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Claude Patrick Siegenthaler - Universität St.Gallen

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Ökobilanz – 30 Jahre Forschung an der Schnittstelle zwischen<br />

Natur- und Wirtschaftswissenschaften<br />

- Eine methodische und empirische Bestandesaufnahme<br />

DISSERTATION<br />

der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />

Hochschule für Wirtschafts-,<br />

Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />

zur Erlangung der Würde eines<br />

Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />

vorgelegt von<br />

<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />

von<br />

Langnau im Emmental (Bern)<br />

Genehmigt auf Antrag der Herren<br />

Prof. Dr. Theodor Leuenberger<br />

und<br />

Prof. Dr. Jürg Minsch<br />

Dissertation Nr. 2994<br />

D-Druck Spescha <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>


Die Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />

Sozialwissenschaften (HSG) gestattet hiermit die Drucklegung der<br />

vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen<br />

Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />

<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 11. November 2004<br />

Der Rektor:<br />

Prof. Dr. Peter Gomez


Meinen Guten Geistern


Vorwort<br />

Glück – ein ganz besonderes – wird denjenigen zuteil, die sich ihren grundsätzlichen<br />

Fragen stellen und zu Antworten finden dürfen. Diesem Privileg bin ich mir bewusst und<br />

den vielen guten Geistern, die mir auf meinem Weg zur Seite standen, zu grösstem Dank<br />

verpflichtet.<br />

Meine Frage war und ist eine grundsätzliche: die Übersetzung der gesellschaftlichen<br />

Wahrnehmung der Natur und ihrer Dynamik in die Sprachen der Sozial- und<br />

Wirtschaftswissenschaften. Die erhofften und in den schliesslich 12 Jahren meines<br />

Doktorandenstudiums gefundenen Antworten, resp. Einsichten sind für mich ebenso<br />

grundsätzlicher Natur. Mein Verständnis zentraler Begriffe und Konzepte hat sich im<br />

Verlauf dieses Prozesses fundamental verändert. Rückblickend wird mir klar: Der Weg<br />

war das Ziel.<br />

Ohne die zahlreichen Menschen, die mir auf diesem Weg begegnet sind und Beistand<br />

leisteten, wäre ich mit Sicherheit nicht weit gekommen. Einige seien hier namentlich<br />

erwähnt, den anderen bin ich genauso dankbar; einige haben aktiv, andere ohne ihr<br />

Wissen einen Beitrag geleistet:<br />

Da wären zunächst einmal die Wegweiser -ausserordentliche Denker wie Hans Christoph<br />

Binswanger, unauffällige, aber stetige Innovatoren wie Ruedi Müller-Wenk und Analysten<br />

wie Jürg Minsch mit seiner spitzen und gleichsam lyrischen Feder -die mir jeder auf seine<br />

ganz eigene Art vor Augen führten, dass man aus dem vermeintlichen Elfenbeinturm<br />

heraus wirksame Beiträge für eine nachhaltigere Welt leisten kann.<br />

Ebenso bedeutend sind die Wegbereiter, die mir einen, durchaus Haken schlagenden,<br />

jedoch vollkommen freien Lauf ermöglicht haben. Allen voran der unermüdliche Vernetzer<br />

Theodor Leuenberger; weiter Christian Lienhard, Peter Walser und Alfred Escher, die mir<br />

im entscheidenden Moment durch Ihren Einsatz für die sinum AG den Rücken<br />

freigehalten haben. Werner und Claudia Rechsteiner, Herbert Furgler, Reto Caviezel und<br />

Dorle Vallender, die mir lange vor Antritt dieser Reise mit Ihrem Beistand aus schwierigem<br />

Gelände geholfen haben.<br />

Auch Wegelagerer sind zu erwähnen, durch ihre wohlgesonnene Kritik und ihr<br />

Hinterfragen herausfordernde Freunde wie Claus Noppeney. Inhaltlich wie persönlich<br />

verbundene Weggefährten wie Nobuyuki Miyazaki und Susanne Kytzia. Kundige und<br />

überaus engagierte Führer im Dickicht empirischer Sozialforschung wie Thomas Frehner<br />

– auch er mindestens ein enger Freund.<br />

Und schliesslich die zentralen institutionellen Brückenbauer: oikos -Vision, Heimat und<br />

über die oikos <strong>St</strong>iftung auch Quelle finanziellen Proviants. Die Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> -<br />

Schule, Arbeitgeber und gegen Ende wohlwollender Zöllner, der mir meinen etwas gar<br />

langsamen Gang verständnisvoll nachsehen konnte.


In einer Kategorie jenseits würdiger Bezeichnung meine Familie -Esther und Claudine.<br />

Und trotz aller Differenzen auch Alex, der mir die Früchte seiner Arbeit zufallen liess,<br />

die mein <strong>St</strong>udium finanziert haben.<br />

Euch allen mein bester Dank !<br />

<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />

Zürich, im Februar 2005


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen......................................1<br />

2 Zielsetzung und forschungsleitende Fragen.............................................5<br />

2.1 Vorgehen und Aufbau der Arbeit................................................................................5<br />

2.1.1 Historische Analyse...........................................................................................5<br />

2.1.2 Empirische Analyse ..........................................................................................6<br />

2.2 Das kulturelle Konstrukt Umweltproblem....................................................................7<br />

2.2.1 Umwelt...............................................................................................................7<br />

2.2.2 Ökologie............................................................................................................8<br />

2.2.3 Was ist ein Umweltproblem...........................................................................13<br />

2.3 Wie werden ökologische Daten gesellschaftlich codiert.........................................15<br />

2.3.1 Ökologische Kommunikation...........................................................................15<br />

2.3.2 Die binäre Codierung gesellschaftlicher Funktionssysteme............................15<br />

2.3.3 Codierung ökologischer Daten........................................................................16<br />

2.4 Ökologische Rationalität...........................................................................................17<br />

2.4.1 Systemtheoretische Betrachtungsebene.........................................................17<br />

2.4.2 Umweltökonomische Betrachtungsebene.......................................................19<br />

2.4.2.1 Neoklassische Umweltökonomie....................................................................20<br />

2.4.2.2 Ökologische Ökonomie...................................................................................22<br />

2.4.3 Betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene.....................................................24<br />

2.5 Ökologische Rationalität als Mass der Bestandesaufnahme...................................28<br />

3 Phase der Vorläufer und Pioniere...........................................................29<br />

3.1 Ansätze zur Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen..........................................30<br />

3.1.1 <strong>St</strong>offflussanalyse.............................................................................................30<br />

3.1.2 Input-Output-Bilanz..........................................................................................31<br />

3.1.3 Ökonomische Input-Output-Bilanz...................................................................32<br />

3.1.4 Der Einbezug des ökologischen Produktlebenszyklus....................................33<br />

3.1.5 Hybride Input-Output-Bilanz für Lebenszyklusanalysen..................................34<br />

3.1.6 REPA – die erste lebenszyklusbasierte Produktökobilanz..............................34<br />

3.1.7 Integration von Produkt- und Unternehmungsperspektive..............................35<br />

3.2 Ansätze zur Beurteilung von <strong>St</strong>offbilanzen ..............................................................36<br />

3.2.1 Verbal Argumentative Beurteilung (McKinsey)................................................37<br />

3.2.2 Nutzwertanalyse (Midwest Research Institute)................................................38<br />

3.2.3 Soziale (Vermeidungs-) Kosten (Abt Associates)............................................39<br />

3.2.4 Lebenswegkosten (Batelle Institute) ...............................................................39<br />

3.2.5 Entropieansätze...............................................................................................40


3.2.6 Die stoffflussbasierte Ökologische Knappheit (Müller-Wenk)..........................42<br />

3.2.7 Relation politischer Qualitätsziele (Jansen / Basler&Hoffmann).....................47<br />

3.2.8 Kritische Volumina (EMPA).............................................................................48<br />

3.3 Fazit: Ökobilanzen entspringen dem Zeitgeist der 70er...........................................50<br />

4 Phase der Differenzierung und Operationalisierung...............................55<br />

4.1 Popularität und Kritik als Treiber der Entwicklung....................................................56<br />

4.2 Vier Elemente als Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung.....................................59<br />

4.2.1 Zieldefinition & Untersuchungsrahmen (Goal & Scope Definition)..................59<br />

4.2.2 Sachbilanzierung (Inventory Analysis).............................................................61<br />

4.2.3 Wirkungsanalyse und Gewichtung (Impact Assessment) ..............................62<br />

4.2.3.1 Wirkungsanalyse............................................................................................63<br />

4.2.3.2 Gewichtung.....................................................................................................63<br />

4.2.4 Interpretation...................................................................................................64<br />

4.3 Kritische Operationen der Ökobilanzierung..............................................................65<br />

4.3.1 Definition der Funktionellen Einheit.................................................................66<br />

4.3.2 Systemabgrenzung und Allokation..................................................................67<br />

4.3.2.1 Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse.......................................67<br />

4.3.2.2 Umgang mit multifunktionalen Prozessen, resp. Kuppelprodukten.................69<br />

4.3.2.3 Geltungsbereich von Untersuchung, Daten und Modellen..............................71<br />

4.3.2.4 Fazit: Systemabgrenzung und Allokation - zentrale Vorsteuergrössen...........73<br />

4.3.3 Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren .............................73<br />

4.3.3.1 Auswahl und Umfang der Indikatoren.............................................................74<br />

4.3.3.2 Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren............................75<br />

4.3.3.3 Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften............................................76<br />

4.3.3.4 Linearisierung und Virtualisierung der Prozessabbildung...............................78<br />

4.3.3.5 Fazit: Sachbilanzierung erfordert zahlreiche Konventionen............................82<br />

4.3.4 Selektion und Modellierung von Wirkungsketten.............................................83<br />

4.3.4.1 Selektion von Wirkungskategorien.................................................................86<br />

4.3.4.2 Modellierung von Wirkungsketten...................................................................89<br />

4.3.4.3 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Emissionen................................91<br />

4.3.4.4 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Schutzobjekten..........................96<br />

4.3.4.5 Fazit: Selektion und Modellierung bewirken weitere Spezialisierung............100<br />

4.3.5 Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung............................102<br />

4.3.5.1 Umwelt-Naturwissenschaften als Referenz..................................................106<br />

4.3.5.2 Politik und Gesetzgebung als Referenz........................................................109<br />

4.3.5.3 Empirische Sozialforschung (Panel) als Referenz........................................114<br />

4.3.5.4 Monetarisierung als umweltökonomische als Referenz................................119<br />

4.3.5.5 Fazit: Es ist kein Konsens zur Gewichtung absehbar...................................125


4.4 Ökobilanzierung wird zur Wissenschaft..................................................................128<br />

4.4.1 Differenzierung der Methodik........................................................................128<br />

4.4.2 Ökobilanzierung als eine Theorie der Umweltbelastung...............................129<br />

4.4.3 Die angewandte Ökobilanzforschung schafft Konventionen ........................132<br />

4.4.4 Zentralisierung der Ökologischen Wahrheit über Datenbanken..................133<br />

5 Phase der Institutionalisierung..............................................................139<br />

5.1 Entwicklung einer internationalen Forschungsgemeinschaft..................................140<br />

5.1.1 Netzwerke und ihre Leistungen.....................................................................140<br />

5.1.1.1 SETAC Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC)........140<br />

5.1.1.2 ISIE - International Society for Industrial Ecology.........................................141<br />

5.1.2 Unabhängige Plattformen zur fachspezifischen Kommunikation..................142<br />

5.1.2.1 International Journal for Life Cycle Assessment...........................................142<br />

5.1.2.2 ICEB - International Conference on EcoBalance..........................................143<br />

5.1.2.3 INLCA/LCM Intern. Conference on LCA & Life Cycle Management.............144<br />

5.1.3 Fazit: Die Ökobilanzforschung konstituiert sich.............................................145<br />

5.2 <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung..........................................................................145<br />

5.2.1 SPOLD Society for the Promotion of Life Cycle Assessment........................145<br />

5.2.2 ISO International Organization for <strong>St</strong>andardization.......................................146<br />

5.2.3 UNEP/SETAC Life Cycle Initiative.................................................................151<br />

5.2.4 GALAC - Global Alliance of LCA Research Centres.....................................156<br />

5.2.5 GEDnet – Global Environmental Product Declarations Network...................159<br />

5.2.6 Fazit: Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen nimmt Form an......................................166<br />

5.3 Diffusion von Daten und Modellen über Software..................................................169<br />

5.3.1 Nutzenpotentiale einer softwaregestützten Ökobilanzierung.........................170<br />

5.3.2 Entstehung eines Marktes für Ökobilanz-Programme...................................172<br />

5.3.3 Funktionalität, Datenformate und <strong>St</strong>andard-Methoden..................................177<br />

5.3.4 Fazit: Software ist ein zentraler Treiber der Institutionalisierung...................185<br />

5.4 Das Projekt Ökobilanz hat eine kritische Masse erreicht........................................186<br />

6 Empirische Bestandesaufnahme..........................................................189<br />

6.1 Begriffsbestimmung zur Betriebsökobilanzierung..................................................189<br />

6.2 Bestehende <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung.............................................191<br />

6.2.1 Kommunikation über LCA/DfE der Global 100 Unternehmen ......................191<br />

6.2.2 <strong>St</strong>udie zu LCA in amerikanischen Fortune 500 Unternehmen......................192<br />

6.2.3 Branchenstudie Elektronikindustrie in nordischen Ländern...........................192<br />

6.2.4 Empirische Forschung zu LCA in Japan........................................................194<br />

6.2.5 Verbreitung von LCA in D, H, UK und CH.....................................................197<br />

6.2.6 LCA und <strong>St</strong>offströme in ISO 14001 Zertifizierten in CH................................198


6.2.7 Einsatz von LCA und Betriebsökobilanzen in D............................................199<br />

6.2.8 Beurteilung von LCA durch ISO 14001 Zertifizierte in D...............................200<br />

6.2.9 Detaillierte Analyse und Beurteilung von LCA in D, I, S und CH...................201<br />

6.2.10 Fazit: Die empirische Forschung lässt zentrale Fragen offen......................205<br />

6.3 <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung in der Schweiz 2004....................................................207<br />

6.3.1 Vorgehen, Umfang und <strong>St</strong>ichprobe...............................................................207<br />

6.3.2 Resultate der allgemeinen Befragung...........................................................209<br />

6.3.2.1 Charakterisierung der <strong>St</strong>ichprobe.................................................................209<br />

6.3.2.2 Verbreitung von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen.................................................210<br />

6.3.2.3 Bekanntheit und Einfluss der ISO Normen...................................................211<br />

6.3.2.4 Arten von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen und ihre Beurteilung..........................212<br />

6.3.3 Auswertung unternehmungsspezifischer Aspekte.........................................215<br />

6.3.3.1 Datenerfassung, Systemgrenzen, Auflösungsvermögen..............................215<br />

6.3.3.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung......................................................221<br />

6.3.3.3 Beurteilung der unternehmungsbezogenen Bilanzierung.............................226<br />

6.3.4 Auswertung produktspezifischer Aspekte......................................................227<br />

6.3.4.1 Umfang, Erstellung und Auflösungsvermögen..............................................228<br />

6.3.4.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung......................................................230<br />

6.3.4.3 Beurteilung der Produktökobilanzierung.......................................................232<br />

6.3.5 Auswertung der gemeinsamen Aspekte........................................................233<br />

6.3.5.1 Einsatz und Beurteilung von Wirkungsanalyse und Gewichtung..................233<br />

6.3.5.2 Beurteilung von Aufwand, Nutzen und Wirkung...........................................239<br />

6.4 Schlussfolgerungen................................................................................................243<br />

7 Zusammenfassung...............................................................................247<br />

Literaturverzeichnis..................................................................................251<br />

Anhang: Fragebogen & Auswertung........................................................267


Abbildungsverzeichnis<br />

Kapitel 2<br />

Abbildung 2.1: Aufbau der Arbeit.....................................................................................7<br />

Abbildung 2.2: Technosphäre und Zivilisationsökologie..................................................9<br />

Abbildung 2.3: Historische Dynamik ökologischer Parameter.......................................11<br />

Abbildung 2.4: Das Konzept des Optimalen Umweltschutzes.......................................20<br />

Abbildung 2.5: Ökologischer und Ökonomischer Kreislauf ...........................................22<br />

Abbildung 2.6: Voraussetzungen der Lebensfähigkeit von Unternehmen.....................24<br />

Abbildung 2.7: Die Ökologische Betroffenheit der Unternehmung................................26<br />

Kapitel 3<br />

Abbildung 3.1: Vorläufer einer Produktökobilanz – Werbung von FIAT 1974...............29<br />

Abbildung 3.2: Kombinierte Darstellung von <strong>St</strong>offfluss und Input-Output-Tabelle.........32<br />

Abbildung 3.3: Ökologischer Produktlebenszyklus........................................................34<br />

Abbildung 3.4: Betriebliche Bilanzierung unter Einbezug der Wertschöpfungskette.....36<br />

Abbildung 3.5: Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 1973.............38<br />

Abbildung 3.6: Das Konzept der Ökologischen Knappheit............................................44<br />

Abbildung 3.7: Datenflussschema der Ökologischen Buchhaltung...............................47<br />

Abbildung 3.8: 1975 bereits verfügbare Elemente der Ökobilanzierung.......................51<br />

Abbildung 3.9: Gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen.................................53<br />

Kapitel 4<br />

Abbildung 4.1: Schwerpunkte publizierter Ökobilanz-<strong>St</strong>udien in Europa um 1991........55<br />

Abbildung 4.2: WWF begründet politische Forderung mit Ökobilanz............................57<br />

Abbildung 4.3: Elemente der Ökobilanzierung gemäss SETAC 1993..........................59<br />

Abbildung 4.4: Aspekte der Systemabgrenzung............................................................68<br />

Abbildung 4.5: Vergleich von zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien.................................80<br />

Abbildung 4.6: Kumulierte NOX-Emissionen eines Boilers...........................................81<br />

Abbildung 4.7: Wirkungskette Versauerung..................................................................90<br />

Abbildung 4.8: Komplexität ökologischer Prozesse.......................................................93<br />

Abbildung 4.9: Operationalisierung von Schutzobjekten...............................................97<br />

Abbildung 4.10: Vorschlag von Itsubo zur Operationalisierung von Schutzzielen.........98<br />

Abbildung 4.11: Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtung...................................100


Abbildung 4.12: Seit 1990 entwickelte Gewichtungsmethoden...................................104<br />

Abbildung 4.13: NSAEL Methode................................................................................108<br />

Abbildung 4.14: Ökobilanz Japans 1999 nach JEPIX.................................................112<br />

Abbildung 4.15: PANEL-Methode................................................................................115<br />

Abbildung 4.16: Beurteilung von Umweltveränderungen durch Befragung.................116<br />

Abbildung 4.17: Gewichtung von Schutzobjekten für den Eco-indicator 99................118<br />

Abbildung 4.18: Conjoint Tabelle zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft.................123<br />

Abbildung 4.19: Typologie von Gewichtungsmethoden...............................................127<br />

Abbildung 4.20: Differenzierung der Methodik im Verlaufe der 90er Jahre.................129<br />

Abbildung 4.21: Arbeitsteilung innerhalb der Ökobilanzforschung..............................133<br />

Abbildung 4.22: <strong>St</strong>andardfaktoren von LIME 2003......................................................135<br />

Abbildung 4.23: Mangelnde Übereinstimmung von Indikatoren..................................136<br />

Abbildung 4.24: Resultate von Ecoinvent 2003 im Vergleich mit ESU 1996...............138<br />

Kapitel 5<br />

Abbildung 5.1: Internationale Konferenzen der Ökobilanzforschung...........................144<br />

Abbildung 5.2: ISO TC 270 Environmental Management im Überblick. .....................147<br />

Abbildung 5.3: Nationale Mitglieder-, resp. Beobachtergremien des TC 207 / SC 5...149<br />

Abbildung 5.4: Organisation der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative ..........................153<br />

Abbildung 5.5: Arbeitsschwerpunkte der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative..............154<br />

Abbildung 5.6: Arbeitsschwerpunkte zukünftiger Ökobilanzforschung........................155<br />

Abbildung 5.7: Netzwerke und Zentren zur Förderung der Ökobilanzierung...............158<br />

Abbildung 5.8: Organisation des Swiss Centre for Life Cycle Inventories...................159<br />

Abbildung 5.9: Beispiel einer Type III Environmental Product Declaration von Fuji....163<br />

Abbildung 5.10: Verteilung weltweit verfügbarer Type III PSRs und EPDs.................164<br />

Abbildung 5.11: Produktökobilanzierung bei NEC ......................................................168<br />

Abbildung 5.12: Tabellenkalkulation als Werkzeug zur Ökobilanzierung....................170<br />

Abbildung 5.13: Nutzenpotentiale von <strong>St</strong>andardsoftware zur Ökobilanzierung...........172<br />

Abbildung 5.14: Entstehung des Marktes für Ökobilanz-Software..............................174<br />

Abbildung 5.15: Herkunft von Ökobilanz-Software......................................................175<br />

Abbildung 5.16: Entwicklung der Anzahl Lizenzen kostenpflichtiger Programme.......177<br />

Abbildung 5.17: Einfache grafische Modellierung mit Ecoscan...................................178<br />

Abbildung 5.18: Mathematische Modellierung und Visualisierung von <strong>St</strong>offflüssen....179


Abbildung 5.19: Umfang mitgelieferter <strong>St</strong>andard-Inventar-Datenbanken....................180<br />

Abbildung 5.20: Inkompatibilität von Ökoinventar-Datenformaten...............................182<br />

Abbildung 5.21: Zunehmende <strong>St</strong>andardisierung der Datenformate............................183<br />

Abbildung 5.22: Methoden zur Wirkungsanalyse & Gewichtung in Software..............184<br />

Kapitel 6<br />

Abbildung 6.1: LCA/DfE in Umweltberichten von Fortune Global 100 Unternehmen..192<br />

Abbildung 6.2: LCA-Aktivitäten in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten............193<br />

Abbildung 6.3: LCA-Kenntnisse in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten...........193<br />

Abbildung 6.4: LCA-Aktivitäten börsenkotierter Unternehmen in Japan und Korea....195<br />

Abbildung 6.5: Einstellungen japanischer UMS- und LCA-Verantwortlicher ...............196<br />

Abbildung 6.6: Einsatz von Produktökobilanzen in UK, D, H, CH...............................198<br />

Abbildung 6.7: Durch UMS ausgelöste oder geplante Ökobilanz-Aktivitäten..............198<br />

Abbildung 6.8: Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Ökobilanzen....................200<br />

Abbildung 6.9: Beurteilung von Produktökobilanzen im Rahmen des UMS................201<br />

Abbildung 6.10: <strong>St</strong>ichprobe und Verbreitung von LCA in CH, D, I, S..........................202<br />

Abbildung 6.11: Anwendungsbereiche von Produktökobilanzen.................................203<br />

Abbildung 6.12: Führen Produktökobilanzen zu überraschenden Erkenntnissen.....204<br />

Abbildung 6.13: Ökologische Ansprüche der stakeholder...........................................209<br />

Abbildung 6.14: Einsatz von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen.............................................210<br />

Abbildung 6.15: Einfluss von ISO Normen auf die Arbeit der Befragten.....................211<br />

Abbildung 6.16: Einsatz und Beurteilung verschiedener Bilanzierungsarten...............213<br />

Abbildung 6.17: Gruppen von Bilanzmethoden nach Zeitpunkt der Zertifizierung.......215<br />

Abbildung 6.18: Eingesetzte Hilfsmittel zur Erstellung der Bilanzen ...........................216<br />

Abbildung 6.19: Berücksichtigte Elemente in erweiterten Systemgrenzen..................217<br />

Abbildung 6.20 : Beurteilung des Nutzens erweiterter Systemgrenzen.......................217<br />

Abbildung 6.21: Erfasste und ausgewertete Output-Indikatoren ................................219<br />

Abbildung 6.22: Anzahl ausgewertete Output-Indikatoren nach Bilanzmethoden.......220<br />

Abbildung 6.23: Zweck der unternehmungsbezogenen Bilanzen................................221<br />

Abbildung 6.24: Nutzung der Bilanzen in den Funktionsbereichen.............................222<br />

Abbildung 6.25: Institutionalisierungsgrad unternehmungsbezogener Bilanzierung...223<br />

Abbildung 6.26: Zusammenhang zwischen Institutionalisierung und Wirkung............225<br />

Abbildung 6.27: Beurteilung kritischer Aspekte der Bilanzierung................................227


Abbildung 6.28: Produktökobilanzen nach Branchen..................................................228<br />

Abbildung 6.29: Umfang der Produktökobilanzierung.................................................228<br />

Abbildung 6.30: Interne und externe Erstellung von Produktökobilanzen...................229<br />

Abbildung 6.31: Zweck von Produktökobilanzen.........................................................230<br />

Abbildung 6.32: Nutzung von Produktökobilanzen in den Funktionsbereichen...........231<br />

Abbildung 6.33: Institutionalisierungsgrad der Produktökobilanzierung......................232<br />

Abbildung 6.34: Beurteilung kritischer Aspekte der Produktökobilanzierung..............233<br />

Abbildung 6.35: Einsatz der verbal-argumentativen Beurteilung.................................234<br />

Abbildung 6.36: Einsatz von Wirkungskategorien.......................................................235<br />

Abbildung 6.37: Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden...................................236<br />

Abbildung 6.38: Beurteilung der Gewichtung..............................................................238<br />

Abbildung 6.39: Instanzen zur Festlegung von Gewichtungsfaktoren.........................239<br />

Abbildung 6.40: Erfassung des Aufwands zur Bilanzierung........................................240<br />

Abbildung 6.41: Jährliche Ausgaben für unternehmungsbezogene Bilanzen.............240<br />

Abbildung 6.42: Jährlicher Gesamtaufwand für unternehmungsbezogene Bilanzen..241<br />

Abbildung 6.43: Kosten-Nutzen-Beurteilung ...............................................................241<br />

Abbildung 6.44: Wirkung im Unternehmen..................................................................242<br />

Abbildung 6.45: Erwartete Entwicklung der Aktivitäten................................................242<br />

Kapitel 7<br />

Abbildung 7.1: Meilensteine und Phasen des Projekts Ökobilanz...............................247


Kapitel 1: Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen 1<br />

1 Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen<br />

„Die Natur versteht gar keinen Spass, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge;<br />

sie hat immer recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer die des Menschen“<br />

Goethe zu Eckermann<br />

Seit nunmehr 35 Jahren entfaltet sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschafts- und<br />

Naturwissenschaften mit dem Konzept der Ökobilanzierung ein transdisziplinäres<br />

Projekt das auf nichts geringeres abzielt, als auf die Entdeckung des Grünen <strong>St</strong>eins der<br />

Weisen: 1 Es geht um die Lösung der Frage, wie man allgemein gebräuchlichen<br />

Begriffen wie umweltgerecht, ökologisch oder umweltbelastend konkreten und vor allem<br />

angemessenen Inhalt einhauchen könnte.<br />

Dabei ist diese Fragestellung keineswegs von rein intellektuellem Interesse: jenseits<br />

digitaler -will heissen: eindeutiger, weil gesetzlich abschliessend definierter Vorgaben -<br />

haben sich die obgenannten Adjektive in vielen Bereichen etabliert, ohne ausreichend<br />

operationalisiert zu werden. Während sich einstige Öko-Nischen zu Massenmärkten<br />

umweltgerechter Produkte wandeln 2 ,die öffentliche Hand Ökologie als Submissionskriterium<br />

einführt 3 , weltweit mehr als 74'000 nach ISO 14001 zertifizierte<br />

Organisationen 4 sich zur kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung verpflichtet<br />

haben und Anlageberater Milliarden von Spargeldern 5 inInvestmentvehikel mit einer<br />

ökologischen Rendite lenken, müsste der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen gefragter sein denn<br />

je.<br />

Noch vor wenigen Jahren war die Situation -zumindest aus Sicht von EntscheidungsträgerInnen<br />

in Markt und Politik - noch einigermassen einfach: Jute statt Plastik,<br />

Mehrweg statt Einweg und erneuerbar statt fossil oder nuklear waren eingängige und<br />

1<br />

Mit dem <strong>St</strong>ein der Weisen hofften die mittelalterlichen Alchemisten, aus unedlem Metall Gold<br />

herzustellen. Aus Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, Bertelsmann Lexikon Verlag, 1994, S. 1496. Wir<br />

verwenden diese Metapher hier um das <strong>St</strong>reben nach Berechenbarkeit und damit mithin auch<br />

Beherrschbarkeit ökologischer Nachhaltigkeit zu pointieren.<br />

2<br />

Siehe dazu beispielsweise die Umsatzzahlen der schweizerischen Detaillisten zu Produkten mit Umweltkennzeichen:<br />

MIGROS (ENGAGEMENT): 2002 1.8 Mia CHF und COOP (BIO &NATURAPLAN): 1<br />

Mia. CHF. Aus: MIGROS: Umwelt- und Sozialbericht 2002 sowie COOP: 10 Jahre Coop Naturaplan,<br />

2003.<br />

3<br />

Erwähnenswert hierzu beispielsweise das Green Purchasing Law in Japan, das öffentliche Beschaffungsstellen<br />

verpflichtet, rund 150 Produktkategorien nach ökologischen Kriterien zu beschaffen.<br />

Gemäss dem Newsletter Sustainability for Japan (www.japanfs.org) vom 22. März 2004 wird in diesen<br />

Kategorien nach offiziellen Angaben 95% aller staatlichen Beschaffungen unter Einbezug ökologischer<br />

Kriterien abgewickelt.<br />

4<br />

Gemäss www.ecology.or.jp/isoworld/english/analy14k.htm, <strong>St</strong>and Oktober 2004.<br />

5<br />

Das Angebot an „grünen“ Anlagevehikeln ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Allein im deutschsprachigen<br />

Raum betrug 2004 das Anlagevolumen von 112 Publikumsfonds zum Thema Nachhaltigkeit<br />

über 5.3 Mia. Euro (gemäss www.nachhaltiges-investment.org, Pressemitteilung vom 4. Februar<br />

2005).


2 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

kaum hinterfragte Leitsätze. Doch diese Simplizismen werden zum einen den<br />

komplexen ökologischen Verhältnissen häufig nicht gerecht. Anderseits stammen sie<br />

aus einer Zeit, in der es wohl mehr um die Anerkennung der Umwelt als<br />

schützenswerter, ja lebensnotwendiger Dimension menschlichen und wirtschaftlichen<br />

Handelns ging. Damals, im Grabenkrieg schwarz gegen grün waren diese Slogans<br />

kaum zu hinterfragen.<br />

Heute stellt sich die Realität in den hochindustrialisierten Gesellschaften jedoch<br />

gänzlich anders dar: Umweltschutz, oder moderner ökologische Nachhaltigkeit, hat<br />

Eingang gefunden in das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen 6 ,ist als <strong>St</strong>aatsziel in<br />

den Verfassungen und Gesetzen verankert und kann als institutionell integriert<br />

angesehen werden. Kaum jemand, abgesehen von Randgruppen, kann heute ernsthaft<br />

öffentlich gegen die Umwelt auftreten.<br />

Vielmehr bemächtigen sich Akteure aller Couleur einem ökologieorientierten Jargon.<br />

Ökologie wird damit zum Spielball der Interessen; die simple Digital-Ökologie des<br />

Grabenkriegs wird durch eine Ökologische Beliebigkeit ersetzt, in der die Vielschichtigkeit<br />

ökologischer Entscheidungen zutage tritt.<br />

Diese Entwicklung ist Chance und Gefahr zugleich: sie ist gefährlich deshalb, weil auf<br />

Beliebigkeit rasch Enttäuschung und Gleichgültigkeit folgen können. Anderseits weckt<br />

die Ökologische Beliebigkeit auch das Bedürfnis nach einer rationalen –das heisst<br />

vernünftigen 7 ,also logischen und sachlich korrekten –ökologischen Bewertung sowie<br />

nach konsensfähigen Regeln, wie eine solche Operationalisierung der Umweltwerte<br />

konkret zu gestalten ist.<br />

Genau diese Herausforderung steht als Leitstern über dem Forschungsprogramm der<br />

Ökobilanzierung.<br />

Als Instrumente zur systematischen Erfassung, Analyse und Bewertung von <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüssen sollen Ökobilanzen die Operationalisierung einer ökologischen<br />

Rationalität herbeiführen. Sie sind Informationsinstrument und Bewertungsrahmen<br />

zugleich. Sie zielen darauf ab, ökologieorientierte Entscheidungen zu systematisieren,<br />

intersubjektiv nachvollziehbar und transparent zu machen, ohne jedoch eine universelle<br />

Ökologische Wahrheit zu proklamieren.<br />

Tatsächlich scheitert die Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen jedoch an der<br />

naturwissenschaftlichen Realität: die Natur ist nicht abschliessend erfassbar, unsere<br />

Vorstellungen von ökologischen Zusammenhängen sind zwangsläufig unvollständig,<br />

6<br />

Siehe BUWAL/BfS: Umweltbewusstsein –Umwelt in der Schweiz, Bern, 1998 oder The European<br />

Opinion Research Group: The attitudes of Europeans towards the environment, Eurobarometer 58,<br />

Europäische Kommission, Brüssel, 2002.<br />

7<br />

Rational =vernünftig; Rationalismus =Auffassung, dass die Welt von vernünftiger, dass heisst logischer,<br />

logisch berechenbarer Beschaffung sei, gemäss Wahrig, 1994, S. 1272.


