 48 83<br />
companies<br />
LCA users 44 62 18 66 190<br />
LCA user's share of total number 11% 15% 5% 16% 12%<br />
LCA users’ share of respondents 54% 61% 60% 39% 50%<br />
Abbildung 6.10: <strong>St</strong>ichprobe und Verbreitung von LCA in CH, D, I, S<br />
Die <strong>St</strong>ichprobe ist je nach Land unterschiedlich ausgeprägt: in der Schweiz,<br />
Deutschland und Italien entfällt eine Mehrheit auf umweltengagierte, in Schweden<br />
dominieren grosse Unternehmen. Entsprechend fällt auch der jeweilige Anteil der<br />
Antwortenden, die Produktökobilanzen nutzen unterschiedlich aus. Die Resultate<br />
vermitteln kein repräsentatives Bild. Rund die Hälfte der Teilnehmenden nutzen<br />
Produktökobilanzen, womit die <strong>St</strong>ichprobe zu den Fragen, welche nur von LCA-<br />
Nutzenden zu beantworten waren für alle vier Länder zusammen 190 Unternehmen<br />
umfasst.<br />
Als Motivationsfaktoren für den Einsatz von LCA wurden in den verschiedenen Ländern<br />
unterschiedliche Treiber ausgemacht: In der Schweiz und Deutschland nannten die<br />
Anwendenden als Hauptauslöser vor allem Kostensenkungspotentiale, produktbezogene<br />
Umweltprobleme und Chancen auf neu entstehenden „green markets“. In<br />
Schweden und Italien hingegen wurde als auslösender Faktor vor allem die Initiative<br />
seitens der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen betont. Antwortende in Italien<br />
nannten zudem häufig entsprechende Forderungen seitens ihrer Konzern-Leitung<br />
(„parent company“) als auslösendes Moment. In keinem der Länder wurde die Gesetzgebung<br />
oder der Gebrauch von LCA durch Konkurrenten als relevant eingestuft. 362<br />
362<br />
Frankl, P., Rubik, F: Application Patterns of Life Cycle Assessment in German, Italian, Swedish and<br />
Swiss Companies, Schriftenreihe des IWÖ 130/98, 1998, Berlin, S. 22 - 24.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 203<br />
Abbildung 6.11: Anwendungsbereiche von Produktökobilanzen<br />
Die Darstellung zeigt auf, für welche Anwendungsbereiche LCA in den Unternehmen zum Zeitpunkt der<br />
Umfrage und in Zukunft vorwiegend eingesetzt wird. Die mit Amarkierten Felder stehen für Werte >40%,<br />
Cfür
204 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Sehr häufig (zwischen 40% und 50%) gaben die Unternehmen an, dass ihre Produktökobilanzen<br />
in Zusammenarbeit mit externen <strong>St</strong>ellen - Forschungsinstituten oder<br />
Beratungsunternehmen – erstellt werden.<br />
Nach den Hindernissen einer weiteren Verbreitung von LCA befragt, nannten die<br />
Unternehmen am häufigsten „results are disputable“: 40% in Deutschland und der<br />
Schweiz, 50% in Schweden und 60% in Italien. Allgemeine methodische Probleme<br />
wurden am zweithäufigsten (25% in CH bis 40% in D, I, S) angeführt und erst an vierter<br />
<strong>St</strong>elle folgten die Kosten. Hier wurden grosse Unterschiede zwischen den Ländern<br />
festgestellt: 10% in Schweden, bis knapp 40% in der Schweiz. Die Frage, ob<br />
Schwierigkeiten in der Kommunikation der Resultate an das Management ein Hindernis<br />
darstellen würde, beantworteten angesichts der (wissenschaftlichen) Komplexität von<br />
Ökobilanzen erstaunlich wenige: 10% in Deutschland bis 20% in Schweden und Italien.<br />
Die Resultate von LCA können nach Ansicht der Antwortenden offenbar gut vermittelt<br />
werden.<br />
70%<br />
60%<br />
61%<br />
CH<br />
D<br />
I<br />
50%<br />
44%<br />
42%<br />
47%<br />
S<br />
40%<br />
36%<br />
37%<br />
30%<br />
27%<br />
28% 28%<br />
20%<br />
19%<br />
12%<br />
10%<br />
0%<br />
7%<br />
5%<br />
5%<br />
2%<br />
0%<br />
Yes No Do not know Not answered<br />
Abbildung 6.12: Führen Produktökobilanzen zu überraschenden Erkenntnissen<br />
Grosse Differenzen ergaben sich in Bezug auf die Frage, ob LCA zu überraschenden<br />
Erkenntnissen geführt haben: Nur 27% der Antwortenden aus der Schweiz bejahten<br />
dies, während der entsprechende Wert in Schweden bei 36% und in Deutschland bei<br />
42% (bei 19% Nicht-Antwortenden) lag. In Italien bejahten 44%, wobei 28% mit „do not<br />
know“ antworteten. Dabei gilt es nach Ansicht der Autoren zu beachten, dass die<br />
Teilnehmenden aus Italien zum Zeitpunkt der <strong>St</strong>udie erst über wenig Erfahrung mit LCA
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 205<br />
verfügten. 363 Zudem ist die entsprechende <strong>St</strong>ichprobe mit 18 Unternehmen im Vergleich<br />
zu den anderen Ländern sehr klein.<br />
Zur zukünftigen Nutzung von LCA in ihren Unternehmen befragt, zeigten sich die<br />
Befragten mehrheitlich überzeugt, dass die Produktökobilanzierung intensiviert werde<br />
(Schweden 60%, D,CH,I, 50%). Mit „Nein“ antworteten lediglich die Teilnehmenden aus<br />
der Schweiz in markant hoher Zahl: 23% im Vergleich zu 0% in Italien, 8% in<br />
Deutschland und 10% in Schweden. 364 Die Autoren schliessen aus dem Gesamtbild der<br />
Antworten, dass die LCA-Anwendenden in Schweden bezüglich einer weiteren<br />
Verbreitung der Methodik am zuversichtlichsten sind. 365<br />
Diese <strong>St</strong>udie vermittelte erstmals detaillierte Einsichten zur Anwendung und Beurteilung<br />
von Ökobilanzen in Unternehmen. Nicht Gegenstand der Untersuchung war hingegen<br />
die konkrete Ausgestaltung der Methodik.<br />
6.2.10 Fazit: Die empirische Forschung lässt zentrale Fragen offen<br />
Unsere Bestandesaufnahme verfügbarer Untersuchungen zur Anwendung und<br />
Beurteilung von Ökobilanzen in der Wirtschaft konzentrierte sich auf die Anwendung<br />
der Methodik auf Produkte. Sie offenbart, dass eine fundierte quantitative Forschung in<br />
diesem Bereich bislang weitgehend aussteht. Nur eine <strong>St</strong>udie befasste sich detailliert<br />
mit der Anwendung von Produktökobilanzen in Unternehmen, ohne dabei jedoch die<br />
konkrete Ausgestaltung der eingesetzten Methoden quantitativ zu erfassen. Verschiedene,<br />
ausgestaltungsabhängige Faktoren – nationaler Kontext, Branchenzugehörigkeit,<br />
Unternehmensgrösse, vorhandene Erfahrung oder eingesetzte Hilfsmittel<br />
(Datenbanken, etc.) - dürften jedoch die Beurteilung von Nutzen und Hindernissen<br />
massgeblich beeinflussen. Zudem liegen keine Informationen darüber vor, in welchen<br />
Ausprägungsformen die Methodik letztlich angewendet wird. Die Anzahl Indikatoren,<br />
der Einsatz von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren, die Beurteilung anhand von Wirkungskategorien<br />
oder Gewichtungsmethoden –ist für die Komplexität, den Aufwand und den<br />
Nutzen aber sicherlich von grosser Bedeutung. Insofern lässt diese - bislang<br />
umfassendste quantitative -<strong>St</strong>udie zur Anwendung der Produktökobilanzierung wichtige<br />
Fragen offen. Einige der Ergebnisse sind insofern zu hinterfragen, insbesondere wenn<br />
grosse Unterschiede zwischen den Ländern festgestellt werden.<br />
Ebenfalls mit diesen Vorbehalten sind die anderen Erhebungen behaftet: sie waren<br />
jeweils auf ein anderes Erkenntnisinteresse gerichtet –insbesondere auf die Gestaltung<br />
von Umweltmanagementsystemen –und verwendeten Ökobilanz als ein <strong>St</strong>ichwort ohne<br />
363<br />
Frankl/Rubik, 1998, S. 36.<br />
364<br />
Dass die Verfasser der <strong>St</strong>udie daraus den Schluss ziehen, diese 23% der Antwortenden aus der<br />
Schweiz rechneten mit einer Abnahme der Aktivitäten in ihren Unternehmen, erscheint uns jedoch unzulässig:<br />
ein Nein auf die Frage, ob eine Zunahme erwartet werde lässt keine solche Schlussfolgerung<br />
zu. Vielmehr ist mit einer <strong>St</strong>agnation oder einer Reduktion zu rechnen.<br />
365<br />
Frankl/Rubik, 1998, S. 37.
206 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
genaue Begriffsbestimmung oder Abgrenzung. Immerhin erlauben sie zumindest<br />
Rückschlüsse zur Diffusion und Bedeutung der Methodik in verschiedenen Kontexten<br />
zu ziehen.<br />
Dabei wird deutlich, dass Produktökobilanzen bislang wenig Verbreitung gefunden<br />
haben –unabhängig davon, ob die Befragung auf spezifisch umweltengagierte Unternehmen<br />
oder eine möglichst repräsentative <strong>St</strong>ichprobe abzielte. Da wir annehmen<br />
müssen, dass die Daten in allen <strong>St</strong>udien dadurch verzerrt werden, dass sich vor allem<br />
engagierte Unternehmen, resp. Unternehmen mit Interesse an der Forschung zu<br />
Umweltmanagement und verwandten Themen aktiv beteiligen, dürften sie die<br />
Verbreitung gar noch überschätzen. Die ermittelten Prozentwerte dürfen also nicht auf<br />
die angefragte Grundgesamtheit übertragen werden. Dies verstärkt den Befund, dass<br />
LCA bislang nur in wenigen Unternehmen Anwendung findet. Der Anteil produktökobilanzierender<br />
Unternehmen dürfte bezogen auf die gesamte Industrie in den<br />
betrachteten Ländern unterhalb von 1% liegen.<br />
Für die Schweiz stehen verschiedene Werte zu unterschiedlichen <strong>St</strong>ichproben mit<br />
hohem Anteil von spezifisch umweltengagierten Unternehmen und zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten zur Verfügung. Die Werte bewegen sich hier zwischen 30%<br />
(Baumast/Dyllick; 2001), 25% (Baumast/Dyllick; 1998) und den unscharfen 33% von<br />
Hamschmidt (5% „weitgehend“, 28% „ansatzweise“; 1999). Betrachtet man die<br />
absoluten Zahlen, so sind es jeweils zwischen 44 (Frankl/Rubik; 1998), 45<br />
(Baumast/Dyllick; 2001), 52 (Hamschmidt; 1999) und 68 Unternehmen<br />
(Baumast/Dyllick; 1998). Es ist nicht bekannt, wie hoch der Anteil von in mehreren<br />
dieser <strong>St</strong>ichproben enthaltenen Unternehmen ist. Wir vermuten jedoch, dass grosse<br />
Überschneidungen bestehen und wagen deshalb die These, dass in der Schweiz<br />
insgesamt weniger als 100 Unternehmen Produktökobilanzen einsetzen.<br />
Einzig für Japan liegt eine sehr grosse <strong>St</strong>ichprobe vor. Zudem lassen auch die anderen<br />
angeführten <strong>St</strong>udien auf eine sehr hohe Bekanntheit der Methodik in der Wirtschaft<br />
schliessen. Die <strong>St</strong>udie von IGES belegt, dass mindestens 10% aller börsenkotierten<br />
Unternehmen angeben, über LCA-Erfahrung zu verfügen; in der entsprechenden<br />
<strong>St</strong>ichprobe waren es über 20% der produzierenden Unternehmen bei einem Rücklauf<br />
von über 45%. In absoluten Zahlen sind das mindestens 235 börsenkotierte Unternehmen.<br />
Nur wenige der Befragten gaben an, LCA nicht zu kennen. Dies obwohl in der<br />
<strong>St</strong>ichprobe 50% der Antwortenden angaben, über kein Umweltmanagementsystem zu<br />
verfügen. Zieht man in Betracht, dass in Japan bereits mehr als 12'000 Unternehmen<br />
über eine ISO 14001 Zertifizierung verfügen, so ist zu vermuten, dass neben den<br />
befragten börsenkotierten auch einige der mindestens 10'000 Zertifizierten ohne<br />
Börsenkotierung über LCA-Erfahrung verfügen.<br />
Einige der angeführten <strong>St</strong>udien stellten die Frage nach den in Zukunft geplanten<br />
Aktivitäten im Bereich Ökobilanzierung. Es zeigte sich jeweils, dass die Befragten<br />
verschiedener <strong>St</strong>ichproben die Erwartung äusserten, dass LCAs zukünftig eine deutlich
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 207<br />
höhere Bedeutung zukommen würde. <strong>St</strong>ellte man diese Antworten jedoch den<br />
Erwartungen zu den anderen abgefragten Umweltmassnahmen gegenüber, so<br />
relativierte sich dieser Befund deutlich: Produktökobilanzen fanden sich auch in den<br />
Erwartungen jeweils am unteren Ende der Skala. Eine Ausnahme bildete der Befund<br />
von Tarara der bei LCA als auch Betriebsökobilanzen auf eine deutliche Aufwertung<br />
schliessen liess. Allerdings datiert die Umfrage von 1995 und fand damit in einer Zeit<br />
statt, in der Ökobilanzen in Wissenschaft und Politik sehr prominent diskutiert wurden.<br />
Betrachten wir die Resultate der <strong>St</strong>udien unter Einbezug ihres Durchführungszeitpunkts,<br />
so kann nicht gefolgert werden, dass die Erwartungen einer höheren Verbreitung von<br />
LCA tatsächlich eingetroffen sind.<br />
6.3 <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung in der Schweiz 2004<br />
Unsere eigene Umfrage unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den bisher<br />
durchgeführten Erhebungen: sie zielt insbesondere darauf ab, die Ausgestaltung der<br />
konkreten Anwendung von Ökobilanzen zu erfassen. Neben Produktökobilanzierung<br />
interessiert uns insbesondere auch die Anwendung der Methodik auf Unternehmen, da<br />
hierzu bislang keine systematischen Untersuchungen vorliegen. Die Beurteilung durch<br />
die Anwendenden soll differenziert nach einzelnen methodischen Elementen bestimmt<br />
werden.<br />
6.3.1 Vorgehen, Umfang und <strong>St</strong>ichprobe<br />
Die Umfrage zielte nicht darauf ab, ein repräsentatives Bild zur Verbreitung von Ökobilanzen<br />
in der Schweiz zu gewinnen. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass sie<br />
gering ist. Wir konzentrieren uns deshalb auf umweltengagierte Unternehmen einerseits<br />
sowie börsenkotierte Unternehmen. Von den rund 1'100 ISO 14001 Zertifizierten<br />
wurden zufällig 500 aus der deutschsprachigen Schweiz ausgewählt und per email zur<br />
Teilnahme eingeladen. Zudem wurden 169 an der SWX kotierte Unternehmen (ohne<br />
Beteilligungsgesellschaften) mit Sitz in der Schweiz angeschrieben. Die Teilnehmenden<br />
erhielten einen persönlichen Zugang zum ihrem personalisierten online-Fragebogen.<br />
Der Fragebogen umfasste insgesamt 20 Seiten und 105 Fragen, wobei die Befragten<br />
aufgrund ihrer Antworten gezielt durch den Fragebogen geführt wurden.<br />
Der Fragebogen wurde einer Reihe von Ökobilanz-Experten, u.a. des BUWAL, des<br />
Beirats des LCA Forums ETHZ/EPFL, der Schweizerischen Vereinigung für ökologisch<br />
bewusste Unternehmungsführung ÖBU, der Beratung- und Softwareunternehmung<br />
sinum AG und den TK 174 ISO-Delegierten für das TC 207 SC 5zur <strong>St</strong>ellungnahme<br />
vorgelegt.<br />
Konkrete Anregungen von Arthur Braunschweig (ÖBU/E2 Management Consulting AG),<br />
Kurt Buxmann (Vorsitzender TK174/Alcan AG) sowie Martin Kilga (sinum AG) flossen in
208 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
den Fragebogen ein. Die online-Version wurde schliesslich durch 2Ökobilanz-Experten<br />
der sinum AG sowie zwei befreundete Laien getestet.<br />
Die Umfrage konnte unter dem Patronat des LCA Forum ETHZ&EPFL, der ÖBU sowie<br />
des TK 174 durchgeführt werden. Die Firma Information Factory stellte freundlicherweise<br />
die Software Con@xt zur webbasierten Befragung sowie technische Unterstützung<br />
bei der Durchführung zur Verfügung. 366<br />
Die Befragung wurde in vier Themenbereiche gegliedert:<br />
Teil A: Allgemeine Fragen zum Umweltengagement des Unternehmens<br />
Teile B+C: Ausgestaltung, Einsatz und Nutzen von unternehmensbezogenen <strong>St</strong>off -<br />
und Energiebilanzen<br />
Teile D + E: Ausgestaltung, Einsatz und Nutzen von Produktökobilanzen<br />
Teil S: <strong>St</strong>atistische Angaben<br />
Von den 500 angeschriebenen ISO 14001 Zertifizierten haben 196 an der Befragung<br />
teilgenommen, was einem Rücklauf von 39% entspricht. Von den 169 Börsenkotierten<br />
nahmen 50 Unternehmen teil, entsprechend einem Rücklauf von 29.5%. Insgesamt<br />
haben 240 Unternehmen teilgenommen, was einem Rücklauf von 36.8% entspricht.<br />
Die spezifischen und detaillierten Fragen zur unternehmungsbezogenen Bilanzierung in<br />
Teil C+Dwurden von 73 Teilnehmenden ausgefüllt, die entweder CO 2 -,VOC-, Input-<br />
Output-Bilanzen oder wirkungsorientierte, resp. gewichtete Umweltbilanzen einsetzten.<br />
Die spezifischen und detaillierten Fragen zur Produktökobilanzierung in den Teilen E+<br />
F füllten 27 Unternehmen aus.<br />
Die Auszählungen zu den einzelnen Fragen sind gesamthaft und in der abgefragten<br />
Reihenfolge im Anhang enthalten. Wir diskutieren nachfolgend ausgewählte Resultate<br />
mit besonderer Relevanz für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung.<br />
366<br />
Siehe www.information-factory.com.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 209<br />
6.3.2 Resultate der allgemeinen Befragung<br />
6.3.2.1 Charakterisierung der <strong>St</strong>ichprobe<br />
Die teilnehmenden Unternehmen verfügten zu fast 90% über Erfahrungen mit ISO<br />
14001 Umweltmanagementsystemen, wobei 30% der Zertifizierten dieses schon vor<br />
mehr als 6 Jahren und 50% vor mindestens 2 bis maximal 4 Jahren erstmals der<br />
externen Prüfung unterzogen haben.<br />
100%<br />
80%<br />
0.4 1.3 4.2 5.9<br />
0.0 0.0 3.2<br />
21.3 13.0<br />
22.2 35.7<br />
48.4<br />
60.1<br />
48.2<br />
9.9 11.3<br />
3.6<br />
18.4<br />
32.1<br />
4.5 1.8 1.8 4.1<br />
27.4<br />
23.1<br />
18.1<br />
52.4<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
46.7<br />
4.4<br />
56.4<br />
20.9<br />
56.3<br />
26.5<br />
52.5<br />
19.5<br />
58.9<br />
36.8<br />
5.4 3.1<br />
36.9<br />
11.7<br />
40.8<br />
30.9<br />
52.9<br />
39.9 55.2<br />
28.3<br />
19.9<br />
38.7<br />
7.1<br />
47.1<br />
30.8<br />
Kunden<br />
Lieferanten<br />
Handel<br />
Mitbewerber<br />
Mitarbeiter<br />
Management<br />
Eigentümer<br />
Banken/Versich.<br />
Gewerkschaften<br />
Umweltschutzorg.<br />
Lok. Bevölkerung<br />
Behörden<br />
Presse/Medien<br />
Abbildung 6.13: Ökologische Ansprüche der stakeholder<br />
Gar nicht Wenig <strong>St</strong>ark Weiss nicht<br />
15% der Antwortenden Personen beschäftigen sich bereits seit mehr als 10 Jahren,<br />
27% seit mindestens 6 und weitere 41% seit mindestens 2 Jahren mit Umweltmanagement.<br />
Die <strong>St</strong>ichprobe ist also bezüglich Erfahrung in Fragen des Umweltmanagements<br />
von sehr hoher Qualität.<br />
Die <strong>St</strong>ichprobe bildet die Grundgesamtheit der ISO 14001 Zertifizierten Unternehmen<br />
nicht repräsentativ, aber dennoch in der Tendenz recht gut ab: Dies trifft insbesondere<br />
für die Baubranche (12.5%), die Maschinenindustrie (7.5%), Transport und Logistik<br />
(6.3%), Lebensmittel (5.4%), Druck und Papier/Karton (5.4%) und Handel (5%) zu.<br />
Unterdurchschnittlich vertreten waren die Elektro- (7.5%) und Metallindustrie (4.2%)
210 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
sowie der Entsorgungssektor. Hingegen weist die <strong>St</strong>ichprobe überdurchschnittlich viele<br />
Antworten aus Banken und Versicherungen (6.3%) sowie Chemie und Pharma (7.5%)<br />
auf. 367<br />
Weniger repräsentativ sind die Antworten bezogen auf die Unternehmungsgrösse:<br />
Betriebe mit 1 - 50 Mitarbeitenden machen 43% der Zertifizierten, aber nur 22% unserer<br />
<strong>St</strong>ichprobe aus. Grosse Unternehmen mit mehr als 500 (21.2%) sowie mit mehr als<br />
5'000 Mitarbeitenden (11.4%) sind deutlich überdurchschnittlich repräsentiert. Dies ist<br />
auf den hohen Anteil von 37.8% börsenkotierter Unternehmen an der <strong>St</strong>ichprobe<br />
zurückzuführen.<br />
Diejenigen Unternehmen aus der <strong>St</strong>ichprobe, die sich starken ökologischen<br />
Ansprüchen gegenübersehen, verorten diese vor allem beim eigenen Management<br />
oder den Eigentümern, seitens der Behörden oder Kunden. Weniger stark werden<br />
Ansprüche seitens der Gewerkschaften, der Presse, den Umweltorganisationen oder<br />
dem Handel empfunden.<br />
6.3.2.2 Verbreitung von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />
Von den 240 Befragten erstellen rund 75% irgendwelche Arten von <strong>St</strong>off-, und/oder<br />
Energiebilanzen: rund 48% bezogen auf das Unternehmen, 23% sowohl für das<br />
Unternehmen als auch für Produkte. Die Frage lautete: „Werden in Ihrem Unternehmen<br />
<strong>St</strong>offbilanzen (z.B. für VOC oder CO 2 ), Input-Output-Bilanzen, Energiebilanzen oder<br />
Ökobilanzen eingesetzt“<br />
Unternehmungsund<br />
produktbezogen<br />
22.9%<br />
Nein<br />
24.6%<br />
Produktbezogen<br />
4.6%<br />
Unternehmungs<br />
bezogen<br />
47.9%<br />
Abbildung 6.14: Einsatz von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />
367<br />
Als Vergleichsbasis dient die vom IWOE-HSG unter www.iwoe.unisg.ch publizierte Liste aller Zertifizierten<br />
<strong>St</strong>and Dezember 2003, bereinigt um Nicht-Unternehmen (öffentliche Verwaltung, etc.).