Kapitel 1: Ökobilanzierung - Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen 3<br />

unklar und stets nur ein mehrdeutiges Kondensat rationaler Forschung im Popper'schen<br />

Sinne der Nichtverifizierbarkeit. Natur ist damit letztlich nur ein kulturelles Konstrukt –<br />

geprägt durch noch nicht falsifizierte Theorien. Die Bewertung ökologischer<br />

Informationen schliesslich offenbart sich noch deutlicher als kulturelles und nicht<br />

abschliessend objektivierbares Produkt. Unterschiedliches Umweltwissen der Akteure,<br />

ihre sehr heterogenen Präferenzstrukturen bezüglich Nutzen, Risiken, etc. machen die<br />

Ökologische Wahrheit in letzter Konsequenz zu einer Utopie. Dennoch ist der Grüne<br />

<strong>St</strong>ein der Weisen für die Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftssystems<br />

unabdingbar: denn Handeln erfordert Entscheiden erfordert Bewerten.<br />

Ökobilanzen zielen darauf ab, diesen Übersetzungsprozess ans Licht zu bringen, zu<br />

systematisieren, von ökologischen Trugschlüssen (falsifizierten naturwissenschaftlichen<br />

Thesen) zu befreien und damit die Ökologische Beliebigkeit zu überwinden. Der Weg ist<br />

das Ziel; der durch Ökobilanzen erzielte Lernprozess das Produkt.<br />

Die Ökobilanzforschung hat in den vergangenen 35 Jahren einen methodischen<br />

Rahmen entwickelt, der in bemerkenswerter Weise Eingang in die internationale<br />

Normenlandschaft und via diesen Transmissionsriemen gleichsam in reale Entscheidungs-<br />

und Lernprozesse der Akteure gefunden hat.<br />

Nebst einem mittlerweile äusserst ausgefeilten Regelwerk zu jedem einzelnen Arbeitsschritt<br />

einer Ökobilanzierung, besteht das Verdienst in der Einführung eines sechs –<br />

aus ökologischer Sicht zentrale - Elemente integrierenden Konzepts:<br />

1. Die Formulierung von klar definierten Erkenntnis- und Einsatzzielen, an denen sich<br />

die Ausgestaltung der Ökobilanz zu orientieren hat sowie der Einbezug der<br />

relevanten Anspruchsgruppen in diesen Ausgestaltungsprozess.<br />

2. Die Einführung expliziter und der Zielsetzung, aber auch den ökologisch relevanten<br />

Tatbeständen, angemessenen Systemgrenzen des zu beurteilenden Untersuchungsgegenstandes<br />

unter Einbezug des gesamten ökologischen Produktlebenszyklus.<br />

3. Die umfassende, quantitative Ermittlung, resp. Inventarisierung aller relevanten <strong>St</strong>offund<br />

Energieflüsse: Rohstoffentnahmen aus der Natur (Inputs) und Abgaben an die<br />

Natur (Outputs).<br />

4. Die logisch strukturierte, auf naturwissenschaftlichen Modellen aufbauende, algorithmusbasierte<br />

Wirkungsanalyse, welche eine Aggregation von <strong>St</strong>offdaten im Hinblick<br />

auf bestimmte ökologische Phänomene erlaubt.<br />

5. Die Gewichtung der <strong>St</strong>offdaten, resp. der Wirkungen und damit deren Summierung<br />

in einen umfassenden Index der Umweltbelastung auf der Basis gesellschaftlicher<br />

Werte.<br />

6. Die Interpretation aller zusammengeführten Informationen und Erkenntnisse im Hinblick<br />

auf die Erkenntnis- und Einsatzziele und unter Würdigung der Datenqualität<br />

mittels numerischer Sensitivitäts- und Unsicherheitsanalysen.


4 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Diese sechs Elemente zusammengenommen sind geeignet -im Sinne eines iterativ zu<br />

durchlaufenden Prozesses angewendet - ökologisch-ökonomische Entscheidungen<br />

rational zu gestalten und isolierte Einzelargumente in den ihnen zustehenden<br />

Bedeutungszusammenhang zu verweisen.<br />

Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass Ökobilanzen, resp. entsprechende<br />

Forschung und Praxis sowie deren Exponenten eine prominente Rolle in der<br />

Gesellschaft einnehmen. Dies ist aber zumindest jenseits der Normierung bis heute<br />

(noch) nicht wirklich der Fall. Andererseits hat sich diese, in ihrem Anspruch oft als<br />

utopisch erkannt und oftmals auch abgetane Bewegung seit nunmehr drei Jahrzehnten<br />

in bemerkenswerter Weise entwickelt. Sie hat sich als Wissenschaft etabliert und ist<br />

gerade dabei, den Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest im Ansatz zu institutionalisieren:<br />

sowohl organisatorisch als auch im Sinne von sozialen Regeln zur Koordination<br />

ökologischer Entscheidungs- und Lernprozesse.<br />

Es ist an der Zeit, einmal grundsätzlich zu untersuchen welchen <strong>St</strong>and dieses Projekt<br />

mittlerweile erreicht hat.<br />

Wir möchten damit an die visionären Arbeiten eines Teams junger Forschender an der<br />

Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> anknüpfen, die zu Beginn der 70er Jahre eine -in ihren Grundzügen<br />

heute noch valide – Konzeption der Ökobilanzierung entwickelt und deren<br />

Einsatz in Umweltpolitik und Betriebswirtschaft postuliert haben. 8<br />

Unsere Arbeit soll nach mehr als 30 Jahren rückblickend aufzeigen, wo das Projekt<br />

Ökobilanz heute steht und inwieweit die damalige Vision Eingang in die Praxis<br />

gefunden hat.<br />

8<br />

Siehe Müller-Wenk, R.: Ein Vorschlag aus einzelwirtschaftlicher Sicht zur Realisierung einer umweltkonformen<br />

Wirtschaft, in: Wolff (Hrsg.): Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, <strong>St</strong>uttgart, 1974, S. 268-<br />

286. Ullmann, A.: Unternehmungspolitik in der Umweltkrise, Europäische Hochschulschriften, 1975.<br />

Müller-Wenk, R.: Die ökologische Buchhaltung. Ein Informations- und <strong>St</strong>euerungsinstrument für umweltkonforme<br />

Unternehmenspolitik, Frankfurt Main, 1978. Binswanger, H.C., Geissberger, W.,<br />

Ginsburg, Th.: Der NAWU-Report: Wege aus der Wohlstandsfalle, <strong>St</strong>rategien gegen Arbeitslosigkeit<br />

und Umweltkrise, Frankfurt am Main, 1978.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 5<br />

2 Zielsetzung und forschungsleitende Fragen<br />

Im nachfolgenden Abschnitt stellen wir das Vorgehen und damit den Aufbau dieser<br />

Untersuchung vor. Wir legen dar, anhand welcher Fragen die <strong>St</strong>andortbestimmung<br />

vorgenommen werden soll. Dabei erscheint es uns wichtig, das eigene<br />

Grundverständnis zu ökologischen Fragen offen zu legen, denn unsere Beurteilung<br />

kann nicht aus einer neutralen Position heraus vorgenommen werden: persönlich seit<br />

über 10 Jahren im Projekt Ökobilanz aktiv 9 , habe ich Erfahrungen aus diversen<br />

fachlichen Auseinandersetzungen und Projekten der konkreten Anwendung von<br />

Ökobilanzen verinnerlicht. Umso wichtiger erscheint mir, vorab das eigene Verständnis<br />

grundlegender Begrifflichkeiten offen zu legen. Wir tun dies im Rahmen des zweiten<br />

Teils dieses Kapitels. Anhand Luhmanns systemtheoretischer Konzeption ökologischer<br />

Kommunikation werden wir den Begriff der ökologischen Rationalität aus Sicht der<br />

Gesellschaft, der Volkswirtschaft und Unternehmung trennscharf bestimmen können.<br />

Daran wollen wir schliesslich den bisherigen Erfolg des Projekts Ökobilanz nach Abschluss<br />

der Bestandesaufnahme beurteilen.<br />

2.1 Vorgehen und Aufbau der Arbeit<br />

Unsere <strong>St</strong>andortbestimmung verfolgt im wesentlichen zwei Zielsetzungen: wir möchten<br />

einerseits verstehen, wie sich die Methodik der Ökobilanzierung seit ihren Anfängen<br />

entwickelt hat. Dabei steht der Lernprozess der Ökobilanzforschung selbst im Zentrum<br />

des Interesses. Anderereits zielt unsere Untersuchung auf die Beantwortung der Frage,<br />

ob Ökobilanzierung mittlerweile praktische Relevanz erlangt hat.<br />

2.1.1 Historische Analyse<br />

Die historische Rekonstruktion der Genese des heutigen Konzepts verpricht ein grundlegendes<br />

Verständnis der Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen, resp. den theoretischen<br />

Möglichkeiten und Grenzen rationaler Entscheidungen an der Schnittstelle<br />

zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Dazu teilen wir die bisherige Entwicklung<br />

in drei Phasen, wobei jede für sich zur Beantwortung spezifischer Fragestellungen<br />

dient:<br />

Phase I: Vorläufer & Pioniere<br />

Anhand dieser Phase rekonstruieren wir, welche Ideen die Entstehung der Ökobilanzierung<br />

wesentlich beeinflusst haben und wer die Vorläufer-Konzepte danach zu<br />

frühen Formen der Ökobilanzierung zusammengefügt hat. Dieses Fundament wird es<br />

uns erlauben, die späteren Fortschritte der Methodik greifbar zu machen. Die Arbeiten<br />

9<br />

Der Autor hat seit 1991 als Gründer und Geschäftsführer eines auf Ökobilanzen spezialisierten<br />

Software- und Beratungsunternehmens zahlreiche Projekte sowohl zur Methodenentwicklung als auch<br />

zur praktischen Anwendung der Ökobilanzierung in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Kolumbien<br />

und Japan geleitet.


6 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

der Pioniere soll aus dem damaligen gesellschaftlichen Kontext heraus verstanden<br />

werden.<br />

Phase II: Differenzierung und Operationalisierung<br />

Die Untersuchung der zweiten Phase wird deutlich machen, welche Fragen die<br />

zentralen Treiber der zunehmenden Differenzierung der Methodik bis zum heutigen<br />

Entwicklungsstand darstellen. Wir werden anhand der kritischen Operationen der<br />

Erstellung von Ökobilanzen aufzeigen, inwieweit sich die Frage der Umweltbelastung<br />

logisch entflechten und schrittweise beantworten lässt. Dabei wird erkennbar, welche<br />

Leistungen Ökobilanzierung als Wissenschaft heute erbringt und wie sie als Meta-<br />

Wissenschaft Erkenntnisse aus den Natur- und Sozialwissenschaften integriert.<br />

Phase III: Institutionalisierung<br />

Die Analyse der dritten Phase wechselt schliesslich die Perspektive und dient der<br />

institutionellen Bestandesaufnahme. Es gilt die Transmission des Konzepts in die<br />

Gesellschaft, resp. Wirtschaft zu erfassen. Dazu betrachten wir das Netzwerk der<br />

internationalen Ökobilanz-Forschungsgemeinschaft, Akteure und Plattformen einer<br />

<strong>St</strong>andardisierung der Methodik und beleuchten die Rolle des Marktes für Ökobilanz-<br />

Software als wichtigem Kanal zur Verbreitung von Ergebnissen der angewandten<br />

Ökobilanzforschung.<br />

2.1.2 Empirische Analyse<br />

Der Beitrag des Projekts Ökobilanz zur Überwindung der Ökologischen Beliebigkeit<br />

muss daran gemessen werden, inwieweit es ihr gelingt, Wirkung in realen Entscheidungs-<br />

und Lernprozessen zu entfalten. Wir wollen ein realistisches Bild davon<br />

gewinnen, ob und in welcher Form Ökobilanzen in der Praxis eingesetzt werden. Und<br />

wir wollen in Erfahrung bringen, wie die Anwendenden selbst den <strong>St</strong>and der<br />

Ökobilanzierung wahrnehmen und ihre Rolle für ökologische Lernprozesse, resp. die<br />

Herstellung ökologischer Rationalität einschätzen. Dazu haben wir unter dem Patronat<br />

des Ökobilanz Forum der ETH, der Schweizerischen Vereinigung für ökologisch<br />

bewusste Unternehmungsführung sowie des für die Normierung von Ökobilanzen<br />

zuständigen TK 174 der Schweizerischen Normenvereinigung eine ausführliche<br />

Erhebung konzipiert und 700 Unternehmen zur Teilnahme eingeladen. Dies, nachdem<br />

unsere Aufarbeitung der bestehenden quantitativen Erforschung ergeben hat, dass die<br />

bisherigen Erhebungen nicht geeignet sind, den <strong>St</strong>and der Anwendung differenziert zu<br />

erfassen.<br />

Zusammenfassung und Synthese<br />

Im letzten Abschnitt werden wir die gesammelten Erkenntnisse aus historischer und<br />

empirischer Analyse im Hinblick auf die Herstellung ökologischer Rationalität in Gesell-


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 7<br />

schaft, Volkswirtschaft und Unternehmung beurteilen und unsere Bestandesaufnahme<br />

mit einem Ausblick abschliessen.<br />

Einleitung<br />

Kapitel 1<br />

Erkenntnisziel &<br />

Forschungsleitende Fragen<br />

Kapitel 2<br />

Historische Analyse<br />

Vorläufer und Pioniere<br />

Kapitel 3<br />

Empirische Analyse<br />

Kapitel 6<br />

<strong>St</strong>and der<br />

Anwendungsforschung<br />

Ökologische Rationalität<br />

als Massstab der<br />

Bestandesaufnahme<br />

Differenzierung und<br />

Operationalisierung<br />

Kapitel 4<br />

Institutionalisierung<br />

Kapitel 5<br />

Umfrage zu Verbreitung &<br />

Anwendung in Schweizer<br />

Unternehmen<br />

Synthese<br />

Zusammenfassung<br />

Kapitel 7<br />

Abbildung 2.1: Aufbau der Arbeit<br />

2.2 Das kulturelle Konstrukt Umweltproblem<br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch haben sich Begrifflichkeiten wie Umwelt, Umweltbewusstsein,<br />

Umweltschutz und Umweltproblem fest etabliert. Sie werden synonym mit<br />

den wissenschaftlich präziseren Termini Ökologische Umwelt, Ökologisches Bewusstsein,<br />

etc. verwendet. Anhand der Fragestellung, Was ist ein Umweltproblem sollen<br />

nachfolgend klare Definitionen und Abgrenzungen eingeführt werden.<br />

2.2.1 Umwelt<br />

Demnach verstehen wir unter Rückgriff auf die Systemtheorie Umwelt als Umgebung<br />

eines Systems, beispielsweise des Menschen, der Unternehmung oder der Wirtschaft.<br />

Diese Umgebung kann kultureller 10 und/oder materieller Art sein. Kulturell zum Beispiel<br />

im Sinne von Regeln und Prinzipien einer Gesellschaft oder materiell im Sinne von<br />

Energie, Substanzen und Lebewesen.<br />

10<br />

Kulturell bezeichnet hier „durch den Menschen Geschaffenes“, im Gegensatz zu natürlich, im Sinne<br />

von „ohne menschliches Zutun Vorhandenes“.


8 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

2.2.2 Ökologie<br />

Ökologie ist die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen untereinander<br />

und ihrer unbelebten Umwelt.<br />

Ökologie wird heute wissenschaftlich als Teilbereich der Biologie 11 und damit der Naturwissenschaften<br />

verstanden. Als Vordenker dieser relativ jungen Disziplin gelten die<br />

Philosophen Hippocrates, Artistoteles und Theophrastus in der Antike, die Naturhistoriker<br />

Linnaeus und Buffon im 18.Jahrhundert sowie Darwin und Wallace als<br />

Vertreter der evolutionären Biologie 12 . Ernst Heinrich Haeckel, der den Begriff<br />

Oecologie 1866 in die Wissenschaft eingeführt hat, sprach vom „Natur-Haushalt“ sowie<br />

„der Oeconomie des Natur-Ganzen“ und schliesst „im weiteren Sinne alle Existenz-Bedingungen“<br />

organischer und anorganischer Art mit ein. 13<br />

Ökologie ist demnach eine die naturwissenschaftlichen Disziplinen integrierende Metawissenschaft.<br />

Ihr Arbeitsfeld umfasst zeitlich wie räumlich sehr vielfältige Aspekte –von<br />

der Nano- bis zur Astro-Ebene. Sie beobachtet und erklärt das Zusammenspiel<br />

physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse, thematisiert <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüsse, Sukzession und die Dynamik von Populationen. 14<br />

Dass die dabei zu bewältigende Komplexität sehr hoch ist, macht ein Blick auf die<br />

stoffliche Vielfalt der Natur offensichtlich: Ausgehend von dem noch überschaubar<br />

wirkenden chemischen Periodensystem mit seinen rund 100 Elementen haben die<br />

Naturwissenschaften bisher mehr als 32‘000‘000 verschiedene Substanzen identifiziert.<br />

Jede Substanz stellt ein Individuum dar, definiert über seine physikalischen (Aggregatszustände,<br />

Gewicht, Löslichkeit, Lichtreflexion, etc.) und chemischen Eigenschaften<br />

(Reaktionsverhalten). Nur für eine kleine Anzahl dieser Substanzen verfügen wir über<br />

mehr oder weniger umfassende Kenntnisse innerhalb eines beschränkten Ausschnitts<br />

aller möglichen physikalischen Rahmenbedingungen. Hinzu kommt eine unbekannte,<br />

resp. nur sehr grob geschätzte Anzahl von rund 1‘500‘000 Arten von Lebewesen, jedes<br />

davon mit einem spezifischen <strong>St</strong>offwechsel und einer spezifischen <strong>St</strong>ellung im „Netz<br />

des Lebens“.<br />

Ökologische Forschung beschränkt sich vor diesem Hintergrund häufig auf die<br />

Betrachtung mehr oder weniger isolierter „Zellen“, resp. Ökosysteme. Beispiele hierfür<br />

wären bestimmte Vegetationszonen – zum Beispiel die Voralpen oder ein Fliessgewässer.<br />

Oder es wird das „Netz des Lebens“, resp. Biozönosen bestimmter Arten von<br />

11<br />

Meyers zitiert in <strong>St</strong>ellmann, J.: Die ökologische Dimension im strategischen Management, Dissertation,<br />

Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1997, S. 7.<br />

12<br />

Constanza, R., et.al.: An Introduction to Ecological Economics, Baco Raton, 1997, S. 36.<br />

13<br />

Haeckel zitiert in Heller, P.: Das Problem der Umweltbelastung in der ökonomischen Theorie, Frankfurt/New<br />

York, 1989, S. 54.<br />

14<br />

Einen kompakten Überblick bietet Heinrich, D., Hergt, M.: dtv-Atlas Ökologie, Deutscher Taschenbuch<br />

Verlag, 5. Auflage, München, 2002.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 9<br />

Lebewesen, zum Beispiel des Lachses oder des Kranichs untersucht. Auf dieser<br />

Grundlage werden auch die Rahmenbedingungen ökologischer Gleichgewichte –im<br />

Haeckel‘schen Sinne „Existenzbedingungen“ des „Naturhaushaltes“ – ermittelt.<br />

<strong>St</strong>eht der Mensch und durch ihn gestaltete <strong>St</strong>off- und Energieflüsse im Zentrum ökologischer<br />

Forschung, so spricht man von Human- oder Zivilisationsökologie. Ihr<br />

Gegenstand ist die Erforschung des Ökosystems „Anthroposphäre“ (auch „Technosphäre“<br />

genannt) mit den natürlichen Ökosystemen. 15<br />

Zivilisationsökologie fokussiert spezifisch auf die Prozesse und Rahmenbedingungen<br />

menschlicher Existenz und auf die durch diese Spezies bestimmten <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüsse wie auch die damit einhergehenden Biozönosen. Man denke beispielsweise<br />

an die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren sowie an die in diesem Zusammenhang<br />

auftretenden Schädlinge.<br />

Abbildung 2.2: Technosphäre und Zivilisationsökologie<br />

Die Darstellung zeigt charakteristische <strong>St</strong>offflüsse der Technosphäre sowie durch den Menschen geschaffene,<br />

spezifische Ökosystemtypen. Deren <strong>St</strong>ruktur, Entwicklung und <strong>St</strong>euerung sind Gegenstand der<br />

Zivilisationsökologie. 16<br />

Auch hier ist die stoffliche wie biologische Komplexität beträchtlich: rund 18‘000‘000<br />

Substanzen wurden bislang synthetisiert. Davon werden rund 1‘000‘000 industriell<br />

genutzt, von denen rund 2‘000 in jährlichen Mengen von mehr als 100‘000 Tonnen<br />

produziert werden. Von diesen high volume chemicals sind erst rund 500 umfassend<br />

ökologisch erforscht worden. 17 Damit sind vielfältige –kaum abschätzbare –stoffliche<br />

15<br />

Siehe Institut für Chemische Pflanzenphysiologie: Zivilisationsökologie, Fernlehrgang Ökologie und ihre<br />

biologischen Grundlagen, Heft 8 - 11, Universität Tübingen, 1984.<br />

16<br />

Darstellung aus Heinrich/Hergt, 2002, S. 134.<br />

17<br />

Zum <strong>St</strong>and der Chemikalien-Untersuchungen siehe beispielsweise EU-Kommission: <strong>St</strong>rategy for a<br />

Future Chemicals Policy, White Paper, Commission of the European Communities, Brussels, 2001.


10 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Wechselwirkungen zwischen Zivilisation und Natur innert evolutionsgeschichtlich<br />

äusserst kurzer Zeit geschaffen worden. Ein weiteres Indiz für die Bedeutung der<br />

Zivilisationsökologie bieten zudem - allerdings umstrittene - Schätzungen, dass die<br />

Menschheit bereits rund 40% der globalen Biomasse –sozusagen das Gewicht des<br />

Lebens – bewirtschaftet.<br />

Im Zuge der stetigen Expansion der Zivilisation scheint sich die allgemeine Ökologie für<br />

die Gesellschaft zwangsläufig immer mehr zur Zivilisationsökologie, resp. Ökologie als<br />

„Lehre der Existenzbedingungen des Menschen“ zu entwickeln. Damit billigt ihr der<br />

Volksmund sozusagen eine normative Funktion zu: „ökologisch“ heisst dann „existenzsichernd“.<br />

Ökologie wird über die „ökologische Nachhaltigkeit“ zum Massstab des „Umweltschutzes“<br />

-der letztlich immer auf die Erhaltung des Menschen zielt. Hier gilt es<br />

jedoch gerade für unsere Fragestellung sehr vorsichtig zu sein, denn: die Natur –<br />

verstanden als alles ohne Zutun des Menschen Bestehende -kennt keine normative<br />

Dimension. Der Begriff Ökologie an und für sich beschreibt eine wertfreie Wissenschaft<br />

der Wechselwirkungen zwischen Leben und Materie, resp. Energie.<br />

Eine normative Dimension kann streng genommen erst in der sozialen Umwelt, resp. in<br />

der Gesellschaft hinzu kommen. Die Natur hat sich noch nie über das Verschwinden<br />

einer Art beschwert –im Gegenteil: langfristiges Überleben oder eben „Nachhaltigkeit“<br />

ist in der Natur äusserst unwahrscheinlich – ja geradezu unnatürlich.<br />

Vor diesem Hintergrund sind ökologische Informationen, –von denen nachfolgend noch<br />

häufig die Rede sein wird, - definitionsgemäss Daten in der Sprache von Physik,<br />

Chemie und Biologie. Sie beschreiben Prozesse, Zusammenhänge und deren Wandel<br />

im Zeitverlauf. Zu beachten ist, dass ökologische Daten als naturwissenschaftliche<br />

Daten stets nur vorläufiges Wissen auf der Basis nicht-falsifizierter Theorien darstellen.<br />

Das heisst, sie zeigen nicht die Realität, sondern unsere wissenschaftliche Wahrnehmung<br />

davon. Dabei ist unser ökologisches Wissen noch derart beschränkt, dass<br />

sich viele Sachverhalte durch eine hohe Dynamik in den sie beschreibenden Theorien<br />

und Modellen auszeichnen. Es sind auch Artefakte und falsche Berechnungen möglich<br />

und können unsere Wahrnehmung der Natur massgeblich täuschen.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 11<br />

Abbildung 2.3: Historische Dynamik ökologischer Parameter<br />

Ökologie als Lehre von den Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen und der unbelebten Umwelt<br />

macht deutlich, dass in der Natur nichts so beständig ist, wie der Wandel. Die Abbildung illustriert die<br />

Veränderung wichtiger ökologischer Parameter sowie der aquatischen Artenvielfalt im Verlauf der letzten<br />

600 Mio. Jahre. Die Idee eines ökologischen Gleichgewichts ,resp. ökologischer Nachhaltigkeit mit Bezug<br />

auf ein bestimmtes Lebewesen erscheint über grosse Zeiträume als sehr unwahrscheinlicher Zustand.


12 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Dies sei am Beispiel der Entdeckung der Ausweitung des Ozonlochs über der Antarktis<br />

illustriert: Das Ozonloch wurde gemäss Heinreich/Hergt 1956 entdeckt, wobei erstmals<br />

1968 darüber öffentlich berichtet worden sei. 18 Jedoch erst mit der 1978 erfolgten<br />

Inbetriebnahme des Nimbus-7 Satelliten der NASA wurden umfassende Messungen<br />

der stratosphärischen Ozonkonzentration und deren Entwicklung möglich. Als 1985<br />

Framan et.al. in Nature den Nachweis für das Wachstum des Ozonlochs publizierten,<br />

wurde argumentiert, die mittels der Satellitendaten erstellten Modelle würden diesen<br />

Befund bereits für das Jahr 1976 nachweisen. Jedoch seien die extrem niedrigen<br />

Konzentrationswerte von der verwendeten Software als Messfehler taxiert und damit<br />

herausgefiltert worden. Somit sei die Entdeckung des anthropogenen Ozonlochs um<br />

rund 9 Jahre verzögert worden. Die NASA bestreitet diese Darstellung und<br />

argumentiert, sie selbst habe 1983 erstmals solche Extremwerte gemessen, als real<br />

taxiert und kurz nach der Publikation von Framan et.al. der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht. Damit bleibt letztlich offen, wann das Phänomen Ausweitung des Ozonlochs<br />

in der Realität wirklich erstmals aufgetreten ist. 19<br />

Es wird an dieser Anektode jedoch deutlich, dass unsere Wahrnehmung ökologischer<br />

Sachverhalte stark von den verfügbaren Theorien, Modellen, Sensoren, etc. abhängig<br />

ist, ja, dass sie dadurch überhaupt erst entsteht.<br />

2.2.3 Was ist ein Umweltproblem<br />

Nach allgemeiner Definition ist ein Problem eine unerwünschte Differenz zwischen<br />

einem Soll- und einem Ist-Zustand. Demnach wäre ein Umweltproblem, resp. ein ökologisches<br />

Problem dann gegeben, wenn es möglich ist, einen Ist-Zustand mittels<br />

ökologischer Daten zu erfassen und zusätzlich, in derselben ökologischen Sprache,<br />

einen Soll-Zustand zu beschreiben. Werden Abweichungen festgestellt, liegt ein Umweltproblem<br />

vor.<br />

Umweltprobleme sind damit offensichtlich keine Probleme der Natur, sondern des<br />

Betrachters, resp. der Gesellschaft. Sie ist es, die ökologische Daten über Entwicklungen<br />

der sie umgebenden ökologischen Umwelt als unerwünscht oder eben<br />

problematisch erkennt und beurteilt. „Sie (die Gesellschaft, Anm.d.V.) kann sich also<br />

nur selbst gefährden“. 20<br />

Ein Umweltproblem ist somit tatsächlich ein soziales Problem, ein kulturelles Konstrukt.<br />

Sein Entstehen setzt voraus, dass ein (naturwissenschaftliches) Sensorium zur<br />

Bestimmung eines Zustandes vorhanden ist, genauso wie Werte des Menschen -<br />

Gesundheit, Eigentum, Ästhetik, etc. - als betroffen wahrgenommen werden müssen.<br />

18<br />

Heinrich, D., Hergt, M.: dtv-Atlas Ökologie, 2002, S. 259.<br />

19<br />

Siehe Sparling, B.: Ozone Depletion, History and Politics,<br />

www.nas.nasa.gov/about/education/ozone/history.html.<br />

20<br />

Luhmann, N.: Ökologische Kommunikation, Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische<br />

Gefährdungen einstellen, 3.Auflage, Opladen, 1990, S. 63.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 13<br />

Die sei an einem weiteren Beispiel illustriert:<br />

Radioaktive <strong>St</strong>rahlung kann durch die dem Menschen natürlich gegebenen Sinne wie<br />

Geruch, Geschmack, Gehör, etc. nicht wahrgenommen werden. Gleichwohl ist<br />

Radioaktivität seit jeher allgegenwärtig. Die damit zusammenhängenden Risiken<br />

wurden für den Menschen erst wahrnehmbar, nachdem die Wissenschaft eine<br />

entsprechende Theorie und technische Mittel zu deren Nachweis entwickelt hatte. Erst<br />

danach wurde es möglich, hohe <strong>St</strong>rahlendosen mit gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen in Verbindung zu bringen und schliesslich das Umweltproblem<br />

radioaktiver Risiken zu konstruieren. So erlitt Antoine-Henri Becquerel als Pionier der<br />

Radioaktivitätsforschung selbst den ersten dokumentierten <strong>St</strong>rahlenschaden: eine<br />

Hautverbrennung unter der Westentasche, in der er eine Radiumprobe mit sich führte. 21<br />

Bis zur heutigen Einschätzung der Gefährlichkeit radioaktiver <strong>St</strong>rahlung musste jedoch<br />

ein langwieriger und schmerzlicher Lernprozess durchlaufen werden. Aus dem<br />

Blickwinkel heutigen Allgemeinwissens betrachtet man die Schilderungen von<br />

medizinischen Kuren mit Radongas 22 mit Befremden; die Experimente militärischer<br />

Nuklearforschung der 50er Jahre mit Schrecken. Seither steuern Grenzwerte und<br />

Geigerzähler als kulturelle Produkte die Erkennung und Beurteilung des<br />

Umweltproblems Radioaktive (Ver-)<strong>St</strong>rahlung.<br />

„A social problem does not exist for a society unless it is recognized by that society“ 23<br />

Mit der konstruktivistischen Problemtheorie hat die Soziologie einen überzeugenden<br />

Ansatz zur Untersuchung von Umweltproblemen entwickelt: 24 Dabei wird davon<br />

ausgegangen, dass die soziale Wirklichkeit –gesellschaftliche Realität –letztlich ein<br />

Ergebnis sozialer Kommunikationsprozesse ist. 25 Umweltprobleme – und daraus<br />

abgeleitet auch die Inhalte der Adjektive umweltgerecht und umweltbelastend -<br />

entstehen demnach im Kopf, resp. im sozialen Diskurs. Sie sind das Ergebnis<br />

ökologischer Kommunikation.<br />

Die entscheidende Frage lautet deshalb:<br />

21<br />

Weber, R.: Kernenergie, Webers Taschenlexikon, 2.Auflage, Aarau, 1986, S. 29.<br />

22<br />

Siehe Radon –vom Heilmittel zum Schadstoff, in: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 4. Februar 2004,<br />

Nr. 28, S. 61.<br />

23<br />

Siehe Blumer, H.: Social Problems as Collective Behaviour, Social Problems, 18/3, 1971, S. 298 – 306.<br />

24<br />

Siehe Eisen, M., et.al.: Risikodiskurse, Die Dynamik öffentlicher Debatten über Umwelt- und<br />

Risikoprobleme in der Schweiz, Reihe Gesellschaft Schweiz, SPP Zukunft Schweiz, Zürich, 2003 oder<br />

Schetsche, M.: Die Karriere sozialer Probleme: Soziologische Einführung, München, 1996, sowie<br />

Hannigan, J.A.: Environmental Sociology; A Social Constructionist Perspective, London, 1995.<br />

25<br />

Eisen, 2003, S. 19.