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 211<br />
Von den unternehmungsbilanzierenden Antwortenden sind lediglich 5% weder ISO<br />
14001 zertifiziert noch auf dem Weg dazu. Bei den produktökobilanzierenden<br />
Unternehmen liegt dieser Anteil immerhin bei 12 %. Ein Vergleich mit der <strong>St</strong>ruktur der<br />
<strong>St</strong>ichprobe zeigt zudem, dass börsenkotierte Unternehmen überproportional stark in der<br />
Gruppe der Produktökobilanzierenden vertreten sind, während ihr Anteil an den<br />
unternehmungsbezogen Bilanzierenden mit ihrem Anteil an der <strong>St</strong>ichprobe<br />
übereinstimmt.<br />
6.3.2.3 Bekanntheit und Einfluss der ISO Normen<br />
Von besonderem Interesse war die Frage, ob den Befragten die ISO Normen der<br />
14000 Reihe bekannt sind und ihre Arbeit beeinflusst haben.<br />
Dies ist im Falle der Umweltmanagement-Norm ISO 14001 durchwegs der Fall: 80%<br />
gaben hierzu eine positive Antwort, unter den Zertifizierten sind es 96%.<br />
90%<br />
88.3%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
20.4%<br />
17.9%<br />
12.5%<br />
7.5%<br />
0%<br />
14001-<br />
14004<br />
14010-<br />
14012<br />
14040-<br />
14043<br />
14031-<br />
14032<br />
14020-<br />
14025<br />
Abbildung 6.15: Einfluss von ISO Normen auf die Arbeit der Befragten<br />
Bei den anderen Normen ergibt sich ein differenzierteres Bild: Zwar verpflichten sich die<br />
Zertifizierten zur Verbesserung der Umweltleistung, die entsprechenden Normen ISO<br />
14031/14032 sind aber von geringer Bedeutung: nur 12.5% der <strong>St</strong>ichprobe bejahten<br />
einen Einfluss auf ihre Arbeit. Selbst diejenigen Unternehmen, welche Umweltkennzahlen<br />
verwenden, messen dieser Norm mit 20% keine grosse Bedeutung zu.<br />
Die Normen zur Umweltkennzeichnung von Produkten –unter anderem TR 14025 –<br />
erhielten die geringste Auszeichnung für ihren Einfluss auf die Befragten: nur 7.5%
212 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
stellen einen solchen fest. Es zeigte sich kein Unterschied, ob die Unternehmen exportoder<br />
binnenmarktorientiert waren. Hingegen bestand ein klarer Zusammenhang mit der<br />
Unternehmungsgrösse: Befragte mit mehr als 5000 Mitarbeitenden erkannten zu 20%<br />
einen Einfluss, bei den anderen Unternehmen sinkt der Wert von 8% bis auf 2% ab.<br />
Bei Personen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit Umweltkommunikation, resp.<br />
Produktökologie wahrnehmen lag die Quote bei geringen 12%, resp. 13%. Von den<br />
Produktökobilanzierenden gaben ebenfalls nur 15% an, die Norm sei Ihnen bekannt,<br />
resp. habe Einfluss auf ihre Arbeit.<br />
Die Normen zur Produktökobilanzierung – ISO 14040ff – sind mit 17.9% an der<br />
Gesamtstichprobe ebenfalls von geringer Bedeutung. Selbst bei der Gruppe Produktökobilanzierender<br />
ergab sich ein geringer Wert von 29%.<br />
Hingegen konnte ein deutlicher Zusammenhang zur Erfahrung der Befragten<br />
beobachtet werden: die erst seit relativ wenigen Jahren (0-2 J.: 5% /2-5 J.: 11%) mit<br />
Umweltfragen beschäftigten Personen unterscheiden sich deutlich von denjenigen, die<br />
bereits mehr als 6 Jahre Erfahrung ausgewiesen haben (6-10 J.: 30% / >10 J.: 32%).<br />
Ebenfalls deutlich ist der Zusammenhang zwischen Unternehmungsgrösse und<br />
Bedeutung: 40% der Unternehmen mit mehr als 5'000 und 33% der antwortenden<br />
Unternehmen mit 501 -5'000 Mitarbeitenden kennen die Norm, resp. gaben an, dass<br />
sie ihre Arbeit beeinflusst. Bei den kleineren Unternehmen liegt der Wert mit 13% (51 -<br />
500) und 4% (1 - 50 Mitarbeitende) deutlich niedriger.<br />
6.3.2.4 Arten von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen und ihre Beurteilung<br />
Den Teilnehmenden die angaben unternehmungsbezogene Bilanzen zu verwenden,<br />
wurde eine (Mehrfach-)Auswahl verschiedener Methoden unterbreitet. In einem zweiten<br />
Schritt hatten sie den Zeitpunkt des Einsatzes zu deklarieren und schliesslich in einem<br />
dritten Schritt die wirksamste Methode anzugeben. Als „wirksam“ wurde in den<br />
Erläuterungen zur Frage der „Lerneffekt/Erkenntnisgewinn, resp. Einfluss auf Inhalt und<br />
Ausrichtung des UMS und des darin geforderten kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“<br />
definiert.<br />
Es zeigt sich, dass Energiebilanzen in fast 70% der unternehmungsbezogen<br />
bilanzierenden Unternehmen zur Anwendung kommen. Sie wurden in über 30% der<br />
Unternehmen bereits länger als 5Jahre eingesetzt und damit häufig schon vor der ISO<br />
14001 Zertifizierung. Nur 11% der Zertifizierten verfügen über keine Energiebilanz. Für<br />
20% der Antwortenden ist diese Methode die wirksamste.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 213<br />
Abbildung 6.16: Einsatz und Beurteilung verschiedener Bilanzierungsarten<br />
Input-Output-Bilanzen werden von rund 65% der Befragten eingesetzt und von 71% der<br />
Zertifizierten. Sie bestand nur in wenigen Fällen längere Zeit vor einer Zertifizierung und<br />
wird von 24% als das wirksamste Instrument bezeichnet. Hier erscheint der Einfluss des<br />
UMS-Aufbaus erkennbar – dies obwohl die Norm nicht explizit eine solche Bilanz<br />
erfordert.<br />
Emissionsstatistiken sind bei 48.3% der unternehmungsbezogen Bilanzierenden im<br />
Einsatz und für 8.1% das wirksamste Instrument. Die Methodik zählt nicht wirklich zu<br />
den Bilanzierungsarten, da jeweils nur Outputs ohne Einbezug der Inputs erfasst<br />
werden. Ähnlich wie bei der Energiebilanzierung lässt sich feststellen, dass Emissionsstatistiken<br />
häufig schon vor der Zertifizierung eingesetzt wurden.<br />
CO 2 -und VOC-Bilanzen sind unter den Antwortenden ebenfalls weit verbreitet (48.3%,<br />
37.6%). Bei CO 2 -Bilanzen zeigt sich, dass viele Unternehmen erst vor kurzem<br />
begonnen haben diese Emissionen und die zugrundeliegenden Inputs zu erfassen.<br />
Auch bei schon seit längerem zertifizierten Unternehmen (beispielsweise 1998 -2001)<br />
ist dieses Instrument in vielen Fällen erst vor 1 - 2 Jahren eingeführt worden (35%). Hier<br />
dürfte das CO 2 -Gesetz einen starken Einfluss ausüben, welches vorsieht, dass mittels
214 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
freiwilliger Vereinbarungen eine Befreiung von einer allenfalls einzuführenden CO 2 -<br />
Abgabe erwirken kann, wer den Nachweis seiner Zielerfüllung erbringen kann. 8.1%<br />
sehen in diesem Instrument das wirksamste.<br />
VOC-Bilanzen sind bereits heute für das Erreichen einer <strong>St</strong>euerbefreiung erforderlich.<br />
Wer nachweist, dass die eingekauften VOC nicht in die Umwelt gelangen, kann die<br />
bezahlte <strong>St</strong>euer zurückfordern. Je nach Branche ist die Erstellung solcher Bilanzen also<br />
ökonomisch attraktiv. Entsprechend erstellen auch 12 von 13 Chemie-, resp. Pharma-<br />
Unternehmen sowie 4 von 5 aus der Kunststoffindustrie sowie eine Mehrheit der<br />
Betriebe in den Branchen Druck/Karton/Papier, Maschinen sowie <strong>St</strong>ahl/ Metallverarbeitung<br />
solche Bilanzen. Sie wurden vor allem in der Zeit von 1998 - 2003<br />
eingeführt –also kurz nach Einführung der VOC-Abgabe. Für 5.4% sind VOC-Bilanzen<br />
das wirksamste Instrument.<br />
Umweltkennzahlen werden von 28.9% eingesetzt und stellen für 19.5% das wirksamste<br />
Instrument dar. Diese Kategorie ist allerdings wenig aussagekräftig, da der Begriff<br />
selbst unbestimmt ist.<br />
Die Einführung von Gefahrstoffbilanzen scheint jeweils zeitlich mit der Zertifizierung eng<br />
zusammen zu fallen. Rund 20% der Befragten setzen diese ein. Sie werden jedoch<br />
nicht als wirksam bezüglich Lerneffekt, resp. für die Ausrichtung des UMS erachtet.<br />
Umweltbilanzen, welche eine Input-Output-Bilanz sowie Methoden der Wirkungsanalyse<br />
oder Gewichtung umfassen, sind für uns von besonderem Interesse.<br />
Gewichtete Umweltbilanzen werden von 18.8% der <strong>St</strong>ichprobe verwendet und von 7.4%<br />
als wirksamste Methode taxiert, während Wirkungsbilanzen von 13.4% eingesetzt –<br />
aber nur von 2.7% als wirksamste Methode eingestuft werden.<br />
Es zeigt sich, dass Bewerteten Bilanzen (Wirkungsanalyse und/oder Gewichtung)<br />
schon überdurchschnittlich lange eingesetzt werden und bei den erst kürzlich<br />
zertifizierten Unternehmen jedoch nicht mehr besonders hervortreten. Diese<br />
Konstellation deutet darauf hin, dass sie einerseits nachhaltig -da über lange Zeit -<br />
eingesetzt werden. Anderseits werden sie immer weniger häufig neu eingeführt.<br />
Relativ zu den anderen Methoden werden gewichtete Umweltbilanzen überdurchschnittlich<br />
häufig als wirksamstes Instrument beurteilt.<br />
Umweltkostenrechnung wird von 16.1% der befragten unternehmungsbezogen<br />
Bilanzierenden eingesetzt, jedoch nur von 3.4% als wirksamste Methode genannt.<br />
Viele Unternehmen setzen mehrere der abgefragten Methoden ein: über ein Drittel<br />
sogar mehr als 5, knapp 75% mindestens 3und lediglich 12.8% setzen nur eine der<br />
genannten Methoden ein.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 215<br />
Methode und Jahr ISO-Zertifizierung<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
40.0%<br />
47.4%<br />
53.3%<br />
40.0%<br />
30%<br />
26.3%<br />
26.7%<br />
26.3%<br />
20%<br />
20.0%<br />
20.0%<br />
10%<br />
0%<br />
1995-<br />
1997<br />
1998-<br />
2001<br />
2002-<br />
2003<br />
Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />
Abbildung 6.17: Gruppen von Bilanzmethoden nach Zeitpunkt der Zertifizierung<br />
Für die detaillierte Befragung zur Ausgestaltung, Einsatz und Beurteilung (Teile C+D)<br />
wurden nur Unternehmen einbezogen, welche Schadstoffbilanzen (CO 2 -, VOC-, Gefahrstoffbilanzen),<br />
Input-Output-Bilanzen oder Bewertete Bilanzen (wirkungsorientierte oder<br />
gewichtete Umweltbilanzen) einsetzen. Zudem haben nicht alle entsprechenden<br />
Unternehmen den Detailfragebogen ausgefüllt. Die nachfolgenden Auswertungen<br />
beziehen sich also auf eine eingeschränkte <strong>St</strong>ichprobe (N=73).<br />
Wir betrachten zunächst diejenigen Fragen, welche für die Ausgestaltung und<br />
Beurteilung von unternehmungsbezogenen Bilanzen spezifisch sind. Danach werten wir<br />
die produktökobilanzspezifischen Merkmale aus, bevor schliesslich die für beide<br />
Anwendungsarten gleichsam relevanten Ergebnisse zusammen diskutiert werden.<br />
6.3.3 Auswertung unternehmungsspezifischer Aspekte<br />
6.3.3.1 Datenerfassung, Systemgrenzen, Auflösungsvermögen<br />
Die unternehmungsbezogene Bilanzierung von <strong>St</strong>offflüssen wird vorwiegend auf das<br />
Unternehmen als ganzes (61.1%) und/oder auf einzelne <strong>St</strong>andorte bezogen (41.1%).<br />
Eine weitere Differenzierung nach Abteilungen oder Prozessen ist wenig verbreitet (je<br />
5.5%). Das organisatorische Auflösungsvermögen ist also als gering zu bezeichnen.
216 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Vollständigkeit der Erfassung wird von 63% als hoch -entsprechend 80%-100% der<br />
relevanten <strong>St</strong>offe -eingestuft. 35% der Antwortenden geben an, dass die von ihnen<br />
erstellten Bilanzen zwischen 50%-79% der tatsächlichen Flüsse erfassen.<br />
Der Erhebungsrhythmus liegt in den meisten Fällen (75%) bei einem Jahr. Mit 17%<br />
erfasst dennoch eine beachtliche Anzahl ihre Bilanzen quartalsweise. In dieser Gruppe<br />
finden sich vorwiegend Input-Output-Bilanzen und CO 2 -Bilanzen, vereinzelt auch VOC<br />
und gewichtete Umweltbilanzen.<br />
Bilanzierungstools<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
53.3%<br />
68.2%<br />
66.7%<br />
53.3%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Keines dieser<br />
Tools<br />
25.0%<br />
9.1%<br />
6.7%<br />
<strong>St</strong>offluss-<br />
Diagramme<br />
20.0%<br />
13.6%<br />
8.3%<br />
11.1%<br />
13.3%<br />
5.6%<br />
6.7%<br />
6.7%<br />
2.8% 4.6% 4.6%<br />
0.0% 0.0%<br />
0.0%<br />
<strong>St</strong>offbilanz-<br />
Software<br />
<strong>St</strong>offstrom-<br />
Modellierung<br />
Ökobilanz-<br />
Software<br />
Energiebilanz-<br />
Software<br />
ERP-<br />
System<br />
13.6%<br />
11.1%<br />
0.0%<br />
Tabellenkalkulation<br />
Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />
Abbildung 6.18: Eingesetzte Hilfsmittel zur Erstellung der Bilanzen<br />
Die Erstellung der Bilanzen erfolgt zu 89% durch interne Teams, dass heisst eine reine<br />
Erstellung durch Berater erfolgt in 11% der Fälle. 23.3% der antwortenden Unternehmen<br />
ziehen einen Berater bei. Vereinzelt erfolgt die Erhebung im Rahmen einer<br />
Arbeitsgemeinschaft, resp. eines Verbands. Interessant ist hier eine gesonderte
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 217<br />
Betrachtung nach Bilanz-Methodik: Es zeigt sich, dass wirkungsorientierte und<br />
gewichtete Bilanzen (Bewertete Bilanzen) in 53% der Fälle durch und/oder in<br />
Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen erstellt werden und dass 25% dieser<br />
Gruppe die Bilanzierung allein durch Externe erstellen lassen. Die beiden anderen<br />
Gruppen (Schadstoffbilanzen, resp. Input-Output-Bilanzen) werden hingegen zu 91%,<br />
resp. 94% intern erstellt, wobei die Beratungsquote mit jeweils 18%, resp. 14%<br />
geringer ausfällt.<br />
Ein deutlicher Unterschied lässt sich auch bezüglich der eingesetzten Hilfsmittel<br />
feststellen: die Anwendenden der Gruppe Bewertete Bilanzen setzen deutlich häufiger<br />
spezifische Software ein und in 53% der Fälle kommt Ökobilanz-Software zum Einsatz.<br />
Unabhängig von der Bilanzierungsmethodik kommen mehrheitlich Tabellenkalkulations-<br />
Programme zur Anwendung, wobei in der Gruppe der Input-Output-Bilanzierenden in<br />
immerhin 25% der Unternehmen keines der genannten Hilfsmittel eingesetzt wird.<br />
Produktnutzung 2<br />
Rohmaterial/Halbfabrikate 4<br />
Zugekaufte Transporte 7<br />
Eigene Transporte 9<br />
Energiebereitstellung 9<br />
Abfallentsorgung 9<br />
N 12 von 71<br />
Abbildung 6.19: Berücksichtigte Elemente in erweiterten Systemgrenzen<br />
Abbildung 6.20 : Beurteilung des Nutzens erweiterter Systemgrenzen<br />
Von besondere Interesse für uns ist die Frage, ob die Unternehmen um Vor- oder<br />
Nachstufen erweiterte Systemgrenzen verwenden. Dies ist aber bei der dominierenden<br />
Mehrheit nicht der Fall: rund 80% der Bilanzen bezieht sich ausschliesslich auf den<br />
<strong>St</strong>andort, resp. das Unternehmen. Rund 12 -entsprechend 17% -der Antwortenden<br />
schliessen Elemente ausserhalb des Werkareals mit ein: davon lediglich 2<br />
Unternehmen die Nutzung ihrer Produkte oder 4 Unternehmen die Vorstufen der<br />
beschafften Materialien. 9 Unternehmen – entsprechend 12% der <strong>St</strong>ichprobe –
218 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
beziehen <strong>St</strong>offflüsse aus der Energiebereitstellung und/oder der Abfallentsorgung in<br />
ihre Betrachtung mit ein. Auch Transporte werden einbezogen. Es scheint, dass die -<br />
durch verfügbare Ökoinventare des BUWAL, resp. der ETH – wissenschaftlich<br />
fundierten Elemente häufiger einbezogen werden (Energie, Abfall, Transporte) als die<br />
häufig sehr heterogenen Materialien der Unternehmen.<br />
Nach dem Nutzen einer erweiterten Betrachtungsweise befragt, äusserten sich dennoch<br />
rund 37% der Befragten positiv, während rund 18% die Antwortmöglichkeit „Weiss<br />
nicht“ wählte. Das deutet darauf hin, dass diese noch keine Überlegungen dazu<br />
angestellt haben, jedoch nicht grundsätzlich dagegen eingestellt sind. Diese Einstellung<br />
scheint von der gewählten Bilanzierungsmethode unabhängig zu sein: es finden sich bis<br />
auf die Kategorien wirkungsorientierte, resp. gewichtete Umweltbilanzen jeweils<br />
ungefähr gleich viele Ja und Nein. Bei den beiden genannten Bilanzierungsarten ist die<br />
Einschätzung zum Nutzen erweiterter Systemgrenzen jedoch mit deutlicher Mehrheit<br />
positiv und es finden sich keine Weiss Nicht Antworten in diesen Kategorien.<br />
Das Auflösungsvermögen der Bilanzen –also die Anzahl Sachbilanz-Indikatoren wurde<br />
in zwei Schritten erfasst: zunächst wurde nach der Anzahl erfasster Indikatoren (Messdaten:<br />
beispielsweise Heizöl, Benzin, <strong>St</strong>ahl, etc.), danach nach der Anzahl<br />
ausgewerteter Indikatoren gefragt (beispielsweise <strong>St</strong>rom umgerechnet in Primärenergieträger).<br />
Dies jeweils getrennt für Inputs und Outputs. Eine grosse Differenz<br />
zwischen erfassten und ausgewerteten Indikatoren würde auf den Einsatz generischer<br />
Daten (Emissionsfaktoren, resp. Ökoinventare) schliessen lassen.<br />
Die Antworten zeigen, dass die Datenerfassung nur in wenigen Fällen 20 Input-<br />
Faktoren überschreitet (14%); einem Viertel der Bilanzen liegen zwischen 11 und 20<br />
erfasste Input-Indikatoren zugrunde. Ein Drittel erhebt zwischen 6und 10 und rund 26%<br />
zwischen 0und 5Inputs. Die Auswertung nach Input-Faktoren erfolgt dann mehrheitlich<br />
mit weniger als 50 Indikatoren (73.6%), während 13% der Sachbilanz Input-seitig über<br />
mehr als 51 Indikatoren ausweisen. Das lässt darauf schliessen, dass Input-seitig<br />
generische Daten zur Umrechnung nur selten zur Anwendung kommen.<br />
Bei den Output-Indikatoren zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei hier differenzierter nach<br />
ausgewerteten Output-Indikatoren gefragt wurde: Etwas über ein Drittel der<br />
Unternehmen erfasst 0–5Outputs und wertet auch entsprechend aus, das trifft auch<br />
für ein knappes zweites Drittel zu, deren Sachbilanzen ein Auflösungsvermögen<br />
zwischen 6–10 Outputs auf der Erfassungs- wie auch auf der Auswertungsebene<br />
aufweist. Output-seitig sind die Sachbilanzen aber tendenziell umfassender: Ein Drittel<br />
erfasst mehr als 11 Indikatoren, davon wiederum ein Drittel mehr als 20 (entsprechend<br />
12.5% der <strong>St</strong>ichprobe).
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 219<br />
Abbildung 6.21: Erfasste und ausgewertete Output-Indikatoren<br />
Betrachtet man die jeweilige Branche, so zeigt sich kein besonders starker<br />
Zusammenhang mit dem Auflösungsvermögen der ausgewerteten Output-Indikatoren:<br />
In allen Branchen finden sich Nennungen in mindestens drei der zur Auswahl<br />
stehenden Kategorien, bei insgesamt wenigen Fällen pro Branche. Dies trifft nur für die
220 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Banken und Versicherungen nicht zu (die zwei ersten Kategorien) sowie Kunststoffe<br />
(die ersten zwei Kategorien). Eine gewisse Tendenz ergibt sich allenfalls beim Bau- &<br />
Baunebengewerbe mit 6von 8in der ersten Kategorie (0-5 Outputs) sowie den Banken<br />
und Versicherungen (4 von 5 in Kategorie 6-10).<br />
Ausgewertete Output-Indikatoren 0 - 5 6 - 10 11 - 50 51 - 100 Weiss nicht<br />
VOC-Bilanz 4 3 1 0 0<br />
CO2-Bilanz 7 2 0 0 1<br />
Gefahrstoffbilanzen 0 0 2 0 0<br />
Input-Output-Bilanz 14 11 5 2 4<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz 1 2 1 0 0<br />
Bewertete Umweltbilanz 1 5 2 2 1<br />
71 27 23 11 4 6<br />
Abbildung 6.22: Anzahl ausgewertete Output-Indikatoren nach Bilanzmethoden<br />
Mit 51 –100 ausgewerteten Outputs bei 11.1% der Bilanzierenden verfügt dennoch ein<br />
gewisser Anteil über recht hoch aufgelöste Output-seitige Sachbilanzen. Es kann<br />
angenommen werden, dass hier Ökoinventare zur Anwendung kommen.<br />
Erwartungsgemäss besteht ein Zusammenhang mit der Art der Bilanzierung.<br />
Es zeigt sich, dass Input-Output-Bilanzen häufig mit einem eher geringen Outputseitigen<br />
Auflösungsvermögen erstellt werden.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 221<br />
6.3.3.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung<br />
83.6%<br />
65.8%<br />
Umweltleistungsmessung<br />
Risiko-Management<br />
Interne Kommunikation<br />
Externe Kommunikation<br />
Identifikation Umweltbelastungstreiber<br />
Identifikation Umweltkostentreiber<br />
Externes Benchmarking<br />
Marketing<br />
Anderes<br />
61.6%<br />
53.4%<br />
45.2%<br />
43.8%<br />
37.0%<br />
31.5%<br />
30.1%<br />
26.0%<br />
21.9%<br />
13.7%<br />
1.4%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Abbildung 6.23: Zweck der unternehmungsbezogenen Bilanzen<br />
Die Bilanzen werden erwartungsgemäss vorwiegend für wichtige Funktionen des UMS eingesetzt. Dabei<br />
kommen für die genannten Zwecke jeweils alle Arten von Bilanzen zur Anwendung.
222 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Eine leichte Differenzierung ergibt sich bei den Schadstoffbilanzen: So werden VOCund<br />
Gefahrstoffbilanzen von den Anwendenden besonders deutlich dem Zweck der<br />
Gesetzeseinhaltung zugeordnet, (VOC: 6von 8/Gefahrstoff 2von 2). CO 2 -Bilanzen<br />
wurden besonders deutlich dem Risikomanagement (9 von 12) zugeordnet. Ebenfalls<br />
eine Differenzierung ergab sich bei den gewichteten Bilanzen: Sie wurden besonders<br />
einhellig der Umweltleistungsmessung zugeordnet (11 von 11) und fanden zudem –im<br />
Vergleich zu den anderen Methoden -häufig für die interne und externe Kommunikation<br />
Erwähnung (7 von 11).<br />
2.8 5.6<br />
42.3<br />
49.3<br />
3.1<br />
30.8<br />
41.5<br />
24.6<br />
Einkauf & Beschaffung<br />
Produktion<br />
Forschung & Entwicklung<br />
Marketing & Verkauf<br />
Finanz- & Rechnungswesen<br />
Personalwesen<br />
4.5 40.9<br />
6.2 30.8<br />
20.4<br />
6.8<br />
44.4<br />
42.9<br />
Abbildung 6.24: Nutzung der Bilanzen in den Funktionsbereichen<br />
31.8<br />
44.6<br />
29.6<br />
31.5<br />
50.8<br />
28.8<br />
40.7<br />
37.5<br />
21.2 1.5<br />
18.5<br />
11.1 7.4<br />
6.8 6.8<br />
1.9<br />
5.6 7.4<br />
1.8<br />
10.7 7.1<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />
Die Frage, wer im Unternehmen wie intensiv mit den Bilanzen arbeitet, zeigt deutlich,<br />
dass vorwiegend die Fachstelle Umwelt sowie das Management und die Produktion als<br />
ständige oder häufige Anwendende genannt werden.<br />
Von den verschiedenen Methoden wird die CO 2 -Bilanzierung relativ häufig im Marketing<br />
eingesetzt. Ansonsten zeigen sich keine nennenswerten methodenspezifischen<br />
Differenzierungen, dass heisst die Fälle verteilen sich bei allen Methoden in etwa gleich.<br />
Neben dem Zweck und der Nutzung in den Funktionsbereichen interessiert uns der<br />
Grad der Institutionalisierung der Bilanzen. Anhand von drei vorgegebenen Profilen -
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 223<br />
die wir in Anlehnung an die Typologie von Frankl 368 charakterisiert haben - war zu<br />
beschreiben, wie stark die Methoden organisatorisch verankert sind. Die drei Phasen<br />
wurden wie folgt beschrieben:<br />
- <strong>St</strong>artphase / Innovation<br />
<strong>St</strong>off- und Energiebilanzen sind relativ neue Instrumente. Sie werden von<br />
Spezialisten in einem begrenzten Teilbereich der Unternehmung angewendet.<br />
Die Projekte haben Pilotcharakter und nur wenige Personen sind eingebunden.<br />
- Lernphase / Adaption<br />
<strong>St</strong>off - und Energiebilanzen werden von einer steigenden Zahl von Personen<br />
und in verschiedenen Teilbereichen der Unternehmung eingesetzt. Die<br />
Instrumente werden verfeinert und auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten.<br />
- Routine / Integration<br />
<strong>St</strong>off - und Energiebilanzen sind in verschiedene Entscheidungsprozesse<br />
integriert, haben einen hohen <strong>St</strong>and (Erfassungstiefe/Vollständigkeit) erreicht und<br />
werden von Linienverantwortlichen routinemässig eingesetzt.<br />
Routine /<br />
Integration<br />
23.6%<br />
<strong>St</strong>artphase /<br />
Innovation<br />
19.4%<br />
Lernphase /<br />
Adaption<br />
56.9%<br />
Abbildung 6.25: Institutionalisierungsgrad unternehmungsbezogener Bilanzierung<br />
Die Mehrheit der bilanzierenden Unternehmen ordnet ihre Aktivitäten der Lernphase<br />
und Adaption zu, während rund ein Viertel der Antwortenden angibt, dass Bilanzen in<br />
ihrem Unternehmen weitgehend institutionalisiert sind. Dabei ist interessant zu<br />
beobachten, dass der Institutionalisierungsgrad einiger Unternehmen, welche Bilanzen<br />
schon seit mehr als 5 Jahren einsetzen noch immer der <strong>St</strong>art- oder Lernphase<br />
zugeordnet werden. Das deutet darauf hin, dass der <strong>St</strong>ellenwert der Methoden<br />
stagniert, der wahrgenommene Nutzen für eine weitergehende Integration nicht<br />
ausreicht oder mag auch ein Indiz für eine grundsätzlich beschränkte Bedeutung des<br />
Umweltmanagements im Unternehmen sein.<br />
368<br />
Frankl, P.: Life Cycle Assessment as aManagement Tool, Working Paper, Centre for the Management<br />
of Environmental Resources, INSEAD, Fontainebleau, 2001, S 4 - 8.