14 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

2.3 Wie werden ökologische Daten gesellschaftlich codiert<br />

„Es geht nicht um die vermeintlich objektiven Tatsachen: dass die Ölvorräte abnehmen,<br />

die Flüsse zu warm werden (...) Das (...) erzeugt als nur physikalischer, chemischer<br />

oder biologischer Tatbestand (...) keine gesellschaftliche Resonanz, solange nicht<br />

darüber kommuniziert wird.“ 26<br />

2.3.1 Ökologische Kommunikation<br />

Unter Resonanz versteht Luhmann, dass das gesellschaftliche System durch die Umwelt<br />

in Schwingung versetzt wird. In unserem Fall ist das gleichbedeutend mit einer<br />

Reaktion der Gesellschaft auf ökologische Sachverhalte. Das bedeutet, dass sie -die<br />

Gesellschaft - durch die Interpretation und Bewertung ökologischer Daten Informationen<br />

produziert und kommuniziert. Die Frage ist demnach: wann und wo erzeugt ökologische<br />

Information gesellschaftliche und mithin ökonomische Resonanz<br />

In seinem Werk Ökologische Kommunikation thematisiert Luhmann diese Frage umfassend,<br />

27 indem die von ihm stipulierten gesellschaftlichen Teilsysteme –er nennt sie<br />

Funktionssysteme – auf ihre ökologische Resonanzfähigkeit hin untersucht werden.<br />

Voraussetzung der jeweiligen Resonanzfähigkeit ist die Umsetzung ökologischer<br />

Informationen in die sehr spezifische Codierung und Programmierung jedes einzelnen<br />

Teilsystems.<br />

2.3.2 Die binäre Codierung gesellschaftlicher Funktionssysteme<br />

Die moderne Gesellschaft kann systemtheoretisch als komplexes System, „das umfassendste<br />

System sinnhafter Kommunikation“ 28 verstanden werden. Innerhalb der<br />

Gesellschaft haben sich verschiedene Teilsysteme ausgebildet, die sehr spezifische<br />

Funktionen für das Gesamtsystem erbringen. Als Funktionssysteme der modernen<br />

Gesellschaft nennt Luhmann u.a.:<br />

– Wissenschaft (Code: Wahrheit/Unwahrheit)<br />

– Recht (Code: Recht/Unrecht)<br />

– Religion (Code:gut/böse, resp. Immanenz/Transzendenz)<br />

– (Geld-)Wirtschaft (Code: (Geld)Haben/Nicht Haben, resp. Zahlen/Nichtzahlen)<br />

– Politik (Code: Politische Macht durch ein Amt/Keine Macht, resp. kein Amt)<br />

– Erziehung (Code: Zulassung/Abweisung, resp. gute Zensur/schlechte Zensur)<br />

26<br />

Luhmann, 1990, S. 62.<br />

27<br />

Jedoch ist das Modell nur auf die modernen, hochgradig ausdifferenzierten Gesellschaften der industrialisierten<br />

Welt anwendbar, wie Luhmann selbst einschränkt.<br />

28<br />

Luhmann, S. 62.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 15<br />

Die Funktionssysteme sind offene und geschlossene Systeme zugleich: offen insofern,<br />

als dass sie auf die Leistungen der anderen Teilsysteme angewiesen sind.<br />

Geschlossen, da sie die Welt und die eigenen Operationen nur durch die Brille ihres<br />

eigenen Codes erkennen und beschreiben können. Dabei bezeichnet ein Code eine<br />

digitale, zweiwertige Differenz die für das jeweilige Funktionssystem eine universelle<br />

Geltung beansprucht. Der Code dient dazu, alle systemrelevanten Informationen<br />

entsprechend einem Wert, resp. dem zugehörigen Gegenwert zu interpretieren und zu<br />

bewerten. Konkret wird dann im Rechtssystem nach recht/unrecht, im<br />

Wissenschaftssystem nach wahr/unwahr, im Wirtschaftssystem nach (Geld)<br />

Haben/Nicht-haben, etc. codiert.<br />

Reaktion oder in den Worten Luhmanns Resonanz kann im jeweiligen System nur dann<br />

entstehen, wenn die Signale aus der (sozialen oder ökologischen) Umwelt des Systems<br />

in das jeweilige Code-Schema übertragen werden können, da sie ansonsten durch das<br />

Teilsystem schlichtweg ignoriert werden. Die Codierung ist Voraussetzung dafür, dass<br />

das Funktionssystem Information überhaupt als Teil seiner Realität wahrnehmen kann.<br />

In Abgrenzung zum Code sind Programme Bedingungen zur richtigen Selektion von<br />

Operationen. Sie konkretisieren, resp. operationalisieren die Anforderungen, die ein<br />

Funktionssystem erfüllen muss. Programme sind sozusagen die Schnittstelle zur<br />

Realität und sie können ausgewechselt werden, ohne die Identität des zweiwertigen<br />

Codes zu gefährden. Die Lernfähigkeit des Funktionssystems wird somit durch<br />

Programme aufrechterhalten. Während Code den geschlossenen, autopoietischen<br />

Aspekt des Funktionssystems ausmacht, bilden Programme die Offenheit des Systems<br />

aus und machen es erst im Zusammenspiel mit den anderen Teilsystemen lebensfähig.<br />

So dienen Forschungsmethoden der Programmierung der Wahrheitssuche, Rechtsgrundsätze<br />

der Programmierung von Gerechtigkeit und Preise der Operationalisierung<br />

der Geldwirtschaft.<br />

2.3.3 Codierung ökologischer Daten<br />

Ökologische Daten, also wie gesagt: chemische, physikalische und biologische Fakten,<br />

werden erst in den einzelnen Funktionssystemen aufgrund einer spezifischen Wertung<br />

zu Informationen; provozieren Kommunikation und mithin Anpassungen im System. In<br />

der Welt Luhmann'scher Systemtheorie heisst das konkret: ökologische Daten werden<br />

im Rechtssystem nur dann wahrgenommen und relevant, wenn sie unter den Code<br />

recht/unrecht subsumiert werden können. Von der Politik werden sie nur<br />

wahrgenommen, sofern sie im Hinblick auf das Erreichen oder Verlieren eines Mandats<br />

bedeutsam sind, und sie werden in der Wissenschaft nur insofern als relevant erkannt,<br />

als dass sie in den Code von wahr oder unwahr transformiert werden können. Im<br />

Wirtschaftssystem schliesslich werden ökologische Daten dann zu Informationen, wenn<br />

sie mit Eigentum/Zahlungsfluss zu tun haben, resp. in Preisen ausgedrückt werden<br />

können.


16 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Für die Herstellung ökologischer Rationalität in sozialen und ökonomischen Systemen<br />

sind die Möglichkeiten der Codierung ökologischer Informationen und der Entwicklung<br />

entsprechender Voraussetzungen massgebend.<br />

2.4 Ökologische Rationalität<br />

Wenn wir uns fragen, welche Bedeutung der Ökobilanzierung zur Herstellung ökologischer<br />

Rationalität in Gesellschaft, Volkswirtschaft und Unternehmung zukommt, so ist<br />

einerseits zu untersuchen, welche Funktionalität die einzelnen Elemente von Ökobilanzen<br />

theoretisch für die Wahrnehmung, Interpretation, Bewertung und Kommunikation<br />

ökologischer Daten erbringen können. Anderseits ist die Bedeutung der Ökobilanzierung<br />

für die Realisierung ökologischer Rationalität nur bestimmbar, wenn wir die<br />

reale Verbreitung dieses Instruments, resp. seiner Elemente in der Praxis betrachten.<br />

Anhand einer Analyse der Diffusion kann abgeschätzt werden, welche Funktionen<br />

tatsächlich umgesetzt werden und damit real auf die Herstellung ökologischer<br />

Rationalität einwirken.<br />

Ausgehend von Luhmanns These, dass ökologische Informationen in den gesellschaftlichen<br />

Funktionssystemen nur dann Resonanz erzeugen können, wenn sie in den<br />

jeweils spezifischen Code überführt werden können, ist es für unsere<br />

Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz zentral, ökologische Rationalität für die<br />

uns interessierenden Aspekte spezifisch zu operationalisieren. Wir tun dies auf drei<br />

Ebenen unterschiedlicher Abstraktion:<br />

– Gesellschaft<br />

betrachtet anhand von Luhmanns Systemtheorie<br />

– Wirtschaft<br />

betrachtet anhand der Volkswirtschaftslehre, resp. Umweltökonomie<br />

– Unternehmung<br />

betrachtet anhand der Betriebswirtschaftslehre, resp. der ökologisch bewussten<br />

Unternehmungsführung<br />

2.4.1 Systemtheoretische Betrachtungsebene<br />

Wie in der Einleitung dargelegt, untersuchen wir die Frage, ob und inwiefern Entscheidungen<br />

dank Ökobilanzen auch in Bezug auf ökologische Fragen rational, also<br />

logisch und vernünftig ausgestaltet werden können.<br />

„Ökologische Rationalität wäre dann erreicht, wenn die Gesellschaft die Rückwirkungen<br />

ihrer Auswirkungen auf die Umwelt auf sich selbst in Rechnung stellen könnte.“ 29<br />

29<br />

Luhmann, 1990, S. 247.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 17<br />

Es stellt sich die Frage, inwiefern Ökobilanzen dazu herangezogen werden (können),<br />

ökologische Rationalität im Sinne von Rückbetroffenheit in der Gesellschaft zu<br />

erzeugen. In den Worten Luhmanns: „In dem Masse, als technische Eingriffe die Natur<br />

verändern und daraus Folgeprobleme für die Gesellschaft resultieren, wird man nicht<br />

weniger, sondern mehr Eingriffskompetenz entwickeln müssen, sie aber unter Kriterien<br />

praktizieren müssen, die die eigene Rückbetroffenheit einschliessen. Das Problem liegt<br />

nicht in der Kausalität, sondern in den Selektionskriterien. Die Frage, die daraus folgt,<br />

ist eine doppelte, nämlich: 1) reicht die technische Kompetenz aus für ein selektives<br />

Verhalten, das heisst: gibt sie uns genug Freiheit gegenüber der Natur Und (2) reicht<br />

die gesellschaftliche, das heisst kommunikative Kompetenz aus, um die Selektion<br />

operativ durchführen zu können“ 30<br />

Sind Ökobilanzen dazu geeignet, diese technische Kompetenz zur Selektion zu<br />

erzeugen Konkreter formuliert:<br />

Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Systemtheorie:<br />

Können Ökobilanzen zur rationalen Codierung ökologischer Informationen in den<br />

gesellschaftlichen Funktionssystemen beitragen Wird durch Ökobilanzierung Rückbetroffenheit<br />

besser (korrekter, umfassender, einfacher oder schneller) in den<br />

jeweiligen Code eines Systems übersetzbar Oder entsteht mit der Ökobilanzierung<br />

gar ein eigenständiges, ökologisches Funktionssystem mit einem spezifischen Code<br />

und entsprechender Programmierung<br />

Werden konzeptionelle Elemente von Ökobilanzen –Zieldefinition, Systemgrenzen,<br />

Sachbilanz, Wirkungsanalyse, Gewichtung –in die Operationalisierung der jeweiligen<br />

Codes eingebaut Finden diese Elemente Eingang in Operationen des Rechts, der<br />

Politik oder der Wirtschaft<br />

Von besonderen Interesse erscheint uns die Frage, ob mit dem Projekt Ökobilanz nicht<br />

nur ökologische Rationalität innerhalb der bestehenden Funktionssysteme -wir konzentrieren<br />

unsere Analyse auf ökonomische Systeme -beeinflusst werden, sondern ob<br />

darüber hinaus ein eigenständiges, spezialisiertes Funktionssystems Ökologie mit<br />

einem binären Code umweltgerecht/umweltbelastend oder -unter Rückgriff auf den<br />

Oecologie-Begriff Haeckel's existenzsichernd/existenz-zerstörend führen könnte: Der<br />

Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen als binär geschlossene Codierung –Ökobilanzierung als Programm<br />

seiner grundsätzlich offenen Programmierung.<br />

30<br />

Luhmann, 1990, S. 39.


18 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Diese Frage haben wir 1994 selbst in einem kurzen Briefwechsel mit Niklas Luhmann<br />

aufgeworfen. Wenngleich Luhmann diese Möglichkeit nicht ausschliessen konnte, so<br />

glaubte er damals „allerdings nicht, dass sich gegenwärtig Ausgangspunkte für ein<br />

besonderes umweltbezogenes Funktionssystem erkennen lassen“. 31<br />

Die Frage nach der Entstehung eines spezifischen Funktionssystems durch Ökobilanzierung<br />

ist die zentrale Fragestellung unserer <strong>St</strong>andortbestimmung.<br />

2.4.2 Umweltökonomische Betrachtungsebene<br />

„Die Preise müssen die Ökologische Wahrheit sagen.“<br />

Ernst Ulrich von Weizsäcker<br />

In unserem systemtheoretischen Grundverständnis bezeichnet ökologische Rationalität<br />

im ökonomischen System die Herstellung ökologischer Rückbetroffenheit im Code der<br />

Wirtschaft. Sie findet statt, wenn ökologische Daten unter dem Code von (Geld-)<br />

Haben/Nicht-Haben, resp. Zahlen/Nicht-Zahlen wahrgenommen und interpretiert<br />

werden und schliesslich ökologieinduzierte ökonomische Kommunikation in der<br />

Sprache der Preise erzeugen. Wenn die Preise die Ökologische Wahrheit sagen<br />

würden, so würden ökologische Daten die Autopoiesis des ökonomischen Teilsystems<br />

unterstützen und Resonanz erzeugen, um die ökologische Nachhaltigkeit des<br />

ökonomischen Systems – soweit dies überhaupt rational möglich ist – herbeizuführen.<br />

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht hingegen - sozusagen innerhalb des Teilsystems<br />

Wirtschaft -muss die Betrachtung differenzierter ausfallen, weil Preise nur<br />

Tauschbeziehungen beschreiben können. Der Programmierung von Kommunikation<br />

mittels Preisen gehen jedoch Informationsverarbeitungsprozesse bei den beteiligten<br />

Akteuren selbst voraus. So entscheiden Kosten/Nutzen-Überlegungen vorgängig, ob es<br />

überhaupt zu einer Markttransaktion, der Realisierung eines Preises und damit zu<br />

ökologischer Kommunikation des ökonomischen Systems im Sinne der Systemtheorie<br />

kommt. Deshalb reicht die systemtheoretische Betrachtung hier für unsere Belange<br />

nicht aus. Ökonomie als Wissenschaft programmiert den ökonomischen Code weitaus<br />

differenzierter: hier geht es nicht nur um Zahlen/Nicht-Zahlen, sondern es geht darüber<br />

hinaus um Begriffe wie Nutzen, Kosten, Wert und Effizienz.<br />

31<br />

Brief von Niklas Luhman an <strong>Claude</strong> <strong>Siegenthaler</strong> vom 19.10.1994.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 19<br />

Die Maxime der Ökonomie ist zunächst einmal, dass die verfügbaren Ressourcen<br />

optimal, sprich effizient eingesetzt werden sollen. Dabei interessieren die Kosten-<br />

Nutzen-Abwägungen einzelner Akteure sowie deren Koordination über den Markt<br />

genauso wie die Ausgestaltung von volkswirtschaftlich effizienten Tauschbeziehungen<br />

mittels Institutionen und Instrumenten, das Aufdecken und Korrigieren von Marktversagen<br />

explizit eingeschlossen.<br />

Volkswirtschaftlich lässt sich ökologische Rationalität beschreiben als Herstellung ökonomisch<br />

relevanter Rückbetroffenheit durch ökologische Sachverhalte. Die ökonomische<br />

Relevanz ist dann gegeben, wenn die Effizienz, resp. die Funktionsfähigkeit des<br />

wirtschaftlichen Systems betroffen ist.<br />

Im Rahmen der Ökonomie haben sich zwei spezialisierte Schulen entwickelt, die sich<br />

mit der Codierung ökologischer Daten aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht befassen:<br />

die neoklassische Umweltökonomie und die ökologische Ökonomie.<br />

2.4.2.1 Neoklassische Umweltökonomie<br />

Die neoklassische Umweltökonomie hat ihre Anfänge im frühen 20. Jahrhundert und<br />

baut auf dem Grundmodell des allgemeinen Gleichgewichts und einer idealtypischen<br />

Marktwirtschaft auf. Abweichungen von diesem Modellzustand – Marktversagen,<br />

beispielsweise Monopole oder externe Effekte -haben diese Schule in ihrer Forschung<br />

stark geprägt und mithin sehr anwendungsorientierte Postulate im Hinblick auf die<br />

Möglichkeiten der Wiederherstellung des Idealzustandes hervorgebracht. 32<br />

Aus Sicht unserer Fragestellung lassen sich zwei Teilbereiche unterscheiden: die<br />

Ökonomie der Ressourcen und die Ökonomie der Umweltbelastung. Während sich die<br />

Ressourcenökonomie mit der Analyse der Nutzung natürlicher - erneuerbarer oder<br />

nicht-erneuerbarer - Rohstoffe beschäftigt, untersucht die Ökonomie der Umweltbelastung<br />

„die Beeinflussung der Umweltmedien und der in ihnen lebenden<br />

Organismen durch wirtschaftliche Aktivitäten“. 33 Aus dem Blickwinkel der<br />

Zivilisationsökologie könnte man auch sagen, dass sich erstere mit den stofflichen,<br />

energetischen und biologischen Inputs aus der Natur in die Technosphäre und zweitere<br />

mit den ökologischen Outputs aus der Technosphäre beschäftigt.<br />

Die entsprechenden Fragestellungen lauten: wie ist die Entnahme von Rohstoffen<br />

intertemporal zu optimieren Wie können knapp werdende freie Güter bewertet und<br />

alloziert werden Wie kann das optimale Niveau von Umweltbelastung, resp.<br />

Umweltschutz ermittelt und realisiert werden Oder besonders prominent: wie können<br />

die durch Umweltbelastung verursachten negativen externen Effekte internalisiert und<br />

32<br />

Minsch, J.: Ursache und Verursacherprinzip im Umweltbereich, Zur theoretischen Fundierung einer<br />

verursacherorientierten Umweltpolitik, Dissertation Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1988, S. 1.<br />

33<br />

Heller, 1989, S. 87.


20 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

damit gesellschaftliche und individuelle Nutzenmaximierung wieder in Einklang gebracht<br />

werden<br />

Abbildung 2.4: Das Konzept des Optimalen Umweltschutzes<br />

Im Zentrum der neoklassischen Umweltökonomie steht die Frage nach dem effizienten Belastungsniveau.<br />

Das optimale Belastungsniveau ergibt sich theoretisch aus dem Schnittpunkt der Grenzkosten- und<br />

Grenznutzenfunktionen. 34<br />

Die neoklassische Umweltökonomie bleibt den Annahmen der allgemeinen Neoklassik<br />

und ihrem stark mikroökonomischen Fokus treu. Codiert wird durch Kosten-Nutzen-<br />

Betrachtungen. Natur wird mittels verschiedenster Ansätze (Vermeidungskosten,<br />

Kompensationskosten, Sanierungskosten, etc.) bewertet und in Geldeinheiten codiert.<br />

Es geht hier vorwiegend um Grenzkosten- und Grenznutzenfunktionen, resp. um deren<br />

wirtschaftspolitische Korrektur beim Vorliegen von Marktversagen (Freie Güter, Externe<br />

Effekte).<br />

Gerade die Theorie der externen Effekte darf als der herausragende Beitrag der<br />

neoklassischen Umweltökonomie gelten. Ihre geistigen Väter – Marshall, Pigou und<br />

Coase – haben mit ihren Arbeiten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts damit<br />

sozusagen das Modell des allgemeinen Gleichgewichts gerettet, resp. immunisiert 35 ,<br />

aber auch die heute in vielen Ländern voran getriebene marktwirtschaftlich orientierte<br />

Umweltpolitik wesentlich geprägt. Marktkonforme Instrumente wie die Einführung<br />

handelbarer Emissionsrechte oder die verschiedenen Varianten von Umweltsteuern<br />

haben den Weg aus der Theorie in die Praxis mittlerweile erfolgreich gefunden. Die<br />

Wirksamkeit von Lenkungsabgaben –zum Beispiel auf Schwefeldioxid im Japan der<br />

34<br />

Darstellung aus Getzner, M.: Ökonomische Methoden der Umweltplanung, Folienpräsentation<br />

WS2003/04, Universität Klagenfurt, 2003, S. 21.<br />

35<br />

Siehe Minsch, 1988, S. 1 – 99.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 21<br />

70er Jahre –oder das derzeitige Entstehen von Märkten für CO 2 -Emissionsrechte in<br />

Europa und den USA sind direkter Ausfluss der neoklassischen Umweltökonomie.<br />

Die neoklassische Umweltökonomie zeichnet sich jedoch aus ökologischer Sicht auch<br />

durch eine Reihe von Mängeln aus, welche -so die Argumentation der Kritiker –eine<br />

angemessene Berücksichtigung der Ökologie in der Neoklassik grundsätzlich in Frage<br />

stellen.<br />

So werde die Natur im wesentlichen wie jedes andere Gut behandelt: Physikalische,<br />

chemische und biologische Zusammenhänge sowie deren Wandel würden über<br />

Annahmen aus der Analyse ausgeschlossen oder stark vereinfacht. <strong>St</strong>ellvertretend für<br />

viele sollen hier Minsch und Heller erwähnt werden: beide haben die neoklassische<br />

Umweltökonomie systematisch hinterfragt, resp. mit ökologischen Erkenntnissen<br />

konfrontiert. 36 37 Sie erkennen grosse Unzulänglichkeiten der Modelle insbesondere<br />

beim Umgang mit Komplexität und Dynamik ökologischer Problemstellungen. Beide<br />

zeigen eindrücklich, dass die Welt der eindeutigen und stabilen Gleichgewichte rasch<br />

zusammenbricht, wenn die Modelle den ökologischen Realitäten angenähert und diese<br />

als endogene Parameter eingeführt werden.<br />

2.4.2.2 Ökologische Ökonomie<br />

Jenseits der neoklassischen Umweltökonomie und ihrem dominanten Fokus auf Fragen<br />

der Allokation hat sich seit den 80er Jahren eine stärker durch die Ökologie selbst<br />

inspirierte Sichtweise mit transdisziplinärem Anspruch entwickelt: die Ökologische<br />

Ökonomie. Sie betrachtet die Wirtschaft als Subsystem der Natur und thematisiert<br />

damit die ökologischen Existenzbedingungen des Wirtschaftens und deren Erhaltung.<br />

Natur wird nicht mehr nur als ein Pool von Ressourcen betrachtet, die möglichst<br />

effizient in Nutzen umgesetzt werden sollen. Die ökologische Ökonomie thematisiert<br />

vielmehr die Selbsterhaltung der Wirtschaft durch Erhalt der von der Natur erbrachten<br />

lebensnotwendigen Dienstleistungen (Versorgungs-, <strong>St</strong>abilisierungs-, Reinigungs-,<br />

Regenerations- und Schutzfunktionen).<br />

Ökologische Nachhaltigkeit wird als Voraussetzung ökonomischer Nachhaltigkeit ins<br />

Zentrum gerückt. Damit tritt die Frage der Bemessung, resp. Begrenzung und<br />

<strong>St</strong>euerung ökonomischer Aktivitäten unter natürlichen Restriktionen (carrying capacity)<br />

ins Zentrum der Betrachtung. 38 Eine stetige Expansion der Wirtschaft durch Wachstum<br />

der Bevölkerung und des Kapitals wird durch ökologische Ökonomen kritisch beurteilt<br />

und es werden Modelle einer materiell im Fliessgleichgewicht befindlichen Wirtschaft<br />

entwickelt.<br />

36<br />

Siehe Minsch, 1988, S. 121 – 141.<br />

37<br />

Siehe Heller, 1989, S. 138 – 162.<br />

38<br />

Siehe Constanza, 1997, S. 83 - 91.


22 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 2.5: Ökologischer und Ökonomischer Kreislauf 39<br />

Fragen der Wachstumsdynamik und der stofflichen/energetischen Wechselwirkungen zwischen Natur und<br />

Wirtschaft stehen im Zentrum der Ökologischen Ökonomie. Wirtschaftlich relevante Prozesse des<br />

Ökosystems sowie die Erhaltung des Naturkapitals werden ins ökonomische Kalkül einbezogen.<br />

Geprägt wurde die ökologische Ökonomie durch frühe Arbeiten mit Bezug zu Fragen<br />

der „Tragfähigkeit“ in der Tradition von Malthus bis zu den Arbeiten von Boulding<br />

(Spaceship Earth), Meadows (Limits to Growth) und Daly (<strong>St</strong>eady-<strong>St</strong>ate-Economics),<br />

resp. im deutschsprachigen Raum beispielsweise von Binswanger (Ökonomische<br />

Kapitalisierung und ökologische Dekapitalisierung), Immler, Nutzinger oder Bonus.<br />

Ebenfalls charakteristisch ist die Anwendung systemtheoretischer Forschungsmethoden,<br />

die die Grenzen isolierter ökologischer und ökonomischer Betrachtung<br />

überwinden, indem sie Energie- und Materialflüsse einschliessen (u.a. Georgescu-<br />

Roegen, Boulding, Odum, Ayres und Constanza). Die Gründung der International<br />

Society for Ecological Economics im Jahre 1987 oder des Journal of Industrial Ecology<br />

1997 markieren die Etablierung dieser jungen Schule ökonomischer Denkrichtungen.<br />

Die Ökologische Ökonomie nimmt dabei nicht für sich in Anspruch, die traditionelle<br />

Umweltökonomie und ihre modellbedingte Eleganz zu ersetzen. Sie bietet vielmehr<br />

einen erweiterten, pluralistischen Rahmen verschiedenster Methoden und versucht<br />

ökologische und ökonomische Erkenntnisse unter dem Gesichtspunkt der<br />

Lebensfähigkeit beider Welten zu integrieren. 40 Sie steht damit in krassem Gegensatz<br />

zur weltfremden Neoklassik, was sich insbesondere in ihrem Umgang mit Unsicherheit<br />

und unvollkommener Information deutlich zeigt, aber auch stark in ihren normativen<br />

Ansprüchen zum Ausdruck kommt: Gerechte Verteilung, moralische Integrität und die<br />

Erhaltung von Gemeinschaften sind nebst ökologischer Nachhaltigkeit offen deklarierte<br />

Ziele dieser Schule.<br />

39<br />

Darstellung aus Binswanger, H.C.: Ökonomie und Ökologie, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft<br />

und <strong>St</strong>atistik, September 1972, S. 260.<br />

40<br />

Constanza, 1997, S. 52


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 23<br />

Vereinfachend könnte man sagen: die neoklassische Umweltökonomie codiert programmatisch<br />

ökologische Sachverhalte unter der Maxime der Kosten-Nutzen-<br />

Maximierung und bedient sich dazu eines Newton‘schen Weltbildes mechanischer,<br />

physikalischer und chemischer Gesetze. Im Vordergrund steht die Erhaltung des<br />

allgemeinen Gleichgewichts. Die Ökologische Ökonomie sieht Natur, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft hingegen als living systems mit dem Anspruch, der nachhaltigen<br />

Koexistenz, schliesst aber sozusagen den pragmatischen Gebrauch des<br />

neoklassischen Werkzeugkastens zur Verfolgung ihrer Ziele nicht aus.<br />

Damit werden die Grenzen zwischen den beiden, von ihren Grundhaltungen her sehr<br />

unterschiedlichen Schulen fliessend. Wenn wir in der Folge deshalb von Umweltökonomie<br />

sprechen, so sollen beide Schulen unter diesem Titel gemeint sein.<br />

Beide Schulen der Umweltökonomie codieren ökologische Sachverhalte und führen<br />

zum Einbezug ökologischer Rückbetroffenheit in das ökonomische System. Wir<br />

nehmen für unsere Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz entsprechend die zwei<br />

zentralen Momente beider Schulen auf: einerseits das Kriterium der Effizienz sowie das<br />

<strong>St</strong>reben nach Behebung von Marktversagen; anderseits die Einführung des<br />

ökologischen Nachhaltigkeitskriteriums. Unsere Fragen zur Beurteilung lauten für die<br />

ökonomische Betrachtung ökologischer Rationalität:<br />

Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Ökonomie:<br />

Können Ökobilanzen zur <strong>St</strong>eigerung von Effizienz, zur Behebung von Marktversagen,<br />

zur Verbesserung der Allokation oder zur Sicherung der ökologischen<br />

Kapitalerhaltung im Sinne der Nachhaltigkeit beitragen<br />

Lassen sich konzeptionelle Elemente von Ökobilanzen – Zieldefinition, Systemgrenzen,<br />

Sachbilanz, Wirkungsanalyse, Gewichtung – in der umweltökonomischen<br />

Analyse, resp. den umweltökonomisch inspirierten umwelt- und wirtschaftspolitischen<br />

Instrumenten verorten<br />

2.4.3 Betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene<br />

Während Konsumenten durch ihr Verhalten und der <strong>St</strong>aat durch seine Regeln die<br />

Ökologie der Zivilisation steuern, prägen Unternehmen durch ihre Gestaltung von Wertschöpfungsketten<br />

massgeblich die Technosphäre und steuern damit die ökologische<br />

Rückbetroffenheit der Gesellschaft, resp. des ökonomischen Systems vor. Sie sind insbesondere<br />

auch Träger technischer Problemlösungskapazität, um diese Rückbetroffenheit<br />

zu reduzieren. Deshalb besteht ein Schwerpunkt unserer Untersuchung darin, die<br />

Bedeutung der Ökobilanzierung für die Herstellung ökologischer Rationalität in der<br />

Unternehmung - als dem zentralen ökonomischen Akteur – zu bestimmen.


24 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Betriebswirtschaftlich lässt sich ökologische Rationalität als Herstellung der betriebswirtschaftlich<br />

relevanten Rückbetroffenheit durch ökologische Sachverhalte<br />

beschreiben. Die betriebswirtschaftliche Relevanz ist dann gegeben, wenn die Lebensfähigkeit<br />

der Unternehmung betroffen ist.<br />

Unter Lebensfähigkeit 41 sei hier verstanden, dass die Unternehmung die zentralen<br />

Parameter Liquidität (Einnahmen/Ausgaben), Gewinn (Aufwand/Ertrag), strategische<br />

Erfolgspositionen (Marktanteil/Kostensenkungspotential sowie Anwenderprobleme/<br />

Technologien zu deren Befriedigung) und gesellschaftliche Legitimität so unter Kontrolle<br />

hat, dass die Existenz der Organisation kurz-, mittel und langfristig gewährleistet wird.<br />

41<br />

Wir orientieren unsere Definition der Lebensfähigkeit der Unternehmung an Malik, F.: <strong>St</strong>rategische<br />

Unternehmungsführung als <strong>St</strong>euerung eines komplexen Systems, in: Management Forum, Band 5,<br />

Wien, 1985, S. 135 – 154 sowie Gälweiler, A.: Die strategische Führung der Unternehmung,<br />

Management Zentrum <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, ohne Jahrgang, S. 2 - 25.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 25<br />

Abbildung 2.6: Voraussetzungen der Lebensfähigkeit von Unternehmen<br />

Die Darstellung zeigt zentrale <strong>St</strong>euerungsgrössen und Orientierungsgrundlagen zur nachhaltigen<br />

Sicherung der Lebensfähigkeit einer Unternehmung. Ökologisches Lernen 42 auf betriebswirtschaftlicher<br />

Ebene ist darauf gerichtet, ökologische Rückbetroffenheit derart zu erzeugen, dass diese <strong>St</strong>euerungsgrössen<br />

positiv beeinflusst werden können. 43<br />

Die betriebswirtschaftlich relevante Rückbetroffenheit wird häufig auch als ökologische<br />

Betroffenheit der Unternehmung bezeichnet. 44 Hier gilt es zu unterscheiden zwischen<br />

einer direkten ökologischen Betroffenheit im naturwissenschaftlichen Sinne und einer<br />

kulturell erzeugten gesellschaftlichen und damit indirekten ökologischen Betroffenheit<br />

der Unternehmung.<br />

Direkte Betroffenheit ist dann gegeben, wenn die Lebensfähigkeit der Unternehmung<br />

infolge naturwissenschaftlich fassbarer Sachverhalte beeinträchtigt wird, zum Beispiel<br />

einer Verknappung von Rohstoffen, einer mangelnden technischen Qualität von<br />

Materialien oder unerwünschter chemischer Reaktionen als Ursache eines Unfalls.<br />

42<br />

Zum Begriff der ökologischen Lernprozesse in Unternehmen Dyllick, Th. (Hrsg.): Ökologische<br />

Lernprozesse in Unternehmen, Paul Haupt, Bern, 1991, Finger, M., Bürgin, S., Haldimann, U.: Der<br />

umweltbezogene organisationale Lernprozess, in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 21 -<br />

28, 1996, Pfriem, R., Schwarzer, Ch.: Ökologiebezogenes organisationales Lernen, in: Umweltwirtschaftsforum,<br />

Heidelberg, 3/96, S. 10 -16, 1996, Kreikebaum, H.: Die Organisation ökologischer<br />

Lernprozesse in Unternehmen, in: Umweltwirtschaftsforum, Heidelberg, 3/96, S. 4 - 9, 1996.<br />

43<br />

Darstellung aus Malik, 1985, S. 143<br />

44<br />

Siehe <strong>St</strong>ellmann, 1997 oder Tarara, J.: Ökologieorientierte Informationsinstrumente in Unternehmen,<br />

Wiesbaden, 1997, S. 27 oder Dyllick, Th.: Ökologisch bewusste Unternehmungsführung, in: Die<br />

Unternehmung, Nr. 6, 1992, S. 402.


26 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Indirekte Betroffenheit entsteht hingegen aufgrund gesellschaftlicher ökologischer<br />

Kommunikation und ist im jeweiligen Code eines Funktionssystems greifbar, beispielsweise<br />

in Form von umweltrechtlichen Anforderungen wie Verboten und Geboten oder in<br />

Form administrierter Preise wie Abfallgebühren oder Abgaben auf Schadstoffen. Über<br />

den Markt können beispielsweise ökologisch motivierte Kundenwünsche oder ethische<br />

Ansprüche von Mitarbeitenden die Unternehmung betreffen.<br />

Diese indirekten Einflüsse müssen nicht zwingend tatsächlich naturwissenschaftlich<br />

fundierten Sachverhalten entspringen. Vielmehr stellen sie –in Analogie zu unserem<br />

Verständnis von Umweltproblemen -soziale Konstrukte dar und können sich sehr wohl,<br />

zumindest für eine gewisse Zeit, losgelöst von wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

entfalten 45 . Für die Unternehmungsführung sind sie dennoch real und können die<br />

Lebensfähigkeit in relevantem Ausmass negativ wie auch positiv beeinflussen. Häufig<br />

spricht man dabei in Anlehnung an Meffert von ökologischen push und pull Faktoren 46 .<br />

Vor diesem Hintergrund wurde die ökologische Betroffenheit, resp. das Management<br />

dieser Betroffenheit in der Betriebswirtschaftslehre schon in den 70er Jahren vereinzelt<br />

thematisiert 47 und führte Ende der 80er, resp. anfangs der 90er Jahre zur Entwicklung<br />

einer spezialisierten Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre. 48 Heute hat sich dafür der<br />

Begriff des betrieblichen Umweltmanagements (technisch im Sinne von Systemen und<br />

Prozessen), resp. der ökologisch bewussten Unternehmungsführung (inhaltlich im<br />

Sinne von Vision, <strong>St</strong>rategie, etc.) etabliert.<br />

45<br />

Siehe Preisendörfer, P., Franzen, A.,: Der schöne Schein des Umweltbewusstseins: Zu den Ursachen<br />

und Konsequenzen von Umwelteinstellungen der Bevölkerung, in: Diekmann, A., Jaeger, C.C.:<br />

Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1996, S. 219 –244 oder<br />

Diekmann, A., Preisendörfer, P.: Persönliches Umweltverhalten. Diskrepanz zwischen Anspruch und<br />

Wirklichkeit, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Nr. 44, 1992, S. 226 – 251.<br />

46<br />

Meffert, H., Kirchgeorg, M.: Marktorientiertes Umweltmanagement. Grundlagen und Fallstudien,<br />

<strong>St</strong>uttgart, 1993, S. 107.<br />

47<br />

Siehe Ullmann, 1975 oder <strong>St</strong>rebel, H.: Umwelt und Betriebswirtschaft, Berlin, 1980.<br />

48<br />

Die Vielfalt der Begriffe sei nachfolgend anhand häufig zitierter Autoren illustriert: Ökologische<br />

Betriebswirtschaftslehre in <strong>St</strong>rebel, 1980, Betriebsökologie in Winter, G.: Das umweltbewusste Unternehmen,<br />

München, 1987, Seidel, E., Menn, H.: Ökologisch orientierte Betriebswirtschaft, <strong>St</strong>uttgart,<br />

1988, <strong>St</strong>eger, U. (Hrsg.): Umweltmanagement, Wiesbaden, 1988, Schreiner, M.: Umweltmanagement<br />

in 22 Lektionen, Wiesbaden, 1988, Dyllick, Th.: Ökologisch bewusstes Management, Die Orientierung,<br />

Schweizerische Volksbank, Bern, 1990, Hopfenbeck, W.: Umweltorientiertes Management und Marketing,<br />

Landsberg, 1990, Ökologisch bewusste Unternehmungsführung, Dyllick, 1992, Wicke, L., et. al.:<br />

Betriebliche Umweltökonomie –Eine praxisorientierte Einführung, München, 1992, Schulz, W., Schulz,<br />

E.: Ökomanagement, München, 1994, <strong>St</strong>ahlmann, V.: Umweltverantwortliche Unternehmungsführung,<br />

München, 1994.