224 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Die Institutionalisierungsgeschwindigkeit scheint unabhängig von der eingesetzten<br />
Methodik zu sein, mit Ausnahme der CO 2 -Bilanzen, welche auch in Unternehmen, die<br />
sie erst seit kurzem nutzen, bereits relativ häufig in der Adaptions- oder gar Routinephase<br />
eingestuft werden.<br />
Neben dem explizit mit Aufgaben des Umweltmanagements verbundenen Zweck der<br />
unternehmungsbezogenen <strong>St</strong>offbilanzierung hat Kytzia aus Sicht des Informationsmanagements<br />
drei Funktionen von Ökobilanzen beschrieben und anhand von<br />
Fallstudien qualitativ illustriert. 369 Sie spricht von einer integrativen Funktion, einer<br />
steuernden Funktion und einer organisatorischen Funktion. Für uns war deshalb von<br />
Interesse, ob sich die entsprechenden Wirkungen auch quantitativ bestimmen lassen.<br />
Dazu wurden die Funktionen kurz beschrieben und die Zustimmung der Antwortenden<br />
zum Eintreffen der entsprechenden Wirkungen abgefragt:<br />
- Integrative Wirkung<br />
Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu beigetragen haben, dass<br />
bestehende Informationsquellen (z.B. Rechnungswesen, Emissionsstatistiken,<br />
Einkaufsdaten, Produktionsdaten, etc.) erweitert oder konsistenter gestaltet<br />
wurden<br />
- <strong>St</strong>euernde Wirkung<br />
Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu beigetragen haben, dass Umfang<br />
und <strong>St</strong>ruktur der Umweltleistung der Unternehmung besser geplant und gesteuert<br />
werden können (z.B. durch faktenbasierte Konzentration auf das Wesentliche,<br />
quantifizierte Ziele/Kennzahlen etc.)<br />
- Organisatorische Wirkung<br />
Sind Sie der Meinung, dass durch die Bilanzierung die organisatorische <strong>St</strong>ellung<br />
und Einbindung der Umweltabteilung gestärkt und/oder die Führung von<br />
Arbeitsgruppen, Mitarbeiterinformation, Vorschlagswesen etc. positiv unterstützt<br />
wurde<br />
Das Eintreten dieser Wirkungen wurde durch die Befragten mehrheitlich bestätigt: über<br />
50% stimmen der Aussage zur integrativen Wirkung zu, über 80% bejahen das<br />
Eintreten der steuernden Wirkung und für 65% ist auch die organisatorische Wirkung<br />
feststellbar.<br />
Die Wirkung ist zumindest im Falle der <strong>St</strong>euerungsfunktion eindeutig vom Grad der<br />
Institutionalisierung abhängig und linear ansteigend. Die entsprechenden Resultate für<br />
die Integrations- und Organisationsfunktion zeigen gegenüber der <strong>St</strong>artphase eine<br />
besonders hohe Zustimmung in der Adaptionsphase. Dies ist in beiden Fällen<br />
zumindest plausibel: die integrative Vernetzung der Datenquellen wird insbesondere<br />
dann eintreten, wenn die Bilanzierung aus dem <strong>St</strong>adium eines Projektes heraustritt.<br />
369<br />
Kytzia, 1995, S. 129 – 142 sowie 148 – 173.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 225<br />
Und die organisatorische Aufwertung der, resp. eine erhöhte Aufmerksamkeit für die<br />
Umweltabteilung sollte mit zunehmender Integration der Umweltbelange in die<br />
normalen Geschäftsprozesse und die Linienorganisation nicht mehr so intensiv<br />
wahrgenommen werden, wie in der Phase der Adaption.<br />
Zustimmung betreffend Wirkungen<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
35.7%<br />
57.5%<br />
52.9%<br />
71.4%<br />
80.0%<br />
100.0%<br />
42.9%<br />
75.0%<br />
64.7%<br />
Integrative<br />
Wirkung<br />
<strong>St</strong>euernde<br />
Wirkung<br />
Organisatorische<br />
Wirkung<br />
<strong>St</strong>artphase / Innovation Lernphase / Adaption Routine / Integration<br />
Abbildung 6.26: Zusammenhang zwischen Institutionalisierung und Wirkung<br />
Bezüglich der eingesetzten Methoden zeigt sich, dass die Anwendenden von<br />
gewichteten Umweltbilanzen relativ zu den anderen Methoden der Integrationsfunktion<br />
der Bilanzierung am deutlichsten Zustimmen (9 Ja zu 1 Nein). Bei Input-Output-<br />
Bilanzen wird diese Wirkung knapp mehrheitlich (16 Ja zu 14 Nein) festgestellt. Bei den<br />
anderen Methoden sind die Unterschiede in der Zustimmung nicht signifikant.<br />
Die <strong>St</strong>euerungsfunktion wir von den Anwendenden aller Methoden mehrheitlich<br />
bestätigt. Wobei bei CO 2 - und VOC-Bilanzierenden diese Zustimmung insgesamt<br />
weniger deutlich ausfiel als bei den anderen Methoden.<br />
Bezüglich der organisatorischen Wirkung ist die Zustimmung seitens der Unternehmen,<br />
die wirkungsorientierte sowie gewichtete Bilanzen einsetzen wiederum relativ deutlicher<br />
ausgeprägt (3 Ja, resp. 8 von 3). Dies ist auch bei CO 2 -Bilanzierenden der Fall (8 von 3)
226 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
und auch die die Zustimmung seitens der Input-Output-Bilanzierenden fällt deutlich aus<br />
(22 Ja zu 9 Nein). Bei den anderen Methoden zeigt sich keine Differenzierung.<br />
Die umfassende Beurteilung der Methoden sowie die generelle Einschätzung von<br />
Nutzen und Ertrag wurde für die unternehmungsbezogene und die produktbezogene<br />
Bilanzierung in gleicher Weise vorgenommen. Wir diskutieren die entsprechenden<br />
Ergebnisse deshalb gemeinsam, nachdem wir zunächst die unternehmungsspezifischen<br />
und die produktspezifischen Aspekte auswerten.<br />
6.3.3.3 Beurteilung der unternehmungsbezogenen Bilanzierung<br />
Zur Beurteilung wurden vier geschlossene Fragen zu oft angeführten Kritikpunkten<br />
gestellt. Sie wurden deshalb bewusst negativ formuliert.<br />
Hohe Komplexität:<br />
„Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität der Bilanzierung ausserordentlich hoch<br />
ist“<br />
Unklare Ergebnisse<br />
„Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind“<br />
Unsichere Daten<br />
„Denken Sie, dass die für Bilanzen verwendeten Daten in problematischen Ausmass<br />
unsicher sind“<br />
Geringe Akzeptanz<br />
„Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer Ansicht nach auf<br />
grosses Misstrauen“<br />
Die Antworten zeigen insgesamt ein deutliches Bild: 45% aller Antwortenden erachten<br />
die Komplexität als ausserordentlich hoch, 24% die Ergebnisse als unklar, 10% halten<br />
die Datengrundlage für unsicher und etwas über 10% stellen eine geringen Akzeptanz<br />
fest. Damit ist die Beurteilung insgesamt positiv bis sehr positiv.<br />
Es wäre plausibel anzunehmen, dass die methodische Komplexität in diesen Fragen<br />
einen negativen Einfluss auf die Beurteilungen haben sollte. Es zeigt sich jedoch eher<br />
das Gegenteil: Die von ihrer Methodik und Datengrundlagen eher komplexen wirkungsorientierten<br />
und gewichteten Bilanzen werden bezüglich Klarheit des Resultats und<br />
Akzeptanz am positivsten beurteilt, obschon die Bilanzierung selbst mehrheitlich als<br />
komplex wahrgenommen wird. Die Schadstoffbilanzen (VOC, CO 2 , Gefahrstoffe)<br />
scheinen am ehesten unklare Ergebnisse zu erzeugen und die Daten werden auch<br />
tendenziell als unsicherer wahrgenommen.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 227<br />
Zustimmung betreffend Beurteilung<br />
60%<br />
50%<br />
52.4%<br />
53.3%<br />
40%<br />
37.1%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
28.6%<br />
22.9%<br />
20.0%<br />
19.1%<br />
5.7% 6.7%<br />
14.3%<br />
11.4%<br />
6.7%<br />
0%<br />
Komplexität<br />
hoch<br />
Ergebnisse<br />
unklar<br />
Daten<br />
unsicher<br />
Akzeptanz<br />
tief<br />
Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />
Abbildung 6.27: Beurteilung kritischer Aspekte der Bilanzierung<br />
Der zunächst paradox erscheinende Befund kann verschiedene Ursachen haben –u.a.<br />
den Glauben an die Modelle und die verwendete Software und sozusagen ein gewisser<br />
Immunisierungseffekt durch Komplexität. Anderseits haben wir festgestellt, dass die<br />
Bewerteten Bilanzen überdurchschnittlich häufig in Zusammenarbeit mit oder gänzlich<br />
durch Berater erfolgt. Somit könnte auch die Autorität der entsprechenden Persönlichkeiten<br />
positiv auf die Akzeptanz und Klarheit der Ergebnisse wirken.<br />
6.3.4 Auswertung produktspezifischer Aspekte<br />
Insgesamt gaben im allgemeinen Teil der Befragung 66 Unternehmen an, Produktökobilanzen<br />
zu erstellen.<br />
Den detaillierten Fragebogen zur Produktökobilanzierung haben schliesslich 27<br />
Unternehmen beantwortet. Die nachfolgenden Auswertungen beziehen sich auf diese<br />
<strong>St</strong>ichprobe. Von diesen Antwortenden setzen 26% Produktökobilanzen schon seit mehr<br />
als 5Jahren ein, rund 40% verfügen über 3–5Jahre Erfahrung und weitere 26%<br />
setzen das Instrument erst seit kurzem ein. Insgesamt bildet damit die <strong>St</strong>ichprobe<br />
mehrheitlich die Einschätzungen von Personen ab, die über eine gewisse Erfahrung mit<br />
Produktökobilanzen verfügen.
228 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 6.28: Produktökobilanzen nach Branchen<br />
6.3.4.1 Umfang, Erstellung und Auflösungsvermögen<br />
Die Unternehmen wenden LCA mehrheitlich selektiv - sowohl für die Beurteilung<br />
bestehender als auch neuer -Produkte an. Nur bei 2der antwortenden Unternehmen<br />
werden alle Produkte untersucht.<br />
7.7%<br />
11.5%<br />
Nur für ökologisch<br />
positionierte Produkte<br />
Für alle neuen Produkte<br />
50.0%<br />
15.4%<br />
7.7%<br />
7.7%<br />
Für sämtliche Produkte<br />
Für einige neue<br />
Produkte<br />
Für einige bestehende<br />
Produkte<br />
Für einige bestehende<br />
und neue Produkte<br />
Abbildung 6.29: Umfang der Produktökobilanzierung<br />
Es handelt sich dabei um mittlere Unternehmen. Eines stammt aus der Kunststoffindustrie,<br />
das andere stammt aus der Kategorie „andere Industrien“. Eine Konzentration
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 229<br />
der Anwendung auf ausschliesslich ökologisch positionierte Produkte nannten 4<br />
Unternehmen.<br />
Im Vergleich zur unternehmungsbezogenen Bilanzierung werden LCAs häufiger durch<br />
externe <strong>St</strong>ellen erarbeitet: Berater, Forschungseinrichtungen und Arbeitsgemeinschaften/Verbände<br />
sind deutlich häufiger an der Erstellung beteiligt und ein Drittel der<br />
Unternehmen vergibt die Arbeiten vollständig an Dritte.<br />
Interne Teams<br />
66.7%<br />
Externe Berater<br />
29.6%<br />
Forschungseinrichtungen<br />
18.5%<br />
Arbeitsgemeinschaft /<br />
Verband<br />
14.8%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />
Abbildung 6.30: Interne und externe Erstellung von Produktökobilanzen<br />
Das Auflösungsvermögen der erstellten Bilanzen ist bezüglich der erfassten als auch<br />
bezüglich der ausgewerteten Input- und Output-Indikatoren detaillierter als bei den<br />
unternehmungsbezogenen Bilanzen, wobei ein hoher Anteil der Antwortenden dazu<br />
keine Auskunft geben konnte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass rund ein Drittel ihre<br />
LCAs durch Dritte erstellen lassen.<br />
Ein Viertel der Befragten erfasst mehr als 20 Input-Indikatoren, insgesamt sind es bei<br />
rund 40% mehr als 10 Inputs. Praktisch alle die Angaben dazu machen konnten, werten<br />
weniger als 50 Input- Indikatoren aus. Offenbar waren hierzu die vorgegebenen<br />
Kategorien zu grob gewählt, um eine Differenzierung vornehmen zu können.<br />
Bei den Outputs kann zumindest festgestellt werden, dass das Auflösungsvermögen<br />
der erfassten und ausgewerteten Sachbilanzen deutlich zeigt, dass <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />
eingesetzt werden und zur Erhöhung des Auflösungsvermögens beitragen:<br />
Mehr als die Hälfte der Befragten die eine Antwort gaben, werten mehr Indikatoren aus<br />
als sie erfassen. Der Einsatz von Ökoinventaren ist bei den anderen nicht aus-
230 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
geschlossen; offenbar wird dadurch die Anzahl beachteter Indikatoren jedoch nicht<br />
erhöht.<br />
Dass sich rund die Hälfte der Angaben-machenden Unternehmen in ihren LCA auf<br />
weniger als 11 Outputs konzentriert, dürfte in Frage stellen, ob damit eine umfassende<br />
ökologische Beurteilung überhaupt möglich ist. Insbesondere bei weniger als 6Outputs<br />
ist ihre Eignung diesbezüglich erfahrungsgemäss eher fraglich. Zudem dürften die Lerneffekte<br />
aus der Bilanzierung damit grundsätzlich eingeschränkt sein. Es offenbart sich<br />
eine grosse Diskrepanz zum <strong>St</strong>and der angewandten Ökobilanzforschung, aber auch zu<br />
dem im Rahmen von EPDs heute üblichen Auflösungsvermögen. 370<br />
6.3.4.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung<br />
Produktökobilanzen werden in den antwortenden Unternehmen vorwiegend für die<br />
Schwachstellen-Analyse sowie die Information von Kunden und Mitarbeitenden<br />
eingesetzt. Dieser Befund deckt sich weitgehend mit der 1997 durchgeführten <strong>St</strong>udie<br />
von Frankl/Rubik. 371 Innovation durch Veränderungen entlang des Produktlebenszyklus<br />
wird mit über 50% jedoch deutlich häufiger genannt. Produktvergleiche mit den<br />
Mitbewerbern sowie den eigenen Produkten stehen noch vor der Gewinnung von<br />
Kriterien für das Beschaffungswesen und schlussendlich der Erlangung von Umweltkennzeichen.<br />
370<br />
Siehe Abschnitt 5.2.5.<br />
371<br />
Siehe Abschnitt 6.1.1.9.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 231<br />
Abbildung 6.31: Zweck von Produktökobilanzen<br />
Bezüglich der Nutzung von LCA durch die einzelnen Funktionsbereiche dominieren -<br />
wie schon durch Frankl/Rubik festgestellt -die Umweltfachstellen sowie Forschung und<br />
Entwicklung. In unserer Befragung häufiger erwähnt wird hingegen die Produktion als<br />
Nutzer von LCA für Entscheidungen. Geschäftsleitung, Einkauf und Marketing folgen.<br />
Abbildung 6.32: Nutzung von Produktökobilanzen in den Funktionsbereichen<br />
Bezüglich des Institutionalisierungsgrades lässt sich feststellen, dass nur 3 der<br />
Befragten angaben, dass LCAs routinemässig und auf hohem methodischen Niveau in<br />
der Organisation verankert sind. 56% ordnen ihre Aktivitäten der Lern-, resp.<br />
Adaptionsphase zu. Wie schon bei den unternehmungsbezogenen Bilanzen –jedoch<br />
deutlich ausgeprägter - ist zu beobachten, dass sich einige (5 von 11) noch der<br />
<strong>St</strong>artphase zuordnen, obwohl sie LCA seit mehr als 3 Jahren einsetzen. Von<br />
denjenigen, die LCA seit mehr als 3Jahren nutzen, gab eine deutliche Mehrheit an (5<br />
von 6), dass ihre Art der Aktivitäten der Lernphase entspricht. Das deutet darauf hin,<br />
dass LCA als ein Werkzeug für Spezialisten und weniger als ein Instrument des<br />
strategischen Managements eingesetzt wird, wie dies Frankl anhand seiner Fallstudien<br />
in einer Reihe von Unternehmen feststellen konnte. 372<br />
372<br />
Frankl, 2001, S. 6.
232 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Routine /<br />
Integration<br />
12%<br />
<strong>St</strong>artphase /<br />
Innovation<br />
32%<br />
Lernphase /<br />
Adaption<br />
56%<br />
Abbildung 6.33: Institutionalisierungsgrad der Produktökobilanzierung<br />
6.3.4.3 Beurteilung der Produktökobilanzierung<br />
Den Produktökobilanzierenden wurden dieselben geschlossenen Fragen gestellt, wie<br />
sie in Abschnitt 6.2.3.3 für die unternehmungsbezogenen Bilanzierung aufgeführt sind.<br />
Die Beurteilung ist ebenfalls mehrheitlich positiv ausgefallen: Die Komplexität der<br />
Bilanzierung wird bei Produkten noch ausgeprägter als hoch wahrgenommen und<br />
entsprechend sind wohl auch die Ergebnisse häufiger unklar. Obwohl Lebenszyklusanalysen<br />
in der Regel einen hohen Anteil an Ökoinventaren oder zumindest an durch<br />
Dritte (Lieferanten, Experten, etc.) bereitgestellten Daten enthalten, erachten mehr 75%<br />
die Datenbasis als sicher. Die Akzeptanz ist mit 75% wiederum sehr hoch. Nach<br />
eingesetzten Methoden lässt sich keine Differenzierung vornehmen, die Nennungen<br />
verteilen sich über alle Methoden und die <strong>St</strong>ichprobe ist insgesamt zu klein für weitere<br />
Differenzierungen der Resultate.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 233<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
76.0%<br />
76.0% 75.0%<br />
60%<br />
56.0%<br />
50%<br />
40%<br />
36.0%<br />
30%<br />
20%<br />
20.0%<br />
16.0% 16.7%<br />
10%<br />
4.0%<br />
8.0%<br />
8.0%<br />
8.3%<br />
0%<br />
Komplexität<br />
hoch<br />
Ergebnisse<br />
unklar<br />
Daten<br />
unsicher<br />
geringe<br />
Akzeptanz<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Abbildung 6.34: Beurteilung kritischer Aspekte der Produktökobilanzierung<br />
6.3.5 Auswertung der gemeinsamen Aspekte<br />
Im abschliessenden Teil unserer Auswertung untersuchen wir drei Aspekte von<br />
besonderer Bedeutung: es geht darum zu erfassen, ob neben der Sachbilanzierung<br />
auch Operationen der Wirkungsanalyse und Gewichtung Eingang in die unternehmerische<br />
Praxis gefunden haben und wie die Anwendenden die entsprechenden<br />
Methoden beurteilen. Es interessiert uns insbesondere, ob sich Unterschiede zwischen<br />
dem unternehmungsbezogenen und dem produktbezogenen Einsatz ergeben.<br />
Schliesslich vergleichen wir die Einschätzungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis und<br />
fragen nach der Einschätzung der zukünftigen Aktivitäten durch die antwortenden<br />
Unternehmen.<br />
6.3.5.1 Einsatz und Beurteilung von Wirkungsanalyse und Gewichtung<br />
Die erhobenen <strong>St</strong>off- und Energieflüsse werden in der Regel nicht nur mittels algorithmusbasierter<br />
und standardisierter Methoden numerisch beurteilt. Vielmehr geschieht<br />
die Beurteilung mehrheitlich anhand sowohl numerischer als auch qualitativer Kriterien.
234 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Abbildung 6.35: Einsatz der verbal-argumentativen Beurteilung<br />
Dies zeigt sich auch in den Antworten der befragten Unternehmen: in beiden<br />
Anwendungsbereichen –LCA und unternehmungsbezogene Bilanzierung –kommt eine<br />
verbal-argumentative Beurteilung zum Einsatz: Bei den Anwendenden von LCA in zwei<br />
Drittel aller Fälle, bei der unternehmungsbezogenen Bilanzierung ist der entsprechende<br />
Wert mit 78% noch ausgeprägter. Die meisten Input-Output-Bilanzen werden anhand<br />
dieser Methodik beurteilt. Dabei steht das Kriterium der Gesetzesrelevanz bei beiden<br />
Anwendungsbereichen deutlich im Vordergrund. Aber auch Risiko-Überlegungen,<br />
Kosten und die Beeinflussbarkeit werden in rund der Hälfte aller Anwendungen als<br />
Kriterien verwendet. Die öffentliche Wahrnehmung ist häufig auch ein Faktor der<br />
Beurteilung. Bei Produktökobilanzen spielen diese Kriterien nur in wenigen Fällen eine<br />
Rolle. Die häufig unter der Kategorie „Andere“ genannten Kriterien waren zudem<br />
Entsorgung, Kundennutzen sowie Präzisierungen zur Gesetzesrelevanz.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 235<br />
Abbildung 6.36: Einsatz von Wirkungskategorien<br />
Zur Erfassung der Anwendung der Wirkungsanalyse wurden 14 der gängigsten<br />
Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungspotential 373 zur Auswahl gegeben.<br />
Es zeigt sich, dass die Wirkungsanalyse-Modelle in der Praxis sehr selektiv –wenn<br />
überhaupt –Anwendung finden: nur 32.9% der Unternehmungsbilanzierenden setzen<br />
dieses Element überhaupt ein, bei den LCA-Anwendenden sind es zwar 63% -<br />
ISO14040 fordert jedoch ihren Einsatz in irgendeiner Form zwingend: 37% der Produktökobilanzen<br />
sind also gemäss ISO14040 gar kein Ökobilanzen! Bei den verbleibenden<br />
zwei Dritteln der LCA Anwendenden zeigt sich ein stark selektiver Einsatz der<br />
verschiedenen Wirkungskategorien: nur die beiden globalen Umweltveränderungen<br />
373<br />
Siehe Abschnitt 4.3.4.1.
236 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Treibhauspotential und Ozonschichtabbau sind häufig genannt worden; alle anderen<br />
werden in weniger als einem Drittel der Fälle angewendet.<br />
In unternehmungsbezogenen Bilanzen sind die Wirkungskategorien nur selten zu<br />
finden. Obwohl beispielsweise die Bildung bodennahen Ozons in der Schweiz ein<br />
prominentes Umweltproblem darstellt, wird die entsprechende Wirkungskategorie nur<br />
selten einbezogen. Umso erstaunlicher erscheint es deshalb, dass trotz grosser<br />
Modellierungsunsicherheiten Ökotoxizitäts- und Humantoxizitätspotentiale häufiger zur<br />
Auswertung herangezogen werden.<br />
Abbildung 6.37: Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden<br />
Das Bild differenziert sich weiter, wenn wir den Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsfaktoren<br />
betrachten: diese kommen im Rahmen von LCA sehr häufig –in rund 90% der
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 237<br />
Fälle -zur Anwendung, während unternehmungsbezogene Bilanzen einen Wert von<br />
40% aufweisen. Damit erstellen jedoch deutlich mehr Unternehmen gewichtete<br />
Umweltbilanzen, als sie selbst deklariert hatten (nur 18% gaben dies bei der<br />
entsprechenden Frage an). Diese Diskrepanz lässt sich dadurch erklären, dass der<br />
Einsatz von Gewichtungsfaktoren aus der umweltökonomischen Forschung –<br />
Emissionszuschläge – nicht als Gewichtungs- und damit als Teil der Ökobilanz-<br />
Methodik eingestuft wurde. Unsere Formulierung bei der entsprechenden Frage -wir<br />
hatten beispielhaft nur Methoden wie Umweltbelastungspunkte, etc. aufgeführt -dürfte<br />
hier also einen verzerrenden Einfluss gehabt haben.<br />
Tatsächlich sind Emissionszuschläge (aus <strong>St</strong>udien des BUWAL und des Bundesamtes<br />
für Energie BfE oder des Schweizerischen Ingenieur Verbands SIA 374 ) die am<br />
häufigsten genannten <strong>St</strong>andard-Faktoren zur Gewichtung der betrieblichen <strong>St</strong>off- und<br />
Energiebilanzen. Sie basieren auf <strong>St</strong>udien zu Externen Kosten und/oder Erwartungswerten<br />
bezüglich der zur Schliessung bestehender Ziellücken des CO 2 -Gesetzes<br />
erforderlichen Lenkungsabgaben auf CO 2 .<br />
An zweiter <strong>St</strong>elle stehen Vermeidungskosten, also Abschätzungen darüber, was die<br />
technische Reduktion bestimmter Inputs oder Output kosten würde, wobei unklar ist,<br />
woher die Unternehmen diese Werte beschaffen und für welche Indikatoren Werte zur<br />
Verfügung stehen. Uns sind dazu keine <strong>St</strong>udien für die Schweiz bekannt.<br />
Ebenfalls häufig ist die Berechnung mittels Sanierungskosten – auch hier ist<br />
weitgehend unklar, woher die <strong>St</strong>andard-Faktoren stammen und worauf sie sich<br />
beziehen. Hier besteht also Forschungsbedarf für zukünftige Arbeiten. Die Praxis<br />
scheint hier Methoden zu nutzen, die im Rahmen der Ökobilanzforschung nicht<br />
thematisiert werden.<br />
In der unternehmungsbezogenen Bilanzierung ist neben den Emissionszuschlägen mit<br />
den Umweltbelastungspunkten gemäss BUWAL SRU 297 die Methodik der Ökologischen<br />
Knappheit als zweite <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethodik in Gebrauch. Vereinzelt<br />
ist auch das Konzept der schadensorientierten Gewichtung mit dem Eco-indicator 99,<br />
resp. 95 anzutreffen. Bezüglich des Eco-indicator 95 ist bemerkenswert, dass zwei<br />
Unternehmen noch mit einer Methodik arbeiten, die seit Jahren durch eine neue<br />
Version abgelöst wurde.<br />
Bei den Produktökobilanzen kommt vorwiegend die Ökologische Knappheit mit rund<br />
40% der Nennungen zum Einsatz. Der Eco-indicator 99 findet in der aktuellen Version<br />
in 25% und in der veralteten Version in immer noch beachtlichen 18.5% der Fälle<br />
Anwendung. Andere <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden – EDIP und EPS (in der<br />
Kategorie „Anderes“) werden je nur von einem Unternehmen genannt.<br />
374<br />
Siehe Anhang C4: Externe Kosten der SIA Norm SN 506 480: Wirtschaftlichkeitsrechnung für Investitionen<br />
im Hochbau, SIA, Zürich, 2004 oder Infras, Econcept, Prognos: Die Vergessenen Milliarden:<br />
externe Kosten im Energie- und Verkehrsbereich, Bern, 1996.
238 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Wiederum sind die Emissionszuschläge -obwohl in gängiger Software nicht enthalten –<br />
auch in der Produktökobilanzierung häufig anzutreffen: 22.2% nutzen diese umweltökonomischen<br />
Gewichtungsfaktoren.<br />
Damit zeigt sich deutlich: in klarem Widerspruch zur ISO14040 Norm werden bei den<br />
Antwortenden Unternehmen Gewichtungsmethoden der Wirkungsanalyse vorgezogen,<br />
obwohl sie angeben, die LCAs für die Kommunikation mit Dritten zu verwenden. Die<br />
Akzeptanz der Gewichtung ist offenbar als nicht gering einzustufen.<br />
Die entsprechenden Fragen zeigen denn auch, dass Gewichtungsmethoden - hier<br />
wurden beispielhaft in der Fragestellung wieder Umweltbelastungspunkte angeführt –<br />
von zahlreichen Anwendenden mehrheitlich als nützlich eingestuft wurden: Die<br />
Zustimmung belief sich hier auf knapp 70%, resp. sogar über 90%. Erstaunlicherweise<br />
und offenbar im Gegensatz zum Befund der theoretischen Ökobilanzforschung –halten<br />
immerhin jeweils die Hälfte der Befragten diese Verfahren für methodisch überzeugend.<br />
Noch erstaunlicher ist der Anteil derjenigen, die sie für nicht überzeugend halten: nur<br />
rund 15%. Immerhin konnte –oder wollte –ein hoher Anteil der Befragten hierzu keine<br />
Aussage machen.<br />
Abbildung 6.38: Beurteilung der Gewichtung<br />
Vor dem Hintergrund der positiven Einschätzung von Gewichtungsfaktoren ist die<br />
Frage, welche gesellschaftliche Instanz diese bemessen sollte, von besonderem<br />
Interesse: Unter den Befragten geniesst hierzu die Gesellschaft (beispielsweise<br />
repräsentiert durch Meinungsumfragen) das geringste Vertrauen: Aus beiden<br />
Anwendungsbereichen zusammengenommen (N=100) ist nur eine einzige Nennung<br />
dieser Kategorie zu verzeichnen. In beiden Bereichen erwartet man die Antworten<br />
vielmehr von der Wissenschaft: 53% der Produktökobilanzierenden und 36% der unternehmungsbezogen<br />
Bilanzierenden wählten diese Instanz. Damit anerkennen die
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 239<br />
Anwendenden zu grossen Teilen die Autorität der Wissenschaft und erwarten, dass sie<br />
in der Lage ist, den Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen zu finden. Dass sie genau dies nicht<br />
kann, sondern, dass die Gesellschaft selbst -Politik oder Öffentlichkeit –letztlich mit<br />
ihren Werturteilen entscheiden muss, ist eine der zentralen Erkenntnisse aus 30 Jahren<br />
Ökobilanzforschung. 375 Sie wird von den Anwendenden hingegen ganz offensichtlich<br />
nicht zur Kenntnis genommen !<br />
Abbildung 6.39: Instanzen zur Festlegung von Gewichtungsfaktoren<br />
An zweiter <strong>St</strong>elle –in beiden Anwendungsbereichen –stehen die Unternehmen selbst,<br />
noch vor dem <strong>St</strong>aat (politische Prioritäten und Gesetze). Die relativ geringe<br />
Anerkennung des <strong>St</strong>aate als Instanz deutet indirekt darauf hin, dass die Methodik der<br />
Ökologischen Knappheit als wissenschaftlich anerkannt wird – obwohl die Gewichtungsfaktoren<br />
aus politischen Zielwerten abgeleitet werden und die theoretische<br />
Ökobilanzforschung diese Methode mehrheitlich als unwissenschaftlich ablehnt.<br />
Tatsächlich nannte nur eine einzige Person unter den Anwendenden dieser Methodik<br />
den <strong>St</strong>aat als Instanz (N=23) !<br />
Zwei der Befragten verwiesen unter der Kategorie „Andere“ darauf, dass man mehrere<br />
Methoden parallel einsetzen, resp. alle Instanzen einbeziehen solle.<br />
6.3.5.2 Beurteilung von Aufwand, Nutzen und Wirkung<br />
Unsere Fragen zum Aufwand der Bilanzierung machten deutlich, dass nur wenige<br />
Unternehmen die Ausgaben, resp. den internen Arbeitsaufwand erfassen. Bei den<br />
unternehmungsbezogenen Bilanzierenden gaben nur 5.7% an, den Gesamtaufwand zu<br />
375<br />
Siehe Abschnitt 4.4.2.
240 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
erfassen, weshalb die <strong>St</strong>ichprobe für eine differenzierte Analyse der Kosten nach<br />
Bilanzierungsarten oder Branche keine ausreichende Anzahl Fälle enthält. Bei den<br />
Produktökobilanzierenden gaben immerhin 24% an, die Gesamtkosten zu erfassen –<br />
das sind jedoch insgesamt nur 7 Fälle.<br />
Für die unternehmungsbezogenen Bilanzen haben wir trotz der geringen Anzahl die<br />
Ausgaben sowie die Gesamtkosten nach Unternehmungsgrösse ausgewertet<br />
(statistisch nicht valide, da geringe Anzahl Fälle; häufig nur entweder Ausgaben oder<br />
Zeitaufwand vorhanden): Es zeigt sich, dass die jährlichen Auslagen stark variieren. Der<br />
hohe Initialaufwand einer erstmaligen Bilanzierung kann hier die Werte verzerren.<br />
Abbildung 6.40: Erfassung des Aufwands zur Bilanzierung<br />
Wir haben deshalb das 2. Quartil abgezählt und halten den entsprechenden Wert am<br />
ehesten für aussagekräftig. Hier zeigt sich ein Zusammenhang mit der Unternehmungsgrösse.<br />
Anzahl Mitarbeitende Min Max 2.Quartil von N N<br />
1 - 50 CHF 5'000 CHF 10'000 CHF 8'000 bei 57% 7<br />
51 - 500 CHF 2'000 CHF 100'000 CHF 10'000 bei 64% 14<br />
501 - 5000 CHF 4'000 CHF 150'000 CHF 40'000 bei 55% 9<br />
Abbildung 6.41: Jährliche Ausgaben für unternehmungsbezogene Bilanzen<br />
Die grosse <strong>St</strong>reuung bei den internen <strong>St</strong>unden deutet darauf hin, dass einige der<br />
Befragten wohl eher den Zeitaufwand für Aufbau/Betrieb des UMS und nicht nur der<br />
Bilanzen ausgewiesen haben, was die Gesamtkosten wiederum verzerren dürfte. Wir<br />
haben die Arbeitsstunden mit je CHF 100.- bewertet und geben für die Gesamtkosten<br />
(interner Zeitaufwand sowie Ausgaben) eine Bandbreite und das 2. Quartil an:
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 241<br />
Anzahl Mitarbeitende Min Max 2.Quartil von N N<br />
1 - 50 CHF 2'000 CHF 40'000 CHF 17'500 bei 54% 11<br />
51 - 500 CHF 1'000 CHF 115'000 CHF 10'000 bei 55% 20<br />
501 - 5000 CHF 4'000 CHF 170'000 CHF 19'000 bei 50% 14<br />
Abbildung 6.42: Jährlicher Gesamtaufwand für unternehmungsbezogene Bilanzen<br />
Bei den jährlichen Ausgaben und Gesamtkosten zur Erstellung von Produktökobilanzen<br />
verzichten wir auf eine detaillierte Auswertung. Immerhin lässt sich summarisch<br />
feststellen, dass die Ausgaben (Zahlungen an Dritte) für die Erstellung von LCA in 65%<br />
der Fälle mit maximal CHF 10'000 pro Jahr veranschlagt wurden –beginnend bei CHF<br />
3'000 CHF und bei einem maximalen Wert von CHF 100'000.-, wobei 90% unter CHF<br />
30'000.- lagen.<br />
Die Angaben zu den Gesamtkosten lagen zwischen CHF 8'000.- und CHF 200'000.-,<br />
mit einem 2. Quartil bei CHF 20'000.- .<br />
Abbildung 6.43: Kosten-Nutzen-Beurteilung<br />
Unabhängig von der quantitativen Erfassung des Aufwands wurde qualitativ nach dem<br />
Kosten-Nutzen-Verhältnis gefragt: Es wird mehrheitlich als ausgeglichen oder gar<br />
positiv beurteilt. Nur rund 10% der unternehmungsbezogenen Bilanzierenden und<br />
knapp 10% der Produktbilanzierenden halten es für schlecht. Bezüglich LCA konnten<br />
oder wollten sich fast 30% nicht äussern. Je rund ein Viertel beurteilt den Nutzen als<br />
gut.<br />
Eine Gesamtbeurteilung der Bilanzierung wurde bezüglich verschiedener Wirkungen<br />
abgefragt. Dabei zeigt sich erneut eine deutlich positive Einschätzung durch die<br />
Antwortenden und bezüglich beider Anwendungsbereiche. Die Kategorie „trifft nicht zu“<br />
wurde nur vereinzelt (1.5% -3.5%) zu allen Wirkungen und über beide Anwendungsbereiche<br />
als Antwort gewählt.
242 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Demnach erhöht die Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen die Glaubwürdigkeit,<br />
fördert die Konzentration aufs Wesentliche und trägt zur Versachlichung der Diskussion<br />
von Umweltfragen bei.<br />
Abbildung 6.44: Wirkung im Unternehmen<br />
Bei den unternehmungsbezogenen Bilanzierenden erfuhren auch die Argumente<br />
„Eindeutigkeit von Kontrollgrössen“ und „Planbarkeit der Umweltleistung“ die<br />
Zustimmung von jeweils rund der Hälfte aller Antwortenden. Nur je 12.3% ,resp. 16.4%<br />
der Anwendenden waren der Ansicht, diese Wirkung würde „eher nicht“ eintreten.<br />
Ökobilanzen tragen in den Augen der Antwortenden mehrheitlich dazu bei, neue<br />
Erkenntnisse und/oder Ideen zu gewinnen.<br />
Abbildung 6.45: Erwartete Entwicklung der Aktivitäten<br />
Abschliessend wurde nach einer Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Bilanzen<br />
gefragt: jeweils fast die Hälfte der Antwortenden geht davon aus, dass sie in ihren<br />
Unternehmen mit einer Erhöhung der Aktivitäten innerhalb der nächsten 3 Jahre<br />
rechnen. Einen Rückgang erwarten hingegen 15.4% der Produktökobilanzierenden.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 243<br />
In Bezug auf die unternehmungsbezogene Bilanzierung erwarten nur wenige, dass die<br />
Aktivitäten zukünftig zurückgehen werden.<br />
Insgesamt sind somit <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen in den befragten bilanzierenden<br />
Unternehmen nachhaltig verankert.<br />
6.4 Schlussfolgerungen<br />
Die empirische Bestandesaufnahme sollte zeigen, ob, wie und mit welchem Nutzen die<br />
Methodik der Ökobilanzierung in Unternehmen Anwendung findet. Dazu haben wir<br />
einerseits die bestehende empirische Forschung zur Verbreitung und Beurteilung von<br />
Produktökobilanzen aufgearbeitet und anderseits eine eigene Erhebung zu beiden<br />
Anwendungsbereichen der Ökobilanz-Methodik unternommen.<br />
Es wurde deutlich, dass sich der Einsatz von Produktökobilanzen in den untersuchten<br />
europäischen Ländern auf wenige, hauptsächlich umweltengagierte Unternehmen<br />
beschränkt. Die Erhebungen in Japan deuten hingegen darauf hin, dass dort die<br />
Methodik LCA in der Industrie weitgehend bekannt ist und dass viele der Grossunternehmen<br />
bereits Erfahrungen gesammelt haben.<br />
Unsere Auswertung der bisherigen quantitativen Forschung offenbarte, dass bislang nur<br />
Erhebungen durchgeführt wurden, die von einem pauschalen Begriff der Ökobilanzierung<br />
ausgehen. Ohne eine methodische Differenzierung ist die Aussagekraft<br />
sowohl zur Diffusion als auch zu den Einschätzungen durch die Anwendenden deshalb<br />
eingeschränkt.<br />
Dass in der Praxis unter dem Begriff auch Anwendungen subsumiert werden, die nur<br />
einzelne Elemente des wissenschaftlichen Konzepts effektiv nutzen, zeigte sich in<br />
unserer eigenen Erhebung. Produktökobilanzen werden demnach eher selten in hoher<br />
Übereinstimmung mit den Anforderungen der internationalen Ökobilanz-Normen<br />
ausgeführt. Es ist bezeichnend, dass die ISO Normen zur Produktökobilanzierung<br />
selbst von den LCA anwendenden Unternehmen nur in einem Drittel der Fälle als<br />
bedeutsam für ihre Arbeit taxiert wurden.<br />
In der Regel ist das Auflösungsvermögen der in Unternehmen erstellten Ökobilanzen<br />
gering, Methoden der Wirkungsanalyse werden nur von einer Minderheit eingesetzt. Die<br />
in der Forschung umstrittenen und in der ISO 14040 nur für interne Zwecke<br />
zugelassenen Gewichtungsmethoden werden hingegen häufig eingesetzt.<br />
Ein bedeutender Anteil unserer <strong>St</strong>ichprobe beschränkt sich auf eine verbalargumentative<br />
Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse -erstellt also gar keine Produktökobilanzen,<br />
wie sie der heute gängigen Definition entsprechen würden. Das geringe<br />
Auflösungsvermögen der Sachbilanz lässt zudem berechtigte Zweifel aufkommen, ob<br />
eine umfassende ökologische Beurteilung überhaupt stattfinden kann, und schöpft das<br />
Lernpotential der Methodik nicht voll aus.<br />
Bezüglich der unternehmungsbezogenen Bilanzierung konnten wir ein breites Spektrum<br />
von Anwendungen der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzierung ausmachen. Die Mehrheit der
244 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
ISO 14001 Zertifizierten in unserer <strong>St</strong>ichprobe erstellt Input-Output-Bilanzen, obwohl<br />
dies von der Norm selbst nicht gefordert wird. Sachbilanzen haben sich in diesen<br />
Unternehmen also durchgesetzt. Allerdings ist auch in dieser Anwendung festzustellen,<br />
dass das stoffliche Auflösungsvermögen mehrheitlich gering ist. Im Vergleich zu<br />
unserem Referenzmodell (erweiterte Systemgrenzen sowie Wirkungsanalyse und/oder<br />
Gewichtung)<br />
376<br />
finden sich umfassende Betriebsökobilanzen nur vereinzelt:<br />
insbesondere eine Betrachtung jenseits des <strong>St</strong>andortes ist selten anzutreffen und<br />
beschränkt sich auf Energiebereitstellung, Entsorgung und Transporte – die<br />
„eingekaufte Umweltbelastung“ durch Materialien oder Halbfabrikate wird nur von 4der<br />
72 antwortenden Unternehmen -die Umweltbelastung im Rahmen der Produktnutzung<br />
gar nur von 2 Betrieben - in die Bilanzierung einbezogen. Das bedeutet, dass die<br />
dominierende Mehrheit im Rahmen ihrer unternehmungsbezogenen Bilanzierung keine<br />
Quantifizierung von Umweltbelastungen entlang der Wertschöpfungskette vornimmt,<br />
obwohl dies erfahrungsgemäss von zentraler ökologischer Bedeutung wäre. Und dies<br />
obwohl immerhin ein Drittel der Befragten die Erweiterung der Systemgrenze um Vorund/oder<br />
Nachstufen als sinnvoll und nutzenstiftend beurteilt.<br />
Das Element der Wirkungsanalyse spielt in der unternehmungsbezogenen Anwendung<br />
ebenfalls keine nennenswerte Rolle. Dies im Gegensatz zu Gewichtungsmethoden:<br />
insbesondere Externe Kosten in Form von Emissionszuschlägen scheinen als<br />
Grundlage zur Beurteilung durchaus von Bedeutung – bei knapp einem Viertel der<br />
Befragten. Auch das Konzept der Ökologischen Knappheit kommt relativ häufig zur<br />
Anwendung.<br />
Es war festzustellen, – soweit dies die beschränkte Anzahl Fälle zuliess – dass<br />
diejenigen Unternehmen, die modellbasierte Umweltindikatoren verwenden –beispielsweise<br />
Treibhauspotential, Umweltbelastungspunkte oder Eco-indicator-Punkte – in<br />
einigen Fragen besonders hervortraten: Sie gaben überdurchschnittlich häufig an, dass<br />
die Ergebnisse ihrer Bilanzierung klare Resultate zeigen und gut akzeptiert werden. Sie<br />
zeigten eine stärkere Ausprägung bezüglich der Integrations- und Organisationsfunktion.<br />
Anderseits werden diese Bilanzen überdurchschnittlich häufig mit Unterstützung<br />
von Ökobilanz-Software und/oder externen Beratern erstellt. Sie wurden mehrheitlich<br />
schon vor einigen Jahren eingeführt und scheinen bei Unternehmen, welche<br />
erst seit kurzem zertifiziert wurden, weniger häufig eingesetzt zu werden.<br />
Dieser relative Rückgang steht im Kontrast zur insgesamt bemerkenswert positiven Einschätzung<br />
von Gewichtungsmethoden in beiden Anwendungsbereichen<br />
(Produkt/Unternehmung): Einerseits erachten mehr als drei Viertel der Befragten die<br />
Methoden als nützlich und -den Bedenken der theoretischen Ökobilanzforschung und<br />
der internationalen Normierung zum Trotz –mehrheitlich als methodisch überzeugend.<br />
Dabei wird eine Festlegung der Gewichtungsfaktoren vor allem von der Wissenschaft<br />
erwartet. Man vertraut offenbar auf die Autorität der Experten. Dies, obwohl deren<br />
Exponenten selbst deutlich machen, dass nur die subjektiven Werturteile der<br />
376<br />
Siehe Abschnitt 6.1.
Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 245<br />
Gesellschaft als Massstab einer Gewichtung dienen können. Der Grüne <strong>St</strong>ein der<br />
Weisen entspricht offenbar bei einem hohen Anteil der Befragten einem Bedürfnis.<br />
In Bezug auf die Verankerung im Unternehmen konnte gezeigt werden, dass die<br />
Bilanzierenden die Ergebnisse nicht nur beschränkt im Rahmen der Umweltfachstelle,<br />
sondern gemeinsam mit Geschäftsleitung, Produktion, Forschung und Entwicklung als<br />
auch Marketing und Einkauf einsetzen. Dies deutet auf eine gute Verankerung in der<br />
Organisation hin: in den meisten Fällen haben die Bilanzierungen das <strong>St</strong>adium eines<br />
Pilotprojekts überschritten und die Anwendung wird auf spezifische Bedürfnisse<br />
verschiedener <strong>St</strong>ellen in den Unternehmen zugeschnitten. Die unternehmungsbezogenen<br />
Bilanzen werden bei rund einem Viertel routinemässig eingesetzt, während<br />
dieser <strong>St</strong>atus bei den Produktökobilanzen nur vereinzelt zu verzeichnen ist.<br />
Nur wenige Unternehmen erwarten schliesslich einen Rückgang ihrer Aktivitäten zur<br />
Ökobilanzierung. Fast die Hälfte geht hingegen davon aus, dass die Erfassung und<br />
Beurteilung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen innerhalb der nächsten drei Jahre<br />
ausgeweitet wird.<br />
Insgesamt kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, dass die verschiedenen<br />
Methoden zur Bilanzierung in den zertifizierten Unternehmen gut etabliert sind. Ihre<br />
weitere Diffusion ist damit eng an die zukünftige Verbreitung von ISO 14001<br />
Zertifizierungen gekoppelt.<br />
Vergleicht man den heutigen <strong>St</strong>and der Praxis mit den Ansprüchen der Wissenschaft,<br />
so besteht noch erhebliches Verbesserungspotential, um von den heute sehr selektiven<br />
und fokussierten Anwendungsformen der Praktiker zu einer wirklich umfassenden und<br />
systematischen Erfassung und Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse zu kommen.<br />
Die positiven Einschätzungen derjenigen Unternehmen, die hier schon weiter<br />
fortgeschritten sind, lassen dazu ein erhebliches Potential vermuten, welches durch<br />
flankierende Massnahmen seitens Wissenschaft und Politik genutzt werden könnte.<br />
Japans koordinierte Vorgehensweise beweist, dass Ökobilanzen durchaus aus der<br />
Öko-Nische herausgeführt und in der Wirtschaft breit verankert werden können.