Kapitel 2: Zielsetzung und forschungsleitende Fragen 27<br />

Abbildung 2.7: Die Ökologische Betroffenheit der Unternehmung<br />

Die Darstellung illustriert die Entstehung ökologischer Betroffenheit anhand von Zwängen (push) und<br />

Anreizen (pull). Auslösendes Moment sind Veränderungen in Markt und Gesellschaft. Diese sind für<br />

ökologisches Lernen auf betriebswirtschaftlicher Ebene häufig bedeutsamer als direkte ökologische<br />

Einflüsse. 49<br />

Wir leiten aus diesen Überlegungen unsere Fragen zur Rolle der Ökobilanzierung zur<br />

Herstellung ökologischer Rationalität auf betrieblicher Ebene wie folgt ab:<br />

Forschungsleitende Fragen aus Sicht der Betriebswirtschaft<br />

Können Ökobilanzen theoretisch zur <strong>St</strong>eigerung der Problemlösungsfähigkeit, resp.<br />

der Lebensfähigkeit der Unternehmung beitragen<br />

Lassen sich konzeptionelle Elemente der Ökobilanzierung in der Ausgestaltung von<br />

Umweltmanagementsystemen, resp. betrieblichen Umweltinformationssystemen<br />

49<br />

Darstellung aus <strong>St</strong>ellmann, 1997, S. 90.


28 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

wiederfinden Wie sind sie in der Organisation verankert Können ursächliche<br />

Faktoren für diese Diffusion identifiziert werden<br />

2.5 Ökologische Rationalität als Mass der Bestandesaufnahme<br />

Das Ziel dieses Kapitels war es, das systemtheoretische Grundverständnis offen zu<br />

legen, aus dem heraus unsere Bestandesaufnahme vorgenommen werden soll. Es ging<br />

darum, einen Orientierungsrahmen für die abschliessend vorzunehmende Beurteilung<br />

des Entwicklungsstandes des Projekts Ökobilanz zu schaffen. Und es sollte deutlich<br />

gemacht werden, warum der Ansatz der konstruktivistischen Systemtheorie einen<br />

geeigneten methodischen Zugang für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung darstellt.<br />

Dabei galt es drei zentrale Fragen zu beantworten:<br />

1. Was bedeuten zentrale Begrifflichkeiten unserer Thematik wie Umwelt, Natur,<br />

Ökologie und Umweltproblem<br />

2. Was ist unter ökologischer Rationalität in den uns interessierenden Kontexten –<br />

Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmung - zu verstehen<br />

3. Wie kann die der nachfolgend aufgezeichnete <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung beurteilt<br />

werden<br />

Wir wenden uns zunächst den historischen Wurzeln der Ökobilanzbewegung zu,<br />

zeichnen dann ein differenziertes Bild des heutigen <strong>St</strong>andes der Methodik und<br />

beleuchten die Institutionalisierung der Ökobilanzforschung. Nach der empirischen<br />

Analyse werden wir schliesslich versuchen, auf die formulierten forschungsleitenden<br />

Fragen pointierte Antworten zu geben.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 29<br />

3 Phase der Vorläufer und Pioniere<br />

Die Pionierphase der Ökobilanzierung haben wir bereits in der Einleitung in den frühen<br />

70er Jahren verortet. Offenbar unter dem Eindruck der aufkommenden Umweltbewegung<br />

und der einsetzenden politischen Diskussion über die Grenzen des Wachstums<br />

entstanden erste <strong>St</strong>udien, die darauf abzielten, eine umfassende Erfassung und<br />

Beurteilung der Umweltbelastung von Unternehmen und Produkten vorzunehmen. Entsprechende<br />

Themen waren die Belastung der Luft, Abwässer, Abfälle und im Hinblick<br />

auf eine drohende Verknappung insbesondere der Rohstoff- und Energieverbrauch.<br />

Ein Inserat der FIAT aus dem Time Magazine im Jahre 1974 illustriert diesen Zeitgeist<br />

mit dem Slogan: „We can no longer measure the cost of the automobile in terms of<br />

money alone“. Präsentiert wird dazu eine vergleichende Materialbilanz zweier Fahrzeugtypen.<br />

Abbildung 3.1: Vorläufer einer Produktökobilanz – Werbung von FIAT 1974<br />

Die Idee der Bilanzierung von Materialien wurde bereits zu Beginn der 70er Jahre in der Werbung aufgegriffen.<br />

In diesem Inserat des Automobilherstellers FIAT werden zwei Modelle bezüglich ihres Rohstoffverbrauchs<br />

sowie ihrer Brennstoffeffizienz verglichen. Im Vergleich zur heutigen Ökobilanzierung fehlen<br />

Emissionen sowie eine umfassende Lebenszyklusbetrachtung. 50<br />

Wie die 1975 publizierte Übersicht von Ullmann 51 deutlich macht, bestanden zu der Zeit<br />

bereits eine Vielzahl von Ansätzen, die auf eine Erfassung der Umweltbelastung<br />

abzielten und als Vorläufer heutiger Ökobilanzen betrachtet werden können: Material-,<br />

50<br />

Darstellung aus Ullmann, 1975, S. 251.<br />

51<br />

Ullmann, 1975, S. 226 – 269.


30 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

<strong>St</strong>off- und Energiebilanzen von Betrieben und Produkten, Material- und<br />

Energieflussdiagramme und Sozialbilanzen mit Angaben zu Umweltbelastungen<br />

und/oder sozialen Kosten. Allen diesen Konzepten gemein war das Abstellen auf die<br />

Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen.<br />

3.1 Ansätze zur Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen<br />

Zur Erfassung des Rohstoffbedarfs und der Emissionen wurden technische <strong>St</strong>offflussanalysen<br />

sowie ökonomische Input-Output-Bilanzen Ende der 60er Jahre aufgegriffen:<br />

Es wurde damals nach Konzepten gesucht, um die „Endlichkeit der Erde in Verbindung<br />

mit dem Satz von der Erhaltung von Masse und Energie 52 “ in ökonomische Betrachtungen<br />

einzubeziehen.<br />

Dabei waren die Pionier-Arbeiten der ökologischen Ökonomie prägend -beispielsweise<br />

Georgescu-Roegens The Entropy Law and the Economic Process 53 oder Odums<br />

Environment, Power and Society 54 . Man erkannte Energie- und <strong>St</strong>offflussanalysen<br />

sowie die ökonomische Input-Output-Analyse als grundlegende Informationstechniken<br />

für den Umweltschutz.<br />

Für die Umsetzung dieser Datengewinnungs-Methoden unter Umweltschutz-<br />

Gesichtspunkten wurden die im Arbeitskreis Resources for the Future zusammengeschlossenen<br />

Forscher Ayres, Kneese, Bower, Basta und Russel bekannt. 55 Sie<br />

erstellten detaillierte <strong>St</strong>off- Energie- und Materiaflussanalysen für Unternehmen und<br />

ganze Regionen und entwickelten dazu eine dreistufige Methodik:<br />

1. Erstellung einer Materialbilanz<br />

2. Rekonstruktion der stofflichen Transformation der Material-Inputs in Outputs mittels<br />

<strong>St</strong>offflussanalyse und deren Darstellung anhand eines Flussdiagrams<br />

3. Konsolidierung der Daten in eine prozessbasierte Input-Output-Bilanz<br />

3.1.1 <strong>St</strong>offflussanalyse<br />

Die grundlegende Methodik der <strong>St</strong>offflussanalyse wurde jedoch schon lange vor der<br />

Frage nach der Umweltbelastung in verschiedenen Bereichen eingesetzt: In der<br />

Verfahrenstechnik, der Materialwirtschaft, der Ökonomie und der Ökologie stellten<br />

<strong>St</strong>offflusanalysen und Input-Output-Bilanzen gängige Instrumente dar. 56<br />

52<br />

Ullmann, 1975, S. 174.<br />

53<br />

Georgescu-Roegen, N.:The Entropy Law and the Economic Process, Cambridge MA; Harvard<br />

University Press, 1971.<br />

54<br />

Odum, H.T.:Environment, Power and Society, New York, 1971.<br />

55<br />

Ayres, R.U.: On the Life Cycle Metapher: where ecology and economics diverge, Center for the<br />

Management of Environmental Resources, Nr. 2002/119, INSEAD, Fontainebleau, 2002, S. 2.<br />

56<br />

Siehe Hofmeister, S.: Landschaftsentwicklung und Umweltforschung; Schriftenreihe des Fachbereichs<br />

Landschaftsentwicklung der TU Berlin, Nr. 58, Berlin, 1989, S. 14.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 31<br />

Grundlage der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzierung bildet die aus dem ersten Hauptsatz der<br />

Thermodynamik abgeleitete Erhaltung von Masse und Energie. Demnach muss die<br />

Massen-, resp. Energiebilanz eines Systems immer ausgeglichen sein. <strong>St</strong>offflussanalysen<br />

können auf der Ebene ausgewählter chemischer Elemente (zum Beispiel für<br />

Kohlenstoff) oder für Substanzen, Materialien, Halbfabrikate und/oder Produkte erstellt<br />

werden.<br />

Die Beachtung dieses Sachverhalts ist beispielsweise in der Verfahrenstechnik zur<br />

Planung und <strong>St</strong>euerung von Prozessen von Bedeutung. Auch die Ökologie bedient sich<br />

der Darstellung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen um die Wechselwirkungen zwischen<br />

Lebewesen oder ganzen Ökosystemen zu erfassen.<br />

3.1.2 Input-Output-Bilanz<br />

Während die <strong>St</strong>offflussanalyse eine Definition der zu betrachtenden Prozesse und<br />

deren Zusammenwirken erfasst und anhand eines Flussdiagramms veranschaulicht,<br />

werden die Resultate bezogen auf eine Periode oder eine Einheit des produzierten<br />

Gutes in Form einer Input-Output-Tabelle dargestellt. Im Idealfall kann im Rahmen der<br />

<strong>St</strong>offflussanalyse ein vollkommen mathematisches Modell aller <strong>St</strong>röme abgebildet<br />

werden und die Input-Output-Bilanz wäre dann bezüglich Masse und Energie vollständig<br />

ausgeglichen. Ein entsprechendes <strong>St</strong>offflussmodell könnte dann für<br />

Simulationen verwendet werden.<br />

In der Praxis sind jedoch nur selten vollständige Massen- oder Energiebilanzen verfügbar,<br />

da eine präzise Ermittlung aller <strong>St</strong>offflüsse letztlich an Grenzen von Kosten und<br />

Messbarkeit stösst. Man konzentriert sich auf das technisch, ökonomisch oder ökologisch<br />

Relevante und behandelt die einzelnen Prozesse selbst jeweils als black boxes,<br />

indem für jeden Prozess lediglich eine Input-Output-Tabelle aufgestellt wird, ohne dass<br />

der innere Zusammenhang (beispielsweise eine chemische Reaktion) modelliert würde.<br />

Unter Umweltgesichtspunkten zeigt die Input-Output-Bilanz alle relevanten Rohstoffentnahmen<br />

aus der Natur und alle stofflichen Einträge in die Natur.<br />

Eine andere Technik zur Datengewinnung, der ebenfalls das Denken in Inputs und<br />

Outputs zugrunde liegt, stellt die ökonomische Input-Ouput-Analyse dar. Sie bestand<br />

ebenfalls schon lange vor ihrem Einsatz zur Ermittlung der Umweltaspekte.


32 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 3.2: Kombinierte Darstellung von <strong>St</strong>offfluss und Input-Output-Tabelle 57<br />

3.1.3 Ökonomische Input-Output-Bilanz<br />

Die Idee der ausgeglichenen Input-Output-Bilanzen hat auch in der Ökonomie und<br />

Betriebswirtschaft ihre Entsprechung: mittels Kostenrechnung und Buchhaltung werden<br />

monetär die Austauschbeziehungen zwischen Prozessen und Organisationen<br />

beschrieben. An die <strong>St</strong>elle von Masse und Energie tritt das Geld und in der Doppelten<br />

Buchhaltung finden wir wiederum ein geschlossenes System vor, in dem sich Inputs<br />

und Outputs ausgleichen.<br />

Mit den Arbeiten von Leontief wurde das Denken in Inputs und Outputs für die volkswirtschaftliche<br />

<strong>St</strong>atistik erschlossen: er hat 1936 erstmals eine ökonomische Input-<br />

Output-Tabelle für die Volkswirtschaft der USA (für das Jahr 1919) erstellt. Darin<br />

werden die in Geldeinheiten (sprich Preisen) erfassten <strong>St</strong>röme von Gütern zwischen<br />

den wirtschaftlichen Sektoren genutzt, um die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft<br />

und die Vernetzung der Branchen zu erfassen. Anhand der ökonomischen Input-<br />

57<br />

<strong>St</strong>evens, M., et.al: Umweltberichterstattung und Umwelterklärung nach der EG-Öko-Audit-Verordnung,<br />

Springer, 1997, S. 29.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 33<br />

Output-Analyse kann auch ersehen werden, welche Vorleistungen in ein bestimmtes<br />

Produkt einfliessen. Für seine Arbeiten zur ökonomischen Input-Output-Analyse erhielt<br />

Leontief den Nobelpreis.<br />

In seinem Aufsatz Environmental Repercussions and the Economic <strong>St</strong>ructure – An<br />

Input-Output-Approach 58 empfahl Leontief die ökonomische Input-Output-Analyse zur<br />

Erstellung von <strong>St</strong>offbilanzen. Dies wird möglich, wenn man die Geldströme durch<br />

Preisvektoren (Preise aller Güter) teilt und damit die Massenströme aufdeckt.<br />

Allerdings erfassen diese Berechnungen nur <strong>St</strong>offe und Materialien, die einen Preis<br />

aufweisen –also Rohstoffe und einer bezahlten Entsorgung zugeführte Massenströme.<br />

Emissionen in Luft, Wasser oder Boden bleiben dabei unberücksichtigt. Desweiteren<br />

gilt zu bedenken, dass das Auflösungsvermögen der volkswirtschaftlichen <strong>St</strong>atistik nicht<br />

sehr hoch ist: gängige Modelle unterscheiden auch heute zwischen lediglich 60<br />

Branchen 59 und im besten Falle einigen Hundert Produktkategorien. 60 Eine Kategorie<br />

„Büromaschinen“ oder „Geräte zur Halbleiterfabrikation“ kann dann stofflich sehr unterschiedliche<br />

Dinge enthalten.<br />

Der Fortschritt bestand jedoch darin, dass neben den einzelnen Vorprodukten und<br />

Materialien auch der kumulierte Energie-, resp. Masse-Aufwand für ein Produkt ermittelt<br />

und somit zumindest der ökonomisch fassbare Teil eines materiellen Produktlebenszyklus<br />

abgebildet werden konnte.<br />

3.1.4 Der Einbezug des ökologischen Produktlebenszyklus<br />

Die Verbindung zwischen Konzepten der Input-Output-Bilanzierung von Unternehmen,<br />

resp. der <strong>St</strong>offflussanalyse mit dem Konzept des ökologischen Produktlebenszyklus war<br />

für die Ökobilanzierung prägend:<br />

Man übertrug das Bild des Entstehens und Vergehens aus der Biologie auf die<br />

Ökonomie 61 und löste die bislang punktuelle –auf Produktion oder Gebrauch eines<br />

Produktes gerichtete –Betrachtungsweise durch ein ganzheitliches Systemverständnis<br />

ab: Der ökologische Produktlebenszyklus umfasst idealtypisch die Phasen<br />

Rohstoffgewinnung, Herstellung, Verwendung und Entsorgung/Recycling eines<br />

Produktes, die jeweils zwischen den einzelnen Schritten anfallenden Transporte<br />

eingeschlossen. Die Ressourcen-Inputs und die Emissions-Outputs werden pro<br />

betrachteten Prozess getrennt erhoben und schliesslich für das gesamte Produkt<br />

addiert.<br />

Eine Orientierung am gesamten Lebenszyklus erweist sich in verschiedener Hinsicht als<br />

vorteilhafte Perspektive: Sie bietet den Zugang zum Verständnis, wo die wichtigsten<br />

58<br />

Leontieff, W.: Environmental Repercussions and the Economic <strong>St</strong>ructure –An Input-Output-Approach,<br />

in: Review of Economics and <strong>St</strong>atistics, Vo. 52, 1970, S. 262 – 271.<br />

59<br />

Zum Beispiel die Input-Output-Tabelle des deutschen <strong>St</strong>atistischen Bundesamts: 58 Sektoren.<br />

60<br />

Zum Beispiel die Input-Output-Tabelle für Japan mit 400 Sektoren.<br />

61<br />

Ayres, 2002, S. 2.


34 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

<strong>St</strong>offumsätze zu verorten sind und damit auch, was, resp. wer diese beeinflussen kann.<br />

Zudem erfordert das Denken in Produktlebenswegen eine profunde Auseinandersetzung<br />

mit dem zu untersuchenden System und erweitert damit die<br />

Wissensbasis.<br />

Abbildung 3.3: Ökologischer Produktlebenszyklus<br />

Durch den Einsatz von <strong>St</strong>offflussanalysen für ganze Lebenswege wurden die<br />

auftretenden Emissionen greifbar, was bislang mit der bereits verfügbaren<br />

Datengewinnungs-Methodik der ökonomischen Input-Output-Analyse infolge fehlender<br />

Preise nicht wahrgenommen werden konnte. 62 Allerdings ist die <strong>St</strong>offflussanalyse<br />

entlang ganzer Lebenswege in der Praxis aufwendig, weshalb häufig nur die zentralen<br />

Prozesse in situ erhoben und die fehlenden Daten aus anderen verfügbaren <strong>St</strong>udien<br />

übernommen werden – beispielsweise aus anderen <strong>St</strong>offflussanalysen oder aus<br />

Prozessspezifikationen bestimmter Technologien.<br />

3.1.5 Hybride Input-Output-Bilanz für Lebenszyklusanalysen<br />

Später ging man dazu über, die technische <strong>St</strong>offflussanalyse von Produktlebenszyklen<br />

mit der ökonomischen Input-Output-Analyse zu kombinieren. Dazu werden die –<br />

spezifisch für einen Prozess erhobenen oder aus der Literatur übernommenen <strong>St</strong>offflussdaten<br />

mit den erheblich ungenaueren, jedoch bezüglich Lebensweg<br />

vollständigeren Daten der ökonomischen Input-Output-Analyse kombiniert (Kumulierter<br />

Materialbedarf, Kumulierter Energiebedarf, ggf. kostenpflichtige Entsorgungsleistungen).<br />

Die kumulierten Material- und Energiedaten können dann mittels<br />

Emissionsfaktoren aus der Literatur für eine Abschätzung der Emissionen aus den in<br />

der <strong>St</strong>offflussanalyse nicht erfassten Prozessschritten verwendet werden. 63<br />

3.1.6 REPA – die erste lebenszyklusbasierte Produktökobilanz<br />

Der Einbezug des ökologischen Produktlebensweges zur Beurteilung der Umweltaspekte<br />

wurde erstmals im Rahmen eines Vergleichs verschiedener Verpackungsvarianten<br />

umgesetzt: Hunt, Welch und Franklin des Midwest Research Institute hatten<br />

1969 im Auftrag der Coca Cola Company eine entsprechende Methodik entwickelt, die<br />

sie Resource and Environmental Profile Analysis REPA nannten. Eine nach derselben<br />

62<br />

Siehe beispielsweise Levitt, Th.: Exploit the product life cycle, Harvard Business Review, 1965 oder<br />

Polli, R., Cook, V.: Validity of the product life cycle, Journal of Business, 42, 1969, S. 385 - 395.<br />

63<br />

Siehe Nansai, K., Moriguchi, Y., Tohno, S.: Embodied Energy and Emission Intensity Data for Japan<br />

Using Input-Ouput Tables – Inventory Data vor LCA, Center for Global Environmental Research,<br />

National Institute for Environmental <strong>St</strong>udies, Tsukuba, 2002.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 35<br />

Methodik durchgeführte und 1974 im Auftrag der amerikanischen Umweltbehörde EPA<br />

publizierte <strong>St</strong>udie wird heute in der Literatur als erste Publikation zur Produktökobilanzierung<br />

zitiert. Weitere lebenszyklusorientierte Vorschläge von Bedeutung<br />

waren das Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 64 und eine <strong>St</strong>udie<br />

des Batelle Institut Frankfurt am Main zum Ökologischen Nutzwert von Verpackungen 65 .<br />

3.1.7 Integration von Produkt- und Unternehmungsperspektive<br />

Zu dieser Zeit ebenfalls schon angedacht war eine Integration des ökologischen<br />

Produktlebenzyklus in Betriebsökobilanzen: 1972 entwickelte Elliot-Jones im Kontext<br />

der Sozialbilanzierung von Unternehmen den Vorschlag, die betrieblichen Materialflüsse<br />

um die bei der Verwendung als auch bei der Entsorgung eines Produktes<br />

anfallenden Inputs und Outputs zu ergänzen 66 .Damit sollte eine ganzheitliche Basis für<br />

unternehmerische Entscheide bereitgestellt werden, die Problemverschiebungen von<br />

einer <strong>St</strong>ufe des Lebenszyklus zur nächsten ausschliesst und dem Umstand Rechnung<br />

trägt, dass Unternehmen über die Produktentwicklung die Umweltbelastung der nachgelagerten<br />

<strong>St</strong>ufen massgeblich steuern können.<br />

Heute ist der Einbezug des gesamten ökologischen Produktlebensyzklus in Produktökobilanzen<br />

ein konstituierendes und damit zwingendes Merkmal der Methodik. Eine –<br />

im Sinne von Elliot-Jones angedachte -erweiterte Betriebsökobilanzierung wird zwar<br />

vereinzelt und in verschiedenen Formen praktiziert, hat sich jedoch (noch) nicht als<br />

zwingendes Erfordernis durchgesetzt.<br />

64<br />

Zitiert in Hertz, D.B.: Checkliste für umweltfreundliche Produkte, in Absatzwirtschaft, 5, S. 42 –48,<br />

1973.<br />

65<br />

Batelle Institut: Abbaubare Kunststoffe und Müllprobleme, Beiträge zur Umweltgestaltung, Heft A23,<br />

Berlin, 1973.<br />

66<br />

Elliot-Jones, M.F.: Matrix Methods in Corporate Social Accounting, in: Dierkes, M., Bauer, R.A.: Corporate<br />

Social Accounting, New York, 1973.


36 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 3.4: Betriebliche Bilanzierung unter Einbezug der Wertschöpfungskette<br />

Die Darstellung zeigt einen Vorschlag zur <strong>St</strong>rukturierung von Betriebsökobilanzen mit einer um die Wertschöpfungskette<br />

ergänzten Systemgrenze im Sinne von Elliot-Jones. Der Vorschlag entstammt einer<br />

Publikation von Braunschweig/Müller-Wenk 1991 und ist in der Schweiz als ein Element der sogenannten<br />

ÖBU Methodik bekannt. 67<br />

3.2 Ansätze zur Beurteilung von <strong>St</strong>offbilanzen<br />

Der Übergang von reinen <strong>St</strong>off-, Energie- und Materialbilanzen zur Ökobilanz besteht<br />

gemäss unserer Definition im Einsatz von Methoden zur Beurteilung der vielfältigen<br />

Inputs und Outputs. Die Frage, wie sehr verschiedenartige Umweltaspekte miteinander<br />

vergleichbar und beurteilbar gemacht werden können, war aus der Einführung von<br />

Environmental Impact Assessments (Umweltverträglichkeitsprüfungen) für die<br />

Beurteilung von Grossprojekten in den USA bereits bekannt. Unabhängig vom<br />

Untersuchungsgegenstand (Projekt, Produkt, Betrieb, etc.) stand man vor der<br />

Herausforderung, sehr komplexe Entscheidungssituationen bei unzureichender<br />

Information nachvollziehbar zu strukturieren und die verfügbaren Daten einer<br />

ganzheitlichen Beurteilung zuzuführen.<br />

Unter den Lösungsvorschlägen gab es einerseits subjektive Verfahren, welche eine<br />

qualitative Beurteilung der erfassten Input-Output-Bilanzen beinhalteten oder aber in<br />

Analogie zur Nutzwertanalyse eine quantitative Gesamtaggregation auf der Basis<br />

willkürlich definierter Gewichtungsfaktoren vornahmen. Diese Methoden wurden aus<br />

anderen Bereichen, beispielsweise der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsmethodik,<br />

übernommen.<br />

Neu und damit ebenfalls für die Entstehung einer Wissenschaft Ökobilanzierung<br />

konstituierend, waren hingegen diverse Methodenvorschläge, die darauf abzielten, das<br />

subjektive Moment durch Einführung naturwissenschaftlich, umweltökonomisch oder<br />

politisch legitimierter Bewertungsmassstäbe auszuschalten. Die Bestimmung des<br />

relativen Gewichts einzelner Umweltkritieren sollte in diesen Methoden anhand eines<br />

67<br />

Eigene Darstellung in Anlehnung an Braunschweig, A., Müller-Wenk, R.: Ökobilanzen für Unternehmungen,<br />

Eine Wegleitung für die Praxis, Haupt, Bern, 1993, S. 30.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 37<br />

logisch begründbaren, konsistenten – und im Idealfall in Form eines Algorithmus<br />

mathematisch fassbaren -Gewichtungsprinzips vorgenommen werden. Die Frage der<br />

Gewichtung sollte sozusagen der Willkür der Laien entzogen und auf ein formales,<br />

möglichst wissenschaftlich abgestütztes Fundament gestellt werden.<br />

Wir betrachten nachfolgend die bekanntesten Konzepte:<br />

3.2.1 Verbal Argumentative Beurteilung (McKinsey)<br />

In dem von Hertz 1973 zitierten Verfahren der Beratungsfirma McKinsey wurden<br />

einzelne Umweltkriterien anhand von Kategorien wie beispielsweise „nicht relevant“ bis<br />

„sehr negativ“ beurteilt. 68 Als Resultat stand dann eine Tabelle mit einer differenzierten<br />

Beurteilung verschiedener Aspekte zur Verfügung, aus der aufgrund des Gesamteindrucks<br />

subjektiv ein Urteil zu bilden war. McKinsey empfahl dieses Verfahren auf die<br />

Betrachtung von Produktlebenswegen zu beziehen.<br />

Heute bezeichnet man dieses Vorgehen in der Ökobilanzierung als verbal-argumentative<br />

Methode oder ABC-Beurteilung 69 . Sie stellt die einfachste Form einer<br />

expliziten und ganzheitlichen Beurteilung von Umweltbelastungen dar und ist in der<br />

Praxis weit verbreitet.<br />

Sie hat den Vorteil, dass die vielfältigen Einschätzungen der Beurteilenden in das<br />

Resultat einfliessen. Auch die Nachvollziehbarkeit der Beurteilung kann – beispielsweise<br />

anhand eines Protokolls der Diskussion -gewährleistet werden. Die Resultate<br />

sind aber in der Regel nicht reproduzierbar. Die Tagesform der Beurteilenden,<br />

gruppendynamische Prozesse oder auch Machtverhältnisse können die Resultate<br />

erheblich beeinflussen.<br />

68<br />

Hertz, 1973, S. 42.<br />

69<br />

Siehe Schaltegger, S., <strong>St</strong>urm, A.: Ökologieorientierte Entscheidungen in Unternehmen, Ökologisches<br />

Rechnungswesen statt Ökobilanzierung: Notwendigkeit, Kriterien, Konzepte, Bern, 1994, S. 105 - 110.