Kapitel 7: Zusammenfassung 247<br />
7 Zusammenfassung<br />
Ausgangspunkt unserer Bestandesaufnahme bildete die Frage, ob Ökobilanzierung<br />
nach über 30 Jahren Forschung an der Schnittstelle zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaften<br />
einen nachweisbaren Beitrag zur Überwindung der konstatierten<br />
Ökologischen Beliebigkeit erbringen kann. Anhand von drei Phasen haben wir mit<br />
unterschiedlichen Schwerpunkten die Genese der Methodik und ihrer<br />
Institutionalisierung als Wissenschaft nachgezeichnet.<br />
Danach haben wir die Umsetzung von Ökobilanzen in schweizerischen Unternehmen<br />
anhand einer detaillierten Befragung im Detail untersucht und die Einschätzungen der<br />
Anwendenden erfasst.<br />
Abbildung 7.1: Meilensteine und Phasen des Projekts Ökobilanz<br />
Abschliessend sind unsere Erkenntnisse nun entsprechend unserer Ausgangsfrage zu<br />
beurteilen: In Kapitel 2 haben wir dazu die Herstellung ökologischer Rationalität in<br />
Gesellschaft, Volkswirtschaft und Unternehmung als Massstab bestimmt.<br />
Dabei diente uns die Systemtheorie Luhmanns als forschungsmethodischer Zugang,<br />
um eine vernünftige -logisch und sachlich korrekte –ökologische Beurteilung transdisziplinär,<br />
aber dennoch trennscharf für jede der drei Betrachtungsebenen zu<br />
definieren. ökologische Rationalität ist demnach auf gesellschaftlicher Ebene darauf<br />
gerichtet, eine ökologische Rückbetroffenheit der Gesellschaft herzustellen, die zur<br />
angemessenen Reaktion der Gesellschaft auf die von ihr selbst geschaffenen<br />
Gefährdungen führt. Die forschungsleitende Frage dazu lautete: „Können Ökobilanzen<br />
zur rationalen Codierung ökologischer Informationen in den gesellschaftlichen
248 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Funktionssystemen beitragen“ Entsteht gar mit der Ökobilanzierung ein spezifisch auf<br />
die ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtetes Funktionssystem<br />
Die Beantwortung dieser Frage führt über die Feststellung, ob die entsprechenden, von<br />
Luhmann formulierten Eigenschaften solcher Systeme – die Codierung eines<br />
zweiwertigen, geschlossenen Codes sowie seine offene Programmierung –vorliegen.<br />
Diesbezüglich kommen wir zu einem klaren Befund: Ja, wir glauben nachweisen zu<br />
können, dass das Projekt Ökobilanz diese Merkmale in typischer Ausprägung aufweist.<br />
Zunächst, weil Ökobilanzen darauf abzielen, Informationen in den Kategorien<br />
umweltbelastend/umweltgerecht digital zu codieren. Dieser Code ist in sich universell<br />
und geschlossen. Genauso wie Recht oder Unrecht entsteht dieser Code immer relativ<br />
und mit einer bestimmten Richtung –besser oder schlechter. Gewichtete, numerische<br />
Resultate von Ökobilanzen repräsentieren in letzter Konsequenz diesen Code durch<br />
Vergleich mit Bestehendem oder Geplantem. Sie dienen der Programmierung des<br />
Codes analog zu Preisen.<br />
Ökobilanzierung als Methodik - als die Summe von Operationen zur rationalen<br />
Herstellung dieses Codes -ist das zugehörige Programm. Als zentrales Indiz führen wir<br />
die diagnostizierte Paradoxie an, dass die theoretische Ökobilanzierung als Wissenschaft<br />
die Herstellbarkeit des Grünen <strong>St</strong>eins der Weisen deutlich verneint – viele<br />
Anwendende in den Unternehmen ihr jedoch genau diese Fähigkeit zuschreiben. Das<br />
kennt man aus den anderen Funktionssystemen –man erwartet beispielsweise von der<br />
Judikativen Gerechtigkeit –Richter und Anwälte sprechen hingegen von Urteilen, da für<br />
sie als Repräsentanten des Systems Gerechtigkeit eben so digital gar nicht existiert.<br />
Ökobilanzforschende können auch nur auf viele Fragen verweisen, die es zu<br />
beantworten gäbe, deren Beantwortung aber in der Praxis gar nie abschliessend<br />
vorgenommen werden kann. Die angewandte Ökobilanzforschung und ihre Produkte –<br />
Ökoinventare, Charakterisierungs- und Gewichtungsfaktoren überbrückt diese Situation<br />
und bedient mit wissenschaftlicher Autorität diejenigen, welche versuchen, ökologische<br />
Informationen rational zu codieren.<br />
Die Anwendenden ihrerseits lassen erkennen, das ein Code umweltgerecht/umweltbelastend<br />
auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Nutzen stiftet. Unternehmen können<br />
damit Managementaufgaben im Zusammenhang mit Umweltfragen sachlich, fokussiert<br />
und steuerungswirksam wahrnehmen. Wir haben nachgewiesen, dass die<br />
Unternehmen Ökobilanzen als nutzenstiftend, steuerungswirksam und glaubwürdigkeitsfördernd<br />
einschätzen. Produktökobilanzen tragen durch ihren Einsatz in Forschung<br />
und Entwicklung dazu bei, Innovationen und damit zukünftige Erfolgspositionen zu<br />
schaffen – oder bestehende durch die Beseitigung von Schwachstellen nicht zu<br />
gefährden. Für unternehmungsbezogene Bilanzen konnten wir positive Wirkungen auf<br />
das operative Management feststellen: Der verbreitete Einsatz von Emissionszuschlägen<br />
oder der Ökologischen Knappheit zur Gewichtung deutet darauf hin, dass<br />
sie als Frühwarnsystem zur Kostenvermeidung erachtet und eingesetzt werden. Damit<br />
leisten Ökobilanzen auch einen Beitrag zur Herstellung ökologischer Rationalität aus
Kapitel 7: Zusammenfassung 249<br />
Sicht der Betriebswirtschaft. Der Umstand, dass <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen weder vom<br />
Gesetzgeber, noch von ISO 14001 vorgeschrieben werden, aber immerhin in 75% der<br />
uns antwortenden 240 Unternehmen Verwendung finden, ist auf dieser Ebene ein<br />
deutliches Indiz. Ein zweites Indiz ergibt sich aus dem Befund, dass die internationale<br />
<strong>St</strong>andardisierung von Ökobilanzen über Environmental Product Declarations EPDs<br />
wesentlich durch die Wirtschaft selbst vorangetrieben wird. Das lässt darauf schliessen,<br />
dass man sich davon strategische Vorteile im Wettbewerb erhofft. Die Überwindung der<br />
Ökologischen Beliebigkeit erlaubt auf dem Markt eine klare Ausrichtung der Aktivitäten,<br />
die Umsetzung ökologischer Marktführer-<strong>St</strong>rategien und verspricht Pionieren durch die<br />
aktive Gestaltung eines ökologischen level playing fields, strategische Erfolgspotentiale.<br />
Bleibt schliesslich die Frage, was Ökobilanzen heute zur Herstellung ökologischer<br />
Rationalität auf volkwirtschaftlicher Ebene leisten. Im Rahmen unserer methodischen<br />
Analyse wurde deutlich: die zur neoklassischen Optimierung der Effizienz erforderlichen<br />
Emissions-, Immissions-, Transmissions- und Evaluationsfunktionen sind weitgehend<br />
mit der Betrachtungsweise der formalisierten Ökobilanzierung identisch. In diesem<br />
Sinne könnte man Ökobilanzen als Instrument der neoklassischen Umweltökonomie<br />
bezeichnen. Sie zielen auch auf eine Optimierung und benötigen eine Vielzahl von<br />
Konventionen, resp. starken Vereinfachungen um zu einem eindeutigen Resultat zu<br />
gelangen. Dies ist vor allem für die schadensbasierten Wirkungsanalyse und<br />
Gewichtungsmethoden zutreffend. Damit unterliegen diese stark formalisierten<br />
Anwendungen von Ökobilanzen denselben Restriktionen wie sie in Kapitel 2für die<br />
neoklassischen Ansätze angeführt wurden. Die sogenannten distance-to-target-<br />
Methoden – beispielsweise die in den befragten Unternehmen recht populäre<br />
Ökologische Knappheit –entsprechen aus volkswirtschaftlicher Sicht einem standardpricing<br />
Ansatz.<br />
Ökobilanzen sind jedoch in der Regel umfassender operationalisiert als die<br />
neoklassischen Instrumente, da sie geeignet sind, eine grosse Anzahl von Inputs und<br />
Outputs abzudecken und diverse Umweltveränderungen und Schäden gleichzeitig<br />
einschliessen können, sofern man den jeweiligen Konventionen und Modellen<br />
ausreichende Autorität zubilligt.<br />
Ökobilanzen sind darüber hinaus geeignet, den Diskurs zwischen Verursachenden und<br />
Betroffenen oder anderen Anspruchsgruppen rational zu unterstützen und können<br />
jenseits numerischer, rein modellbasierter Optimierung als Instrument zur Führung<br />
kollektiver Lern- und Verhandlungsprozesse eingesetzt werden. Dies kommt dem<br />
Anspruch der generischen, idealtypischen Methodik der theoretischen Ökobilanzforschung<br />
am nächsten. Sie stimmt mit den Empfehlungen kritischer Umweltökonomen<br />
überein, angesichts der niemals abschliessend erfassbaren Komplexität ökologischer<br />
Rückbetroffenheit -neben einer rein datengestützten Rationalität -der Rationalität des<br />
Verhandlungsprozesses Beachtung zu schenken. Insofern sind Ökobilanzen wichtige<br />
Instrumente zur Herstellung ökologischer Rationalität auf der Ebene der Ökonomie.
250 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />
Vergleichen wir schliesslich die anfangs der 70er Jahre formulierte Vision der eingangs<br />
erwähnten <strong>St</strong>. Galler Forschenden mit dem heutigen <strong>St</strong>and des Projekts Ökobilanz,<br />
ergibt sich eine zwiespältige Bilanz: das Potential der Methodik für die Realisierung<br />
einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung wurde bislang in keiner Weise<br />
ausgeschöpft. Die Umweltpolitik hat wenig Notiz von der Ökobilanz als Instrument der<br />
<strong>St</strong>euerung genommen, sondern erachtet es noch immer vorwiegend als Instrument zur<br />
Informationsgewinnung. Dieser Befund trifft insbesondere für die Schweiz zu.<br />
Das erscheint uns bedauerlich, denn wir meinen nachweisen zu können, dass ein -<br />
durch eine anerkannte Institution -angebotener Grüner <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest<br />
von den umweltengagierten Unternehmen durchaus aufgegriffen würde. Das dem so ist<br />
- und dieser Befund spricht für die Überzeugungskraft und Qualität der Vision von<br />
Müller-Wenk und seinen Kollegen –zeigt sich darin, dass wesentliche Elemente ihres<br />
Konzepts der Ökologischen Buchhaltung nach 30 Jahren in der Praxis anzutreffen sind<br />
und die internationale Ökobilanzbewegung wesentlich geprägt haben.
Literaturverzeichnis 251<br />
Literaturverzeichnis<br />
Ausen, D. (2002): Results from the Nordic Environmental Survey 2002, Nordic<br />
Industrial Fund, Greenpack Report 2002-01.<br />
Ayres, R.U. (2002): On the Life Cycle Metapher: where ecology and economics<br />
diverge, Center for the Management of Environmental Resources, Nr.<br />
2002/119, INSEAD, Fontainebleau.<br />
Basler & Hoffmann (1974): <strong>St</strong>udie Umwelt und Volkswirtschaft. Vergleich der<br />
Umweltbelastung von Behältern aus PVC, Glas, Blech und Karton im Auftrag<br />
des Eidg. Amts für Umweltschutz, Zürich.<br />
Batelle Institut (1973): Abbaubare Kunststoffe und Müllprobleme, Beiträge zur<br />
Umweltgestaltung, Heft A 23, Berlin.<br />
Baumast, A., Dyllick, Th. (1998): Umweltmanagement-Barometer Schweiz 1997/98,<br />
IWOE-HSG Diskussionsbeitrag Nr. 59, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Baumast, A., Dyllick, Th. (2001): Umweltmanagement-Barometer 2001, Tagungsband,<br />
IWOE-HSG Diskussionsbeitrag Nr. 93, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, S. 35 - 44.<br />
Bengtsson, M. (2000): Environmental Valuation and Life Cycle Impact Assessment,<br />
Chalmers University of Technology, CPM Report 2000:1, Göteborg.<br />
Binswanger, H.C., Geissberger, W., Ginsburg, Th. (1978): Der NAWU-Report: Wege<br />
aus der Wohlstandsfalle, <strong>St</strong>rategien gegen Arbeitslosigkeit und Umweltkrise,<br />
Frankfurt am Main.<br />
Binswanger, H.C. (September 1972): Ökonomie und Ökologie, in: Schweizerische<br />
Zeitschrift für Volkswirtschaft und <strong>St</strong>atistik, S. 225 - 239.<br />
Blumer, H. (1971): Social Problems as Collective Behaviour, Social Problems Nr. 18/3,<br />
S. 298 – 306.<br />
Boustead, I., Hancock, G.F. (1979): Handbook of Industrial Energy Analysis, Ellis<br />
Horwood Ltd., Chichester.<br />
Braun, F. (1974): Rechenschaftslegung zur Umweltbelastung und zum Umweltschutz<br />
von Industrieunternehmen, Beiträge zur Umweltgestaltung, A36, Berlin.<br />
Braunschweig, A., Müller-Wenk, R. (1993): Ökobilanzen für Unternehmungen, Eine<br />
Wegleitung für die Praxis, Haupt, Bern.<br />
Braunschweig, et.al. (1994): Evaluation und Weiterentwicklung von Bewertungsmethoden<br />
für Ökobilanzen –Erste Ergebnisse, IWÖ Diskussionsbeitrag, Nr. 19,<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Braunschweig, et.al. (1996): Developments in LCA Valuation, IWÖ-Diskussionsbeitrag<br />
Nr. 32, IWOE-HSG, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.
Literaturverzeichnis 252<br />
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (1990): Ökobilanzen von Packstoffen,<br />
Schriftenreihe Umwelt Nr. 132, BUWAL, Bern.<br />
Bundesamt für Umweltschutz (1984): Ökobilanzen von Packstoffen, Schriftenreihe<br />
Umwelt Nr. 24, BUS, Bern.<br />
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt<br />
(2002): ISO 14001 in Deutschland -Erfahrungsbericht, Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin.<br />
BUWAL/BfS (1998): Umweltbewusstsein - Umwelt in der Schweiz, Bern.<br />
BUWAL (1998): Bewertung von Ökoinventaren für Verpackungen, BUWAL SRU 300,<br />
Bern.<br />
BUWAL (1999): Ökologische Bewertung mit Hilfe der Grauen Energie. Analysieren,<br />
Bewerten, Entwerfen, Überprüfen und Vereinfachen von Ökobilanzen, SRU<br />
307, Bern.<br />
Carlson, R., Palsson, A.C. (2001): First examples of practical application of ISO TS<br />
14048 Data documentation format, Chalmers University of Technology,<br />
Göteburg.<br />
Carlson, R., et.al. (2003): CASCADE -<strong>St</strong>andards for Modelling LCA Data, Präsentation,<br />
International Workshop on Quality of LCI Data, Forschungszentrum<br />
Karlsruhe.<br />
Consoli, F., et.al (1993): Guidelines for Life Cycle Assessment: ACode of Practice,<br />
1.Edition, SETAC, Brüssel.<br />
Constanza, R., et.al. (1997): An Introduction to Ecological Economics, Boca Raton.<br />
CSRnetwork (2000): 1999 Benchmark Survey of the <strong>St</strong>ate of Global Environmental<br />
Reporting, Bath UK.<br />
Daly, H. (1968): On Economics als Life Science, Journal of Political Economy, Nr.<br />
76/68.<br />
De Haes, U., et.al. (2002): Life Cycle Impact Assessment -<strong>St</strong>riving for Best Practice,<br />
SETAC.<br />
Diekmann, A./Preisendörfer, P. (1992): Persönliches Umweltverhalten. Diskrepanz<br />
zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Kölner Zeitschrift für Soziologie und<br />
Sozialpsychologie, Nr. 44, Köln, S. 226 - 251.<br />
Doka, G. (2000): Synopsis of variations of the BUWAL Ecopoints LCIA Method,<br />
Ecoscarcity, Übersicht im Auftrag des BUWAL, Doka Life Cycle Assessments,<br />
Zürich.<br />
Dyllick, Th. (1990): Ökologisch bewusstes Management, Die Orientierung, Schweizerische<br />
Volksbank, Bern.
Literaturverzeichnis 253<br />
Dyllick, Th. (Hrsg.) (1991): Ökologische Lernprozesse in Unternehmen, Paul Haupt,<br />
Bern.<br />
Dyllick, Th. (1992): Ökologisch bewusste Unternehmungsführung, in: Die Unternehmung,<br />
Nr. 6, S. 402.<br />
Eisen, M., et.al. (2003): Risikodiskurse, Die Dynamik öffentlicher Debatten über<br />
Umwelt- und Risikoprobleme in der Schweiz, Reihe Gesellschaft Schweiz,<br />
SPP Zukunft Schweiz, Seismo, Zürich.<br />
Ekvall, T., Tillmann, A.M. (1997): Open-loop recycling: criteria for allocation procedures.<br />
The International Journal of LCA, Nr. 2, 155 - 162.<br />
Elliot-Jones, M.F. (1973): Matrix Methods in Corporate Social Accounting, in: Dierkes,<br />
M., Bauer, R.A.: Corporate Social Accounting, New York.<br />
Enquête Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen<br />
Bundestages (Hrsg.) (1994): Die Industriegesellschaft gestalten, Perspektiven<br />
für einen nachhaltigen Umgang mit <strong>St</strong>off- und Materialströmen,<br />
Economica, Bonn.<br />
Erlandsson, A., Carlsson, A.S. (2002): SIRII SPINE -Documented and Quality Reviewed<br />
Environmental Data, IVL Rapport B 1455-E, <strong>St</strong>ockholm.<br />
ERM (2002): Evaluation of Environmental Product Declaration Schemes. Final Report<br />
commissioned by European Commission DG Environment, London.<br />
ETH-ESU/PSI (1996): Environmental Life Cycle Inventories of Energy Systems, ENET.<br />
EU-Kommission (2001): <strong>St</strong>rategy for aFuture Chemicals Policy, White Paper, Commission<br />
of the European Communities, Brussels.<br />
Europäische Kommission (Februar 2004): Umwelt für Europäer, Informationsblatt der<br />
Generaldirektion Umwelt, Nr. 15, Brüssel.<br />
Externe Kosten der SIA Norm SN 506 480 (2004): Wirtschaftlichkeitsrechnung für<br />
Investitionen im Hochbau, SIA, Zürich.<br />
Fava, J. (2002): Life Cyle Initiative: Ajoint UNEP/SETAC Partnership to Advance the<br />
Life-Cycle-Economy, in: Int. Journal of LCA, Nr. 2, Volume 7, S. 196 - 198.<br />
Fecker, I. (1990): Was ist eine Ökobilanz, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Finger, M., Bürgin, S., Haldimann, U. (1996): Der umweltbezogene organisationale<br />
Lernprozess, in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, Nr. 3/96, S. 21 - 28.<br />
Fink, P. (1983): Ecological Profile of Packages, in: Bridgewater, A., et al. :Energy in<br />
Packaging and Waste, Berkshire, S. 9 - 26.<br />
Finnveden, G. (1999): Acritical review of operational valuation/weighting methods for<br />
life cycle assessment. AFR-Report 253, Swedish Waste Research Council,<br />
Swedish EPA, <strong>St</strong>ockholm.
Literaturverzeichnis 254<br />
Finnveden, G. (1998): On the possibilities of life-cycle assessment, development of<br />
methodology and review of case studies, <strong>St</strong>ockholm University.<br />
Foerster, R, (1994): Panel Method according to Landbank, in: Braunschweig, et.al.:<br />
Evaluation und Weiterentwicklung von Bewertungsmethoden für Ökobilanzen<br />
–Erste Ergebnisse, IWÖ Diskussionsbeitrag, Nr. 19, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, S. 141 -<br />
151.<br />
Foerster, R., (1998): in: Proceedings of the 6. Ecobalance-Forum: LCIA, <strong>St</strong>ate-of-theart,<br />
New Developments 1998, Future Perspectives, ETH-Zürich, Anhang,<br />
ohne Seitenangaben.<br />
Frankl, P., Rubik, F. (1999): Life Cycle Assessment in Industry and Business -<br />
adoption Patterns, Applications and Implications, Springer Verlag.<br />
Frankl, P., Rubik, F(1998): Application Patterns of Life Cycle Assessment in German,<br />
Italian, Swedish and Swiss Companies, Schriftenreihe des IWÖ 130/98,<br />
Berlin.<br />
Frankl, P. (2001): Life Cycle Assessment as a Management Tool, Working Paper,<br />
Centre for the Management of Environmental Resources, INSEAD,<br />
Fontainebleau.<br />
Frischknecht, R. (1997): Goal and Scope Definition and Inventory Analysis, in: Udo de<br />
Haes, H., Wrisberg, N.: Life Cycle Assessment. <strong>St</strong>ate of the Art and<br />
Research Priorities: Results of LCANET, Bayreuth, S. 59 - 88.<br />
Frischknecht, R. (2000): Ecoinvent 2000 -Datenaustauschformat, Spezifikation, Version<br />
2.2., Uster.<br />
Frischknecht, R., et.al. (2002): Qualitätsrichtlinien Ecoinvent 2000, Arbeitspapier,<br />
Uster.<br />
Frischknecht, R. (2003): Ecoinvent Database Methodology. Präsentation, Special LCA<br />
Forum ETH Lausanne, Folienpräsentation.<br />
Fussler, C. (1993): Life Cycle Assessment -ANew Business Planning Tool, SPOLD,<br />
Brussels.<br />
Gälweiler, A. (ohne Jahrgang): Die strategische Führung der Unternehmung, Management<br />
Zentrum <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, S. 2 - 25.<br />
Gebler, W. (1990): Ökobilanzen in der Abfallwirtschaft. Methodische Ansätze zur<br />
Durchführung einer Programm-Umweltverträglichkeitprüfung, <strong>St</strong>uttgarter<br />
Berichte zur Abfallwirtschaft Band 41.<br />
GEDnet (2002): International Guide to Environmental Product Declarations. Pre-print<br />
Edition, GEDnet, <strong>St</strong>ockholm.<br />
Gensch, C.-O. (1993): Erfahrungen bei der Erstellung von Produktökobilanzen und<br />
Produktlinienanalysen in Zusammenarbeit mit der Industrie, in. Griess-
Literaturverzeichnis 255<br />
hammer, R., Pfeifer, R.: 2. Freiburger Kongress "Produktlinienanalyse und<br />
Ökobilanz"; Werkstattreihe des Öko-Instituts Freiburg; Nr. 83; S. 65 - 74.<br />
Georgescu-Roegen, N. (1971): The Entropy Law and the Economic Process,<br />
Cambridge MA; Harvard University Press.<br />
Getzner, M. (2003): Ökonomische Methoden der Umweltplanung, Folienpräsentation<br />
WS2003/04, Universität Klagenfurt.<br />
Giegrich, J., et. al. (1995): Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen,<br />
Evaluation von Bewertungsmethoden, in: Umweltbundesamt: Methodik der<br />
produktbezogenen Ökobilanzen, Texte 23/95, Berlin, S. 1 - 137.<br />
Goedkoop, M. (1995): The Eco-Indicator 95, Atool for designers, Pré Consultants,<br />
Amersfoort.<br />
Goedkoop, M., Spriensma, R. (April 2000): The Eco-indicator 99 -Adamage oriented<br />
method for Life Cycle Impact Assessment, Methodology Report, Second<br />
Edition, Amersfoort.<br />
GRI (2002): Sustainability Reporting Guidelines, Global Reporting Initiative, Boston.<br />
Groupe des Sages (chaired by Udo de Haes, HA) (1994): Guidelines for the Application<br />
of Life-Cycle Assessment in the European Union Ecolabelling<br />
Programme. CML Leiden/SPOLD.<br />
Gruppe angepasste Technologien Grat (1998): Ecodesign/Cleaner Production,<br />
Software-Recherche und Leistungstest, Schriftenreihe des Bundesministerium<br />
für Umwelt, Jugend und Familie BMUJF, Nr. 15/1998, Wien.<br />
Guinée, J., et. al. (1996): LCA Impact Assessment of Toxic Releases: Generic<br />
modelling of fate, exposure and effect for ecosystems and human beeings<br />
for about 100 chemicals, Centre of Environmental Science, Leiden, National<br />
Institute of Public Health and Environmental Protection, Netherlands.<br />
Guinée, J. et.al. (2002): Handbook on Life Cycle Assessment -Operational Guide to<br />
the ISO <strong>St</strong>andards, Dordrecht Kluwer, Norwell.<br />
Habersatter, K. et.al. (1995): Ecobalance of Packaging Materials, BUWAL, SRU 250,<br />
Bern.<br />
Hamschmidt, J. (2001): Wirksamkeit von Umweltmanagementsystemen, <strong>St</strong>and der<br />
Praxis und Entwicklungsperspektiven, Dissertation Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Hannigan, J.A. (1995): Environmental Sociology; ASocial Constructionist Perspective,<br />
London.<br />
Hauschild, M., Wenzel, H. (1998): Environmental Assessment of Products. Volume 2:<br />
Scientific Background, Chapman & Hall, London.
Literaturverzeichnis 256<br />
Heinrich, D., Hergt, M. (2002): dtv-Atlas Ökologie, Deutscher Taschenbuch Verlag, 5.<br />
Auflage, München.<br />
Heijungs, R., et.al. (1992): Environmental Life Cycle Assessment of Products,<br />
Guideline and Backgrounds, CML, Leiden.<br />
Hejiung, R., Guineé, J. (1993): CML on actual versus potential risks, in: LCA News,<br />
SETAC Europe, Nr. 3, S. 4.<br />
Hejiungs, R. (1998): ASpecial View on the Nature of the Allocation Problem, in. The<br />
International Journal of LCA, Nr. 3, S. 321 - 332.<br />
Heller, P. (1989): Das Problem der Umweltbelastung in der ökonomischen Theorie,<br />
Frankfurt/New York.<br />
Hemming, Chr. (1995): Directory of Life Cycle Inventory Data Sources. SPOLD,<br />
Brussels.<br />
Hertz, D.B. (1973): Checkliste für umweltfreundliche Produkte, in Absatzwirtschaft, 5,<br />
S. 42 - 48.<br />
Hischier, R., Kumlin, A.S. (Oktober 2003): How Compatible are the Swiss<br />
ECOSPOLD and the Swedish SIRII SPINE Formats for Data Documentation<br />
and Exchange, Präsentation, International Workshop on Quality of LCI<br />
Data, Forschungszentrum Karlsruhe.<br />
Hofmeister, S. (1989): Landschaftsentwicklung und Umweltforschung; Schriftenreihe<br />
des Fachbereichs Landschftsentwicklung der TU Berlin, Nr. 58, Berlin.<br />
Hofstetter, P. (1998): Perspectives in Life Cycle Assessment: Astructured approach to<br />
combine models of the technosphere, ecosphere and valuesphere. Kluwer,<br />
Norwell.<br />
Honda, T. (2004): Comparing JEPIX, LIME and Ebara Methods for Weighting, in:<br />
Proceedings of the JEPIX Forum Japan, Tokyo, Folienpräsentation.<br />
Hopfenbeck, W. (1990): Umweltorientiertes Management und Marketing, Landsberg.<br />
Huang, E., Hunkeler, D., (1996): A Corporate Survey of Life-Cycle Concepts for<br />
Minimizing Environmental Impact, Proceedings of the Third International<br />
Congress on Environmentally Cnscious Design &Manufacturing, US-Japan<br />
Center for Technology Management, Vanderbilt University, Nashville,<br />
abstract.<br />
Huijbregts, M.A.J., et.al. (2000): LCA normalisation data for the Netherlands<br />
(1997/1998), Western Europe (1995) and the World (1990 and 1995), CML,<br />
Leiden.<br />
Hujibregts, M. (1999): Priorities Assessment of Toxic Substances in the Framework of<br />
LCA: Development and Application of multi-media fate, exposure and effect<br />
model USES-LCA, University of Amsterdam.