38 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 3.5: Product Environmental Impact <strong>St</strong>atement von McKinsey 1973 70<br />

3.2.2 Nutzwertanalyse (Midwest Research Institute)<br />

Ein zweiter Ansatz bestand darin, analog zu einer Nutzwertanalyse, die einzelnen Umweltkriterien<br />

zu gewichten. Man könnte auch von einer Schadwertanalyse sprechen. So<br />

gingen Hunter, Welch und Franklin bei ihrer Resource and Environmental Profile<br />

Analysis REPA vor: Sie beurteilten die zur Diskussion stehenden Verpackungen<br />

anhand von 7Umweltkriterien in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst wurde für<br />

jedes einzelne Kriterium ein Index ermittelt, welcher für eine bestimmte Verpackungsvariante<br />

in ihrem jeweiligen relativen Beitrag zur Summe der Beiträge aller<br />

Verpackungen bestand. Dazu addierte man pro Kategorie das Gewicht der <strong>St</strong>offflüsse,<br />

resp. den Energieverbrauch. Man erhielt für jede Kagorie eine Punktzahl, die dem<br />

prozentualen Beitrag des Produktes entsprach. In einem zweiten Schritt wurden diese<br />

kriterienspezifischen Punkte mit Gewichtungsfaktoren für jedes Umweltkriterium multipliziert.<br />

Diese Gewichtungsfaktoren drückten eine willkürlich definierte, relative Priorität<br />

der Umweltkriterien aus. Damit wurde erstmals die Umweltbelastung in einem einzigen,<br />

dimensionslosen Indikator „Punkte“ ausgedrückt.<br />

70<br />

Eigene Darstellung in Anlehnung an Hertz, 1973, S. 42.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 39<br />

Dieses Verfahren unterscheidet sich von der verbal-argumentativen Beurteilung eigentlich<br />

nur darin, dass die subjektiven Gewichtungsfaktoren numerisch ausgedrückt<br />

werden. Man muss sich also zunächst darauf einigen und kann dafür die Berechnung<br />

reproduzieren, was bei der rein verbal-argumentativen Methode nicht möglich ist. Damit<br />

wird der Fokus der Beurteilenden vom konkreten Untersuchungsgegenstand auf die<br />

Frage grundsätzlicher Prioritäten verlagert. Die Wertfrage muss unabhängig von den<br />

Resultaten der Input-Output-Bilanz beantwortet werden. Nicht mehr die Emission Xim<br />

Prozess Ywird als wichtig oder irrelevant eingestuft, sondern die generelle Bedeutung<br />

der Luftbelastung gegenüber anderen Umweltbelastungen muss vor der Berechnung<br />

der Resultate beurteilt werden.<br />

Auch die nachfolgend beschriebenen Ansätze leisten eine solche Entkopplung der<br />

Beurteilung: bei ihnen ersetzen jedoch - zumindest vom Anspruch her - formale,<br />

intersubjektiv nachvollziehbare Modelle die subjektiven Werturteile.<br />

3.2.3 Soziale (Vermeidungs-) Kosten (Abt Associates)<br />

Einen Vorläufer einer umweltökonomischen Beurteilung von Input-Output-Bilanzen stellt<br />

das Social Balance Sheet der Beratungsfirma Abt Associates 1971 dar: Es beinhaltet<br />

eine (sehr partielle) Berechnung sozialer Kosten und Nutzen (Externalitäten). So wird<br />

beispielsweise der Papierverbrauch des Unternehmens mittels Emissions-Vermeidungskosten<br />

bewertet: die Menge Papier wird mit den abgeschätzten Abwasserreinigungskosten<br />

der Papierherstellung multipliziert. Dieses Vorgehen war - wie<br />

Ullmann berichtet -arg umstritten, zumal offizielle Schätzungen der sozialen Kosten -<br />

zum Beispiel im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung -nicht vorlagen 71<br />

und eine monetäre Aufrechnung sozialer Nutzen und Kosten als unethisch kritisiert<br />

wurde.<br />

3.2.4 Lebenswegkosten (Batelle Institute)<br />

Ein ähnliches Verfahren wählte das Batelle Institut Frankfurt am Main in ihrer 1974<br />

publizierten Analyse des Ökologischen Nutzwertes von Verpackungen. Neben der<br />

Erfassung von Rohmaterialien, Energiebedarf, Emissionen und Abfall wurden auch die<br />

Gesamtkosten einschliesslich Abfallentsorgung und Abwasserreinigung als Indikator<br />

ausgewiesen. Die Gesamtkosten enthielten damit auch eine soziale Komponente, da<br />

die Abfallentsorgung und Abwasserreinigung durch die öffentliche Hand getragen<br />

wurde.<br />

Beide Verfahren brachten durch den Einbezug sozialer Kosten zum Ausdruck, dass<br />

Umweltbelastungen monetär beurteilt werden können. Natürlich waren diese Ansätze<br />

71<br />

Siehe die Kritik bei: Ullmann, 1975, S. 266 oder Braun, F.: Rechenschaftslegung zur Umweltbelastung<br />

und zum Umweltschutz von Industrieunternehmen, Beiträge zur Umweltgestaltung, A36, Berlin, 1974,<br />

S. 58.


40 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

rudimentär und erfassten nur einzelne Inputs, resp. Outputs. Sie können jedoch als<br />

Vorläufer der umweltökonomisch inspirierten Ökobilanzmethoden späterer Jahre gelten.<br />

3.2.5 Entropieansätze<br />

In eine ganz andere Richtung zielten die Vorschläge, einen Massstab zur Beurteilung<br />

der Umweltbelastung direkt aus der Natur, resp. den Naturwissenschaften abzuleiten.<br />

Eine erste Generation solcher Vorschläge stammen von den Begründern der Ökologischen<br />

Ökonomie (Georgescu-Roegen, Odum, Daly, Constanza, etc.) und werden<br />

unter dem Begriff Entropieansätze zusammengefasst. 72 Sie alle verfolgen das Ziel,<br />

Entropie 73 als ökologischen Massstab heranzuziehen, ja mitunter die Wertlehre der<br />

Ökonomie auf dieses Fundament zu stellen, wie es schon der Chemiker und Nobelpreisträger<br />

Frederick Soddy in Cartesian Economics 74 um 1922 forderte. 75<br />

Ausgangspunkt dieser Ansätze bilden zwei physikalische Grundannahmen:<br />

Einerseits führen wirtschaftliche Prozesse zur Verteilung von <strong>St</strong>offen im Raum, wodurch<br />

einerseits die stoffliche Unordnung und somit die Materie-Entropie steigt, andererseits<br />

die Wertigkeit der inneren Energie der dissipierten <strong>St</strong>offe sinkt (dass heisst die Energie-<br />

Entropie nimmt zu). „Mit der Rohstoffzufuhr sinkt die Entropie innerhalb des<br />

ökonomischen Systems. Die Materialabgabe an die Umwelt entspricht einer Entropiezunahme<br />

des Systems Erde. (...) Ökonomische Prozesse sind damit richtungsabhängig,<br />

sie können nicht zirkulär sein.“ 76<br />

Andererseits fliesst dem System Erde durch die von der Sonne ausgehende <strong>St</strong>rahlung<br />

stetig Energie 77 zu. Dieser negative Entropiezufluss wird entsprechend als zentrale<br />

Grösse einer ökologischen Ökonomie und als eine „ultimative natürliche Knappheit“ 78<br />

erkannt. Im Hinblick auf die Beurteilung von Umweltbelastung „(...) geht (es) also<br />

72<br />

Sie dazu: Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 95.<br />

73<br />

Entropie (aus dem Griechischen: Transformation) ist eine der zentralen Grössen der Thermodynamik.<br />

Es handelt sich bei ihr um eine Zustandsgrösse eines Systems, die eng mit der Temperatur und der<br />

Wärme zusammenhängt. Die thermodynamische Entropie kann als Grad der Irreversibilität des<br />

Zustands eines physikalischen Systems verstanden werden. Um ein System wieder in denselben<br />

Zustand zu versetzen, muss genau die aufgenommene (abgegebene) Entropie wieder abgegeben<br />

(aufgenommen) werden. Diese Definition wurde 1865 von Rudolf Clausius eingeführt. Aus www.netlexikon.de/Entropie-Physik.html<br />

74<br />

Soddy, F.: Cartesian Economics, London, 1922, zitiert in Ayres, 2002, S. 8.<br />

75<br />

Ayres, 2002, S. 8.<br />

76<br />

Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 97.<br />

77<br />

Energie (aus dem Griechischen: Werk, Arbeit) steht für die Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu verrichten.<br />

Der Begriff wurde vom schottischen Physiker William John Macquorn Rankine im Jahre 1852<br />

in die Physik eingeführt und ersetzte den bis dahin üblichen Begriff „Kraft“. Energie wird in Joule gemessen.<br />

Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Energie.<br />

78<br />

Daly, H.: On Economics als Life Science, Journal of Political Economy, Nr. 76/68, 1968, zitiert in<br />

Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S.95


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 41<br />

darum, die Ressourceninputs, Transport-, Produktions-, Gebrauchs- und Entsorgungsaufwendungen<br />

energetisch zu berechnen, ebenso die energetischen Aufwendungen<br />

zur Behebung oder Verhinderung von Emissionen“. 79<br />

Rein theoretisch ist es möglich, alle Inputs und Outputs anhand energetischer Grössen<br />

zu charakterisieren und damit einen universalen, naturwissenschaftlichen Umwelt-<br />

Indikator zu erhalten. Dazu wurden verschiedene Energie-Masse vorgeschlagen,<br />

beispielsweise Exergie, freie Enthalpie (Feedstock Energy) oder eMergy:<br />

Exergie 80 entspricht der arbeitsfähigen Energie, dass heisst sie gibt an, wieviel<br />

mechanische Energie maximal unter Beteiligung der Umgebung gewonnen werden<br />

kann, wenn das System ins thermodynamische Gleichgewicht mit der Umgebung<br />

kommt. Der Gegensatz zur Exergie ist die Anergie, die nicht mehr arbeitsfähige<br />

Energie. Exergie + Anergie = Energie.<br />

Die Enthalpie 81 ist ein Maß für die Energie eines Systems. Sie setzt sich additiv aus<br />

zwei Teilen zusammen: der Inneren Energie und der Volumenarbeit. Die Innere Energie<br />

bezeichnet die kinetische Energie der Teilchen des betrachteten Systems, die Energie<br />

der chemischen Bindungen der Teilchen des Systems, etc. Sie nimmt proportional zur<br />

Temperatur des Systems zu; am absoluten Nullpunkt ist sie 0. Die Volumenarbeit ist in<br />

diesem Fall anschaulich die Arbeit, die verrichtet werden musste, um das Volumen und<br />

den Druck zu erzeugen, die das System zum jetzigen Zeitpunkt hat. Will man die<br />

Änderung der Enthalpie eines Systems messen, so misst man in der Regel die<br />

Änderung der Temperatur sowie des Volumens bei konstantem Druck.<br />

Solar eMergy 82 ist eine von Odum im Rahmen seiner Energy Quality Accounting<br />

Scheme vorgeschlagene Grösse. Sie ist definiert als die für die Bereitstellung eines<br />

Produkts oder einer Dienstleistung vorgängig aufgewendete Energie. Im Unterschied<br />

zur Grauen Energie bezieht sie sich jedoch viel weitläufiger nicht allein auf den Energieaufwand<br />

der Prozesse, sondern versucht den gesamten Energieinput seit bestehen der<br />

primitiven Erde aufzurechnen. Dementsprechend umfasst eMergy nicht nur den<br />

Energieinhalt eines Energieträgers -beispielsweise von Kohle –sondern auch die bis<br />

zur Entstehung von Kohle aufgewendete Energie, beispielsweise die zur Photosynthese<br />

der Biomasse als Vorläufer der Kohle genutzte Solarenergie.<br />

All diesen Konzepten gemeinsam ist, dass sie in der Praxis nur schwerlich operationalisierbar<br />

und aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades für viele Menschen nur mit<br />

Mühe verständlich sind.<br />

Einfachere Formen zur Umsetzung derselben Grundidee bestehen in der Summierung<br />

aller aufgewendeter Prozessenergie entlang des Prozessbaumes des zu betrachtenden<br />

79<br />

Ullmann, 1975, S. 251.<br />

80<br />

Aus http://www.net-lexikon.de/Exergie.html.<br />

81<br />

Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Enthalpie.<br />

82<br />

Siehe die Kritik bei: Ayres, 2002, S. 4 – 5.


42 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Systems, wie sie im Rahmen sogenannter Energy Analysis 83 vorgenommen wurde.<br />

Diese Grösse nennt man auch Netto-Energiebedarf oder Graue Energie. Zählt man<br />

zudem die in den verarbeiteten Rohstoffen enthaltene innere Energie (Heizwert) hinzu,<br />

so erhält man den Brutto-Energiebedarf.<br />

In der Ökobilanz-Praxis hat die Graue Energie bis heute breitere Anwendung<br />

gefunden. 84 Verschiedene energiebasierte Ansätze werden zudem im Hinblick auf die<br />

ökologische Beurteilung des Rohstoffabbaus noch heute weiterentwickelt, wobei man<br />

sich dabei auf die Frage konzentriert, welche Energie aufgewendet werden muss, um<br />

die Gewinnung von Rohstoffen aus nicht mehr hochangereicherten Lagerstätten zu<br />

bewerkstelligen. Konkret: Welcher Zusatzaufwand an Energie ist nötig, um Kupfer aus<br />

Erzen mit Konzentrationen deutlich unter 2% (heute üblich) zu gewinnen 85<br />

Als universeller Gesamtindikator für Umweltbelastungen hat sich Energie, resp.<br />

Entropie nicht durchsetzen können. Die vorgeschlagenen Grössen werden insbesondere<br />

deshalb kritisiert, weil sie lediglich der Rohstoffknappheit Rechnung tragen. Zwar<br />

werden Emissionen auch energetisch beurteilbar, wenn man den Sanierungs- oder<br />

Vermeidungsaufwand ermittelt. Schäden an Menschen, Tieren und Pflanzen, insbesondere<br />

irreversible Folgen und immaterielle Schäden der Umweltbelastung können<br />

energetisch hingegen nicht angemessen erfasst werden. 86<br />

Die Vorstellung, eine Knappheit aus der Natur als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen,<br />

wurde verschiedentlich in anderer Form aufgegriffen. Als mögliche Referenzgrössen<br />

wurden in den 90er Jahren beispielsweise natürliche <strong>St</strong>offkonzentrationen und<br />

-flüsse, die zur Verfügung stehende, nutzbare Landfläche oder die Zeit diskutiert. Wir<br />

betrachten einige dieser Ansätze in Abschnitt 4.3.5.1 etwas genauer.<br />

3.2.6 Die stoffflussbasierte Ökologische Knappheit (Müller-Wenk)<br />

Bereits 1974 prägte Müller-Wenk im Rahmen seines Vorschlags zur Ökologischen<br />

Buchhaltung von Unternehmen den Begriff der Ökologischen Knappheit auf der Basis<br />

ökologisch nachhaltiger <strong>St</strong>offflüsse. 87<br />

83<br />

Siehe Boustead, I., Hancock, G.F.: Handbook of Industrial Energy Analysis, Ellis Horwood Ltd.,<br />

Chichester, 1979.<br />

84<br />

BUWAL: Ökologische Bewertung mit Hilfe der Grauen Energie. Analysieren, Bewerten, Entwerfen,<br />

Überprüfen und Vereinfachen von Ökobilanzen, SRU 307, Bern, 1999.<br />

85<br />

Siehe beispielsweise: UNEP Life Cylce Initiative: Life Cycle Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, background<br />

document III, Analysis of midpoint categories, November 2003, S. 41ff.<br />

86<br />

Siehe Schaltegger/<strong>St</strong>urm, S. 100.<br />

87<br />

Müller-Wenk, R.: Ein Vorschlag aus einzelwirtschaftlicher Sicht zur Realisierung einer umweltkonformen<br />

Wirtschaft, in: Wolff (Hrsg.): Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, <strong>St</strong>uttgart, 1974, S. 268 -<br />

286.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 43<br />

Im Zusammenhang mit der Sozialbilanzierung, einem Instrument zur gesellschaftsbezogenen<br />

Rechnungslegung von Unternehmen, 88 welches ebenfalls zu Beginn der<br />

70er Jahre eine gewisse Popularität erreichte, wurden erste Ansätze zur Erfassung<br />

betrieblicher Umweltbelastungen entwickelt. Ausgangspunkt dazu bildete das durch die<br />

Theorie sozialer Kosten, resp. Externalitäten ins Bewusstsein getretene<br />

Auseinanderfallen gesellschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Nutzen(-maximierung).<br />

Demnach entwickelte sich der Anspruch, negative wie auch positive gesellschaftliche<br />

Leistungen der Unternehmung greifbar zu machen. 89<br />

Auch Müller-Wenks innovativer Vorschlag der Ökologischen Buchhaltung wurde in<br />

diesem Zusammenhang entwickelt: Als Teilprojekt der an der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> und<br />

der Eidg. Technischen Hochschule Zürich bearbeiteten NAWU -<strong>St</strong>udie Neue Analysen<br />

für Wachstum und Umwelt. Das Projekt zielte darauf ab, <strong>St</strong>euerungsinstrumente für<br />

eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise zu entwickeln 90 .<br />

Wegleitend war dabei nicht nur die Erfassung betrieblicher Umwelteinwirkungen,<br />

sondern vielmehr deren umweltpolitische <strong>St</strong>euerung. Auf der Basis von Umweltbilanzen<br />

sollte der <strong>St</strong>aat den Unternehmen direkt Belastungsrechte zuteilen und deren<br />

Einhaltung kontrollieren können. Die Bemessung dieser Kontingente sollte nicht auf<br />

einzelstofflicher Basis, sondern nach Massgabe der gesamten betrieblichen Umweltbelastung<br />

erfolgen und „das Wachstum der Unternehmen auf einen Bereich (...)<br />

beschränken (..), innerhalb dessen die als zulässig erachteten Umweltbelastungen noch<br />

nicht überschritten sind“ 91 .<br />

Müller-Wenk entwickelte dazu erstmals ein Vorgehen, welches auf eine systematische<br />

Quantifizierung dieser Umweltbelastung abzielte. Dabei wurden die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />

des Unternehmens –in seiner Fallstudie konkret der Rocco Konservenfabrik -in<br />

Form eines Input-Output-Kontenrahmens analog zur Buchhaltung erfasst und mittels<br />

sogenannter Aequivalenzkoeffizienten (Gewichtungsfaktoren) zu einer umweltmedienübergreifenden,<br />

künstlichen Masszahl Umweltbelastungs- “Recheneinheiten“ verdichtet.<br />

Die Ökologische Buchhaltung markiert gemäss der gängigen –betriebswirtschaftlichen<br />

- Literatur 92 die Geburtsstunde der (unternehmungsbezogenen) Ökobilanzierung.<br />

Müller-Wenk nannte das Prinzip zur Gewichtung verschiedener Umweltbelastungen<br />

Ökologische Knappheit. Sie „ist für eine bestimmte Einwirkungsart, bzw. das von dieser<br />

betroffene Umweltgut, definiert als eine Funktion des gegenwärtigen Ausmasses der<br />

(...) Einwirkungen (...) innerhalb eines relevanten räumlichen Bereichs sowie des<br />

88<br />

Ein frühes Beispiel findet sich dazu in: Braun, 1974, S. 47 - 53.<br />

89<br />

Siehe Vorwort von Meinolf Dierkes, in: Müller-Wenk, 1978, S. 7.<br />

90<br />

Binswanger, 1978, Vorwort.<br />

91<br />

Müller-Wenk, 1978, Aus dem Text auf der Rückseite des Umschlags.<br />

92<br />

Schaltegger, S., Burrit, R.: Contemporary Environmental Accounting, Greenleaf, Sheffield, 2000, S.<br />

263.


44 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

„kritischen“ (Hervorhebung im Original) Ausmasses dieser Einwirkungen, welche zum<br />

Übergang des entsprechenden Umweltgutes von einem akzeptablen in einen<br />

inakzeptablen Zustand führt.“ 93<br />

Dieser Ansatz stellt also sozusagen das ökologisch nachhaltige und damit schadlose<br />

Belastungsniveau der effektiven Belastungssituation gegenüber und tut dies für alle<br />

relevanten Inputs aus der Natur (Ressourcenknappheit) und Outputs an die Natur<br />

(Aufnahme-/Regenerationsknappheit).<br />

Das Prinzip der „Ökologischen Knappheit“<br />

Kritischer Fluss pro Jahr<br />

Ł Ursprünglich: Diverse Quellen<br />

Ł Heute: Gesetze, Internationale Verträge<br />

Ł Wo keine Flussziele bestehen erfolgt eine Abschätzung<br />

über Umwelt-Qualitätsziele (Grenzwerte)<br />

Ist-Fluss pro Jahr<br />

Ł <strong>St</strong>atistiken des Bundes (BUWAL, Bundesamt für <strong>St</strong>atistik)<br />

Ł Abschätzungen aus wissenschaftlichen <strong>St</strong>udien<br />

Für jede Emission wird ein Aequivalenzkoeffizient ermittelt<br />

Die Differenz zwischen Ziel und aktueller Situation bestimmt die Gewichtung<br />

1 RE<br />

Aequivalenzkoeffizient = -------- x ------ x c<br />

= x RE/gr, cm3, MJ<br />

Abbildung 3.6: Das Konzept der Ökologischen Knappheit 94<br />

Im Gegensatz zu den oben ausgeführten Entropieansätzen wird die Ökologische<br />

Knappheit auf der Basis von zeitlich und regional abgegrenzten <strong>St</strong>offflüssen definiert.<br />

Damit wird das Feld der Ökobilanzierung erheblich ausgeweitet: Denn mit der Frage<br />

nach der Ökologische Knappheit , resp. den Aequivalenzkoeffizienten für jeden<br />

relevanten <strong>St</strong>offfluss wird eine Brücke zur naturwissenschaftlichen Erfassung und<br />

Beurteilungen von Ökosystemen geschlagen, die weit über eine physikalisch eindeutig<br />

bestimmbare Referenzgrösse (Energie, Masse, Fläche oder Zeit) hinausgeht. Die<br />

Ermittlung des „inakzeptablen“ Belastungsniveaus für jeden <strong>St</strong>offfluss setzt eine<br />

umfangreiche ökologische Datenbasis voraus. Für jeden zu beurteilenden <strong>St</strong>offfluss<br />

muss der aktuelle jährliche Fluss bekannt sein oder abgeschätzt werden können. Es<br />

stellt sich zudem die Frage, wann eine Belastungssituation als inakzeptabel zu gelten<br />

hat.<br />

93<br />

Müller-Wenk, 1978, S. 26.<br />

94<br />

Eigene Darstellung in Anlehnung an <strong>Siegenthaler</strong>, C., et.al.: Development of EcoScarcity Japanese<br />

Version (ESJ), in: Proceedings of the 5 th International Conference on Ecobalance, Tsukuba, 2002, S.<br />

581.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 45<br />

In Müller-Wenks ursprünglichem Konzept wurden diese Kritischen Flüsse auf der Basis<br />

verschiedener Grundlagen hergeleitet, beispielsweise anhand von <strong>St</strong>atistiken zur<br />

weltweiten Verfügbarkeit von Ressourcen oder verschiedenen Berichten zum Zustand<br />

von Gewässern. Andererseits berechnete er die Aequivalenzkoeffizienten für einzelne<br />

Luftschadstoffe unter Rückgriff auf die „relativ strengen“ ostdeutschen MIK-Werte<br />

(Maximale Immissions-Konzentration). Er schätzte dazu das Luftvolumen der Schweiz<br />

und rechnete aus dem maximal zulässigen Fluss unter Einbezug der Verweildauer,<br />

resp. der Abbaurate der <strong>St</strong>offe auf die maximal zulässige Emission zurück. Damit führte<br />

er einerseits eine politisch legitimierte Beschreibung einer “als zulässig erachteten“<br />

Umweltbelastung in die Beurteilung ein. Anderseits wurde damit die Transmission der<br />

<strong>St</strong>offe erstmals in die Beurteilung einer Input-Output-Bilanz einbezogen.<br />

Neben diesen verschiedenen wissenschaftlich und politisch abgestützten<br />

Datengrundlagen erforderte die Berechnung der Aequivalenzkoeffizienten jedoch auch<br />

pragmatisch-willkürliche Annahmen: So beim Umgang mit nicht-erneuerbaren, resp.<br />

sich in der Umwelt akkumulierenden Schadstoffen oder bei der Auswahl der zur<br />

Berechnung eingesetzten mathematischen Funktion.<br />

Müller-Wenk unterscheidet in seinem ursprünglichen Konzept zwischen der<br />

sogennanten Kumulativknappheit und einer Ratenknappheit. Dient erstere zur<br />

Beschreibung einer sich irreversibel kumulierenden Knappheit, beispielsweise infolge<br />

des Abbaus nicht erneuerbarer Rohstoffe, wird die Ratenknappheit zur Beurteilung<br />

periodischer Regenerationskapazitäten empfohlen, wie sie bei erneuerbaren Rohstoffen<br />

oder infolge von Abbauprozessen in den Umweltmedien vorliegen können. Für die<br />

Ableitung eines jährlichen Kritischen Flusses für Kumulativknappheiten ist die Definition<br />

eines Zeithorizontes erforderlich, über den die verbleibende Kapazität zu verteilen wäre.<br />

Müller-Wenk veranschlagte dafür, unter Abwägung verschiedener Argumente,<br />

willkürlich 30 Jahre - „eine Menschengeneration“.<br />

Eine weitere willkürliche Komponente fügte Müller-Wenk ein, indem nicht allein das<br />

Verhältnis zwischen Ist-Fluss und Kritischem Fluss den Aequivalenzkoeffizienten<br />

bestimmte, sondern, indem er eine Funktion einfügte, welche unterstellt, dass die<br />

Bedeutung einer Belastung überproportional zunimmt, je kleiner die Differenz zwischen<br />

Ist-Fluss und Kritischem Fluss wird. Anders formuliert: er unterstellte einen stetig<br />

steigenden Grenzschaden. In einem solchen Falle würde der Gewichtsfaktor vor dem<br />

Überschreiten des Kritischen Flusses gegen unendlich ansteigen, weshalb Müller-Wenk<br />

den Geltungsbereich seiner Funktion mit einem Schwellenwert bei 90% des Kritischen<br />

Flusses beschränkte.<br />

Aus seiner Argumentation wird die pragmatische Grundhaltung deutlich: es geht ihm<br />

darum, dass Entscheidungsträger klare Signale erhalten hinsichtlich welcher <strong>St</strong>offlüsse<br />

Handlungsbedarf besteht. Die Begründung der Funktion erfolgt lediglich anhand


46 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

plausibler Argumente, jedoch ohne den Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit. Die<br />

willkürliche Wahl der Berechnungsformel sowie einzelner Annahmen wurde denn auch<br />

heftig kritisiert. Dennoch war die Grundkonzeption der Ökologischen Buchhaltung der<br />

bis dahin umfassendste, zu Recht als visionär bezeichnete Ansatz zur Quantifizierung<br />

von Umweltbelastung. Er vermochte die Ökobilanzforschung bis heute massgeblich zu<br />

prägen.<br />

Das Konzept der Ökologischen Knappheit zur Beurteilung von <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüssen wurde später mehrmals überarbeitet, die Berechnungsformel verschiedentlich<br />

verändert und die Anwendung von Unternehmen auf Gemeinden und<br />

<strong>St</strong>aaten sowie auf Produkte und Prozesse ausgeweitet.<br />

Die Ableitung der Kritischen Flüsse wurde dabei zunehmend auf politisch legitimierte<br />

Grundlagen gestellt, indem die offiziellen staatlichen Umweltstatistiken zur Bestimmung<br />

der Ist-Flüsse einerseits und Gesetze, Verordnungen, internationale Verträge oder<br />

Absichtserklärungen des Bundesrates, etc. anderseits als Referenzwerte verwendet<br />

wurden. Dies ganz im Sinne von Müller-Wenk, der den <strong>St</strong>aat schon in seiner<br />

Publikation von 1974 als Instanz zur Festlegung der Aequivalenzkoeffizienten<br />

postulierte und seine eigenen, pragmatischen Abschätzungen dannzumal selbst<br />

lediglich infolge des Fehlens staatlicher <strong>St</strong>offflussziele vornahm.<br />

Die nachfolgende Abbildung aus der Originalpublikation illustriert die dem <strong>St</strong>aat<br />

zugedachte Rolle zur <strong>St</strong>euerung der unternehmerischen Umweltleistung über die<br />

Aequivalenzkoeffizienten:


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 47<br />

Abbildung 3.7: Datenflussschema der Ökologischen Buchhaltung 95<br />

3.2.7 Relation politischer Qualitätsziele (Jansen / Basler&Hoffmann)<br />

Die Idee, politische Zielwerte als Basis einer Beurteilung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen<br />

zu verwenden, wurde schon vor Müller-Wenks Publikation durch Jansen 1972 als<br />

Vergleichende Modelltheorie der atmosphärischen Schadstoffbelastung vorgestellt, 96<br />

95<br />

Darstellung aus Müller-Wenk, 1978, S. 53.<br />

96<br />

Hofstetter verweist auf diese Pionierleistung in Braunschweig et.al.: Developments in LCA Valuation,<br />

IWÖ-Diskussionsbeitrag Nr. 32, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1996, S. 141. und zitiert aus Jansen, et.al.: Vergleichende


48 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

und 1974 im Rahmen einer lebensyzklusbasierten Beurteilung verschiedener<br />

Verpackungen durch das Schweizer Beratungsunternehmen Basler & Hoffmann<br />

aufgegriffen: Die <strong>St</strong>off- und Energiebilanz wurde in dieser Untersuchung anhand von<br />

vier Kategorien beurteilt: Energieverbrauch, Gewässserverschmutzung, Luftbelastung<br />

und Unfallrisiko. Eine Gesamtaggregation wurde hingegen nicht angestrebt.<br />

Die Innovation dieser Methode bestand darin, dass die Luftemissionen nicht gemäss<br />

ihrem Gewicht addiert wurden, sondern aufgrund ihrer politisch legitimierten<br />

ökologischen Relevanz. Dazu wurde für jede Emission ein Gewichtungsfaktoren aus<br />

dem Verhältnis zwischen Emission und Immissionstoleranzwert berechnet. 97<br />

Im Unterschied zur Ökologischen Knappheit erfolgt diese Gewichtung losgelöst von der<br />

aktuellen Belastungssituation und bezieht auch keine Transmissionsprozesse ein. Der<br />

Grenzwert dient lediglich als eine Art Skalierungsfaktor in der Annahme, dass die<br />

Grenzwerte in Abhängigkeit der Schädlichkeit der <strong>St</strong>offe festgelegt wurden: je geringer<br />

die zulässige Konzentration, desto höher sollte das Gewicht in der Summierung der<br />

Luftemissionen ausfallen.<br />

Diese Idee wurde später von verschiedenen <strong>St</strong>ellen (u.a. US EPA 98 , EMPA 99 , ETH 100 )<br />

wieder aufgegriffen und in einer ausgebauten Variante 1984 unter der Bezeichnung<br />

Kritische Volumina publiziert.<br />

3.2.8 Kritische Volumina (EMPA)<br />

Vereinfacht ausgedrückt beantwortet dieser Ansatz die Frage, „Welches Volumen des<br />

Umweltmediums wird durch die <strong>St</strong>offflüsse des zu untersuchenden Systems bis zum<br />

Grenzwert hin belastet“<br />

Zur Beantwortung wurde für Luftbelastungen auf Immissionsgrenzwerte (MIK) der<br />

schweizerischen Luftreinhalteverordnung (LRV) abgestellt, ergänzt durch MIK-Werte<br />

einer Richtlinie des Vereins Deutscher Industrie sowie von MAK-Werten (Maximale<br />

Arbeitsplatzkonzentration) der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt SUVA. Für<br />

die Wasserbelastung wurden hingegen Emissionsgrenzwerte der Gewässerschutzverordnung<br />

herangezogen. So konnten für die entsprechenden Schadstoffe die<br />

korrespondierenden Volumina in m³ ermittelt und über alle Schadstoffe in Luft, resp.<br />

Wasser zusammengezogen werden. Die Autoren hielten dazu fest, dass es sich bei<br />

den resultierenden m³ um eine virtuelle Grösse handelt: in der Realität würden sich die<br />

Modelltheorie der atmosphärischen Schadstoffbelastung durch Kernkraftwerke, Vortrag zitiert in Alt, C.,<br />

Weber, F. (Hrsg.): Reinhaltung der Luft, Karlsruhe, 1973.<br />

97<br />

Basler &Hoffmann: <strong>St</strong>udie Umwelt und Volkswirtschaft. Vergleich der Umweltbelastung von Behältern<br />

aus PVC, Glas, Blech und Karton im Auftrag des Eidg. Amts für Umweltschutz, 1974.<br />

98<br />

Schalit, L.M., Wolfe, K.J.: SAM-IA: ARapid Screening Method for Environmental Assessments for<br />

Fossil Energy Process Effluents. EPA, Washington DC, 1978.<br />

99<br />

Eidg. Bundesamt für Umweltschutz: Ökobilanzen von Packstoffen. Schriftenreihe Umweltschutz, Nr.<br />

24, Bern, 1984.<br />

100<br />

Suter, P., Hofstetter, P.: Die ökologische Rückzahldauer, in: Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 49,<br />

1989, S. 1342 - 1346.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 49<br />

Schadstoffe ja dasselbe Luft- oder Wasservolumen teilen; Kritische Volumina stellen<br />

hingegen die Summe aller einzeln durch je einen Schadstoff belasteten Kubikmeter dar.<br />

Entsprechend sollten die Resultate lediglich relativ dargestellt werden und nicht in<br />

absoluten m³. Es konnten damit also Aussagen von der Art „Produkt Aweist bezüglich<br />

Luft eine 20% geringere Belastung auf“ oder „Die betriebliche Umweltleistung ist<br />

bezüglich Wasser gegenüber dem Vorjahr um 10% gestiegen“.<br />

Neben diesen virtuellen m³ für Luft und Wasser wurden zusätzlich das benötigte<br />

Deponievolumen sowie der Gesamtenergieverbrauch als Kategorien der<br />

Umweltbelastung berücksichtigt. Das vierdimensionale Resultat nannten die Autoren<br />

Ökoprofil.<br />

Die entsprechenden Publikationen des BUWAL Ökobilanzen für Packstoffe 1984 sowie<br />

die Aktualisierung im Jahre 1990 von Habersatter und Fecker vermochten die<br />

internationale Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen formalisierter<br />

Beurteilungsmethoden massgeblich zu prägen: In einer Vielzahl von <strong>St</strong>udien entfaltete<br />

sich eine Diskussion, inwieweit politische Zielwerte tatsächlich eine taugliche Basis zur<br />

Operationalisierung des Begriffs Umweltbelastung darstellen können. Anlass zur Kritik<br />

bot insbesondere das Abstellen auf diverse, von jeweils sehr unterschiedlichen<br />

Schutzniveaus ausgehenden Quellen (LRV, VDI, SUVA), eine Mischung von MIK und<br />

MAK-Werten sowie die fehlende Berücksichtigung von aktuellen Belastungssituationen<br />

oder Transmissionsprozessen. Fragwürdig erschien auch die Tatsache, dass für eine<br />

Vielzahl toxischer <strong>St</strong>offe gar keine Grenzwerte verfügbar waren und diese somit auch<br />

nicht beurteilt werden konnten. 101<br />

Der berechtigten Kritik zum Trotz erwies sich die Methodik aufgrund ihrer Nachvollziehbarkeit<br />

und Transparenz als attraktiv: „Alle eingesetzten Bewertungsgrössen sind<br />

belegt und ihre Anwendung überprüfbar. Nur deshalb konnte auch ohne Probleme auf<br />

die Schwachstellen aufmerksam gemacht werden.“ 102 Wohl gerade deshalb avancierten<br />

die Gewichtungsfaktoren dieser <strong>St</strong>udie zur ersten <strong>St</strong>andard-Methoden, dass heisst, die<br />

Methodik wurde von anderen Forschenden sowie von Unternehmen zur Beurteilung von<br />

<strong>St</strong>offbilanzen übernommen. „Die grösste Anwendung aller Bewertungsmethoden findet<br />

derzeit das vom BUWAL 1990 vorgelegte Modell (...).“ 103 InDeutschland sprach man<br />

gemeinhin von der Schweizer Methode.<br />

101<br />

Zur Kritik an der Methodik siehe u.a. Giegrich, J., et.al.: Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen,<br />

Evaluation von Bewertungsmethoden, in: Umweltbundesamt: Methodik der produktbezogenen<br />

Ökobilanzen, Texte 23/95, 1995, S. 1-137, S. 18Ff oder in derselben Publikation: Klöpffer, W.,<br />

Renner, I.: Methodik der Wirkungsbilanz im Rahmen von Produkt-Ökobilanzen unter Berücksichtigung<br />

nicht oder nur schwer quantifizierbarer Umwelt-Kategorien, S. 34 oder unter Hinweis auf diverse<br />

Publikationen: Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 126.<br />

102<br />

Giegrich, 1995, S. 26.<br />

103<br />

Umweltbundesamt: Ökobilanzen für Produkte, Bedeutung –Sachstand –Perspektiven, Texte 38/92,<br />

Berlin, 1992, S. 55.


50 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Bedeutung der beiden BUWAL Publikationen geht jedoch über das Verfahren der<br />

Kritischen Volumina hinaus: Dank den vorausgegangenen Arbeiten von Thalmann und<br />

Fink standen für diverse Verpackungsmaterialien 104 erstmals generische, auf <strong>St</strong>offflussanalysen<br />

basierende, umfassende <strong>St</strong>andarddaten zur Verfügung. Diese auf<br />

europäischen Durchschnittswerten der entsprechenden Industrien basierenden Daten<br />

ermöglichten eine erheblich kostengünstigere Erstellung von Ökobilanzen, da bis dahin<br />

die Daten jeweils in situ oder aus verschiedensten Sekundärquellen gewonnen werden<br />

mussten. Solche Datenbanken werden heute auch background data oder Ökoinventare<br />

genannt.<br />

Thalmann und Humbel bezeichneten diese Ökoinventare damals als Ökobilanzen und<br />

gaben damit der Wissenschaft zur systematischen Erfassung und Beurteilung von<br />

<strong>St</strong>off- und Energieflüssen ihren Namen. Die diversen Vorläufer-Konzepte und<br />

Pionierarbeiten wurden nach 1984 unter diesem Begriff zusammengefasst und in den<br />

Jahren danach methodisch systematisiert, standardisiert und erheblich erweitert.<br />

Bevor wir uns mit dieser Phase der Ausdifferenzierung und Operationalisierung im<br />

Detail befassen, sollen die Meilensteine der Zeit vor 1984 nochmals zusammenfassend<br />

gewürdigt und in den Zusammenhang mit dem damaligen Zeitgeist gestellt werden:<br />

3.3 Fazit: Ökobilanzen entspringen dem Zeitgeist der 70er<br />

Der Beginn der 70er Jahre liess mit seiner erstmaligen und breiten gesellschaftlichen<br />

Mobilisierung für globale Umweltprobleme und die Knappheit der Ressourcen das<br />

Bedürfnis nach umfassenden Informations- und Beurteilungsinstrumenten entstehen.<br />

Unter diversen Begriffen wie Umweltbilanz 105 , Resource and Environmental Profile,<br />

Ökoprofil, Ökologischer Nutzwert oder Ökologische Buchhaltung publizierten<br />

Forschende und insbesondere auch Beratungsunternehmen ihre <strong>St</strong>udien, bis diese<br />

Wortschöpfungen Mitte der 80er Jahre durch den Begriff Ökobilanzierung abgelöst<br />

wurden und sich eine einheitliche Sprachregelung zu entwickeln begann. Unsere<br />

Betrachtung der Vorläufer und Pioniere hat offenbart, dass die konstituierenden<br />

Elemente, resp. Grundoperationen der Ökobilanzierung bereits vor 1975 verfügbar<br />

waren:<br />

104<br />

Thalmann, W.R.: Herstellung der Kunststoffe LD-PE, HD-PE, PVC und HI-PS, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1978;<br />

Thalmann, W.R.: Herstellung von Papieren und Karton, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1979; Thalmann, W.R.::<br />

Herstellung von Aluminium, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1979/80; Thalmann, W.R.: Ökologische Bilanz-<br />

Betrachtungen, EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1983, Fink, P.: Ecological Profile of Packages, in: Bridgewater, A., et<br />

al. :Energy in Packaging and Waste, Berkshire, 1983, S. 9-26; Bundesamt für Umweltschutz (BUS):<br />

Ökobilanzen von Packstoffen, Schriftenreihe Umwelt Nr. 24, 1984; Fecker, I.: Was ist eine Ökobilanz,<br />

EMPA, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1990; Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL): Ökobilanzen von<br />

Packstoffen, <strong>St</strong>and 1990, Schriftenreihe Umwelt Nr. 132.<br />

105<br />

Siehe stellvertretend Braun, 1974, S. 52.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 51<br />

1. Eine ganzheitliche Erfassung des Untersuchungsgegenstands mit der Vorstellung<br />

des ökologischen Produktlebenszyklus, resp. der um vor- und nachgelagerte <strong>St</strong>ufen<br />

erweiterten Unternehmung.<br />

2. Die verschiedenen Techniken zur Datengewinnung: <strong>St</strong>offflussanalyse, ökonomische<br />

Input-Output-Analyse sowie -die Kombination beider Ansätze -hybride Input-Output-<br />

Analyse.<br />

3. Die Darstellung der Daten mittels <strong>St</strong>offflussdiagrammen/Prozessbäumen, Input-<br />

Output-Bilanzen sowie deren Kombination<br />

4. Die Beurteilung der <strong>St</strong>offflüsse anhand naturwissenschaftlich, ökonomisch oder<br />

politisch fundierter Prinzipien, resp. Modelle oder aber anhand subjektiver<br />

Entscheidungsmethoden (ABC-Analyse, Nutzwertanalyse).<br />

Abbildung 3.8: 1975 bereits verfügbare Elemente der Ökobilanzierung 106<br />

Während die amerikanischen Forschenden sich insbesondere mit umfassenden<br />

Material- und <strong>St</strong>offflussanalysen zu profilieren vermochten, so bestand der Beitrag zur<br />

Entwicklung der Ökobilanzierung seitens europäischer Institutionen vor allem in den<br />

Vorschlägen zu einer formalisierten Beurteilung, wobei Schweizer Forschende mit der<br />

Ökologischen Knappheit und den Kritischen Volumina gleich zwei innovative<br />

Vorschläge einbrachten, die die weitere Entwicklung von Beurteilungsmethoden<br />

weltweit geprägt haben.<br />

106<br />

Eigene Darstellung.


52 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Aus heutiger Sicht erscheinen die Konzepte in Bezug auf die Frage der Umweltbelastung<br />

stark durch die aufkommende These einer baldigen Ressourcenverknappung<br />

geprägt, während die Outputs als Luftbelastung, Abwasser und Abfall allein anhand von<br />

wenigen Emissionen begrifflich eingeschlossen wurden. Diese Vorstellung von Umweltbelastung<br />

sollte sich -wie wir im nächsten Abschnitt nachweisen werden –in den 90er<br />

Jahren grundsätzlich verändern.<br />

Das stoffliche Auflösungsvermögen der Methoden war - aufgrund der sehr<br />

beschränkten Datenverfügbarkeit -noch überschaubar: so umfasste beispielsweise die<br />

von Müller-Wenk postulierte Ökologische Buchhaltung Aequivalenzkoeffizienten für 12<br />

Ressourcen sowie 9 Emissionen; davon 6 Luftemissionen.<br />

Spätere Ansätze gingen dazu über, Umweltbelastung vorwiegend über Emissionen zu<br />

definieren und den Einbezug von Ressourcenknappheiten mit der Zeit einzig auf<br />

Energie zu reduzieren. Die Anzahl der berücksichtigten Emissionen stieg hingegen<br />

stetig an und umfasste bei den Kritischen Volumina bereits 17 Luftemissionen und 18<br />

Wasseremissionen.<br />

Die Entwicklung der ersten Ökobilanzen ist in einer Periode anzusiedeln, in der die<br />

Angst vor dem ökologischen Kollaps breite gesellschaftliche Kreise und damit auch die<br />

intellektuelle Avantgarde gerade zu erfassen begann: Unter dem Eindruck stark<br />

belasteter Luft und Gewässer, massiv gestiegener Energiekosten sowie sich rasch<br />

verknappender Entsorgungskapazitäten wandelte sich der bislang dominierende,<br />

konservativ ausgeprägte Heimat- und Naturschutz zu einem ganzheitlichen und durch<br />

Ökologie als Leitwissenschaft geprägten Umweltschutz-Gedanken.<br />

Einzelne, bisher isoliert thematisierte negative Entwicklungen (Gewässerbelastung,<br />

Ausräumung der Landschaft, Verstädterung, etc.) wurden zu Beginn der 70er Jahre neu<br />

unter dem allumfassenden Umwelt-Begriff subsumiert. Eisen verortet „die Erfindung der<br />

Umwelt“ um 1970 und attestiert dieser Zeit einen spektakulären und grundsätzlichen<br />

Wandel, indem der Begriff die Medien und damit die Gesellschaft innert kürzester Zeit<br />

erfasste und sehr rasch etabliert wurde: „Als (...) 1972 der berühmte Bericht „Grenzen<br />

des Wachstums“ des Club of Rome erschien, war Umwelt im öffentlichen, politischen<br />

und wissenschaftlichen Diskurs der Schweiz bereits fest verankert, fast alle<br />

Umweltprobleme der folgenden 20 Jahre eingeführt, viele der neuen umweltpolitischen<br />

Gruppierungen gegründet (...)“ und es gab „eine Schweizerische Gesellschaft für<br />

Umweltschutz, einen Umweltschutzartikel, ein Amt für Umweltschutz, eine<br />

Arbeitsgemeinschaft für Umweltforschung (..)“ 107 -obwohl sich der Umwelt-Begriff auch<br />

in der Forschung erst um 1970 als problemstrukturierendes Konzept durchsetzte. „Eine<br />

Auswertung des Bibliotheksverbunds NEBIS zeigt, dass zwischen 1962 und 1970 nur<br />

insgesamt 4wissenschaftliche Publikationen den Begriff „Umweltschutz“ im Titel tragen.<br />

Im Jahre 1971 allein sind es deren 13.“ 108<br />

107<br />

Eisen, 2003, S. 68.<br />

108<br />

Eisen, 2003, S. 67.


Kapitel 3: Phase der Vorläufer und Pioniere 53<br />

Abbildung 3.9: Gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen<br />

Die gesellschaftliche Mobilisierung für Umweltfragen prägte auch die Entwicklung der Ökobilanzierung.<br />

Die Darstellung zeigt vier Indikatoren gesellschaftlicher Mobilisierung 109<br />

Damit einher ging –und dies ist für die Entstehung und weitere Entwicklung der Ökobilanzierung<br />

bedeutsam –ein Bedarf für eine neue Wissenschaft -die „Überlebenswissenschaft“.<br />

Dieser Bedarf führte zu einer „Verwissenschaftlichung“ der Diskussion<br />

und verlieh komplexen, kybernetischen Modellen und Szenarien politische Durchschlagskraft.<br />

110<br />

Die Ökobilanzierung mit ihrem Anspruch einer rationalen Ermittlung von Umweltbelastung<br />

fügte sich nahtlos in diese Entwicklung ein –das Bedürfnis, Umweltprobleme<br />

in Zahlen zu fassen, war gegeben: Eisen weiss gar zu berichten, dass in der Schweiz<br />

eine Pflicht zur Erstellung von „Umweltbilanzen“ durch Unternehmen bereits 1973 im<br />

(später verworfenen) Entwurf des ersten Umweltschutzgesetzes enthalten war. 111<br />

Dieser Bedarf relativierte sich angesichts der ab 1974 eintretenden Rezession und der<br />

damit einhergehenden Angst um Arbeitsplätze zumindest vorübergehend. Die<br />

weitgehenden Entwürfe für eine umweltgerechte Wirtschaft wurden zugunsten einer<br />

109<br />

Darstellung aus Eisen, 2003, S. 54.<br />

110<br />

Siehe Wanzek, J.: Komplexe Natur – Komplexe Welt: Zum Aufkommen des modernen Umweltbewusstseins<br />

in der Schweiz in den Jahren 1972 -1986, Lizentiatsarbeit Universität Zürich, 1996,<br />

S.115ff.<br />

111<br />

Eisen, 2003, S. 72.


54 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Wachstumspolitik zurückgestellt und damit blieb auch eine breite Anwendung von<br />

Ökobilanzansätzen aus. Vielmehr beschränkte sich die weitere Entwicklung vorwiegend<br />

auf die Bilanzierung von Packstoffen: Verpackungen und mithin<br />

Energiebereitstellungsprozesse zur Herstellung der entsprechenden Materialien<br />

(Aluminium, Glas, Papier, etc.) standen weiterhin -zumindest in Europa -im Zentrum<br />

umweltpolitischer Diskussionen und legislativer Aktivitäten. Die Verpackungsindustrie<br />

wurde als Verursacher der zunehmenden Abfallmengen besonders stark<br />

wahrgenommen und als Symbol der Wegwerfgesellschaft stigmatisiert. Offenbar fielen<br />

die Konzepte zur rationalen, eben vernunftbasierten Erfassung von Umweltbelastung<br />

hier auf fruchtbaren Boden: Noch 1991 stellen Rubik und Baumgartner in ihrer<br />

Literaturrecherche 112 fest, dass mehr als 40% der damals öffentlich zugänglichen<br />

Ökobilanz-<strong>St</strong>udien auf Verpackungen entfielen.<br />

Die Verwissenschaftlichung des Umweltthemas setzte sich dennoch fort und ein<br />

kontinuierlicher Fluss an <strong>St</strong>udien und Expertisen der Umweltforschung bereitete das<br />

Feld für eine erneute Intensivierung der Ökobilanzierung gegen Ende der 80er Jahre,<br />

als eine zweite Welle intensiver gesellschaftlicher Resonanz das Umweltthema ganz<br />

oben auf die Prioritätenliste der Politik beförderte.<br />

112<br />

Rubik, F., Baumgartner, Th.: Evaluation of Eco-Balances, Report to the Institute for Environmental<br />

Policy, Bonn, 1991.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 55<br />

4 Phase der Differenzierung und Operationalisierung<br />

Insbesondere in den nordischen Ländern (Schweden, Norwegen, Dänemark und<br />

Holland), in Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz griffen zahlreiche<br />

Forschungsinstitute und Beratungs-, resp. Ingenieurunternehmen sowie später auch die<br />

einschlägigen Branchenverbände Ansätze der Ökobilanzierung auf und trugen ihre<br />

Resultate in politische und öffentliche Arenen. „Ab 1990 kann man geradezu von einem<br />

Boom sprechen, der sowohl die Industrie, Umweltbehörden, umweltpolitisch aktive<br />

Kreise und schliesslich sogar die breitere Öffentlichkeit erfasste.“ 113<br />

Abbildung 4.1: Schwerpunkte publizierter Ökobilanz-<strong>St</strong>udien in Europa um 1991 114<br />

Neben Verpackungen wurden nun zunehmend andere Produkte mittels Ökobilanzen<br />

untersucht. Neue Schwerpunkte bildeten Chemikalien (insbesondere Wasch-, resp.<br />

Reinigungsmittel) und Baustoffe einerseits; Windeln und (Einweg-)Geschirr als<br />

gesellschaftlich prominente und entsprechend umstrittene Abfallverursacher anderseits.<br />

Hinzu kommt eine unbekannte Zahl an <strong>St</strong>udien, die für firmeninterne Fragestellungen<br />

erarbeitet und nicht publiziert wurden. 115<br />

Die Literaturrecherche von Rubik/Baumgartner zeigte nicht nur auf, in welchen<br />

Bereichen Ökobilanz-Untersuchungen durchgeführt wurden. Sie machte auch deutlich,<br />

dass neben der zunehmend breiteren Anwendung erhebliche Forschungsanstrengungen<br />

unternommen wurden: von den untersuchten 280 Literaturquellen<br />

befassten sich mehr als die Hälfte - 168 Publikationen - mit methodischen Fragestellungen<br />

und Vorschlägen. Das Projekt Ökobilanz entwickelte sich zunehmend zu<br />

einer eigenständigen Wissenschaft. Während den 90er Jahren erfuhr die Methodik eine<br />

massive Detaillierung. Damit einher ging eine rasche Ausweitung von Erfahrungswissen<br />

113<br />

Klöpffer/Renner, 1995, S. 5.<br />

114<br />

Eigene Darstellung anhand der Daten aus Umweltbundesamt: Ökobilanzen für Produkte, Bedeutung –<br />

Sachstand – Perspektiven. UBA Texte, 38/92, 1992, S. 21.<br />

115<br />

Klöpffer/Renner, 1995, S. 3.


56 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

im Umgang mit konkreten Anwendungen und es entstanden diverse Hilfsmittel zur<br />

rationellen Bearbeitung. Wir bezeichnen diese Entwicklung und ihre Resultate deshalb<br />

als Phase der Differenzierung und Operationalisierung.<br />

4.1 Popularität und Kritik als Treiber der Entwicklung<br />

Zentraler Treiber dieser Phase war der Umstand, dass Ökobilanzen immer mehr zum<br />

Spielball der Interessen wurden. Unternehmen, Branchenverbände, Umweltorganisationen<br />

und staatliche <strong>St</strong>ellen erkannten in dieser Methodik ein effektives Mittel,<br />

um politische Forderungen mit wissenschaftlichen Daten zu unterlegen. Gutachten,<br />

resp. Gegengutachten wurden zu einem Markt für Forschungsinstitute und Beratungsfirmen.<br />

Umweltbehörden in den Pionier-<strong>St</strong>aaten versuchten „Bedeutung – Sachstand –<br />

Perspektiven“ 116 der Ökobilanzierung zusammenzufassen und den Diskurs zwischen<br />

den Interessengruppen zu moderieren. Durch die Vergabe diverser <strong>St</strong>udien förderten<br />

sie zudem die Erarbeitung standardisierter Datengrundlagen und trugen zur Weiterentwicklung<br />

der Methodik bei. Den Hintergrund dazu bildete eine mit der zweiten Welle<br />

gesellschaftlicher Mobilisierung für Umweltfragen einhergehende Neuorientierung der<br />

Politik: Ende der 80er Jahre wurde die - bis dahin fast ausschliesslich auf die<br />

Verringerung der Umweltbelastung von Industrieanlagen, Kraftwerken und der Abfallentsorgung<br />

fokussierte – Umweltpolitik zunehmend durch die Forderung nach einer<br />

umweltorientierten und ganzheitlichen Produktpolitik ergänzt. Diese Neuorientierung<br />

verlangte nach umfassenden, lebenszyklusorientierten Beurteilungsmethoden. 117<br />

Demnach wurden Ökobilanzen beispielsweise vom deutschen Umweltbundesamt 1992<br />

als „Informations-, Planungs-, und Kontrollinstrumente“ 118 der Politik bezeichnet.<br />

Die Ökobilanzierung erwies sich in diesem Umfeld als überlegene Betrachtungsweise<br />

gegenüber den meist dogmatischen Leitsätzen einer Digital-Ökologie, welche auf der<br />

Basis von Einzelaspekten formuliert wurde: Mehrweg statt Einweg, Umweltfreundlich,<br />

weil Recycling, Jute statt Plastik, etc.. Diese hielten den neuen und differenzierten<br />

Erkenntnissen von Ökobilanzen oftmals nicht stand. Ökobilanzen wurden damit<br />

prominent und konnten medienwirksam inszeniert werden.<br />

Anderseits zeigte sich rasch, dass in der konkreten Ausgestaltung von Ökobilanzen<br />

erhebliche Spielräume bestanden, welche das Resultat letztlich determinierten. Es<br />

wurde in mehreren vergleichenden Analysen festgestellt, dass in verschiedenen<br />

Anwendungsbereichen Ökobilanzen zu diametral entgegengesetzten Resultaten<br />

führten, obwohl die jeweiligen <strong>St</strong>udien „innerhalb der jeweils eingesetzten Logik (...)<br />

“recht“(...) haben“. 119 Bekannte Beispiele waren Untersuchungen zur Frage, ob<br />

116<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 6.<br />

117<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 6.<br />

118<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 16.<br />

119<br />

<strong>St</strong>ölting, P., Rubik, F.: Übersicht über ökologische Produktbilanzen, <strong>St</strong>udie für den Bundesverband


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 57<br />

Wegwerfwindeln ökologisch bedenklicher sind als <strong>St</strong>offwindeln, oder ob Verbundverpackungen<br />

den Mehrweg-Milchflaschen aus Glas unterlegen sind. In beiden Fällen<br />

engagierten sich nebst den betroffenen, multinationalen, Unternehmen<br />

(Procter&Gamble, resp. Tetrapak), insbesondere Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen<br />

sowie lokale und nationale Umweltbehörden. Die<br />

Auseinandersetzungen wurden zudem parallel in verschiedenen europäischen Ländern<br />

geführt. Angesichts drohender Verbote für bestimmte Produkte wurden diese Debatten<br />

unter Einsatz erheblicher Mittel geführt und erhöhten die Komplexität der Ökobilanzbetrachtungen<br />

enorm, da jede Partei kreativ und gezielt nach neuen Aspekten forschte,<br />

welche versprachen, das Resultat zu ihren Gunsten zu verändern.<br />

Abbildung 4.2: WWF begründet politische Forderung mit Ökobilanz<br />

Der WWF Schweiz fordert im Rahmen der Revision der Getränkeverpackungsverordnung gesetzliche<br />

Vorgaben zur Recyclingquote von PET-Flaschen. Er nimmt dabei Bezug auf eine selbst erstellte<br />

Verpackungsökobilanz. 120<br />

Vereinzelt ging es dabei um die Existenz ganzer Marktsegmente, wie ein Beispiel aus<br />

der Schweiz deutlich macht: Die Regierung erwägte Ende der 80erJahre ein generelles<br />

Verbot von Aluminiumdosen, welche insbesondere in den ersten Verpackungsökobilanzen<br />

der EMPA als sehr umweltbelastend taxiert wurden. Es gelang der<br />

Aluminiumindustrie jedoch erfolgreich, die entscheidende Annahme -dass der hohe<br />

Energiebedarf bei der Herstellung durch fossile Energieträger gedeckt und deshalb<br />

hohe Emissionen auftreten würden - durch den Nachweis zu entkräften, dass ihre<br />

Umweltberatung, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung IÖW, Heidelberg, März 1992, S. 3.<br />

120<br />

WWF Schweiz, Konsum und Umwelt, ca. 1997 (genaue Nr. unbekannt).


58 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Verarbeitung auf <strong>St</strong>rom aus Wasserkraft basiere und sich Aluminium zudem infolge des<br />

Recyclings mehrfach nutzen liesse. Dies veranlasste die EMPA zur Revision ihrer<br />

Ökobilanzen und trug dazu bei, dass der Gesetzgeber ein drohendes Verbot in<br />

Verbindung mit Vorgaben zur Recyclingquote zurückstellte.<br />

Mit dem Vorliegen sich widersprechender Resultate wurde das Instrument selbst<br />

umstritten. Die Arbeitsgruppe Ökobilanzen des deutschen Umweltbundesamtes hält<br />

dazu 1992 fest: „Breit anerkannte Resultate von Ökobilanzen liegen bisher noch nicht<br />

vor, weil der jeweils gewählte methodische Ansatz zu sehr von den Vorstellungen der<br />

jeweiligen Autoren geprägt ist. Die Fachdiskussion über die vorliegenden Arbeiten ist<br />

daher vor allem durch <strong>St</strong>ellungnahmen geprägt, in denen Fehler bzw. Lücken<br />

festgestellt oder erhebliche Diskrepanzen zwischen den methodischen Ansprüchen und<br />

der empirischen Umsetzung nachgewiesen werden. (...) Insbesondere bei der<br />

Datenauswahl sind „Gründerzeitmentalitäten“ vorherrschend.“ 121<br />

Es entsprach einer weit verbreiteten Praxis, Daten aus anderen Veröffentlichungen zu<br />

übernehmen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass diese in ganz anderen räumlichen<br />

oder technologischen Kontexten und/oder für ganz anders lautende Fragestellungen<br />

erhoben wurden. Kritisiert wurde zudem, dass viele <strong>St</strong>udien infolge mangelnder<br />

Transparenz in Sachen Vorgehen und Datenquellen nicht nachvollziehbar waren. Damit<br />

gerieten Ökobilanzen in Verruf, Artefakte oder aber spezifischen Interessen dienliche<br />

Resultate zu generieren. In Anlehnung an ein bekanntes Bonmot aus der <strong>St</strong>atistik ging<br />

der Spruch um „Traue keiner Ökobilanz, die Du nicht selbst gefälscht hast“.<br />

In dieser Situation fanden Vorschläge zur Harmonisierung und <strong>St</strong>andardisierung der<br />

Methodik Beachtung. Wenngleich der Prozess der Normierung –den wir als separate<br />

dritte Phase unter dem Gesichtspunkt der Institutionalisierung in Abschnitt 5genauer<br />

betrachten werden -über die ganzen 90er Jahre hinweg verlief und heute noch in vielen<br />

Detailfragen grosse Spielräume, resp. nicht-standardisierte Detailfragen bestehen lässt,<br />

so kristallisierte sich dennoch schon zu Beginn des Jahrzehnts ein grober Raster<br />

heraus, der fortan zur <strong>St</strong>rukturierung der vielfältigen Arbeitsschritte dienen sollte.<br />

Wenngleich wir festgestellt haben, dass Ökobilanzen seit den 70er Jahren erstellt<br />

werden und der Begriff Ökobilanz seit Mitte der 80er Jahre verfügbar ist, so kann man<br />

dennoch argumentieren, dass erst die allgemeine Anerkennung dieses Rasters die<br />

Wissenschaft Ökobilanzierung begründet hat. Er ist denn auch mehr als nur<br />

Arbeitsanweisung, sondern bis heute Programm und Rahmen der Ökobilanzforschung.<br />

121<br />

Umweltbundesamt, 1992, S.16.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 59<br />

4.2 Vier Elemente als Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung<br />

Der Rahmen zur <strong>St</strong>rukturierung der Ökobilanz-Methodik geht auf Vorschläge einer<br />

Arbeitsgruppe der SETAC 122 von 1991 zur Schaffung eines Code of Practice 123 zurück,<br />

der 1993 publiziert wurde. Er besteht aus vier Elementen die wir nachfolgend anhand<br />

exemplarischer Fragestellungen charakterisieren, bevor wir uns im Detail mit<br />

denjenigen Operationen vertieft auseinandersetzen, welche die Resultate von<br />

Ökobilanzen besonders stark beeinflussen und auch im Zentrum der Kritik resp. der<br />

Methodenentwicklung seit 1990 stehen. 124 Wir bezeichnen diese entsprechend als<br />

kritische 125 Operationen 126 .<br />

Goal and Scope<br />

Definition<br />

Inventory Analysis<br />

Interpretation<br />

Anwendungen:<br />

•Produktentwicklung<br />

•Umweltkennzeichnung<br />

•Politikberatung<br />

•Umweltmanagement<br />

•Etc.<br />

Impact<br />

Assessment<br />

Abbildung 4.3: Elemente der Ökobilanzierung gemäss SETAC 1993 127<br />

4.2.1 Zieldefinition & Untersuchungsrahmen (Goal & Scope Definition)<br />

Der erste Schritt einer Ökobilanzierung besteht in der klaren Formulierung der zu<br />

beantwortenden Fragestellung und des Verwendungszwecks der Resultate. Er<br />

bestimmt die Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Untersuchung und<br />

122<br />

SETAC Europe Workshop on Environmental Life Cycle Analysis of Products, 2./3. Dezember 1991 in<br />

Leiden, Niederlanden.<br />

123<br />

Consoli, F. et.al: Guidelines for Life Cycle Assessment: ACode of Practice, 1.Edition, SETAC, Brüssel,<br />

1993.<br />

124<br />

Siehe Wenzel, H.: Application Dependency of LCA Methodology: key variables and their mode of<br />

influencing the method, in: Int. Journal of LCA, Nr. 3, 1998, S. 281 – 288.<br />

125<br />

Kritisch =entscheidend, gewissenhaft prüfend, aus Vahrig, Kritik =wissenschaftliche Beurteilung, aber<br />

auch Äusserung des Missfallens, aus Wahrig, 1994, S. 967.<br />

126<br />

Operation = Arbeitsvorgang, Rechenschritt, aus Wahrig, 1994, S. 1168.<br />

127<br />

Eigene Darstellung in Anlehnung an ISO 14040.


60 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

damit über zentrale Aspekte wie Umfang, Detaillierungsgrad, Datenqualität,<br />

Darstellungsform der Ergebnisse, etc.. Im Falle einer Veröffentlichung der Ergebnisse<br />

ist eine klare Zielformulierung auch eine Voraussetzung zur Nachvollziehbarkeit und<br />

kritischen Prüfung durch Dritte.<br />

Die Tragweite einer klaren Zielformulierung soll anhand einiger beispielhafter Gedanken<br />

kurz illustriert werden:<br />

Zielt eine Untersuchung darauf ab, zwei Produkte miteinander zu vergleichen, so ist es<br />

nicht zwingend erforderlich alle <strong>St</strong>off- und Energieflüsse beider Alternativen zu erheben.<br />

Es kann auch eine Konzentration auf die Unterschiede der Varianten ausreichend sein.<br />

Zielt man hingegen darauf ab die Umweltbelastung dieser beiden Produkte<br />

grundsätzlich zu verstehen, so ist eine umfassende Erhebung zwingend.<br />

Andere Anforderungen ergeben sich, wenn die Untersuchung bezweckt, die<br />

Entwicklung eines neuen Produktes zu unterstützen: die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />

werden dann erst in Zukunft und ggf. unter Umweltbedingungen anfallen, die sich von<br />

der heutigen Situation massgeblich unterscheiden. Diesem Umstand ist in der<br />

Beurteilung angemessen Rechnung zu tragen, da ansonsten falsche Schlussfolgerungen<br />

gezogen werden könnten.<br />

Wiederum andere Anforderungen ergeben sich, wenn die Akzeptanz der Resultate<br />

entscheidend ist, beispielsweise bei der Entwicklung von Kriterien zur Vergabe von<br />

Umweltkennzeichen oder bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen. In solchen<br />

Fällen ist ein angemessener Einbezug der Betroffenen, resp. der relevanten<br />

Interessengruppen meist zwingend erforderlich.<br />

Entsprechend unterscheidet man in der Literatur zwischen beschreibenden und<br />

veränderungsorientierten <strong>St</strong>udien, je nachdem ob das Resultat in einer reinen<br />

Information bestehen soll oder ob vielmehr der Prozess der Ökobilanzierung das<br />

Resultat darstellt. 128<br />

Fragen zur Zieldefinition:<br />

– Welche Fragestellung soll beantwortet werden<br />

– Welchem Zweck dient die Untersuchung<br />

– Welche Tragweite haben die Resultate<br />

– Für welche Zielgruppe(n) sind die Resultate bestimmt, resp. wer ist davon<br />

betroffen<br />

128<br />

Guinée, J. et.al.: Handbook on Life Cycle Assessment -Operational Guide to the ISO <strong>St</strong>andards,<br />

Dordrecht, 2002, S. 463.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 61<br />

Die Definition des Untersuchungsrahmens operationalisiert die Zielsetzung der<br />

Ökobilanz, definiert Anforderungen und klärt prozedurale Fragen zu deren Erfüllung.<br />

Fragen zum Untersuchungsrahmen:<br />

– Was ist das Objekt der Untersuchung<br />

– Welche Bezugsgrösse beschreibt dieses Objekt angemessen<br />

– Wo sind die (System-)Grenzen der Betrachtung zu ziehen<br />

– Welche Anforderungen ergeben sich aus der Zielsetzung an die<br />

Datenbeschaffung, - verarbeitung und -kommunikation<br />

– Welche Annahmen sind zur Beschreibung, Datenverarbeitung, etc. zu treffen<br />

– Wie soll die Qualität der Untersuchung, der Daten und der Resultate<br />

gesichert werden<br />

Die Kritik an den Resultaten von Ökobilanzen zielt in der Praxis oftmals auf die in<br />

diesem Schritt getroffenen Annahmen und Definitionen. Denn der Untersuchungsrahmen<br />

ist für das Resultat einer Ökobilanz von überragender Bedeutung.<br />

Insbesondere das Festlegen der Bezugsgrösse der Untersuchung –auch Funktionale<br />

Equivalenz oder Funktionelle Einheit genannt – wird zu Beginn der 90er Jahre als<br />

kritische Operation erkannt. Ebenfalls kritisch ist die Abgrenzung des zu<br />

untersuchenden Systems.<br />

4.2.2 Sachbilanzierung (Inventory Analysis)<br />

Die Sachbilanzierung umfasst alle Operationen, welche mit der Beschreibung, Beschaffung,<br />

Modellierung und Berechnung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse zu tun haben.<br />

Das numerische Resultat dieser Phase stellt die Sachbilanz dar – auch Inventar<br />

(inventory) genannt. Sie entspricht der <strong>St</strong>off- und Energiebilanz, wie wir sie schon bei<br />

den Pionieren und Vorläufern kennengelernt haben. Allerdings enthält das Endresultat<br />

der Sachbilanzierung ausschliesslich Inputs aus der Natur und Outputs an die Natur.<br />

Materialien und Güter sind vorgängig in Rohstoffentnahmen und Emissionen<br />

umzurechnen. Beispielsweise ist der <strong>St</strong>romverbrauch eines Prozesses mittels eines<br />

Inventars für die <strong>St</strong>rombereitstellung in den Bedarf an Primärenergieträgern und die<br />

anfallenden Emissionen umzurechnen. Damit ist der Sachbilanzierungsschritt meistens<br />

mehrstufig und in mehreren Schritten sind Güter-, Material- und Prozessbilanzen in die<br />

für die nachfolgende Beurteilung ausschlaggebende from nature to nature Sachbilanz<br />

zu transformieren.