Literaturverzeichnis 257<br />
Inaba, A., Finkbeiner, M., <strong>Siegenthaler</strong>, C. (1998): Survey on the Application of LCA<br />
and EMS in Japanese Companies, Internal Report, NIRE; Tsukuba.<br />
Infras, Econcept, Prognos (1996): Die Vergessenen Milliarden: externe Kosten im<br />
Energie- und Verkehrsbereich, Bern.<br />
Institut für Chemische Pflanzenphysiologie (1984): Zivilisationsökologie, Fernlehrgang<br />
Ökologie und ihre biologischen Grundlagen, Heft 8-11, Universität<br />
Tübingen.<br />
ISO (2004): ISO in figures for the year 2003. Central Secretariat, Genf.<br />
Itsubo, N. et. al. (2002): Uncertainty Analysis of Damage Function of Human Health<br />
Caused by Ozonlayer Depletion, in: Proceedings of The 5th International<br />
Conference on Ecobalance, Tsukuba.<br />
Itsubo, N., et.al. (2002): Development of Weighting Factors for Safeguard Subjects<br />
Applying Conjoint Analysis, in: Proceedings of the 5th International<br />
Ecobalance Conference, Tsukuba.<br />
Itsubo, N. (2003): Development of LCIA Methodology considering the Damages of<br />
Endpoints in LCA National Project of Japan, National Institute of Advanced<br />
Industrial Science and Technology, Folienpräsentation, Tsukuba.<br />
Jansen, et.al. (1973): Vergleichende Modelltheorie der atmosphärischen Schadstoffbelastung<br />
durch Kernkraftwerke, Vortrag zitiert in Alt, C., Weber, F. (Hrsg.):<br />
Reinhaltung der Luft, Karlsruhe.<br />
JEMAI (ohne Datum): Toward a Sustainable Society, Brochure, JEMAI.<br />
Jolliet, O. (1994): Critical Surface-Time: An Evaluation Method for Life Cycle Assessment,<br />
in: Udo de Haes, H.A. et.al.: Integrating Impact Assessment into LCA,<br />
SETAC Press, S. 133 - 144.<br />
Jolliet, O., et.al. (2003): IMPACT 2002+, ANew Life Cycle Impact Assessment Methodology,<br />
in: Int. Journal of LCA, Nr. 8, S. 324 - 330.<br />
Jolliet, O., Pennington, D. (2003): Ecotoxicity, Description and <strong>St</strong>ate of the Art, in:<br />
UNEP Life Cycle Initiative, LCA Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy,<br />
Background Document III.<br />
Jönbrink, A. K., Wolf-Wats, M. Erixon, P. Olsson, Wallén, N. (2000): LCA Software<br />
Survey, Industrial Research Institute in Sweden, IVF Research Publication<br />
824.<br />
Kanda, Y., Nakaso, Y., Lee ,B.-W. (2003): Corporate Sustainability Management in<br />
Japan and Korea, Institute for Global Environmental <strong>St</strong>rategies, IGES-<br />
Kansai, Kobe.<br />
Kashiwagi, T. (2000): Survey Results Environment, in: NIESTEP: National Technology<br />
Outlook 2030, National Institut of Science and Technology Policy NISTEP.
Literaturverzeichnis 258<br />
Klöpffer, W., Renner, I. (1995): Methodik der Wirkungsbilanz im Rahmen von Produkt-<br />
Ökobilanzen unter Berücksichtigung nicht oder nur schwer quantifizierbarer<br />
Umwelt-Kategorien, in: Umweltbundesamt: Methodik der produktbezogenen<br />
Ökobilanzen, Texte 23/95, Berlin, S. 1 - 80.<br />
Klöpffer, W., Renner, I. (January 2003): The Problem of New Impact Categories, in:<br />
UNEP Life Cycle Initiative: LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II,<br />
ohne Seitenangaben.<br />
Kortmann, J.G.M., et al. (1994): Towards asingle Indicator for Emissions. An Exercise<br />
in Aggregating Environmental Effects; Ministry of VROM, Report Nr. 1994/12,<br />
Zoetermeer.<br />
Kreikebaum, H. (1996): Die Organisation ökologischer Lernprozesse in Unternehmen,<br />
in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 4 - 9.<br />
Krewitt, W., Friedrich, R. (1998): Monetäre Bewertung von Umweltschäden -Erfahrungen<br />
aus dem ExternE Projekt, in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von<br />
Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums Ökobilanzen<br />
vom 4.12.1998, S. 44 - 57.<br />
Krotschek, Ch., Naradoslawsky, M. (1994): The Sustainable Process Index; anew<br />
dimension in ecological evaluation, Amsterdam.<br />
Kytzia, S., Seidel, I. (1998): Monetarisierung - ein Weg für die vergleichende Bewertung<br />
von Umweltschäden, in ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von<br />
Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums Ökobilanzen<br />
vom 4.12.1998, S. 34 - 43.<br />
Kytzia, S., <strong>Siegenthaler</strong>, C. (1994): Die schweizerische Methodik "Ökobilanzen für<br />
Unternehmungen" und ihre Anwendung mit REGIS für Windows, in: Informatik<br />
für den Umweltschutz, Metropolis Verlag, S. 89 - 100.<br />
Kytzia, S. (1995): Die Ökobilanz als Bestandteil des betrieblichen Informationsmanagements,<br />
Rüegger, Chur.<br />
Larsen, H.F. et.al. (2002): Inventory of LCIA Selection methods for assessing toxic<br />
releases, Presentation on OMNIITOX, Technical University of Denmark,<br />
ohne Seitenangaben.<br />
Leontieff, W. (1970): Environmental Repercussions and the Economic <strong>St</strong>ructure -An<br />
Input-Output-Approach, in: Review of Economics and <strong>St</strong>atistics, Vol. 52, S.<br />
262 - 271.<br />
Levitt, Th. (1965): Exploit the product life cycle, Harvard Business Review.<br />
Life Cycle Assessment Society of Japan, (1999): Int. Journal of LCA, Vol. 4(5), S.<br />
248.
Literaturverzeichnis 259<br />
Lindejier, E., Huppes, G. (2002): Partitioning economic inputs and outputs to product<br />
systems, in: Guinée, et.al. (2002): Handbook on Life Cycle Assessment -<br />
Operational Guide to the ISO <strong>St</strong>andards, Dordrecht Kluwer, Norwell.<br />
Lindfors, L.G., et.al (1996): Impact Assessment. LCA-NORDIC Technical Report<br />
Nr.10, Nordic Council of Ministers, Copenhagen.<br />
Luhmann, N. (1990): Ökologische Kommunikation, Kann die moderne Gesellschaft<br />
sich auf ökologische Gefährdungen einstellen, 3. Auflage, Opladen.<br />
Mackay, D. et.al. (1985): Evaluating the Environmental Behaviour of Chemicals with a<br />
Level III Fugacity Model, in: Chemosphere, Nr. 14, S.335 - 374.<br />
Mackay, D. (1991): Multimedia Environmental Models: The Fugacity Approach. Lewis<br />
Publishers, Boca Raton.<br />
Malik, F. (1985): <strong>St</strong>rategische Unternehmungsführung als <strong>St</strong>euerung eines komplexen<br />
Systems, in: Management Forum, Band 5, Wien, S. 135 - 154.<br />
Mauch, W. (1993): Kumulierter Energieaufwand für Güter und Dienstleistungen,<br />
Dissertation, Universität München.<br />
Meffert, H., Kirchgeorg, M. (1993): Marktorientiertes Umweltmanagement. Grundlagen<br />
und Fallstudien, <strong>St</strong>uttgart.<br />
Menke, D., et.al. (1996): Evaluation of Life Cycle Assessment Tools, Environment<br />
Canada, Ottawa.<br />
Mettier, Th. (1998): Der Vergleich von Schutzgütern -Ausgewählte Ergebnisse einer<br />
Panel-Befragung, in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von<br />
Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums Ökobilanzen<br />
vom 4.12.1998, S. 58 - 71.<br />
Minsch, J. (1988): Ursache und Verursacherprinzip im Umweltbereich, Zur theoretischen<br />
Fundierung einer verursacherorientierten Umweltpolitik, Dissertation<br />
Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Mitchell, R.C., Carson,R.T. (1989): Using Surveys to Value Public Goods. The<br />
Contingent Valuation Method, Resources for the Future, Washington.<br />
Miyazaki, N., et.al. (2004): JEPIX –Japan Environmental Policy Priorities Index, Social<br />
Science Research Institute Monograph Series Nr. 7, Tokyo.<br />
Müller-Wenk, R. (1996): Political and scientific targets distance-to-target valuation<br />
models, in Braunschweig , S. 86 – 93.<br />
Müller-Wenk, R. (1974): Ein Vorschlag aus einzelwirtschaftlicher Sicht zur Realisierung<br />
einer umweltkonformen Wirtschaft, in: Wolff (Hrsg.): Wirtschaftspolitik in der<br />
Umweltkrise, <strong>St</strong>uttgart, S. 268 – 286.
Literaturverzeichnis 260<br />
Müller-Wenk, R. (1978): Die ökologische Buchhaltung. Ein Informations- und<br />
<strong>St</strong>euerungsinstrument für umweltkonforme Unternehmenspolitik, Frankfurt<br />
Main.<br />
Müller-Wenk, R. (1994): Methode der wirkungsorientierten Klassifikation nach CML<br />
Leiden sowie darauf aufbauende Methoden für die Bewertung, in:<br />
Braunschweig, et.al.: Evaluation und Weiterentwicklung von<br />
Bewertungsmethoden für Ökobilanzen - Erste Ergebnisse, IWÖ<br />
Diskussionsbeitrag, Nr. 19, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, S. 19 - 43.<br />
Müller-Wenk, R. (2003): Development of aconsistent framework for Life Cycle Impact<br />
Assessment, in: UNEP Life Cycle Initiative, LCA Impact Assessment<br />
Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II.<br />
Murray, C, Lopez, C. (1996): The Global Burden of Disease, a Comprehensive<br />
Assessment of Mortality and Disability from Diseases, Injuries and Risk<br />
Factors in 1990 projected to 2020, Harvard School of Public Health, World<br />
Health Organization and World Bank.<br />
Nagata, K., et.al. (1996): Developing an Impact Assessment Methodology using Panel<br />
Data, in: RITE International Workshop on Total Ecobalance, Tokyo, S. 101 -<br />
119.<br />
Nansai, K., Moriguchi, Y., Tohno, S. (2002): Embodied Energy and Emission Intensity<br />
Data for Japan Using Input-Ouput Tables -Inventory Data vor LCA, Center<br />
for Global Environmental Research, National Institute for Environmental<br />
<strong>St</strong>udies, Tsukuba.<br />
Narita, N., et.al (2002): Current <strong>St</strong>atus of National LCA Project in Japan, in:<br />
Proceedings of the 5th International Ecobalance Conference, Tsukuba, S.<br />
125 - 127 .<br />
NEC (2002): Environmental Report, Kanagawa.<br />
News from the International Journal of LCA (2004) in: Int. Journal of LCA, Vol. 9(2),<br />
S. 8A.<br />
Nielsen, P., Yang, J. (1999): Chinese normalization references and weighting factors -<br />
According to the EDIP impact assessment method, Technical University of<br />
Denmark & Chinese Academy of Science, Inco China.<br />
Odum, H.T. (1971): Environment, Power and Society, New York.<br />
OECD (2001): Environmental Outlook, Paris.<br />
Ohashi, T. (2002): The Realities of Environmental Communication in Japan,<br />
Präsentation, 5. Ecobalance Conference 2002, Tsukuba, Folie Nr. 19.
Literaturverzeichnis 261<br />
Pennington, D. et.al (2001): Construction of a Chemical Fate & Human Exposure<br />
Model of Toxic Substances for Japan, Final Report, EPFL, Abschnitt 15<br />
Result Comparison, ohne Seitenangaben.<br />
Pennington, D. et.al (2001): Construction of a Chemical Fate & Human Exposure<br />
Model of Toxic Substances for Japan, Final Report, EPFL, Abschnitt 2.2<br />
Multimedia Models - Background, ohne Seitenangaben.<br />
Pfriem, R., Schwarzer, Ch. (1996): Ökologiebezogenes organisationales Lernen, in:<br />
Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 10 - 16.<br />
Polli, R., Cook, V. (1969): Validity of the product life cycle, Journal of Business, Nr. 42,<br />
S. 385 - 395.<br />
Potting, J., Hauschild, M. (1997): Spatial Differentiation in Life Cycle Assessment via<br />
the site-dependent Characterisation of Environmental Impact from Emission,<br />
in: Intern. Journal of LCA, Nr. 4, S. 209 - 216.<br />
Preisendörfer, P., Franzen, A. (1996): Der schöne Schein des Umweltbewusstseins:<br />
Zu den Ursachen und Konsequenzen von Umwelteinstellungen der<br />
Bevölkerung, in: Diekmann, A., Jaeger, C.C.: Umweltsoziologie, Kölner<br />
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, S. 219 - 244.<br />
Prognos, Ecoplan, Infras (1996): Die Vergessenen Milliarden, Bern.<br />
Radon -vom Heilmittel zum Schadstoff (2004), in: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch,<br />
4. Februar, Nr. 28, S. 61.<br />
Rentsch, Chr. (Dezember 2003): Sustainable Development <strong>St</strong>rategy 2002, Präsentation,<br />
Special LCA Forum ETH Lausanne, Folienpräsentation.<br />
Rice, G, (1996): A review of commercial LCA Software, with specific emphasis on<br />
European industrial application, Universits of Surrey.<br />
Roche AG (2002): Sicherheit und Umweltschutz bei Roche Konzernreport 2002, Basel.<br />
Rubik, F., Baumgartner, Th. (1991): Evaluation of Eco-Balances, Report to the Institute<br />
for Environmental Policy, Bonn.<br />
Sattelberger, T. (1996): Die Lernende Organisation: Konzepte für eine neue Qualität<br />
der Unternehmungsentwicklung, 3. Auflage, Wiesbaden.<br />
Schalit, L.M., Wolfe, K.J. (1978): SAM-IA: ARapid Screening Method for Environmental<br />
Assessments for Fossil Energy Process Effluents. EPA, Washington<br />
DC.<br />
Schaltegger, S., <strong>St</strong>urm, A. (1994): Ökologieorientierte Entscheidungen in Unternehmen,<br />
Ökologisches Rechnungswesen statt Ökobilanzierung: Notwendigkeit,<br />
Kriterien, Konzepte, Bern, S.105 – 110.
Literaturverzeichnis 262<br />
Schaltegger, S., Burrit, R. (2000): Contemporary Environmental Accounting, Greenleaf,<br />
Sheffield.<br />
Scheidegger, A. (1998): Der Umgang mit politischen Zielwerten -Erfahrungen aus der<br />
Überarbeitung der Methode der Ökologischen Knappheit, in: in: ETH Zürich:<br />
Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9.<br />
Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 29 - 33.<br />
Schetsche, M. (1996): Die Karriere sozialer Probleme: Soziologische Einführung,<br />
München.<br />
Schmidt-Bleek, F. (1993): Wieviel Umwelt braucht der Mensch MIPS -Das Mass für<br />
ökologisches Wirtschaften. Birkhäuser, Berlin.<br />
Schoenbaum, T. (2004): Environmental Law and Ecofactors, in: Miyazaki, N., et.al.:<br />
JEPIX - Japan Environmental Policy Priorities Index, Social Science<br />
Research Institute Monograph Series Nr. 7, Tokyo, S. 55 - 59.<br />
Schreiner, M. (1988): Umweltmanagement in 22 Lektionen, Wiesbaden.<br />
Schulz, W., Schulz, E. (1994): Ökomanagement, München.<br />
Seidel, E., Menn, H. (1988): Ökologisch orientierte Betriebswirtschaft, <strong>St</strong>uttgart.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Noppeney, C., Pagliari, F. (1995): Ökobilanz-Software 1995 -Eine<br />
Übersicht der derzeit erhältlichen Programme zur Erstellung von Betriebsund<br />
Produktökobilanzen, ÖBU, Adliswil.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Linder, S., Pagliari, F. (1997): LCA Software Guide 1997. Schriftenreihe<br />
der ÖBU, Adliswil.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Inaba, A. (1998): Life Cycle Impact Assessment -Current <strong>St</strong>ate and<br />
Perspectives for Research, in: ECP Newsletter, Nr. 10, JEMAI Japan<br />
Environmental Management Association for Industry, Tokyo, S. 1 - 6.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C. (2000): Die Frage der Bewertung in Ökobilanzen -<strong>St</strong>and und Perspektiven,<br />
in: Energie und Umweltforschung im Bauwesen, 11. Schweizerisches<br />
<strong>St</strong>atus-Seminar, Zentrum für Nachhaltigkeit im Bauwesen, Zürich, S.411 -<br />
416.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Miyazaki, N., et.al. (2002): Development of EcoScarcity Japanese<br />
Version (ESJ), in: Proceedings of the 5th International Conference on<br />
Ecobalance, Tsukuba, S. 581 - 582.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C. (2002): Ökobilanzierung und Öko-Controlling, Gastvorlesung, Wahlprogramm<br />
Umweltmanagement, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Folienpräsentation.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C. (2003): JEPIX 2005 -Ecofactors for Japan, Datasheet to the JEPIX<br />
Technical Report, erhältlich über www.jepix.org, Tokyo.
Literaturverzeichnis 263<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, G. (2004): The LCA Software Guide<br />
2004 – Poster Presentation, 6 th Int. Conference on EcoBalance, Tsukuba.<br />
<strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, G. (2005): LCA Software Guide 2005,<br />
ÖBU, Zürich.<br />
Singhofen, A. (1996): Introduction into a Common Format for Life-Cycle Inventory<br />
Data, <strong>St</strong>atus Report, SPOLD, Brussels.<br />
Sinum AG (2003): Aufbereitung der NIRE Datenbank für die Verwendung mit der<br />
Ökobilanz-Software REGIS, interne Dokumentation, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Soddy, F. (1922): Cartesian Economics, London.<br />
Sonnemann, G. (2004): Activities ahead for 2004, in: Int. Journal of LCA, Vol. 9(2), S.<br />
74 - 75.<br />
Sonnemann, G. (2003): International Life Cycle Panel: Decisions for 2003, Int. Journal<br />
of LCA, Vol. 8 (2), S. 61.<br />
<strong>St</strong>ahel, R., Foerster, R. (1998): Zuordnung der Ökofaktoren 97 und des EcoIndicators95<br />
zu Schweizer Ökoinventaren, ÖBU Schriftenreihe 16/1998, Zürich.<br />
<strong>St</strong>ahlmann, V. (1994): Umweltverantwortliche Unternehmungsführung, München.<br />
<strong>St</strong>een, B., et.al. (1995): SPINE - A Relational Database <strong>St</strong>ructure for Life Cycle<br />
Assessments, Chalmers Industrieteknik, Swedish Environmental Research<br />
Insitute, Gothenburg.<br />
<strong>St</strong>een, B. (1999): Asystematic approach to environmental priority strategies for product<br />
development (EPS), Version 2000 - general system characteristics, CPM<br />
Report 1999/4.<br />
<strong>St</strong>eger, U. (Hrsg.) (1988): Umweltmanagement, Wiesbaden.<br />
<strong>St</strong>ellmann, J. (1997): Die ökologische Dimension im strategischen Management,<br />
Dissertation, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
<strong>St</strong>evens, M., et.al (1997): Umweltberichterstattung und Umwelterklärung nach der EG-<br />
Öko-Audit-Verordnung, Springer.<br />
<strong>St</strong>ewart, M., Goedkoop, M. (2003): LCIA Needs analysis report of the UNEP-SETAC<br />
Life Cycle Initiative, UNEP/SETAC Life Cycle Initiative, Paris, Version 2.<br />
<strong>St</strong>ölting, P., Rubik, F. (1992): Übersicht über ökologische Produktbilanzen, <strong>St</strong>udie für<br />
den Bundesverband Umweltberatung, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung<br />
IÖW, Heidelberg, .<br />
<strong>St</strong>otz (1999): Organisationale Lernprozesse, Begriff, Merkmale, Einflussfaktoren.<br />
Dissertation, Wiesbaden.<br />
Sundmacher (2002): Umweltinformationsinstrument Ökobilanz.
Literaturverzeichnis 264<br />
Suter, P., Hofstetter, P. (1989): Die ökologische Rückzahldauer, in: Schweizer Ingenieur<br />
und Architekt, Nr. 49, S. 1342 - 1346.<br />
Swiss Centre for Life Cycle Inventories (2003): Ecoinvent 2000, Zürich.<br />
Tarara, J. (1997): Ökologieorientierte Informationsinstrumente in Unternehmen, Wiesbaden.<br />
Tellus Institute (1992): The Tellus Institute Packaging <strong>St</strong>udy, Boston.<br />
Thalmann, W.R. (1978): Herstellung der Kunststoffe LD-PE, HD-PE, PVC und HI-PS,<br />
EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Thalmann, W.R. (1979/80): Herstellung von Aluminium, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Thalmann, W.R. (1979): Herstellung von Papieren und Karton, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
Thalmann, W.R. (1983): Ökologische Bilanz-Betrachtungen, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.<br />
The European Opinion Research Group (2002): The attitudes of Europeans towards<br />
the environment, Eurobarometer 58, Europäische Kommission, Brüssel.<br />
Udo de Haes H.A.(2003): The UNEP/SETAC Life Cycle Initiative -APersonal View of<br />
the Results after one Year, in: Int. Journal of LCA, Vol. 8 (5), S. 307 - 308.<br />
<strong>St</strong>rebel, H. (1980): Umwelt und Betriebswirtschaft, Berlin.<br />
Ullmann, A. (1975): Unternehmungspolitik in der Umweltkrise, Europäische Hochschulschriften.<br />
Umweltbundesamt (1992): Ökobilanzen für Produkte, Bedeutung -Sachstand -Perspektiven.<br />
UBA Texte, 38/92, Berlin.<br />
UNEP Life Cycle Initiative (2003): LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II.<br />
UNEP Life Cylce Initiative (2003): Life Cycle Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy,<br />
background document III.<br />
UNEP-Division of Technology, Industry and Economics (1996): Life Cycle Assessment<br />
- What it is and How to do it, UNEP, Paris.<br />
UNEP-Division of Technology, Industry and Economics (1999): Towards the Global<br />
Use of Life Cycle Assessment, UNEP, Paris.<br />
Wackernagel, M., et.al. (1997): Ecological Footprints of Nations, How much nature do<br />
they have -How much nature do they have, Centro de Estudios para la<br />
Sustentabilidad, Universidad Anàhuac de Xalapa Mexico, Xalapa.<br />
Wahrig, G. (1994): Deutsches Wörterbuch, Bertelsmann Lexikon Verlag.<br />
Wackernagel, M. (1993): How Big Is Our Ecolocigal Footprint: A Handbook For<br />
Estimating A Community's Appropriated Carrying Capacity, University of<br />
British Columbia, Vancouver.
Literaturverzeichnis 265<br />
Wanzek, J. (1996): Komplexe Natur -Komplexe Welt: Zum Aufkommen des modernen<br />
Umweltbewusstseins in der Schweiz in den Jahren 1972 -1986, Lizentiatsarbeit<br />
Universität Zürich.<br />
Weber, R. (1986): Kernenergie, Webers Taschenlexikon, 2. Auflage, Aarau.<br />
Weidema, B. (1999): SPOLD '99 format -an electronic data format for exchange of LCI<br />
data, SPOLD, Brussels.<br />
Wenzel, H. (1998): Application Dependency of LCA Methodology: key variables and<br />
their mode of influencing the method, in: Int. Journal of LCA, Nr. 3, S. 281 -<br />
288.<br />
Wicke, L., et. al. (1992): Betriebliche Umweltökonomie -Eine praxisorientierte Einführung,<br />
München.<br />
Wilson, B., Jones, B. (1994): The Phosphate Report, Landbank Consulting, London.<br />
Winter, G. (1987): Das umweltbewusste Unternehmen, München.<br />
Yasui, I. (1998): Anew Scheme of Life Cycle Impact Assessment Method Based on the<br />
Consumption of Time, in: Proceedings of the 3rd International Ecobalance<br />
Conference, Tsukuba, S.89 - 92.