62 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Fragen zur Sachbilanzierung:<br />

– Welche Prozesse/Güter/Subjekte sind innerhalb der gewählten Systemgrenzen<br />

zu verorten<br />

– Welche <strong>St</strong>off- und Energieflüsse sollen wie den Prozessen zugeordnet werden<br />

– Welche Daten – Messergebnisse, Schätzungen, Erfahrungswerte – können<br />

woher verfügbar gemacht werden<br />

– Wie sollen diese Daten kompatibel modelliert und berechnet werden<br />

– Welche Qualität haben die gesammelten Daten<br />

– Wie ist mit Datenlücken umzugehen<br />

Ein grafisches Resultat der Sachbilanzierung ist die Visualisierung des zu untersuchenden<br />

Systems in Form eines Prozessbaums, resp. Flussdiagrams. Sie ist<br />

notwendig, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten und stellt die getroffene<br />

Systemabgrenzung transparent dar.<br />

Es liegt auf der Hand, dass die Datenverfügbarkeit und die Qualität der verwendeten<br />

Daten einen erheblichen Einfluss auf das Resultat der Ökobilanzierung haben. Die<br />

Beschreibung der <strong>St</strong>offflüsse anhand von Indikatoren und die Modellierung der<br />

Prozesse sowie die Umrechnung der Indikatoren auf die gewählte Bezugsgrösse<br />

(Funktionelle Einheit) wirft einige –nur mittels Annahmen in den Griff zu bekommende<br />

– Probleme auf. Reale Prozesse sind häufig multifunktional (dienen mehreren<br />

Produkten), nicht-linear (verändern ihre Eigenschaften in Abhängigkeit der Auslastung)<br />

und weisen Rekursionen auf (beispielsweise Recycling-Schlaufen). Die Abbildung der<br />

zu untersuchenden Prozesse in Form von Input-Output-Relationen stellt somit ebenfalls<br />

eine kritische Operation dar.<br />

4.2.3 Wirkungsanalyse und Gewichtung (Impact Assessment)<br />

Das dritte Element zielt auf eine entscheidungsorientierte Verdichtung und Beurteilung<br />

der Sachbilanz-Ergebnisse, wie wir sie bereits bei den Pionierarbeiten der<br />

Ökobilanzierung ausgemacht haben. Während diese jedoch direkt von den Input-, resp.<br />

Output-Indikatoren mittels Gewichtung zu einer Datenverdichtung schritten, entstand in<br />

den 90er Jahren ein Zwischenschritt, den wir unten detailliert betrachten werden und<br />

der die Ökobilanzforschung heute massgeblich prägt: Die Modellierung von Umweltveränderungen<br />

und der damit verbundenen Schäden. Man trennte in der Folge das<br />

Impact Assessment in Teilschritte auf und unterscheidet heute im wesentlichen zwei<br />

kritische Operationen: die Wirkungsanalyse und die Gewichtung (häufig auch<br />

Bewertung genannt):


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 63<br />

4.2.3.1 Wirkungsanalyse<br />

Die Wirkungsanalyse zielt darauf ab, die Input-Output-Daten der Sachbilanz mittels<br />

naturwissenschaftlicher Modelle auf ihre Umwelteinwirkungen hin zu untersuchen.<br />

Dabei werden die einzelnen <strong>St</strong>offe interessierenden Umweltveränderungen, resp.<br />

-problemen zugeordnet und es wird anhand von Wirkungsmodellen der jeweilige<br />

relative Beitrag eines <strong>St</strong>offes zu einem Umweltproblem bestimmt.<br />

Fragen zur Wirkungsanalyse:<br />

– Welche Inputs- oder Outputs tragen zu welchen Umweltveränderungen<br />

wie stark bei<br />

– Welche naturwissenschaftlichen Modelle stehen zur Beschreibung<br />

dieser Wirkungen zur Verfügung<br />

– Wie angemessen beschreiben diese Modelle, resp. die dazu ausgewählten<br />

Indikatoren die aus Sicht der zu beantwortenden Fragestellung relevanten<br />

Umweltveränderungen<br />

4.2.3.2 Gewichtung<br />

Zur Gewichtung kommen unterschiedliche Verfahren der sozialen Bewertung naturwissenschaftlicher<br />

Tatbestände (Umweltveränderungen, resp. Schäden) zum Einsatz,<br />

mit dem Ziel, die naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder ökonomische<br />

Bedeutung der ermittelten Umweltveränderungen zu bestimmen.<br />

Fragen zur Gewichtung:<br />

– Wie kann die relative Bedeutung von <strong>St</strong>offflüssen und Umweltproblemen<br />

bestimmt werden<br />

– Welche Methoden können eine Verbindung zwischen sozialen Werten und<br />

den Resultaten der Sachbilanz herstellen<br />

– Wie angemessen beschreiben diese Methoden, resp. die dazu ausgewählten<br />

Indikatoren die aus Sicht der zu beantwortenden Fragestellung relevanten<br />

sozialen Wertvorstellungen<br />

Die Gewichtung erfolgt auf der Basis subjektiver Laien- oder Expertenmeinungen,<br />

politischer Zielwerte und/oder ökonomischer Bewertungen, wie wir sie bereits bei den<br />

ersten Ökobilanzen der 70er Jahre betrachtet haben. Die zur Gewichtung eingesetzten


64 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Referenzwerte, Prinzipien, resp. Methoden haben in den 90er Jahren erhebliche<br />

Veränderungen erfahren. Die Gewichtung steht als kritische Operation -stellvertretend<br />

für die Suche nach dem Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen -nach wie vor ebenfalls im Zentrum<br />

der Kritik an Ökobilanzen.<br />

4.2.4 Interpretation<br />

Die Interpretation ist eine Zusammenfassung von Operationen zur Beschreibung der<br />

Erkenntnisse sowie zur Sicherung der Qualität der Untersuchung.<br />

Sie beinhaltet alle Arbeitsschritte, welche auf das Verständnis der Resultate und eine<br />

gezielte Erhöhung von Konsistenz und Qualität aller vorgängig durchgeführten Arbeitsschritte<br />

gerichtet sind. Dazu gehört die Analyse, welche Parameter das Resultat<br />

bestimmen sowie Tests im Hinblick auf „completeness and consistency“ der Daten und<br />

Annahmen sowie „soundness and robustness“ der Resultate. 129<br />

Fragen zur Interpretation:<br />

– Was sind die wesentlichen Erkenntnisse<br />

– Welche Prozesse, Flüsse, Umweltveränderung, Schäden, etc. bestimmen<br />

das Resultat<br />

– Welchen Einfluss haben Variationen der Annahmen auf die Resultate<br />

– Wie stark können Datenunsicherheiten das Resultat bestimmen<br />

– Welche Operationen und Daten sind aufgrund der gemachten Erkenntnisse an<br />

eine veränderte Wahrnehmung anzupassen (Iteration der Operationen)<br />

– Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen können formuliert werden<br />

Von besonderer Bedeutung sind hierbei Sensitivitätsanalysen: sie bestehen in der<br />

plausiblen Variation getroffener Annahmen und legen deren Einfluss auf das Resultat<br />

offen. Unsicherheitsanalysen hingegen dienen der Ermittlung der wahrscheinlichen<br />

Bandbreite der Resultate, wenn die Qualität der Daten einbezogen wird. Sie sollen<br />

zeigen, ob überhaupt wissenschaftlich valide Ergebnisse erzielt werden können. Die<br />

Konsistenzprüfung zielt schliesslich darauf ab, die Kompatibilität der Datengrundlagen,<br />

Annahmen und Modelle aus einer Gesamtbetrachtung heraus zu ermitteln. Sie zeigt<br />

allfällige Bruchstellen beim Zusammenfügen verschiedener Daten und Modelle auf.<br />

Grundsätzlich könnten alle Operationen der Interpretation direkt den drei anderen<br />

Schritten der Ökobilanzierung zugeordnet werden. Deshalb ist dieses Element in der<br />

Abbildung des Grundrasters der Ökobilanzierung auch grafisch neben die anderen<br />

129<br />

Guinée, 2002, S.97.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 65<br />

Schritte gestellt worden (siehe Abbildung 4.3). Eine explizite Erwähnung der<br />

Interpretation als zwingende Kategorie von Operationen der Ökobilanzierung wird<br />

jedoch allgemein anerkannt, weil viele <strong>St</strong>udien in der Vergangenheit ihre<br />

Schlussfolgerungen auf letztlich sehr schwachem Fundament und ohne kritische<br />

Reflexion der Annahmen, Vorgehensweisen und der Datenqualität gezogen hatten.<br />

Die in der Abbildung dargestellte Anordnung der Elemente und der sie verbindenden, in<br />

beide Richtungen verlaufenden Pfeile stellt zudem eine ganz zentrale Erkenntnis der<br />

Ökobilanzforschung heraus: Ökobilanzierung ist kein sequentieller, sondern vielmehr<br />

ein iterativ zu durchlaufender Prozess. In jedem Schritt können Erkenntnisse gewonnen<br />

werden, welche ggf. eine Revision vor- oder nachgelagerter Operationen erfordern. Die<br />

Operationen sind erst dann abgeschlossen, wenn man ein konsistentes Gesamtbild<br />

herstellen kann. Dieses Vorgehen macht deutlich, dass Ökobilanzierung als<br />

Lernprozess konzipiert wurde. Dieser Lernprozess ist in jeder konkreten Anwendung<br />

der Methodik zu durchlaufen. Er ist aber gleichzeitig auch ein Abbild des Lernprozesses<br />

des Projekts Ökobilanz selbst, wie wir im folgenden Abschnitt ausführlich nachweisen.<br />

4.3 Kritische Operationen der Ökobilanzierung<br />

Die vorgestellten vier Elemente stellen sowohl den Ausgangspunkt der Ökobilanzforschung<br />

der 90er Jahre als auch den heute noch geltenden Konsens zur<br />

<strong>St</strong>rukturierung der vielfältigen Arbeitsschritte dar. Als kritisch, also für das Resultat von<br />

Ökobilanzen besonders entscheidend und für die Methodik charakteristisch, haben wir<br />

nachfolgende 5 Operationen näher zu betrachten:<br />

- Definition der Funktionellen Einheit<br />

- Systemabgrenzung und Allokation von <strong>St</strong>offen<br />

- Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren<br />

- Selektion und Modellierung von Wirkungsketten<br />

- Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung<br />

Sie stellen erhebliche Erweiterungen gegenüber den pragmatischen Ökobilanzansätzen<br />

der Pionierphase dar und haben wesentlich zur Verwissenschaftlichung der<br />

Ökobilanzierung beigetragen. Ihre Charakterisierung im Rahmen des nun folgenden<br />

Abschnitts wird zudem aufzeigen, welche Präzision man von Ökobilanzen realistischerweise<br />

erwarten darf.


66 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

4.3.1 Definition der Funktionellen Einheit<br />

Ein bedeutender Meilenstein der Ökobilanz-Entwicklung stellte die Erkenntnis dar, dass<br />

das Objekt der Untersuchung anhand seines Nutzens beschrieben werden sollte. 130<br />

Was zunächst trivial klingen mag, ist in der Praxis meistens nur mit Mühe zu bewerkstelligen<br />

und für das Resultat von erheblicher Tragweite.<br />

So war es zunächst in den zahlreichen Verpackungsstudien durchaus üblich, eine Glasflasche<br />

mit einer PET-Flasche zu vergleichen. In Wirklichkeit interessiert aber vielmehr<br />

die Frage: „Was braucht es, um eine bestimmte Menge eines Getränks sicher, über<br />

eine bestimmte Zeit und in guter Qualität zum Konsum bereitzustellen“ Geht man<br />

dieser veränderten Fragestellung nach, kann resultieren, dass es im Durchschnitt pro<br />

konsumierte Einheit Getränk mehr Glasflaschen als PET-Flaschen braucht, da erstere<br />

auf dem Weg im statistischen Mittel mit einer Wahrscheinlichkeit von beispielsweise 5%<br />

zerbrechen wird. In diesem Falle sind für eine Tonne konsumbereites Getränk 1'050<br />

Glasflaschen sowie zusätzliche 50 kg Getränk und allenfalls damit verbundene<br />

zusätzliche Transporte, Kühlung, etc. notwendig. Andererseits verdirbt das Getränk<br />

unter Umständen in der Plastikflasche schneller, da PET lichtdurchlässiger ist und auch<br />

Kohlensäure durch das Material austreten kann. Infolge dieses Ausschusses müssen<br />

dann ebenfalls sowohl mehr Flaschen als auch mehr Getränk, Transporte, Kühlleistung,<br />

etc. pro konsumierte Einheit aufgewendet werden.<br />

Mit der Einführung der Forderung, eine Funktionelle Einheit explizit zu definieren 131 ,<br />

wurden materiell sehr unterschiedliche, aber in ihrem Nutzen vergleichbare Produkte<br />

oder Prozesse plausibler vergleichbar. Ein bekanntes Beispiel dazu betrifft<br />

verschiedene Techniken zum Trocknen der Hände –Baumwolltuch, Einwegpapiertuch<br />

oder elektrischer Händetrockner. 132 Wie sich herausstellte, ist dabei nicht die vom<br />

Hersteller spezifizierte Nutzungseinheit (ein Papiertuch, einmal Knopfdrücken, etc.),<br />

sondern das effektive Verhalten der Konsumierenden ausschlaggebend: Denn<br />

Beobachtungen zur realen Nutzung zeigen, dass die meisten Konsumierenden nicht<br />

einfach nur ein Papiertuch, sondern zwei bis drei Papiertücher benutzen und dass der<br />

Knopf des Heizlüfters in der Regel zweimal gedrückt wird. Entsprechend müssen die<br />

Resultate der Sachbilanz bezogen auf die Funktionelle Einheit Trockene Hände zwei<br />

bis dreimal, resp. zweimal höher veranschlagt werden, als wenn auf die vom Hersteller<br />

vorgesehene Einheit abgestellt würde.<br />

Das Denken in Nutzen, resp. Funktionen ist geeignet, relevante Sachverhalte zur<br />

Bestimmung der Umweltbelastung zu Tage zu fördern, die ein einfaches Abstellen auf<br />

das Produkt selbst nicht offenbaren würde. Diese Unterschiede können eine ganze<br />

Reihe von Prozessen des zu betrachtenden Systems betreffen und würden, blieben sie<br />

unentdeckt, die Resultate aller nachfolgenden Berechnungen verzerren.<br />

Die Definition einer angemessenen Funktionellen Einheit erfordert ein gutes<br />

Verständnis sowohl des Lebensweges als auch der Funktion des zu analysierenden<br />

130<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 24.<br />

131<br />

Siehe Sundmacher, 2002, S. 45 – 53.<br />

132<br />

Guinée, 2002, S. 473.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 67<br />

Produkts, resp. des effektiven Verhaltens der -entlang des gesamten Lebensyzklus -<br />

beteiligten Personen. 133<br />

Schwierig ist die Bestimmung einer Funktionellen Einheit in der Praxis auch deshalb,<br />

weil ein Produkt meistens mehrere Funktionen erfüllt. So haben Getränkeverpackungen<br />

nicht nur die Bereitstellung zum Konsum, sondern auch eine kaufwirksame Darstellung<br />

des Produkts zum Ziel. Oder verschiedene Techniken zum Händetrocknen müssen<br />

auch hygienische Anforderungen erfüllen. Man kommt dabei in der Regel nicht umhin,<br />

über plausible Annahmen erhebliche Vereinfachungen der Realität einzuführen. Die<br />

Ökobilanzforschung empfiehlt, die Zielgruppen der Untersuchung in diese Definitionsarbeit<br />

einzubinden. Dies geschieht heute beispielsweise im Rahmen von Ökobilanzen,<br />

die zur Ermittlung von Kriterien zur Vergabe von Umweltkennzeichen erstellt werden.<br />

Fazit: Die Festlegung einer nutzenbezogenen Funktionellen Einheit ist geeignet, die<br />

Präzision von Ökobilanzresultaten erheblich zu erhöhen. Sie ist aber in den meisten<br />

Fällen eine willkürliche Vereinfachung der Realität und damit angreifbar.<br />

4.3.2 Systemabgrenzung und Allokation<br />

Die Definition von Systemgrenzen, resp. die Allokation von <strong>St</strong>offflüssen auf<br />

verschiedene Prozesse, wurde in den 90er Jahren von der Ökobilanzforschung<br />

ebenfalls als entscheidende Operation herausgearbeitet. IM Zentrum der Diskussion<br />

standen die Auswirkungen unterschiedlicher Systemabgrenzungen und Allokationen auf<br />

alle Elemente der Ökobilanzierung (Sachbilanz, Wirkungsanalyse & Gewichtung, Interpretation).<br />

Im Wesentlichen geht es dabei um drei Arten von Abgrenzungen:<br />

- Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse<br />

- Umgang mit Folge-Prozessen, multifunktionalen Prozessen, resp.<br />

Kuppelprodukten<br />

- Abgrenzung des zeitlichen und geografischen Geltungsbereichs der<br />

Untersuchung, der gewählten Daten und Modelle<br />

4.3.2.1 Identifikation und Auswahl der relevanten Prozesse<br />

Um die realen Prozessketten eines zu betrachtenden Systems vollständig zu erfassen,<br />

wäre stets ein unendlich komplexes Modell notwendig. Nimmt man beispielsweise einen<br />

unscheinbaren Zahnstocher als Ausgangspunkt, stellt sich die Frage nach der<br />

Motorsäge, die den Baum gefällt hat, nach dem Sägewerk, in welchem der Baum<br />

verarbeitet wurde, nach der Ölraffinerie, welche das Benzin für den Traktor aufbereitet<br />

hat und den Bohrturm, aus welchem das dazu verwendete Rohöl stammt, etc.. Eine<br />

Vereinfachung und Konzentration auf die relevanten Prozesse ist deshalb unabdingbar.<br />

133<br />

Siehe Thalmann, 1983, S.4 oder Sundmacher, 2002, S. 45 – 53.


68 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Es stellt sich die Frage, wo und wie man die Grenzen der Bilanzbetrachtung ziehen soll,<br />

ohne dass relevante Prozesse unberücksichtigt bleiben.<br />

Als mögliche Abschneidekriterien wurde von verschiedenen Autoren vorgeschlagen, auf<br />

den Einbezug von Hilfsstoffen, Anlagen, resp. Investitionsgütern, unsicheren Daten<br />

oder von Unfällen, resp. Risiken zu verzichten. Für jeden einzelnen dieser Aspekte<br />

konnte jedoch anhand konkreter Beispiele gezeigt werden, dass es Fälle gibt, in denen<br />

sie das Resultat massgeblich beeinflussen. 134<br />

Abbildung 4.4: Aspekte der Systemabgrenzung 135<br />

Die Forschung kann hier also keine allgemeingültige Anweisungen geben, sondern<br />

allenfalls Erfahrungswissen aus bereits durchgeführten <strong>St</strong>udien zu bestimmten<br />

Produkten, Prozessen oder auch bestimmten Branchen aufbereiten. Allenfalls können<br />

sogenannte Proxy-Indikatoren als Indizien für die Relevanz einzelner Prozesse, resp.<br />

<strong>St</strong>offflüsse herangezogen werden: Kosten, Masse, Energieinhalt, kumulierter Materialoder<br />

Energieaufwand, Giftklasse, etc.. Eine weitere behelfsmässige Empfehlung lautet,<br />

zunächst alle verfügbaren Prozessdaten, deren Einbezug ohne grossen Aufwand<br />

möglich ist (beispielsweise aus der Literatur oder aus Datenbanken) in die<br />

Untersuchung einzubeziehen, also das zu untersuchende System so weitläufig wie<br />

möglich zu gestalten. Je nach Verlauf der Untersuchung sind die getroffenen Ab-<br />

134<br />

Frischknecht, R.: Goal and Scope Definition and Inventory Analysis, in: Udo de Haes, H., Wrisberg, N.:<br />

Life Cycle Assessment. <strong>St</strong>ate of the Art and Research Priorities: Results of LCANET, Bayreuth, 1997,<br />

S. 7 oder Mauch, W.: Kumulierter Energieaufwand für Güter und Dienstleistungen, Dissertation,<br />

Universität München, 1993, S. 104 oder Gensch, C.-O.: Erfahrungen bei der Erstellung von Produktökobilanzen<br />

und Produktlinienanalysen in Zusammenarbeit mit der Industrie, in: Griesshammer, R.,<br />

Pfeifer, R.: 2.Freiburger Kongress „Produktlinienanalyse und Ökobilanz“; Werkstattreihe des Öko-<br />

Instituts Freiburg; Nr. 83; S 1993, S. 71.<br />

135<br />

Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 57.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 69<br />

grenzungen flexibel zu modifizieren: als irrelevant erkannte Prozesse auszuschliessen<br />

oder allenfalls nachträglich erkannte Prozesse zusätzlich in das System aufzunehmen.<br />

Demnach lässt sich eine praktikable Lösung nur aufgrund eines anwendungsspezifischen<br />

Kompromisses formulieren, der sich aus dem Ziel der Untersuchung, dem<br />

Vorwissen sowie der Datenverfügbarkeit ergibt. Entsprechend haben sich in der Praxis<br />

allenfalls Usanzen und Konventionen entwickelt, auch wenn deren wissenschaftliche<br />

Validität nicht grundsätzlich gesichert ist.<br />

In der Praxis wird die Allokation denn auch nicht einheitlich und stringent<br />

vorgenommen: Beispielsweise werden Unternehmungsökobilanzen generell und<br />

Produktökobilanzen in der Regel ebenfalls, ohne Einbezug von Anlagen und<br />

Investitionsgütern modelliert. Im Gegensatz dazu werden häufig verwendete <strong>St</strong>andard-<br />

Ökoinventare zu Energieversorgungs- und Entsorgungsprozessen unter Einbezug der<br />

Anlagen erhoben. Dies hat zur Folge, dass in vielen <strong>St</strong>udien keine logisch einheitliche<br />

Systemabgrenzung über alle Prozesse stattfindet, sondern das die Systemgrenzen je<br />

nach Datenquelle und Prozess unterschiedlich ausfallen.<br />

4.3.2.2 Umgang mit multifunktionalen Prozessen, resp. Kuppelprodukten<br />

Die Frage der Systemabgrenzung stellt sich jenseits der Bestimmung der Relevanz<br />

einzelner Prozesse auch bezüglich des Umgangs mit allenfalls auftretenden Folge-<br />

Prozessketten, resp. der Multifunktionalität von Prozessen.<br />

Folgeprozesse liegen vor, wenn ein <strong>St</strong>offfluss aus dem untersuchten System in andere<br />

Systeme –Produkte oder Unternehmen -eingeht und dort weiteren Nutzen stiftet, resp.<br />

Funktionen erfüllt.<br />

Werden die Abfälle eines Produktes wiederum zum Rohstoff anderer Prozesse –<br />

beispielsweise im Falle von Recycling oder Downcycling von Materialien wie Metallen,<br />

Kunststoffen oder organischen <strong>St</strong>offen stellt sich die Frage, welcher Anteil der Inputs<br />

aus der Natur und Outputs an die Natur welchem dieser beiden Systeme belastet<br />

werden soll. Ist der Rohölbedarf der Kunststoffherstellung einzig dem Erstprodukt oder<br />

auch dem rezyklierten Folgeprodukt anzurechnen<br />

Gerade bei den – heute in Ökobilanzen fast immer anzutreffenden - Recycling-<br />

Schlaufen 136 -kann technisch argumentiert werden, dass es ohne das Erstprodukt auch<br />

kein Sekundärprodukt geben kann, und deshalb der Primär-Input auf alle Folgeprodukte<br />

gleichmässig verteilt werden sollte. Genauso kann man aber auch plausibel machen,<br />

dass ohne Recycling das Erstprodukt allein den gesamten Primär-Input verursacht und<br />

dass der Abfall sozusagen eine ungenutzte Ressource darstellt, welche eben ohne<br />

Primär-Input zur Verfügung steht. Tatsächlich wird von verschiedenen Autoren<br />

postuliert, den Primär-Input allein dem Erstprodukt anzulasten, weil die Verwertung von<br />

136<br />

Siehe Ekvall, T., Tillmann, A.M.: Open-loop recycling: criteria for allocation procedures. The<br />

International Journal of LCA, Nr. 2, 1997, 155 - 162.


70 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abfällen gefördert werden solle und somit Recyclingprodukte einen ökologischen Vorteil<br />

erhalten sollten.<br />

Multifunktionalität liegt dann vor, wenn Prozesse aus verschiedenen Motiven heraus<br />

betrieben werden. „Most industrial processes are multifunctional.“ 137 Ein häufiger Fall<br />

stellen Kuppelprodukte dar: Sie sind in der Grundstoffindustrien der Normalfall,<br />

beispielsweise bei der Förderung von gemischten Erzen (häufig: Kupfer, Gold und<br />

Silber) oder bei der Raffinierung von Rohöl (Diesel, Benzin, Bitumen, Gas, etc.). Aber<br />

auch Transport- oder Entsorgungsprozesse sind meistens multifunktional, indem das<br />

Problem auftritt, dass mehrere Produkte gleichzeitig durch den Prozess fliessen und<br />

ggf. - im Falle der Abfallverbrennung - gemeinsam für das Entstehen bestimmter<br />

Schadstoffemissionen verantwortlich sind.<br />

In der Praxis werden bei Materialien häufig der Wert (Kosten oder Preis) zur Allokation<br />

der Inputs und Outputs auf die verschiedenen Produkte verwendet, bei Abfällen das<br />

Gewicht oder das Verhältnis bestimmter Inhaltsstoffe (Chloride, Schwermetalle,<br />

organische Verbindungen, etc.).<br />

Die Ökobilanzforschung kann auch hier keine wissenschaftlich eineindeutige Antwort<br />

geben, sondern lediglich Faustregeln, Usanzen und Konventionen inventarisieren und<br />

zu deren Operationalisierung allenfalls korrekte Vorgehensweisen aufzeigen. Die<br />

entsprechenden Empfehlungen werden unter dem <strong>St</strong>ichwort der Allokationsmethoden<br />

zusammengefasst. Sie werden in der Literatur sowohl unter dem Titel von Zieldefinition<br />

138 139<br />

und Untersuchungsrahmen als auch unter der Sachbilanzierung diskutiert.<br />

Sundmacher hat die Literatur zu dieser Frage systematisch aufgearbeitet. 140 Seine<br />

Schlussfolgerung lautet: „Vereinheitlichungen, ob sie nun auf der Grundlage von goodpractice-Sammlungen<br />

oder aufgrund von theoretisch fundierten Systematisierungen<br />

zustande kommen, werden nicht mehr sein können, als Empfehlungen.“...“Es bleibt<br />

aber das zu lösende Problem einer hochgradigen Abhängigkeit des Ökobilanzergebnisses<br />

von der konkret gewählten Allokation bestehen.“ 141<br />

Ein Blick auf die Ökobilanz-Normierung illustriert diese Situation - am Beispiel der<br />

Anweisungen zur Allokation aus ISO14041-Norm –eindrücklich: Es wird eine Abfolge<br />

von Arbeitsschritten empfohlen, die verschiedenen Möglichkeiten Prioritäten zuordnet:<br />

1. Priorität: Allokation vermeiden. „Whereever possible, allocation should be avoided.“<br />

Dies soll durch eine Aufteilung des fraglichen Prozesses in Subprozesse erreicht<br />

137<br />

Guinée, 2002, S. 505.<br />

138<br />

Siehe Lindejier, E., Huppes, G.: Partitioning economic inputs and outputs to product systems, in:<br />

Guinée, 2002, S. 675 – 692.<br />

139<br />

Siehe Hejiungs, R.: ASpecial View on the Nature of the Allocation Problem, in. The International<br />

Journal of LCA, Nr. 3, 1998, 321 - 332.<br />

140<br />

Sundmacher, 2002, S. 91 – 109.<br />

141<br />

Sundmacher, 2002, S. 109.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 71<br />

werden, für die dann Daten separat erhoben werden. Eine zweite Empfehlung zur<br />

Vermeidung lautet: Das System möglichst so erweitern, dass die zusätzlichen<br />

Funktionen der Kuppelprodukte des Prozesses Teil der Untersuchung werden.<br />

2. Priorität. Wo Allokation nicht vermieden werden kann, sollte eine Aufteilung möglichst<br />

so vorgenommen werden, dass die „underlying physical relationships“ korrekt wiedergegeben<br />

werden.<br />

3. Priorität: Wo die physikalischen Beziehungen „alone can not be established or used“<br />

soll die Allokation so erfolgen, dass „other relationships are reflected“. Als<br />

Möglichkeit werden dann ökonomische Beziehungen („economic value“) genannt.<br />

Die hier geforderte Priorität der physikalischen Allokationsregel gegenüber einer<br />

ökonomischen Aufteilung ist wissenschaftlich unhaltbar. Aufgrund der vagen<br />

Formulierungen wird durch diese Norm keinerlei Formalisierung oder Vereinheitlichung<br />

erreicht. In der Praxis wird bei der Primädatenerhebung denn auch sehr pragmatisch<br />

von Fall zu Fall - unter Würdigung sowohl physikalischer als auch ökonomischer<br />

Verhältnisse -vorgegangen, resp. es werden die, den aus Literatur oder Datenbanken<br />

übernommenen Daten zugrunde liegenden Allokationen meistens einfach<br />

übernommen.<br />

4.3.2.3 Geltungsbereich von Untersuchung, Daten und Modellen<br />

Schliesslich können –neben der Frage der Auswahl der relevanten Prozesse und der<br />

Allokation -zeitliche und geografische Abgrenzungen der Untersuchung das Resultat<br />

einer Ökobilanzierung ebenfalls massgeblich beeinflussen.<br />

Der zeitliche Aspekt wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Deponierung von<br />

Abfällen durch eine Reihe von Autoren herausgearbeitet 142 :Emissionen von Deponien,<br />

beispielsweise infolge der Auswaschung von Schwermetallen oder dem Abbau<br />

organischer Verbindungen, verteilen sich auf Zeiträume von über 100 Jahren. Für die<br />

Verwitterung einer ganzen Reaktor-Deponie wird mit Zeiträumen in der Grössenordnung<br />

von 1'000 Jahren und mehr gerechnet. Es liegt auf der Hand, dass es für die<br />

Bestimmung der Umweltbelastung einen Unterschied macht, ob Emissionen<br />

konzentriert oder über derart lange Zeiträume verteilt anfallen. Sind diese Unterschiede<br />

relevant, muss ihnen im Rahmen der Beurteilung Rechnung getragen werden können.<br />

Entsprechend sind dann die Daten zeitlich differenziert zu dokumentieren, resp. zu<br />

beurteilen. Ein konkretes Beispiel dazu bietet die Ecoinvent 2000 Qualitätsrichtlinie: Sie<br />

sieht beispielsweise für Deponie- Sickerwasser eine zeitliche Abgrenzung vor und weist<br />

diese in spezifischen Kategorien als water, river-long-term sowie water, groundwater-<br />

142<br />

Sundmacher, 2002, S. 58.