Literaturverzeichnis 266<br />
In den Fussnoten verwendete Hinweise auf weiterführende Informationen im Internet:<br />
http://galacenters.org<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Energie<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Enthalpie<br />
http://LCA-netc.com/SPOLD/whatis.html<br />
http://www.ecoinvent.ch<br />
http://www.environdec.com/international/programs.asp<br />
http://www.ecology.or.jp/isoworld/english/analy14k.htm<br />
http://www.information-factory.com<br />
http://www.ISO.org/ISO/en/stdsdevelopment/tc/<br />
http://www.iwoe.unisg.ch<br />
http://www.japanfs.org<br />
http://www.JEMAI.or.jp/ecoleaf_e/<br />
http://www.jepix.org<br />
http://www.lcacenter.org/INLCA-LCM03/Index.html<br />
http://www.nachhaltiges-investment.org<br />
http://www.nas.nasa.gov/about/education/ozone/history.html<br />
http://www.net-lexikon.de/Exergie.html<br />
http://www.scientificjournals.com/sj/LCA<br />
http://www.sntt.or.jp/ecobalance/<br />
http://www.umberto.de
Anhang: Fragebogen & Auswertung 267<br />
Anhang: Fragebogen & Auswertung
A.1<br />
Publikation Umweltangaben<br />
Publiziert Ihr Unternehmen regelmässig<br />
Angaben zum UMS bzw. zur<br />
Umweltleistung<br />
%absolut<br />
Ja 46.3 106<br />
Nein 53.7 123<br />
N 229<br />
Nein<br />
53.7%<br />
Ja<br />
46.3%<br />
A.2<br />
ISO 14001 Zertifizierung<br />
Verfügt das Unternehmen über ein<br />
ISO14001-zertifiziertes<br />
Umweltmanagementsystem<br />
%absolut<br />
Ja 79.5 182<br />
Nein 12.7 29<br />
Geplant / im Aufbau 5.7 13<br />
Aufgegeben 2.2 5<br />
N 229<br />
F01<br />
Nein<br />
12.7%<br />
Geplant / im<br />
Aufbau<br />
5.7%<br />
Aufgegeben<br />
ISO 14001 Zertifizierung<br />
2.2%<br />
Ja 182.0<br />
Nein 29.0<br />
Geplant / im Aufbau13.0<br />
Aufgegeben 5.0<br />
229.0<br />
Alle Cases<br />
Ja<br />
79.5%<br />
Anhang Seite 1
A.2a<br />
Zeitpunkt der ersten ISO-Zertifzierung<br />
Wann wurde das Unternehmen resp. Teile<br />
davon erstmals zertifiziert<br />
%absolut<br />
1995-1997 29.7 54<br />
1998-2001 50.0 91<br />
2002- 20.3 37<br />
N 182<br />
1995-1997<br />
1998-2001<br />
2002-<br />
N<br />
Alle Cases<br />
2002-<br />
20.3%<br />
1995-1997<br />
29.7%<br />
1998-2001<br />
50,0%<br />
Anhang Seite 2
A.3<br />
Ansprüche der <strong>St</strong>akeholder<br />
In welchem Ausmass ist Ihr Unternehmen von umweltbezogenen Ansprüchen der<br />
folgenden Interessengruppen betroffen<br />
F3<br />
100% 0.4 1.3 4.2<br />
0.0 0.0<br />
5.9<br />
3.2<br />
4.5 1.8 1.8 4.1<br />
9.9 11.3<br />
21.3 13.0<br />
3.6<br />
23.1<br />
18.1<br />
22.2 35.7<br />
Ansprüche <strong>St</strong>akeholder<br />
18.4<br />
27.4<br />
80%<br />
48.4<br />
48.2<br />
60.1<br />
52.4<br />
32.1<br />
Kunden Lieferanten Handel<br />
MitbewerberMitarbeiter<br />
60% Gar nicht 26.51162791 19.457 5.35714<br />
Wenig 56.3<br />
56.27906977 52.4887 58.9286 47.1<br />
40.8<br />
56.4<br />
<strong>St</strong>ark 13.02325581 39.9<br />
52.5<br />
55.2 22.1719 35.7143<br />
40% Weiss nicht 4.186046512 5.88235 0<br />
58.9<br />
36.9<br />
Gar nicht 46.7<br />
52.9 57 43 38.7 12<br />
Wenig 36.8<br />
20%<br />
121 116 132<br />
<strong>St</strong>ark 30.9<br />
26.5<br />
28.3 28 49 30.8 80<br />
20.9<br />
Weiss nicht 19.5<br />
19.9<br />
11.7<br />
9 13<br />
4.4<br />
5.4 3.1<br />
7.1<br />
0%<br />
215 221 224<br />
Alle Cases<br />
Kunden<br />
Lieferanten<br />
Handel<br />
Mitbewerber<br />
Mitarbeiter<br />
Management<br />
Eigentümer<br />
Banken/Versich.<br />
Gewerkschaften<br />
Umweltschutzorg.<br />
Lok. Bevölkerung<br />
Behörden<br />
Presse/Medien<br />
Gar nicht Wenig <strong>St</strong>ark Weiss nicht<br />
Kunden<br />
Lieferanten<br />
Handel<br />
Mitbewerber<br />
Mitarbeiter<br />
Management<br />
%<br />
Gar nicht 4.4 21 27 19 5.4 3.1 12 31 53 28 20 7.1 31<br />
Wenig 47 56 56 52 59 37 37 41 32 40 55 39 47<br />
<strong>St</strong>ark 48 21 13 22 36 60 48 18 3.6 27 23 52 18<br />
Weiss nicht 0.4 1.3 4.2 5.9 0 0 3.2 9.9 11 4.5 1.8 1.8 4.1<br />
absolut<br />
Gar nicht 10 47 57 43 12 7 26 69 117 63 44 16 68<br />
Wenig 105 127 121 116 132 82 82 91 71 89 122 87 104<br />
<strong>St</strong>ark 109 48 28 49 80 134 107 41 8 61 51 118 40<br />
Weiss nicht 1 3 9 13 7 22 25 10 4 4 9<br />
N 225 225 215 221 224 223 222 223 221 223 221 225 221<br />
Eigentümer<br />
Banken/Versich.<br />
Gewerkschaften<br />
Umweltschutzorg.<br />
Lok. Bevölkerung<br />
Behörden<br />
Presse/Medien<br />
Anhang Seite 3
A.4<br />
Teil eines internationalen Konzerns<br />
Ist Ihr Unternehmen Teil eines<br />
international operierenden Konzerns und<br />
werden Ihre Umweltaktivitäten durch ein<br />
ausländisches Mutterhaus<br />
wesentlich geprägt<br />
%absolut<br />
Ja 25.6 59<br />
Nein 74.0 171<br />
Weiss nicht 0.4 1<br />
N 231<br />
F4<br />
Teil internationaler Konzern<br />
Ja<br />
Nein<br />
Weiss nicht<br />
N<br />
Weiss nicht<br />
0.4%<br />
Ja<br />
25.6%<br />
Alle Cases<br />
Nein<br />
74.0%<br />
A.5<br />
Export-Orientierung<br />
Ist Ihr Unternehmen stark exportorientiert<br />
und orientieren sich Ihre Umweltaktivitäten<br />
deshalb stark an den Erfordernissen<br />
ausländischer<br />
Märkte<br />
%absolut<br />
Ja 33.3 77<br />
Nein 66.7 154<br />
N 231<br />
F5<br />
Exportorientiert<br />
Ja<br />
Nein<br />
N<br />
Alle Cases<br />
Ja<br />
33.3%<br />
Nein<br />
66.7%<br />
Anhang Seite 4
A.6<br />
Einsatz von <strong>St</strong>offbilanzen<br />
Werden in Ihrem Unternehmen<br />
<strong>St</strong>offbilanzen (z.B. f ür VOC oder CO2),<br />
Input-Output-Bilanzen, Energiebilanzen<br />
oder Ökobilanzen eingesetzt<br />
%absolut<br />
Nein 24.6 59<br />
Unt.-bezogen 47.9 115<br />
Produktbezogen 4.6 11<br />
Unt.- & P.-bezogen 22.9 55<br />
N 240<br />
F6<br />
Einsatz <strong>St</strong>offbilanzen<br />
Nein<br />
Unternehmungsbezogen<br />
Unternehmungs-<br />
Produktbezogen<br />
und<br />
Unternehmungs- produktbezogen und produktbezogen<br />
N 22,9%<br />
Alle Cases<br />
Nein<br />
24.6%<br />
Produktbezogen<br />
4.6%<br />
Unternehmungsb<br />
ezogen<br />
47.9%<br />
Anhang Seite 5
B.1<br />
Unternehmensbezogene Methoden<br />
Welche der folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente werden in<br />
Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />
N = 149<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
F8<br />
Unternehmensbezogene Methoden<br />
Energiebilanz<br />
Prozent Ja N<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz 13.4% 55.7% 20 149<br />
Umweltkostenrechnung 16.1% 24 149<br />
Gewichtete Umweltbilanz 18.8% 48.3% 28 149<br />
Gefahrstoffbilanz 20.1% 30 149<br />
Umweltkennzahlen 28.9% 43 149<br />
VOC-Bilanz 37.6% 37.6% 56 149<br />
CO2-Bilanz 48.3% 72 149<br />
Emissionsstatistiken 55.7% 83 149<br />
28.9%<br />
Input-Output-Bilanz 65.1% 97 149<br />
Energiebilanz 69.8% 104 149<br />
20.1%<br />
Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />
Input-Output-Bilanz<br />
Emissionsstatistiken<br />
CO2-Bilanz<br />
VOC-Bilanz<br />
Umweltkennzahlen<br />
Gefahrstoffbilanz<br />
Gewichtete Umweltbilanz<br />
Umweltkostenrechnung<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />
18.8%<br />
16.1%<br />
13.4%<br />
69.8%<br />
65.1%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />
Anhang Seite 6
X:B.1 Unternehmensbezogene Methoden<br />
Spezialauswertung zu Frage B.1: Wieviele der oben genannten Methoden werden<br />
gleichzeitig eingesetzt<br />
N = 149<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
F8a<br />
Anzahl Methoden<br />
0 Methoden<br />
1 Methode<br />
2 Methoden<br />
20%<br />
3 Methoden<br />
4 Methoden<br />
18%<br />
18.1% 18.8% 5 Methoden<br />
6 Methoden<br />
16% 7 Methoden<br />
16.1%<br />
8 Methoden<br />
14% 9 Methoden<br />
14.1%<br />
12.8%<br />
12%<br />
Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />
10%<br />
10.1%<br />
8%<br />
6%<br />
7.4%<br />
4%<br />
2%<br />
0%<br />
1.3%<br />
0.7% 0.7%<br />
0 Methoden<br />
1 Methode<br />
2 Methoden<br />
3 Methoden<br />
4 Methoden<br />
5 Methoden<br />
6 Methoden<br />
7 Methoden<br />
8 Methoden<br />
9 Methoden<br />
Anhang Seite 7
B.2<br />
Einsatzzeit der Methoden<br />
Seit wann werden die folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente in<br />
Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />
N = 70<br />
Seit wann werden die folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente in<br />
Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />
F9<br />
Energiebilanz<br />
Einsatzdauer Methoden<br />
12.0<br />
15.1<br />
17.6<br />
14.3<br />
18.9 11.7<br />
36.0<br />
32.4 0.9<br />
Wirkungsorientierte Umweltkostenrechnung<br />
Gewichtete UmweltbilanzGefahrstoffbilanz<br />
Umweltkennzahlen<br />
kein Einsatz 56.96202532 54.4304 44.186<br />
seit 1-2 Jahren 6.329113924 15.1899 8.13953<br />
seit 3-5 Jahren 22.8<br />
26.7 18.98734177 30.7 8.86076 19.8 24.4186 0.0<br />
seit > 5 Jahren 15.18987342 17.7215 22.093<br />
Weiss nicht 2.53164557 3.79747 1.16279<br />
N 79 79 86<br />
33.7<br />
18.9<br />
32.6<br />
13.7 1.1<br />
Input-Output-Bilanz<br />
Emissionsstatistiken<br />
CO2-Bilanz<br />
Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />
VOC-Bilanz<br />
Umweltkennzahlen<br />
Gefahrstoffbilanz<br />
Gewichtete Umweltbilanz<br />
Umweltkostenrechnung<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />
44.2<br />
54.4<br />
57.0<br />
63.8<br />
71.4<br />
32.0<br />
40.3<br />
8.1<br />
15.2<br />
6.3<br />
24.4<br />
7.5<br />
8.9<br />
19.0<br />
7.1<br />
37.6<br />
15.0<br />
29.4<br />
7.1<br />
22.1<br />
17.7<br />
15.2<br />
0.8<br />
0.8<br />
1.2<br />
3.8<br />
2.5<br />
12.5 1.3<br />
11.4 2.9<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
kein Einsatz<br />
seit 1-2 Jahren<br />
seit 3-5 Jahren<br />
seit > 5 Jahren<br />
Weiss nicht<br />
Anhang Seite 8
B.3<br />
Wirksamkeit der Methoden<br />
Welches der in Ihrem Unternehmen eingesetzten Instrumente ist nach Ihrer<br />
Meinung das wirksamste<br />
N = 149<br />
F10<br />
Wirksamste Methode<br />
Input-Output-Bilanz<br />
Gefahrstoffbilanzen<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />
Umweltkostenrechnung<br />
VOC-Bilanz<br />
Bewertete Umweltbilanz<br />
Emissionsstatistiken in Kg<br />
CO2-Bilanz<br />
Umweltkennzahlen<br />
Energiebilanz<br />
Input-Output-Bilanz<br />
N<br />
Energiebilanz<br />
Umweltkennzahlen<br />
CO2-Bilanz<br />
Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />
Emissionsstatistiken in Kg<br />
Gewichtete Umweltbilanz<br />
VOC-Bilanz<br />
Umweltkostenrechnung<br />
Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />
Gefahrstoffbilanzen<br />
2.7%<br />
1.3%<br />
3.4%<br />
5.4%<br />
8.1%<br />
8.1%<br />
7.4%<br />
20.1%<br />
19.5%<br />
24.2%<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%<br />
Anhang Seite 9
B.4<br />
Rhythmus der Datenerhebung<br />
In welchem Rhythmus werden die für die<br />
Berechnung der Bilanzen notwendigen<br />
Daten erfasst (Periodizität der<br />
Datenerhebung)<br />
%absolut<br />
Quartalsweise 16.4 12<br />
Halbjährlich 5.5 4<br />
Jährlich 74.0 54<br />
Alle 2 Jahre 2.7 2<br />
N 72<br />
F11<br />
Rhythmus der Datenerhebung<br />
Quartalsweise<br />
Halbjährlich<br />
Jährlich<br />
Alle 2 Jahre<br />
N<br />
Alle 2 Jahre<br />
3%<br />
Unternehmensbilanzierer gemäss Selektion<br />
Quartalsweise<br />
17%<br />
Halbjährlich<br />
6%<br />
Jährlich<br />
74%<br />
B.5<br />
Vollständigkeit der Datenerhebung<br />
Wie beurteilen Sie die Vollständigkeit der<br />
Datenerfassung in Bezug auf den<br />
gesamten entsprechenden <strong>St</strong>off - bzw.<br />
Energiehaushalt in Ihrem<br />
Unternehmen<br />
%absolut<br />
Hoch (80-100%) 62.5 45<br />
Mässig (50-79%) 34.7 25<br />
Gering ( 50%) 1.4 1<br />
Weiss nicht 1.4 1<br />
N 72<br />
F12<br />
Vollständigkeit der Datenerhebung<br />
Gering (50%)<br />
1%<br />
Hoch (80-100%)<br />
Mässig (50-79%)<br />
Gering ( 50%)<br />
Weiss nicht<br />
Total<br />
Mässig<br />
(50-79%)<br />
35%<br />
Weiss nicht<br />
1%<br />
Hoch<br />
(80-100%)<br />
63%<br />
Anhang Seite 10
B.6<br />
Organisatorischer Bezug<br />
Welchen organisatorischen Bezug haben die erstellten Bilanzen<br />
N = 73<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Anderes Einzelne Abteilungen Prozesse Tochterunternehmen <strong>St</strong>andorte<br />
Anzahl 0.054794521 0.06849 0.41096<br />
N 4 61.6% 5 30<br />
73 73 73<br />
Gesamtunternehmen<br />
<strong>St</strong>andorte<br />
Tochterunternehmen<br />
Abteilungen<br />
Einzelne Prozesse<br />
Anderes<br />
5.5%<br />
5.5%<br />
2.7%<br />
6.8%<br />
41.1%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
B.7<br />
Reichweite der Bilanzen<br />
Welches ist die Reichweite der in Ihrem<br />
Unternehmen erstellten Bilanzen<br />
(Systemgrenzen)<br />
%absolut<br />
<strong>St</strong>andort 80.3 57<br />
inkl. vor-/nachgel.<strong>St</strong>. 16.9 12<br />
Weiss nicht 2.8 2<br />
N 71<br />
inkl. vor- oder<br />
nachgelagerte<br />
<strong>St</strong>ufen<br />
17%<br />
Weiss nicht<br />
3%<br />
<strong>St</strong>andort<br />
80%<br />
Anhang Seite 11
B.7a<br />
zusätzlich berücksichtigte Aktivitäten<br />
absolut<br />
Welche Aktivitäten werden zusätzlich zum Produktnutzung 2<br />
<strong>St</strong>andort berücksichtigt<br />
Rohmaterial/Halbfabrikate 4<br />
Zugekaufte Transporte 7<br />
Eigene Transporte 9<br />
Energiebereitstellung 9<br />
Abfallentsorgung 9<br />
(Mehrfachnennungen) N 12 von 71<br />
Abfallentsorgung<br />
Energiebereitstellung<br />
Eigene Transporte<br />
Zugekaufte Transporte<br />
Rohmaterial/Halbfabrikate<br />
Produktnutzung<br />
9<br />
9<br />
9<br />
7<br />
4<br />
2<br />
0 4 8 12<br />
Anhang Seite 12
B.8<br />
Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />
Bringt es Ihrer Meinung nach einen<br />
Nutzen, die Systemgrenzen über den<br />
<strong>St</strong>andort, resp. das Werkareal hinaus zu<br />
definieren<br />
%absolut<br />
Ja 37.0 27<br />
Nein 45.2 33<br />
Weiss nicht 17.8 13<br />
N 73<br />
F16<br />
Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />
Weiss nicht<br />
Ja<br />
17.8%<br />
Nein<br />
Weiss nicht<br />
Ja<br />
37.0%<br />
Nein<br />
45.2%<br />
B.8a<br />
Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />
Welchen Nutzen bringt die erweiterte Fassung der Systemgrenzen<br />
N = 27 von 73<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Früwarnung betr.<br />
Gesetzesänd. /<br />
indirekte ökolog. /<br />
ökonom. Fakten<br />
8<br />
Erkenntnisse /<br />
Zusammenhänge /<br />
Umfassendes<br />
Systemverständnis<br />
13<br />
Erweiterung<br />
Optimierungsraum /<br />
Umsetzung<br />
Verantwortlichkeit<br />
21<br />
0 5 10 15 20 25<br />
Anhang Seite 13
B.9 & 10 Erfasste und ausgewertete Inputs<br />
B.9: Welche Anzahl von Inputs (z.B. Heiz öl, Benzin, <strong>St</strong>ahl, zugekaufte<br />
Transportleistungen in tkm, etc.) wird in Ihrem Unternehmen erhoben<br />
B.10: Welche Anzahl von Inputindikatoren wird in Ihrem Unternehmen<br />
ausgewertet<br />
N = 72<br />
80<br />
80<br />
73.6<br />
70<br />
70<br />
60<br />
60<br />
Erfasste Inputs in %<br />
50<br />
40<br />
30<br />
26.4<br />
33.3<br />
25.0<br />
50<br />
40<br />
30<br />
Ausgewertete Inputs in %<br />
20<br />
20<br />
13.9<br />
10<br />
11.1<br />
12.5<br />
10<br />
0<br />
1.4 1.4<br />
1.4<br />
0<br />
0-5 Inputs erfasst /<br />
bis 50 Inputs ausgewertet<br />
6-10 Inputs erfasst / 5<br />
1-100 Inputs ausgewertet<br />
11-20 Inputs erfasst /<br />
101-500 Inputs ausgewertet<br />
> 20 Inputs erfasst /<br />
> 500 Inputs ausgewertet<br />
Weiss nicht<br />
Erfasste<br />
Inputfaktoren<br />
Ausgewertete<br />
Inputfaktoren<br />
Anhang Seite 14
B.11<br />
& 12 Erfasste und ausgewertete Outputs<br />
B.11: Welche Anzahl von Outputs (z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg<br />
CSB/DOC, etc. ) wird in Ihrem Unternehmen gemessen bzw. erhoben<br />
B.12: Welche Anzahl von Outputindikatoren wird in Ihrem Unternehmen<br />
ausgewertet<br />
N = 71 / 72<br />
40<br />
38.0<br />
36.1<br />
40<br />
35<br />
32.4<br />
30.6<br />
30<br />
Erfasste Outputs in %<br />
20<br />
18.1<br />
15.5<br />
12.5<br />
25<br />
20<br />
15<br />
Ausgewertete Outputs in %<br />
8.5<br />
10<br />
5.6<br />
2.8<br />
5<br />
0<br />
0<br />
0-5 Outputs erfasst /<br />
0-5 Outputs ausgewertet<br />
6-10 Outputs erfasst<br />
6-10 Outputs ausgewertet<br />
11-20 Outputs erfasst /<br />
11-50 Outputs ausgewertet<br />
> 20 Outputs erfasst /<br />
> 50 Outputs ausgewertet<br />
Weiss nicht<br />
Erfasste<br />
Outputfaktoren<br />
Ausgewertete<br />
Outputfaktoren<br />
Anhang Seite 15
B.13<br />
Werkzeuge zur Bilanzierung<br />
Welche der nachfolgenden Werkeuge werden in Ihrem Unternehmen zur Erstellung<br />
von Bilanzen eingesetzt<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Tabellenkalkulation<br />
Ökobilanz-Software<br />
ERP-System<br />
<strong>St</strong>offstrom-Modellierung<br />
Energiebilanz-Software<br />
<strong>St</strong>off- und Energiebilanzsoftware<br />
<strong>St</strong>offluss / Sankey-Diagramme<br />
Keines dieser Instrumente<br />
64.4%<br />
15.1%<br />
9.6%<br />
8.2%<br />
6.8%<br />
5.5%<br />
5.5%<br />
16.4%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
B.14<br />
Ersteller der Bilanzen<br />
Durch wen werden die Bilanzen in Ihrem Unternehmen hauptsächlich erstellt<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Interne Teams<br />
Externe Berater<br />
Externe Prüfer<br />
Arbeitsgemeinschaft / Ve...<br />
Forschungseinrichtungen<br />
89.0%<br />
23.3%<br />
4.1%<br />
2.7%<br />
0.0%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Anhang Seite 16
B.15<br />
Qualitative Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />
Werden die betrieblichen <strong>St</strong>off - und<br />
Energieflüsse qualitativ beurteilt<br />
(Umweltrelevanz-Matrix, ABC-<br />
Klassierung, etc.)<br />
%absolut<br />
Ja 77.8 56<br />
Nein 19.4 14<br />
Weiss nicht 2.8 2<br />
N 72<br />
Nein<br />
19.4%<br />
Weiss nicht<br />
2.8%<br />
Ja<br />
77.8%<br />
B.15<br />
a Kriterien der Beurteilung<br />
Nach welchen Kriterien wird qualitativ beurteilt<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Gesetzesrelevanz<br />
Technische Risiken<br />
Kosten<br />
Beeinflussbarkeit<br />
Öffentliche Wahrnehmung<br />
Anderes<br />
85.7%<br />
53.6%<br />
50.0%<br />
44.6%<br />
72<br />
39.3%<br />
8.9%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Anhang Seite 17
B.16<br />
Ausweis von Wirkungskategorien<br />
Werden einzelne <strong>St</strong>offe problembezogen zu sog. Wirkungskategorien<br />
zusammengefasst (Wirkungsanalyse) und wenn ja, zu welcher/n<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Treibhauseffekt<br />
Ozonschichtabbau<br />
Ökotoxizität<br />
Versauerung<br />
Überdüngung<br />
Humantoxizität<br />
Bodennahes Ozon<br />
Landnutzung / Biodiversität<br />
Abfalldeponieknappheit<br />
Mineralienabbau<br />
Verkehrslärm<br />
Bodenversalzung / Verwüstung<br />
Erosion<br />
Keine Wirkungskategorien<br />
23.3%<br />
9.6%<br />
8.2%<br />
6.8%<br />
6.8%<br />
5.5%<br />
5.5%<br />
2.7%<br />
1.4%<br />
1.4%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
67.1%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
Anhang Seite 18
B.17<br />
Gewichtungsfaktoren<br />
Welche/r der folgenden öffentlich verfügbaren Gewichtungsfaktoren kommt bei der<br />
Beurteilung Ihrer Input -Output-Daten zum Einsatz<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Emissionszuschläge<br />
Vermeidungskosten<br />
Sanierungskosten<br />
Umweltbelastungspunkte BUWAL<br />
Ecoindicator 99<br />
Anderes<br />
Ecoindicator 95<br />
Impact2000<br />
Ökologischer Fussabdruck<br />
MIPS<br />
EDIP<br />
ExternE<br />
Keine dieser Methoden<br />
26.0%<br />
23.3%<br />
16.4%<br />
11.0%<br />
5.5%<br />
4.1%<br />
2.7%<br />
1.4%<br />
1.4%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
39.7%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Anhang Seite 19
B.18<br />
Nutzen von <strong>St</strong>andardverfahren<br />
<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />
tendenziell zu<br />
"<strong>St</strong>andardisierte Verfahren zur<br />
Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />
Energieflüssen, aus denen beispielsweise<br />
eine Summe von Belastungspunkten<br />
resultiert, sind nützlich für das<br />
Unternehmen."<br />
%absolut<br />
Ja 69.4 50<br />
Nein 12.5 9<br />
Weiss nicht 18.1 13<br />
N 72<br />
B.19<br />
Sind <strong>St</strong>andardverfahren methodisch überzeugend<br />
<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />
tendenziell zu<br />
"Die heute verfügbaren, standardisierten<br />
Verfahren zur Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />
Energieflüssen sind methodisch<br />
überzeugend."<br />
%absolut<br />
Ja 44.4 32<br />
Nein 13.9 10<br />
Weiss nicht 41.7 30<br />
N 72<br />
80%<br />
70%<br />
69.4%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
44.4%<br />
41.7%<br />
20%<br />
10%<br />
12.5% 13.9%<br />
18.1%<br />
0%<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Nützlich<br />
Methodisch überzeugend<br />
Anhang Seite 20
B.20<br />
Instanzen für Definition der Gewichtungsansätze<br />
Gewichtungsmethoden sollten vor allem auf Einschätzungen welcher der folgenden<br />
Instanzen basieren<br />
N = 70<br />
Weiss nicht<br />
7%<br />
Anderes<br />
3%<br />
<strong>St</strong>aat<br />
17%<br />
Unternehmen<br />
selbst<br />
31%<br />
Wirtschaft<br />
6%<br />
Wissenschaft<br />
36%<br />
Anhang Seite 21
C.1<br />
Zweck der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />
Welchem Zweck dient die Erstellung von unternehmungsbezogenen <strong>St</strong>off - und<br />
Energiebilanzen in Ihrem Unternehmen<br />
N = 73<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Regelmässige Prüfung Umweltaspekte<br />
Erfüllung gesetzl. Bestimmungen<br />
Umweltleistungsmessung<br />
Risiko-Management<br />
Interne Kommunikation<br />
Analyse für UMS-Aufbau<br />
Externe Kommunikation<br />
Identifikation Umweltbelastungstreiber<br />
Identifikation Umweltkostentreiber<br />
Externes Benchmarking<br />
Marketing<br />
<strong>St</strong>ärken-Schwächen-Analyse<br />
Anderes<br />
83.6%<br />
65.8%<br />
61.6%<br />
53.4%<br />
45.2%<br />
43.8%<br />
37.0%<br />
31.5%<br />
30.1%<br />
26.0%<br />
21.9%<br />
13.7%<br />
1.4%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Anhang Seite 22
C.2<br />
Funktionsbereiche<br />
In welchen Funktionsbereichen werden die Bilanzen bei der Entscheidungsfindung<br />
eingesetzt<br />
N = 54 bis 71<br />
2.8 5.6<br />
3.1<br />
4.5<br />
Umwelt- & Qualitätsmanagement<br />
Geschäftsleitung<br />
Einkauf & Beschaffung<br />
Produktion<br />
Forschung & Entwicklung<br />
Marketing & Verkauf<br />
Finanz- & Rechnungswesen<br />
Personalwesen<br />
6.2<br />
6.8<br />
20.4<br />
30.8<br />
40.9<br />
30.8<br />
44.4<br />
42.9<br />
42.3<br />
29.6<br />
50.8<br />
41.5<br />
31.8<br />
44.6<br />
40.7<br />
37.5<br />
31.5<br />
49.3<br />
28.8<br />
24.6<br />
21.2<br />
11.1<br />
5.6<br />
10.7<br />
18.5<br />
6.8 6.8<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />
1.9<br />
1.8<br />
7.4<br />
7.4<br />
7.1<br />
1.5<br />
Anhang Seite 23
C.3<br />
Institutionalisierungsgrad<br />
Welche der folgenden Aussagen<br />
beschreibt Ihrer Ansicht nach den Grad<br />
der Institutionalisierung<br />
(Verankerung/Integration) von <strong>St</strong>off - und<br />
Energiebilanzen in Ihrem Unternehmen<br />
am zutreffendsten<br />
Routine /<br />
Integration<br />
23.6%<br />
%absolut<br />
<strong>St</strong>artphase 19.4 14<br />
Lernphase 56.9 41<br />
Routine 23.6 17<br />
N 73<br />
<strong>St</strong>artphase /<br />
Innovation<br />
19.4%<br />
Lernphase /<br />
Adaption<br />
56.9%<br />
C.4<br />
Nutzenargumente<br />
Wie beurteilen Sie die folgenden Nutzenargumente für den Einsatz von Bilanzen<br />
N = 65 bis 67<br />
Eindeutigkeit von<br />
Kontrollgrössen<br />
1.5<br />
12.3<br />
30.8<br />
55.4<br />
Erhöhung der<br />
Glaubwürdigkeit<br />
1.56.1<br />
37.9<br />
54.5<br />
Konzentration aufs<br />
Wesentliche<br />
3.0<br />
13.4<br />
34.3<br />
49.3<br />
Planbarkeit der<br />
Umweltleistung<br />
1.5<br />
16.4<br />
32.8<br />
47.8<br />
1.5<br />
Versachlichung<br />
Diskussion<br />
1.6<br />
17.2<br />
32.8<br />
46.9<br />
1.6<br />
Neue Erkenntnisse<br />
/ Ideen<br />
1.5<br />
18.2<br />
42.4<br />
37.9<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft eher zu Trifft zu Weiss nicht<br />
Anhang Seite 24
C.5<br />
Aufwanderfassung<br />
Wird der zur Bilanzierung notwendige Aufwand erfasst, und wenn ja, in welcher<br />
Form<br />
N = 70<br />
Erfassung von<br />
Ausgaben und<br />
Zeitaufwand<br />
5.7%<br />
Erfassung des<br />
zeitlichen<br />
Aufwands<br />
11.4%<br />
Weiss nicht<br />
4.3%<br />
Erfassung der<br />
Ausgaben<br />
11.4%<br />
Keine<br />
Erfassung<br />
67.1%<br />
C.8<br />
Kosten-Nutzen Verhältnis<br />
Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der erstellten Bilanzen<br />
insgesamt<br />
N = 69<br />
Weiss nicht<br />
11.6%<br />
Schlecht<br />
11.6%<br />
Gut<br />
27.5%<br />
Ausgeglichen<br />
49.3%<br />
Anhang Seite 25
C.9 -<br />
11 Wirkungen der Bilanzierung<br />
C.9: Integrative Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu<br />
beigetragen haben, dass bestehende Informationsquellen (z.B. Rechnungswesen,<br />
Emissionsstatistiken, Einkaufsdaten, Produktionsdaten etc.) erweitert oder<br />
konsistenter gestaltet wurden<br />
C.10: <strong>St</strong>euernde Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu<br />
beigetragen haben, dass Umfang und <strong>St</strong>ruktur der Umweltleistung der<br />
Unternehmung besser geplant und gesteuert werden können (z.B. durch<br />
faktenbasierte Konzentration auf das Wesentliche, quantifizierte Ziele/Kennzahlen<br />
etc.)<br />
C.11: Organisatorische Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass durch die<br />
Bilanzierung die organisatorische <strong>St</strong>ellung und Einbindung der Umweltabteilung<br />
gestärkt und/oder die Führung von Arbeitsgruppen, Mitarbeiterinformation,<br />
Vorschlagswesen etc. positiv unterstützt wurde<br />
N = 71<br />
100%<br />
80%<br />
83.1%<br />
66.2%<br />
60%<br />
52.1%<br />
40%<br />
33.8%<br />
25.4%<br />
20%<br />
14.1%<br />
14.1%<br />
2.8%<br />
8.5%<br />
0%<br />
Integrative<br />
Wirkung<br />
<strong>St</strong>euernde<br />
Wirkung<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Organisatorische<br />
Wirkung<br />
Anhang Seite 26
C.12<br />
- 15 Beurteilung der Bilanzierung<br />
C.12: Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität der Bilanzierung<br />
ausserordentlich hoch ist<br />
C.13: Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind<br />
C.14: Denken Sie, dass die für die Bilanzen verwendeten Daten in<br />
problematischem Ausmass unsicher sind<br />
C.15: Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer<br />
Ansicht nach auf grosses Misstrauen<br />
N = 71<br />
100%<br />
80%<br />
73.2%<br />
81.7%<br />
84.5%<br />
60%<br />
52.1%<br />
45.1%<br />
40%<br />
23.9%<br />
20%<br />
2.8%<br />
2.8%<br />
9.9%<br />
8.5%<br />
11.3%<br />
4.2%<br />
0%<br />
Komplexität<br />
hoch<br />
Ergebnisse<br />
unklar<br />
Daten unsicher<br />
geringe<br />
Akzeptanz<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Anhang Seite 27
C.16<br />
Bilanzierungsaktivität in drei Jahren<br />
Wie beurteilen Sie das Ausmass der<br />
Aktivitäten im Bereich<br />
unternehmungsbezogene Bilanzierung in<br />
Ihrem Unternehmen in 3 Jahren<br />
%absolut<br />
Tiefer als heute 4.2 3<br />
Gleich wie heute 47.9 34<br />
Höher als heute 46.5 33<br />
Weiss nicht 1.4 1<br />
N 71<br />
Weiss nicht<br />
1.4%<br />
Tiefer als heute<br />
4.2%<br />
Höher als heute<br />
46.5%<br />
Gleich wie<br />
heute<br />
47.9%<br />
Anhang Seite 28
D.1<br />
Einsatzzeit Produktbilanzen<br />
Seit wann werden die folgenden produktbezogenen Instrumente in Ihrem<br />
Unternehmen eingesetzt<br />
N = 26+27<br />
69%<br />
12%<br />
12% 4% 4%<br />
Ökobilanz-basierte<br />
Umweltkennzeichnung<br />
81%<br />
4% 8% 4% 4%<br />
78%<br />
4% 7%<br />
11%<br />
externe<br />
Umweltkennzeichen<br />
73%<br />
12%<br />
15%<br />
62%<br />
15%<br />
8%<br />
15%<br />
Produktökobilanz<br />
7%<br />
26%<br />
41%<br />
26%<br />
41%<br />
19%<br />
19%<br />
11%<br />
11%<br />
Kumulierte Energiebilanz<br />
35%<br />
19%<br />
23%<br />
19%<br />
4%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Kein Einsatz<br />
seit 1-2 Jahren<br />
seit 3-5 Jahren<br />
seit > 5 Jahren<br />
Weiss nicht<br />
Anhang Seite 29
D.2<br />
Umfang der Produktsökobilanzen<br />
Für welche Produkte werden Ökobilanzen erstellt<br />
N = 26<br />
50.0%<br />
7.7%<br />
11.5%<br />
7.7%<br />
7.7%<br />
Nur für ökologisch<br />
positionierte Produkte<br />
Für alle neuen Produkte<br />
Für sämtliche Produkte<br />
Für einige neue Produkte<br />
15.4%<br />
Für einige bestehende<br />
Produkte<br />
Für einige bestehende und<br />
neue Produkte<br />
D.4<br />
Ersteller der Bilanzen<br />
Durch wen werden die Produktökobilanzen hauptsächlich erstellt<br />
N = 27<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Interne Teams<br />
66.7%<br />
Externe Berater<br />
29.6%<br />
Forschungseinrichtungen<br />
18.5%<br />
Arbeitsgemeinschaft /<br />
Verband<br />
14.8%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />
Anhang Seite 30
D.5 -<br />
6 Erfasste und ausgewertete Inputs<br />
D.5: Wieviele Inputs (z.B. verschiedene Metalle, Chemikalien, Elektrizität,<br />
Transportleistung in tkm, etc. ) werden für Ihre Produktökobilanzen<br />
gemessen bzw. erhoben<br />
D.6: Welche Anzahl von Inputindikatoren werden in Ihren Produktökobilanzen<br />
ausgewertet<br />
N = 27<br />
60%<br />
60%<br />
55.6%<br />
50%<br />
50%<br />
40%<br />
40%<br />
Erfasste Inputs<br />
30%<br />
29.6%<br />
25.9%<br />
33.3%<br />
30%<br />
Ausgewertete Inputs<br />
20%<br />
18.5%<br />
20%<br />
14.8%<br />
10%<br />
11.1%<br />
10%<br />
3.7%<br />
3.7%<br />
3.7%<br />
0%<br />
0%<br />
0-5 Inputs erfasst /<br />
bis 50 Inputs<br />
ausgewertet<br />
6-10 Inputs erfasst /<br />
51-100 Inputs<br />
ausgewertet<br />
11-20 Inputs erfasst /<br />
101-500 Inputs<br />
ausgewertet<br />
> 20 Inputs erfasst /<br />
> 500 Inputs<br />
ausgewertet<br />
Weiss nicht<br />
Erfasste<br />
Inputfaktoren<br />
Ausgewertete<br />
Inputfaktoren<br />
Anhang Seite 31
D.7 -<br />
8 Erfasste und ausgewertete Outputs<br />
D.7: Wieviele Outputs (z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg CSB/DOC,<br />
etc. ) werden f ür Ihre Produktökobilanzen gemessen bzw. erhoben<br />
D.8: Wieviele Outputindikatoren z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg<br />
CSB/DOC, etc. ) werden in Ihren Bilanzen ausgewertet<br />
N = 27<br />
40%<br />
40%<br />
30%<br />
29.6%<br />
33.3%<br />
30%<br />
Erfasste Outputs<br />
20%<br />
22.2%<br />
18.5% 18.5%<br />
14.8%<br />
18.5%<br />
22.2%<br />
20%<br />
Ausgewertete Outputs<br />
11.1%<br />
10%<br />
11.1%<br />
10%<br />
0%<br />
0%<br />
0-5 Outputs erfasst /<br />
0-5 Outputs ausgewertet<br />
6-10 Outputs erfasst /<br />
6-10 Outputs<br />
ausgewertet<br />
11-20 Outputs erfasst /<br />
11-50 Outputs<br />
ausgewertet<br />
> 20 Outputs erfasst /<br />
> 50 Outputs<br />
ausgewertet<br />
Weiss nicht<br />
Erfasste<br />
Outputfaktoren<br />
Ausgewertete<br />
Outputfaktoren<br />
Anhang Seite 32
D.9<br />
Qualitative Beurteilung der <strong>St</strong>offflüsse<br />
Werden die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />
qualitativ beurteilt (ABC-Klassierung,<br />
etc.)<br />
%absolut<br />
Ja 65.4 17<br />
Nein 11.5 3<br />
Weiss nicht 23.1 6<br />
N 26<br />
Weiss nicht<br />
23.1%<br />
Nein<br />
11.5%<br />
Ja<br />
65.4%<br />
D.9a<br />
Kriterien der Beurteilung<br />
Nach welchen Kriterien wird qualitativ beurteilt<br />
N = 17<br />
Anderes<br />
29.4%<br />
Beeinflussbarkeit<br />
Öffentliche Wahrnehmung<br />
Gesetzesrelevanz<br />
11.8%<br />
11.8%<br />
47.1%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Anhang Seite 33
D.10 Kriterien der Beurteilung<br />
Werden einzelne <strong>St</strong>offe problembezogen zu sog. Wirkungskategorien<br />
zusammengefasst (Wirkungsanalyse) und wenn ja, zu welcher/n<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Treibhauseffekt<br />
Ozonschichtabbau<br />
Ökotoxizität<br />
Versauerung<br />
Humantoxizität<br />
Überdüngung<br />
Bodennahes Ozon<br />
Abfalldeponieknappheit<br />
Landnutzung / Biodiversität<br />
Mineralienabbau<br />
Bodenversalzung / Verwüstung<br />
Verkehrslärm<br />
Erosion<br />
Keine Wirkungskategorien<br />
55.6%<br />
44.4%<br />
29.6%<br />
29.6%<br />
25.9%<br />
18.5%<br />
18.5%<br />
14.8%<br />
11.1%<br />
11.1%<br />
11.1%<br />
3.7%<br />
0.0%<br />
37.0%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />
Anhang Seite 34
D.11<br />
Kriterien der Beurteilung<br />
Welche/r der folgenden öffentlich verfügbaren Gewichtungsfaktoren kommt bei der<br />
Beurteilung Ihrer Produktökobilanzen zum Einsatz<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Ecoindicator 99<br />
Umweltbelastungspunkte BUWAL<br />
Emissionszuschläge<br />
Ecoindicator 95<br />
Anderes<br />
Vermeidungskosten<br />
Sanierungskosten<br />
EDIP<br />
Ökologischer Fussabdruck<br />
Impact2000<br />
MIPS<br />
ExternE<br />
Keine dieser Methoden<br />
40.7%<br />
25.9%<br />
22.2%<br />
18.5%<br />
14.8%<br />
11.1%<br />
11.1%<br />
3.7%<br />
3.7%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
0.0%<br />
7.4%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />
Anhang Seite 35
D.12<br />
Nutzen von <strong>St</strong>andardverfahren<br />
<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />
tendenziell zu<br />
"<strong>St</strong>andardisierte Verfahren zur<br />
Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />
Energieflüssen, aus denen beispielsweise<br />
eine Summe von Belastungspunkten<br />
resultiert, sind nützlich für die Beurteilung<br />
von Produktökobilanzen"<br />
%absolut<br />
Ja 92.3 24<br />
Nein 3.8 1<br />
Weiss nicht 3.8 1<br />
N 26<br />
D.13<br />
Sind <strong>St</strong>andardverfahren methodisch überzeugend<br />
"Die heute verfügbaren, standardisierten<br />
Verfahren zur Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />
Energieflüssen sind methodisch<br />
überzeugend"<br />
%absolut<br />
Ja 53.8 14<br />
Nein 15.4 4<br />
Weiss nicht 30.8 8<br />
N 26<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
92.3%<br />
53.8%<br />
30.8%<br />
15.4%<br />
3.8% 3.8%<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Nützlich<br />
Methodisch überzeugend<br />
Anhang Seite 36
D.14<br />
Instanzen für Definition der Gewichtungsansätze<br />
Gewichtungsmethoden sollten vor allem auf Einschätzungen welcher der folgenden<br />
Instanzen basieren<br />
N = 26<br />
Weiss nicht<br />
4%<br />
Andere<br />
8%<br />
<strong>St</strong>aat<br />
12%<br />
Unternehmen<br />
selbst<br />
19%<br />
Gesellschaft<br />
4%<br />
Wissenschaft<br />
53%<br />
E.1<br />
Zweck der Produktökobilanzen<br />
Welchem Zweck dient die Erstellung von Produktökobilanzen in Ihrem<br />
Unternehmen<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Identifikation von Schwachstellen<br />
Information<br />
Innovation<br />
Externer Produktvergleich<br />
Interner Produktvergleich<br />
Beschaffungskriterien<br />
Erhalt von Umweltkennzeichen<br />
Andere<br />
66.7%<br />
59.3%<br />
51.9%<br />
40.7%<br />
37.0%<br />
29.6%<br />
11.1%<br />
3.7%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />
Anhang Seite 37
E.2<br />
Einsatzgebiete Produktökobilanzen<br />
In welchen Funktionsbereichen werden Produktökobilanzen bei der<br />
Entscheidungsfindung eingesetzt<br />
N = 24 bis 26<br />
Umwelt- & Qualitätsmanagement<br />
Geschäftsleitung<br />
Einkauf & Beschaffung<br />
Produktion<br />
Forschung & Entwicklung<br />
Marketing & Verkauf<br />
Finanz- & Rechnungswesen<br />
Personalwesen<br />
3.8% 19.2%<br />
53.8%<br />
23.1%<br />
20.0% 32.0%<br />
40.0% 8.0%<br />
15.4% 34.6%<br />
11.5% 34.6%<br />
4.0% 20.0% 32.0%<br />
26.9% 19.2% 3.8%<br />
42.3% 11.5%<br />
36.0% 8.0%<br />
16.0% 36.0%<br />
36.0% 8.0% 4.0%<br />
50.0%<br />
29.2% 4.2%16.7%<br />
64.0%<br />
24.0% 8.0%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />
Anhang Seite 38
E.3<br />
Instutionalisierungsgrad<br />
Welche der folgenden Aussagen<br />
beschreibt Ihrer Ansicht nach den Grad<br />
der Institutionalisierung<br />
(Verankerung/Integration) von<br />
Produktökobilanzen in Ihrem<br />
Unternehmen am zutreffendsten<br />
%absolut<br />
<strong>St</strong>artphase 32 8<br />
Lernphase 56 14<br />
Routine 12 3<br />
N 25<br />
Routine /<br />
Integration<br />
12%<br />
<strong>St</strong>artphase /<br />
Innovation<br />
32%<br />
Lernphase /<br />
Adaption<br />
56%<br />
E.4<br />
Nutzenargumente<br />
Wie beurteilen Sie die folgenden Nutzenargumente der Bilanzen<br />
N = 26<br />
Erhöhung der<br />
Glaubwürdigkeit<br />
7.7%<br />
38.5%<br />
53.8%<br />
Konzentration aufs<br />
3.8% 7.7% 38.5%<br />
46.2%<br />
3.8%<br />
Wesentliche<br />
Versachlichung<br />
Diskussion<br />
7.7%<br />
46.2%<br />
46.2%<br />
Neue Erkenntnisse /<br />
3.8%<br />
Ideen<br />
11.5%<br />
46.2%<br />
38.5%<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft eher zu Trifft zu Weiss nicht<br />
Anhang Seite 39
E.5<br />
Aufwandserfassung<br />
Wird der zur Bilanzierung notwendige Aufwand erfasst und wie<br />
N = 26<br />
Weiss nicht<br />
24.0%<br />
Keine<br />
Erfassung<br />
32.0%<br />
Erfassung von<br />
Ausgaben und<br />
Zeitaufwand<br />
24.0%<br />
Erfassung des<br />
zeitlichen<br />
Aufwands<br />
16.0%<br />
Erfassung der<br />
Ausgaben<br />
4.0%<br />
E.8<br />
Kosten-Nutzen Verhältnis<br />
Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der erstellten Bilanzen<br />
insgesamt<br />
N = 25<br />
Weiss nicht<br />
28.0%<br />
Schlecht<br />
8.0%<br />
Ausgeglichen<br />
40.0%<br />
Gut<br />
24.0%<br />
Anhang Seite 40
E.9 -<br />
12 Beurteilung Bilanzierung<br />
E.9: Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität von Produktökobilanzen<br />
ausserordentlich hoch ist<br />
E.10: Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind<br />
E.11: Denken Sie, dass die für die Bilanzen verwendeten Daten in<br />
problematischem Ausmass unsicher sind<br />
E.12: Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer<br />
Ansicht nach auf grosses Misstrauen<br />
N = 24 bis 25<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
76.0%<br />
76.0% 75.0%<br />
60%<br />
56.0%<br />
50%<br />
40%<br />
36.0%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
20.0%<br />
4.0%<br />
8.0%<br />
16.0% 16.7%<br />
8.0%<br />
8.3%<br />
0%<br />
Komplexität<br />
hoch<br />
Ergebnisse<br />
unklar<br />
Daten<br />
unsicher<br />
geringe<br />
Akzeptanz<br />
Ja Nein Weiss nicht<br />
Anhang Seite 41
E.13<br />
Bilanzierungsaktivität in drei Jahren<br />
Wie beurteilen Sie das Ausmass der<br />
Aktivitäten im Bereich Produktökobilanzen<br />
in Ihrem Unternehmen in 3 Jahren<br />
%absolut<br />
Tiefer als heute 15.4 4<br />
Gleich wie heute 34.6 9<br />
Höher als heute 46.2 12<br />
Weiss nicht 3.8 1<br />
N 26<br />
Weiss nicht<br />
3.8%<br />
Tiefer als heute<br />
15.4%<br />
Höher als heute<br />
46.2%<br />
Gleich wie<br />
heute<br />
34.6%<br />
Anhang Seite 42
S.1<br />
Funktion im Unternehmen<br />
Welcher Art ist Ihre Funktion im Unternehmen<br />
N = 223<br />
Anderes<br />
35%<br />
Fachfunktion<br />
Umwelt<br />
47%<br />
Linienfunktion<br />
Umwelt<br />
18%<br />
S.2<br />
Dauer der Beschäftigung mit Umwelt<br />
Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Umweltmanagement (theoretisch<br />
und/oder praktisch)<br />
N = 232<br />
> 10 Jahre<br />
14.7%<br />
0-2 Jahre<br />
17.2%<br />
6-10 Jahre<br />
27.2%<br />
2-5 Jahre<br />
40.9%<br />
Anhang Seite 43
S.3<br />
Dauer der Umweltfunktion<br />
Wie lange sind Sie bei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber bereits im Umweltbereich<br />
aktiv<br />
N = 227<br />
> 10 Jahre<br />
16.7%<br />
0-2 Jahre<br />
23.3%<br />
6-10 Jahre<br />
22.5%<br />
2-5 Jahre<br />
37.4%<br />
S.5<br />
Bekanntheit der ISO 14000 ff.-Normen<br />
Welche der nachfolgenden ISO-Umweltnormen sind Ihnen bekannt und haben Ihre<br />
Arbeit in erwähnenswerter Weise beeinflusst <br />
N = 240<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
88.3%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
20.4% 17.9%<br />
12.5%<br />
7.5%<br />
14001-<br />
14004<br />
14010-<br />
14012<br />
14040-<br />
14043<br />
14031-<br />
14032<br />
14020-<br />
14025<br />
Anhang Seite 44
S.6<br />
Typische Kunden<br />
Welches ist der typische Kunde Ihres Unternehmens<br />
N = 232<br />
Anderes<br />
11%<br />
Anderes<br />
Unternehmen<br />
(B to B)<br />
31%<br />
Endkonsument<br />
39%<br />
Handelsunternehmen<br />
19%<br />
S.7<br />
Börsenkotierung<br />
Ist Ihr Unternehmen börsenkotiert<br />
N = 233<br />
Weiss nicht<br />
1.3%<br />
Ja<br />
37.8%<br />
Nein<br />
60.9%<br />
Anhang Seite 45
S.8<br />
Firmengrösse<br />
Wie viele Beschäftigte hat Ihr Unternehmen<br />
N = 236<br />
>5000 MA<br />
11.4%<br />
1-50 MA<br />
22.0%<br />
501-5000 MA<br />
21.2%<br />
51-500 MA<br />
45.3%<br />
Anhang Seite 46
S.9<br />
Branchenzugehörigkeit<br />
N = 239<br />
Bau und Baunebengewerbe<br />
andere Industrie<br />
andere Dienstleistungen<br />
Maschinen<br />
Chemie & Pharma<br />
Elektrotechnik<br />
Transport und Logistik<br />
Banken, Versicherungen<br />
Papier, Karton, Druck<br />
Lebensmittel<br />
Handel<br />
<strong>St</strong>ahl und Metallverarbeitung<br />
Energie<br />
Entsorgung<br />
Kunststoff<br />
Textil<br />
12.5%<br />
11.3%<br />
9.6%<br />
7.9%<br />
7.5%<br />
7.1%<br />
6.3%<br />
6.3%<br />
5.4%<br />
5.4%<br />
5.0%<br />
4.2%<br />
3.8%<br />
3.3%<br />
2.9%<br />
1.3%<br />
0% 3% 6% 9% 12% 15%<br />
Anhang Seite 47
Lebenslauf<br />
<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />
geboren am 15. März 1969 in Teufen AR,<br />
Bürger von Langnau im Emmental (Bern), Schweiz<br />
Ausbildung<br />
1975 – 1981 Rudolf <strong>St</strong>einer Schule <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1982 – 1984 Sekundarschule <strong>St</strong>ein AR<br />
1984 – 1989 Wirtschaftsgymnasium Trogen AR<br />
1989 – 1993 <strong>St</strong>udium der Wirtschaftswissenschaften, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1993 – 2005 Doktorat in Wirtschaftswissenschaften, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
<strong>St</strong>ipendiat der oikos <strong>St</strong>iftung für Wirtschaft & Ökologie<br />
1998 STA-Postdoc Fellowship, Institute of Advanced Industrial<br />
Science and Technology, Tsukuba, Japan<br />
2002 Research Fellow, Social Science Research Institute<br />
International Christian University Tokyo, Japan<br />
2003 Visiting Researcher, Research Institute of Science and<br />
Technology for Society, Tokyo, Japan<br />
2004 Research Fellow, Social Science Research Institute<br />
International Christian University Tokyo, Japan<br />
Berufliche Tätigkeiten<br />
1986 – 1988 Mitgründer, HMS Accoustics, Trogen AR<br />
1993 – 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Prof. Dr. H.C. Binswanger<br />
Institut für Wirtschaft und Ökologie, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1995 – 1997 Assistent, Prof. Dr. Theodor Leuenberger,<br />
Volkswirtschaftliche Abteilung, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
1994 – 2004 Mitgründer, Geschäftsführer, sinum AG <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />
2003 - Mitgründer, UR Design Management GmbH, Zürich<br />
seit April 2004<br />
Associate Professor for Environmental Accounting (tenure),<br />
Faculty for Humanity and Environment, Hosei University Tokyo