72 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

longterm aus. 143 Ähnliche Fragen stellen sich in Bezug auf die Transmission<br />

(insbesondere Akkumulation) und Wirkung von Schadstoffen in der Umwelt.<br />

Eine weitere, zeitliche Abgrenzung von hoher Relevanz besteht in der Frage des<br />

Geltungsbereichs der verwendeten Daten und Modelle: Angesichts der grossen Menge<br />

an benötigten Informationen, der entsprechenden Verfügbarkeitsproblematik und dem<br />

Umstand, dass zumeist auf eine Vielzahl verschiedener Datenquellen zurückgegriffen<br />

wird, zeigt die Erfahrung, dass häufig veraltete, resp. zeitlich stark auseinanderfallende<br />

Datenbestände herangezogen werden. Unsere eigenen Untersuchungen 144 haben<br />

beispielsweise offengelegt, dass die in Japan von vielen Unternehmen zur Erstellung<br />

von Produktökobilanzen verwendete NIRE-Datenbank bezüglich Entsorgungsprozessen<br />

in ihrer Version aus dem Jahr 2000 zu grossen Teilen auf BUWAL-Datenbeständen von<br />

1991 aufbaut, welche sich wiederum auf Erhebungen und Literatur zum<br />

technologischen <strong>St</strong>and der Technik in den 80er Jahren abstützen. Dies kann –je nach<br />

Fragestellung und dem angestrebten Geltungsbereich der Resultate -zu erheblichen<br />

Verfälschungen führen.<br />

Valide Daten müssen mit dem zeitlichen Geltungsbereich der durch die Untersuchung<br />

angestrebten Aussagen übereinstimmen. Was hierbei noch als akzeptable Bandbreite<br />

gelten darf, ist jedoch nicht klar feststellbar, sondern muss mit Blick auf die Datenverfügbarkeit<br />

im Einzelfall bestimmt werden. Das führt in der Praxis dazu, dass man –<br />

anstatt einen Prozess gar nicht einzubeziehen -im Sinne eines worst case Szenarios<br />

Daten zu veralteten technischen Prozessen durchaus bewusst verwendet. Allenfalls<br />

werden ältere Prozessdaten anhand einzelner, bekannter Parameter zu neueren<br />

Prozesstechniken skaliert – beispielsweise anhand des Wirkungsgrads.<br />

Geografische Abgrenzungen schliesslich können bei der Definition der Funktionellen<br />

Einheit, bei der Prozessbeschreibung und wiederum bei der Wirkungsanalyse von<br />

Relevanz sein. Beispiele dazu sind die geografisch unterschiedliche Wasserhärte zur<br />

Bestimmung der benötigten Menge Waschmittel zur Erzielung einer bestimmten<br />

Reinigungsleistung, die Abschätzung von Emissionen aus der <strong>St</strong>rombereitstellung<br />

anhand des europäischen UCPTE-Verbunds (bestehend aus verschiedenen Bereitstellungstechnologien<br />

und der netzspezifischen Übertragungsverluste) oder die Wirkung<br />

des Säureeintrags in Böden verschiedener Pufferqualität.<br />

Es wird anhand dieser Überlegungen rasch deutlich: Universell verwendbare Regeln<br />

sind auch hier nicht rein wissenschaftlich und eineindeutig formulierbar. Es muss im<br />

Einzelfall entschieden, und es müssen in der Regel verschiedene Annahmen getroffen<br />

werden. Sekundärdaten sind entsprechend auf ihre Übereinstimmung den<br />

143<br />

Frischknecht, R., et.al.: Qualitätsrichtlinien Ecoinvent 2000, Arbeitspapier, Uster, 2002, S. 4.<br />

144<br />

Sinum AG: Aufbereitung der NIRE Datenbank für die Verwendung mit der Ökobilanz-Software REGIS,<br />

interne Dokumentation, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2003.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 73<br />

Abgrenzungen der konkreten Untersuchung zu prüfen. Dies ist in der Praxis angesichts<br />

dürftiger Dokumentationen oder aufgrund der hohen Komplexität nur selten möglich.<br />

4.3.2.4 Fazit: Systemabgrenzung und Allokation - zentrale Vorsteuergrössen<br />

Beide Schritte lassen sich nicht wissenschaftlich eineindeutig formalisieren. Es lassen<br />

sich allenfalls für spezifische Fragestellungen und Untersuchungsgegenstände<br />

Usanzen und Konventionen und in diesem Sinne eine konstruierte Objektivität<br />

etablieren.<br />

Der Nutzen dieser Operation darf jedoch nicht ausgeblendet werden: wer sich intensiv<br />

mit den entsprechenden Fragestellungen auseinandersetzt, lernt Zusammenhänge und<br />

Abhängigkeiten verstehen und kann identifizieren, mit welchen Parametern allenfalls<br />

Sensitivitätsanalysen vorzunehmen sind. Ein umfassendes Systemverständnis trägt<br />

auch zur Immunisierung der Resultate bei und kann die Herausbildung von Usanzen<br />

und Konventionen beeinflussen. Die Ökobilanzforschung betont entsprechend die<br />

Bedeutung einer bewussten Auseinandersetzung mit diesen Fragen und fordert, dass<br />

die Abwägungen als auch die schliesslich getroffenen Annahmen transparent gemacht<br />

werden. Eine Aussagekraft der Resultate ist ohne diese Informationen zur Abgrenzung<br />

und Allokation nicht gegeben.<br />

Wurden die Grenzen des Systems festgelegt, so besteht eine zweite kritische Operation<br />

in der Beschreibung der eingeschlossenen Prozesse im Rahmen der Sachbilanzierung:<br />

4.3.3 Beschreibung der Prozesse mittels <strong>St</strong>offfluss-Indikatoren<br />

Die Sachbilanz stellt das in Form von Daten erzeugte Abbild des zu untersuchenden<br />

Systems von Prozessen dar. Die Beschreibung der als relevant identifizierten Prozesse<br />

erfolgt mittels stofflicher Indikatoren (und Energie).<br />

„Indikatoren können als eine Form der Repräsentanz von Realität aufgefasst werden.<br />

(...) sie sind häufig „pars pro toto“-Konstruktionen, in denen ein Teil des Wirklichkeitsphänomens<br />

als kennzeichnend für das gesamte Phänomen gewertet wird.“ 145<br />

Idealerweise müssen Indikatoren mit vertretbarem Aufwand, resp. ausreichender<br />

Genauigkeit messbar - resp. entsprechende Werte verfügbar -sein und die für die<br />

konkrete Fragestellung relevanten Aspekte - Umfang und Wirkung - abbilden können.<br />

Wie wir bereits festgestellt haben, ist der Anspruch vollständig ausgeglichener Input-<br />

Output-Prozessbeschreibungen in der Praxis nicht einlösbar. Die Ökobilanzierung ist<br />

hier – wie jede andere empirische Wissenschaft – durch die technischen und<br />

ökonomischen Möglichkeiten der Datenerhebung eingeschränkt.<br />

Bedenkt man, dass ein einzelner <strong>St</strong>off in Tausenden von Varianten vorliegen kann<br />

(beispielsweise das Pestizid Toxaphen in 60'000 möglichen Varianten 146 )und mit Blick<br />

145<br />

Sundmacher, 2002, S. 80.<br />

146<br />

Interview mit dem Toxikologen Vyvyan Howard in: Umwelt für Europäer, Informationsblatt der General-


74 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

auf die in Abschnitt 2.1.2 angesprochene Komplexität ökologischer Fragestellungen<br />

wird klar, dass im Rahmen der Indikatorenauswahl erhebliche Vereinfachungen<br />

getroffen, resp. erhebliche Informationsverluste in Kauf genommen werden müssen.<br />

Diese Vereinfachungen beziehen sich nicht nur auf den Umfang der Indikatorenliste<br />

einer Sachbilanz (stoffliches Auflösungsvermögen) und auf den Aggregationsgrad eines<br />

bestimmten Indikators, sondern zusätzlich auf den ökologischen Kontext eines zu<br />

beschreibenden <strong>St</strong>offes. Hinzu kommt, dass eine korrekte Interpretation der<br />

gemessenen Werte häufig von der Kenntnis von Eigenschaften, resp. Zuständen des<br />

zugrundeliegenden Prozesses abhängig ist. Durch die im Rahmen der Sachbilanzierung<br />

praktizierten Summierung der Inputs aus der Natur und Outputs an die<br />

Natur über verschiedene Prozesse entstehen weitere Informationsverluste.<br />

Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich durch die im Rahmen der Sachbilanzierung<br />

entwickelten Beschreibungen der Wirklichkeit für die Aussagekraft der<br />

Resultate ergeben. Wir untersuchen dazu - in Ergänzung zur bereits unter der<br />

Systemabgrenzung beleuchteten Problematik der Allokation -vier weitere, von der Ökobilanzforschung<br />

als kritisch identifizierte Aspekte:<br />

- Auswahl und Umfang der Indikatoren<br />

- Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren<br />

- Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften<br />

- Linearisierung und Virtualisierung der Prozess-Abbildung<br />

4.3.3.1 Auswahl und Umfang der Indikatoren<br />

Betrachtet man das Auflösungsvermögen der Pionier-Ökobilanzen der 70er Jahre so<br />

umfassten deren Sachbilanz Inputs aus der Natur und Outputs an die Natur im<br />

Umfange von 10 bis 20 Indikatoren. Müller-Wenks Ökologische Buchhaltung wies als<br />

Input-Indikatoren Rohöl, Eisen, Mangan, Zinn und Blei aus (neben daraus gefertigten<br />

Materialien, resp. Elektrizität, Benzin, Heizöl) und kannte auf der Output-Seite ungiftige<br />

Abfälle, den Phosphorgehalt des Abwassers sowie die gasförmigen Emissionen SO 2 ,<br />

CO, CO 2 ,HCL, sowie die Gruppe der <strong>St</strong>ickoxide (NO X )und den Summenparameter<br />

Kohlenwasserstoffe - insgesamt 4 Inputs aus der Natur und 8 Outputs an die Natur.<br />

Heute umfassen hingegen die -vorwiegend in Europa -entwickelten <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />

für viele Basismaterialien, Energiebereitstellungs- und Entsorgungsprozesse<br />

mehrere Hundert Indikatoren. Diese enorme Ausweitung des Auflösungsvermögens hat<br />

wesentlich damit zu tun, dass mittlerweile sehr umfangreiche Prozessketten einbezogen<br />

werden. Entsprechend steigt die Vielfalt der zu berücksichtigenden Materialien sowie<br />

der zu ihrer Bereitstellung wiederum benötigten Inputs aus der Natur und Outputs an<br />

die Natur. Solch umfangreiche <strong>St</strong>andard-Ökoinventare werden im Rahmen sehr<br />

direktion Umwelt, Europäische Kommission, Nr. 15, Februar 2004, S. 12.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 75<br />

aufwendiger Forschungsprojekte gewonnen und dann den Ökobilanzierenden in Form<br />

von Datenbanken zur Verfügung gestellt.<br />

Im Rahmen der meisten Ökobilanzen beschränkt sich die Primärdatenerhebung<br />

hingegen auf das unmittelbar Greifbare, also beispielsweise die im Unternehmen<br />

angesiedelten Prozesse. In seltenen Fällen werden für den Hauptstrom (beispielsweise<br />

Papier in der Zeitungsherstellung) die Daten zentraler Prozesse bei Lieferanten und<br />

Kunden erhoben. Der Umfang der Primärdaten ist in der Regel durch die Faktoren<br />

Aufwand, resp. die unabhängig von der Untersuchung bestehende Datenverfügbarkeit<br />

beschränkt. Er bewegt sich je nach Fragestellung und System zwischen einigen<br />

wenigen bis einigen Dutzend Materialien und Emissionen.<br />

Während für Materialien und Rohstoffe, Zwischenprodukte, etc. Daten aus der Finanzbuchhaltung<br />

oder Produktionsplanung relativ einfach ermittelt werden können, da sie<br />

Kosten verursachen 147 ,wird die Datenverfügbarkeit bezüglich Emissionen stark durch<br />

die umweltpolitischen Rahmenbedingungen geprägt – also beispielsweise durch die von<br />

den Behörden verlangten Messungen zur Kontrolle der Einhaltung von Grenzwerten. 148<br />

Eigens für Ökobilanzen werden in der Regel keine zusätzlichen Emissions-Messungen<br />

durchgeführt. Man behilft sich dazu häufig mittels sogenannter Emissionsfaktoren.<br />

Diese aus der Literatur übernommenen Umrechnungen erlauben eine Abschätzung der<br />

Emissionen aus den eingesetzten Inputs (beispielsweise CO 2 aus dem fossilen<br />

Energieverbrauch). In diesem Fall bestimmt dann das Auflösungsvermögen der<br />

verwendeten Tabelle über den Umfang der Indikatoren zur Beschreibung eines<br />

Prozesses.<br />

Die gemessenen oder geschätzten Primärdaten zu Materialien und Emissionen werden<br />

-wie oben bereits beschrieben -, mit den verfügbaren <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren für eine<br />

Vielzahl von Materialien sowie Abfällen und Abwässern zu Inputs aus der Natur und<br />

Outputs an die Natur umgerechnet.<br />

Durch die Umrechnung wird das Auflösungsvermögen erheblich ausgeweitet und dann<br />

–je nach Fragestellung (und Vorliebe der Ökobilanzierenden) allenfalls in einem dritten<br />

Schritt wieder auf die als relevant erachteten Indikatoren reduziert. Häufig wird aber mit<br />

allen verfügbaren Daten weitergearbeitet. In beiden Fällen wird Auswahl und Umfang<br />

der Indikatoren massgeblich fremdgesteuert, resp. durch die <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />

geprägt.<br />

4.3.3.2 Informationsgehalt und Aggregationsstufe der Indikatoren<br />

Betrachtet man nun den Informationsgehalt der einzelnen Indikatoren, so ist zunächst<br />

einmal deren Aggregationsstufe ausschlaggebend: Als Aggregationsstufen lassen sich<br />

verschiedene Varianten eines Elements (beispielsweise Eisen-Ionen: Fe 2+ ,Fe 3+ ,etc.)<br />

147<br />

Siehe Kytzia, S: Die Ökobilanz als Bestandteil des betrieblichen Informationsmanagements, Rüegger,<br />

Chur, 1995, S. 41. oder Tarara, 1997, S. 38.<br />

148<br />

Sundmacher, 2002, S. 89.


76 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

verschiedene Formen eines Einzelstoffes (beispielsweise Sauerstoff: O, O 2 )oder eine<br />

Zusammenfassung von Formen eines Einzelstoffes (Sauerstoffverbindungen:<br />

Sauerstoff und Ozon: O, O 2 , O 3 ) verstehen. Aber auch verschiedene, jeweils unter<br />

spezifischen Gesichtspunkten wie Messbarkeit, Aggregatszustand oder spezifische<br />

Wirkung gebildete Summenparameter werden als Indikatoren zur Beschreibung von<br />

<strong>St</strong>offen verwendet. Beispiele wären flüchtige organische (sprich Kohlenstoff C<br />

enthaltende) Verbindungen, ausgewiesen als VOC (Volatile Organic Compounds) oder<br />

der chemische Sauerstoffbedarf CSB für diverse <strong>St</strong>offe nach Einleitung in ein<br />

Gewässer. Ein bestimmter Einzelstoff kann von mehreren solchen Summenparametern<br />

bezüglich einer jeweils spezifischen Eigenschaft repräsentiert werden –beispielsweise<br />

Methan als VOC oder als Treibhausgas.<br />

Einzig nicht-aggregierte – das heisst: bis auf Varianten von Einzelstoffen hinunter<br />

reichende - Indikatoren (beispielsweise Chlorid-Ion Cl - ) erlauben grundsätzlich das<br />

trennscharfe Erfassen der ökologischen Eigenschaften eines <strong>St</strong>offes. In der Praxis ist<br />

dies jedoch mangels Datenverfügbarkeit, resp. infolge hoher Kosten der erforderlichen<br />

Analytik nur in Ausnahmefällen möglich. Zur Einhaltung vieler Grenzwerte kommen<br />

deshalb in der Regel Zusammenfassungen von Formen eines Einzelstoffes (NO X ,SO X ,<br />

etc.) oder - insbesondere bei der Erfassung der Abwasserbelastung –<br />

Summenparameter (CSB, TOC, DOC, PAK) oder gar reine Zustandsindikatoren ohne<br />

stofflichen Informationsgehalt – beispielsweise der PH-Wert – zum Einsatz.<br />

Die Bestimmung der Aggregationsstufe von Indikatoren in Ökobilanzen wird entsprechend<br />

in der Regel nicht spezifisch für eine Fragestellung vorgenommen, sondern<br />

durch die Datenverfügbarkeit bestimmt. Es wird also das Aggregationsniveau der<br />

gesetzlich vorgeschriebenen und durch die Behörden standardisierten Messungen oder<br />

der allenfalls verwendeten Emissionsfaktoren übernommen. Damit werden Prozesse<br />

nicht durchgehend auf einer bestimmten Aggregationsstufe beschrieben, sondern je<br />

nach Indikator repräsentieren unterschiedliche Aggregationsstufen die entsprechenden<br />

Flüsse: von der untersten <strong>St</strong>ufe (beispielsweise Ammonium in Wasseremissionen) über<br />

Einzelstoff-Indikatoren (beispielsweise CO) oder <strong>St</strong>offgruppen (SO X , NO X , Gesamtstickstoff,<br />

etc.) bis Summenparameter (CSB, TOC, PAK, etc.). Somit wird nicht nur der<br />

Umfang der Indikatoren, sondern auch das Aggregationsniveau einzelner Indikatoren in<br />

der Praxis stark fremdgesteuert und durch Konventionen und Usanzen geprägt.<br />

4.3.3.3 Kontext-Gebundenheit stofflicher Eigenschaften<br />

Der Informationsgehalt eines Indikators ist aber nicht vom Aggregationsgrad allein<br />

abhängig: zur Ermittlung seiner ökologischen Bedeutung ist der jeweilige Kontext eines<br />

<strong>St</strong>offes entscheidend. Dieser ökologisch relevante Kontext lässt sich insbesondere<br />

chemisch-physikalisch (Zusammensetzung, Temperatur, Druck, etc.), geografisch<br />

(beispielsweise am Punkt der Emission, in einem ganz bestimmten Abschnitt eines


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 77<br />

Flusses, in einem bestimmten Fluss, in schweizerischen Flüssen, in europäischen<br />

Flüssen, etc.) sowie zeitlich (unmittelbar nach der Emission, nach 1Tag, nach 100<br />

Jahren, etc.) beschreiben.<br />

Das Beispiel der Wirkung von NO X inBezug auf die Bildung bodennahen Ozons kann<br />

diese Kontextgebundenheit illustrieren: NO X trägt bei bestimmten Verhältnissen zur<br />

Bildung von Ozon bei. Nach Überschreitung einer bestimmten –kontextabhängigen –<br />

Konzentrationsschwelle beginnt NO X hingegen Ozon abzubauen. Dieser Schwellenwert<br />

ist von der Zusammensetzung der Luft sowie von Temperatur, Druck und Sonneneinstrahlung<br />

abhängig. Dies erklärt das in der Schweiz häufige Phänomen, dass die<br />

Immissionswerte für bodennahes Ozon in ländlichen Gegenden zeitweise deutlich<br />

höher ausfallen, als in den erheblich stärker mit NO X belasteten urbanen Zentren.<br />

Damit ist die Vielfalt zu erfassender Kontexte und damit die Komplexität der zu<br />

beschreibenden Situationen, wie schon bei der Frage der Systemabgrenzung in Bezug<br />

auf die Vernetzung von Prozessketten diagnostiziert, unendlich gross.<br />

Eine ökologisch ausreichend genaue Charakterisierung eines <strong>St</strong>offes kann deshalb<br />

letztlich nur mit Bezug zu einem bestimmten, recht allgemein bestimmbaren Phänomen<br />

regionaler, nationaler oder globaler Dimension (Treibhauseffekt, Bodenversauerung,<br />

etc.), welches sich statistisch fassen lässt, bestimmen.<br />

In der heutigen Praxis der Ökobilanzierung wird der Kontext der einzelnen Indikatoren<br />

in der Regel ausgeblendet, resp. ausser Acht gelassen. Rohstoffentnahmen werden im<br />

Hinblick auf eine grundsätzliche, globale Ressourcenknappheit erhoben, unabhängig<br />

von der spezifischen Umweltproblematik einer Erzmine oder Kiesgrube. Und nicht nur<br />

Emissionen, welche globale Wirkungen -Treibhausgase oder ozonschichtabbauende<br />

<strong>St</strong>offe –sondern auch in ihrer Wirkung stark von einer lokalen Situation bestimmte<br />

Indikatoren (beispielsweise VOC, CSB, Schwermetalle, etc.) werden üblicherweise<br />

losgelöst von ihrem Kontext einfach über die verschiedenen Prozesse hinweg aufsummiert.<br />

Eine Sachbilanz weist entsprechend eine bestimmte Menge NO X aus und dieses wird in<br />

der Wirkungsanalyse oder Gewichtung gesamthaft beurteilt, unabhängig davon, ob die<br />

Emission in einer stark belasteten <strong>St</strong>adt, über dem Ozean oder allenfalls in der <strong>St</strong>ratosphäre<br />

emittiert wurde. Die Präzision vieler im Rahmen der Sachbilanzierung<br />

ausgewiesener Indikatoren ist somit aus ökologischer Sicht erheblich eingeschränkt.<br />

Es besteht die Gefahr, die Beurteilung der Umweltbelastung sehr stark zu verfälschen:<br />

Denn zumeist wird aus der Optik einer hohen Belastungssituation heraus –etwa unter<br />

dem Eindruck noch immer überschrittener Immissionsgrenzwerte für NO X in vielen<br />

Schweizer <strong>St</strong>ädten –die gesamte Emissionsmenge an NO X beurteilt, obwohl vielleicht<br />

ein Grossteil der ausgewiesenen Emissionen –beispielsweise bei der Beurteilung von<br />

Transporten per Schiff – in einem vollkommen anderen Kontext emittiert werden.


78 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Ökobilanzen für Produkte und Unternehmen mit mehreren <strong>St</strong>andorten sind<br />

zwangsläufig immer mit dieser Problematik behaftet. Das hat die Ökobilanzforschung<br />

deutlich herausgearbeitet und damit einen der gewichtigsten, grundsätzlichen Kritikpunkte<br />

an der Methodik aufgegriffen. Sie versucht zunehmend, diesem Umstand<br />

Rechnung zu tragen, indem kontextbezogene Indikatoren postuliert und neuestens<br />

auch im Rahmen von <strong>St</strong>andard-Ökoinventar-Datenbanken ausgewiesen werden. Als für<br />

Ökobilanzen taugliche Kontext-Ebenen von Indikatoren werden u.a. vorgeschlagen:<br />

Arbeitsumgebung, dicht besiedeltes Gebiet, resp. wenig besiedeltes Gebiet, oder<br />

geografische Angaben (Tokyo, Japan, Ostasien, etc.).<br />

Damit erhöht sich der Umfang an Indikatoren erheblich, da nun für viele Indikatoren<br />

mehrere Varianten ausgewiesen werden sollten und es ergeben sich zusätzliche<br />

Hierarchien der Sachbilanz-<strong>St</strong>ruktur (Beispielsweise: 1.<strong>St</strong>ufe: NO X total, 2.<strong>St</strong>ufe: NO X<br />

dicht besiedelt &NO X wenig besiedelt &NO X unspezifisch, etc.). Die Einführung solcher<br />

Unterscheidungen ist bei der Primärdatenerhebung infolge der Kenntnis des<br />

Messpunktes, resp. des <strong>St</strong>andorts des Prozesses durchaus möglich. Bei den <strong>St</strong>andard-<br />

Ökoinventaren, welche sich auf ganze Kontinente beziehen und über eine Vielzahl von<br />

Messpunkten gemittelte Indikatoren beinhalten, wird der Dokumentationsaufwand<br />

entsprechend hoch.<br />

Als eines der wenigen verfügbaren Beispiele von <strong>St</strong>andard-Datenbanken, die<br />

kontextspezifische Indikatoren ausweisen, gilt das im Jahr 2003 publizierte Ecoinvent<br />

2000 Datenformat 149 schweizerischer Ökoinventare 150 . Es unterscheidet zwischen<br />

Emissionen in dichtbesiedelte resp. wenig besiedelte Gebiete sowie die traditionell<br />

unspezifischen Emissionen. Zudem werden die Prozesse nach ihrem regionalen<br />

Geltungsbereich charakterisiert (beispielsweise Schweiz, Europa, Welt).<br />

Die Problematik des Kontextes von <strong>St</strong>offen stellt sich nicht nur im Rahmen der Sachbilanz,<br />

sondern ebenfalls bei der Wirkungsanalyse und Gewichtung. Die<br />

entsprechenden Modelle müssen dieselben kontextspezifischen Differenzierungen<br />

aufweisen. Ansonsten werden die Emissionen zwar mit Kontextbezug in der Sachbilanz<br />

ausgewiesen, danach jedoch von den verwendeten Wirkungs- und Gewichtungsfaktoren<br />

unspezifisch beurteilt.<br />

4.3.3.4 Linearisierung und Virtualisierung der Prozessabbildung<br />

Der vierte kritische Aspekt der Beschreibung eines zu untersuchenden Systems betrifft<br />

die Abbildungsqualität der Prozesseigenschaften.<br />

Primärdaten, also durch die Ausführenden einer bestimmten Ökobilanzierung selbst<br />

erhobene Daten zur Beschreibung der Prozesse, wie auch Sekundärdaten (<strong>St</strong>andard-<br />

Ökoinventare, Emissionsfaktoren, etc.) basieren entweder auf einzelnen Messungen<br />

149<br />

Siehe auch Abschnitt 5.3.3.<br />

150<br />

Siehe www.Ecoinvent.ch.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 79<br />

oder auf Mittelwerten aus mehreren Messungen unter ganz bestimmten Bedingungen.<br />

In der Realität sind die effektiven <strong>St</strong>offflüsse vieler Einzelprozesse und die Beziehungen<br />

zwischen verschiedenen Prozessen aber weder stetig, noch linear skalierbar, sondern<br />

bewegen sich innerhalb von Bandbreiten und können ab bestimmten, technisch,<br />

zeitlich, meteorologisch, ökonomisch, etc. Bedingten - sich allenfalls dynamisch<br />

verändernden - Schwellenwerten schwerwiegende Änderungen erfahren.<br />

Beispielsweise wird im Falle der Auslastung eines Prozesses (beispielsweise ein<br />

Kraftwerk, eine Papiermaschine, ein Kühllager, etc.) ab einem bestimmten Schwellenwert<br />

das Aufsetzen eines zweiten Prozesses für dieselbe Funktion benötigt und damit<br />

der Mittelwert pro produzierte Einheit massgeblich verändert.<br />

Es entspricht in der Ökobilanzierung der gängigen Praxis, auf der Basis eines einzelnen<br />

Messpunktes oder einiger gemittelter Messwerte einen Prozess als lineare Input-<br />

Output-blackbox darzustellen. Die reale Input-Output-Relation, resp. Funktion wird<br />

dabei in der Regel nicht erfasst. Diese Art der Modellierung entspricht der<br />

vorherrschenden Berechnungsmethode mittels Taschenrechner, resp. Programmen zur<br />

Tabellenkalkulation und liegt ebenfalls den meisten Ökobilanz-Software-Programmen<br />

zugrunde. 151 Die für die Abbildung von Prozessketten praktisch immer notwendigen<br />

Sekundärdaten können im Rahmen der Umrechnungen auf die Funktionelle Einheit<br />

ebenfalls nur linear skaliert werden. Arbeitet man in der Ökonomie häufig mit der<br />

Annahme steigender Grenzkosten, so könnte man sagen, Ökobilanzen unterstellen in<br />

der Regel, dass die Grenzkosten stabil den Durchschnittskosten entsprechen und damit<br />

beliebig linear skaliert werden können. Eine offensichtlich wenig realistische<br />

Unterstellung.<br />

Hinzu kommt der oftmals virtuelle Charakter der <strong>St</strong>andard-Ökoinventare: Diese werden<br />

über eine Vielzahl von unterschiedlichen -auch bezüglich ihres Auslastungsgrades oder<br />

anderer relevanter Kontexteigenschaften verschiedenen -Prozessen als generischer<br />

Mittelwert ausgewiesen. Dieser Wert bildet dann unter Umständen einen rein<br />

statistischen Zusammenhang zwischen Inputs und Outputs ab, der so in der Realität<br />

gar nicht vorkommt, sondern allein aufgrund der Mittelung technisch verschiedener<br />

Prozesse und sehr unterschiedlicher Zustände dieser Prozesse resultiert. Die Ökobilanzforschung<br />

hat die damit verbundenen Probleme an diversen Beispielen<br />

untersucht.<br />

Tatsächlich kann es dann vorkommen, dass sich die Bandbreiten der Input-Output-<br />

Indikatorwerte unterschiedlicher Technologien in der Realität überlappen: die<br />

modernste Verarbeitung von Frischfasern mit weitgehend geschlossenen Wasserkreisläufen<br />

und hohem energetischen Wirkungsgrad kann dann bezüglich bestimmter<br />

Emissionen deutlich vorteilhafter sein, als eine relativ veraltete Prozesskette zur<br />

Herstellung von Recyclingpapier, - wenngleich im (generischen) Mittel aller<br />

151<br />

Siehe Abschnitt 5.3.3.


80 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

untersuchten Fälle resultiert, dass Recyclingpapier einem Frischfaserpapier deutlich<br />

überlegen ist. 152<br />

Greifbar wurde desweiteren, dass die in weit verbreiteten <strong>St</strong>andard-Ökoinventar-<br />

Datenbanken enthaltenen Mittelwerte sehr unterschiedlich ausfallen können, wie die<br />

nachfolgende Abbildung deutlich macht:<br />

Abbildung 4.5: Vergleich von zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien<br />

<strong>St</strong>reuung des CBS-Wertes aus Abwässern von Zellstofffabriken und Vergleich mit den Mittelwerten aus<br />

zwei bekannten Ökobilanz-<strong>St</strong>udien 153<br />

Die Ökobilanzforschung ist sich der von uns als Linearisierung und Virtualisierung<br />

bezeichneten Aspekte schon seit Mitte der 80er Jahre durchaus bewusst. 154<br />

Festgestellte Bandbreiten von einem Faktor 20 für die Herstellung eines bestimmten<br />

Materials stellten das Projekt Ökobilanz natürlich massiv in Frage !<br />

Entsprechend wurde schon zu Beginn der 90er Jahre gefordert, Ökoinventar-Daten<br />

nach dem technologischen <strong>St</strong>and der Prozesse getrennt auszuweisen (beispielsweise<br />

charakterisiert durch die installierten Umwelttechniken) oder <strong>St</strong>andarddaten nur für die<br />

jeweils best available technology auszugeben. Desweiteren wurde empfohlen, die<br />

Bandbreiten möglicher Prozesszustände statistisch zu beschreiben (Min- und Max-<br />

Werte sowie die Verteilung – beispielsweise eine lognormal Verteilung); oder die<br />

Unsicherheit anhand verschiedener Kriterien verbal-argumentativ und ggf. mittels einer<br />

–analog zur Nutzwertanalyse subjektiven –Gewichtung in einer Masszahl zu erfassen<br />

152<br />

Siehe dazu beispielsweise einen Vergleich der Abwasserbelastung verschiedener Faser-Herstellprozesse<br />

in Umweltbundesamt, 1992, Anhang 19.<br />

153<br />

Darstellung aus Umweltbundesamt, 1992, Anhang 20.<br />

154<br />

Eine Zusammenstellung entsprechender Befunde, resp. Lösungsvorschläge findet sich bereits in<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 39 – 53.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 81<br />

und somit für die Interpretation der Ergebnisse verfügbar zu machen. Jedoch stösst die<br />

Beschreibung der Unsicherheiten auch auf methodische Grenzen: Bandbreiten lassen<br />

sich nur für die untersuchte <strong>St</strong>ichprobe von Prozessen angeben. Es bleibt also die<br />

Unsicherheit bezüglich aller nicht-untersuchten gleichartigen Prozesse, die sich nur<br />

statistisch angeben lässt.<br />

Heute ist eine technologische Charakterisierung der Prozesse (anhand der Technik und<br />

des Alters der Messung) in der Regel verfügbar, ebenso ein allgemeiner, qualitativer<br />

Hinweis auf die Datenqualität im Sinne einer ABC-Beurteilung (A=hohe Qualität, B=...).<br />

Eine statistische Beschreibung der Datenqualität von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren (Bandbreiten<br />

der <strong>St</strong>ichprobe sowie statistische Unsicherheit) hat sich jedoch angesichts des<br />

Aufwands, resp. der sich bei deren Bemessung stellenden methodischen Probleme<br />

noch nicht durchgesetzt. Auch hier markiert die bereits erwähnte Ecoinvent 2000<br />

Datenbank best practice.<br />

Abbildung 4.6: Kumulierte NO X-Emissionen eines Boilers<br />

Beispiel für die Quantifizierung der Unsicherheit von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren, wie sie erstmals im<br />

Rahmen der Ecoinvent 2000 Datenbank ausgewiesen werden Das Bild zeigt die <strong>St</strong>reuung der kumulierten<br />

NO X-Emissionen eines Boilers inklusive Bereitstellung des Energieträgers. 155<br />

Zum Umgang mit Nicht-Linearität von Prozessen wurde vorgeschlagen, die Prozesse<br />

realistischer zu modellieren, indem für jede Input-Output-Relation zwischen den<br />

Indikatoren entsprechende Formeln hinterlegt werden (stöchiometrische Gleichungen,<br />

nicht-lineare Gleichungen, von Schwellenwerten gesteuerte alternative Gleichungen<br />

mittels if-then-Abfragen, etc.). Dazu sind aber heute nur einzelne Ökobilanz-Software-<br />

155<br />

Darstellung aus Frischknecht, R.: Ecoinvent Database Methodology. Präsentation, Special LCA Forum<br />

ETH Lausanne, Dezember 2003, S. 21.


82 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Werkzeuge in der Lage. 156 Liegt ein solches mathematisches Modell der untersuchten<br />

Prozessketten vor, lassen sich verschiedenste Simulationen vornehmen, welche mittels<br />

linearer Input-Output-Relationen nicht abgebildet werden können. Es können beispielsweise<br />

Restriktionen wie die Einhaltung von Grenzwerten eingeführt und die Frage<br />

beantwortet werden, bis zu welcher Auslastung, resp. welcher Menge Funktioneller<br />

Einheiten ein Prozess gesetzeskonform betrieben werden kann. Die Modellierung der<br />

Prozesse kann also erheblich näher an die realen Verhältnisse angenähert werden.<br />

In der Praxis stellt dies jedoch wiederum hohe Anforderungen an die Datenverfügbarkeit<br />

und kann zumeist nur für die vom Ökobilanzierenden allenfalls selbst<br />

betriebenen Prozesse modelliert werden. Da die Prozessbeherrschung und damit deren<br />

genaue Beschreibung in der Industrie häufig unter wettbewerbskritische Betriebsgeheimnisse<br />

fallen, sind entsprechende Angaben in der Literatur oder den <strong>St</strong>andard-<br />

Ökoinventar-Datenbanken (parametrisierbare Ökoinventare) kaum verfügbar. Damit<br />

bleibt also in vielen Fällen nichts anderes übrig, als mit linearen Input-Output-blackboxes<br />

zu arbeiten.<br />

4.3.3.5 Fazit: Sachbilanzierung erfordert zahlreiche Konventionen<br />

Unsere <strong>St</strong>andortbestimmung zur Erfassung und Beschreibung der <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüsse einer Ökobilanz macht deutlich, dass dieser Arbeitsschritt im Verlaufe der<br />

letzten 20 Jahre erheblich an Komplexität gewonnen hat, resp. dass man sich der<br />

Komplexität einer wissenschaftlichen Beschreibung von Prozessen bewusst geworden<br />

ist.<br />

Mit der Verfügbarkeit von immer umfassenderen <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren kann zwar<br />

einerseits das Postulat einer ganzheitlichen, dass heisst am Lebenszyklus des zu<br />

betrachtenden System ausgerichteten Betrachtung zunehmend eingelöst werden.<br />

Diese Ausweitung der Perspektive geht jedoch mit einer Virtualisierung und<br />

Konventionalisierung des Informationsgehalts der zu verwendenden <strong>St</strong>offflussdaten<br />

einher. Umfang und Aggregationsniveau der Input- und Output-Indikatoren werden<br />

zentral durch einige wissenschaftliche Datenlieferanten standardisiert und gesteuert.<br />

Die bislang infolge mangelnder Datenverfügbarkeit unsichtbaren Prozesse werden<br />

anhand von statistischen Mittelwerten mit den durch die Anwendenden selbst<br />

erhobenen Mess- und Schätzwerten vermischt. Sie dominieren häufig die Sachbilanzergebnisse,<br />

haben aber kaum noch einen Kontextbezug, der für präzise ökologische<br />

Beurteilungen unabdingbar wäre. In der Folge können bei der späteren Wirkungsanalyse<br />

und Gewichtung Artefakte entstehen. Die auftretenden Verzerrungen führen<br />

dabei tendenziell eher zu einer Überschätzung der Umweltbelastung, da der worst case<br />

als rettende Grundannahme für die Anwendenden eine hohe Plausibilität aufweist.<br />

Die Ökobilanzforschung ist sich den identifizierten Problemfeldern durchaus bewusst<br />

und sie erscheint bestrebt Abhilfe zu schaffen, indem versucht wird, wieder einen –<br />

wenngleich noch rudimentären - Kontextbezug einzuführen und die Datenqualität<br />

156<br />

Beispielsweise Umberto mit dem Ansatz der Petrinetze (Siehe Abschnitt 5.3.1): www.umberto.de.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 83<br />

mittels qualitativer und statistischer Unsicherheitsangaben zu beschreiben. Sie beginnt<br />

damit, die eigenen, vor bald 10 Jahren aufgestellten Postulate zur Erstellung von<br />

Sachbilanz zunehmend zu erfüllen – soweit dies überhaupt möglich ist.<br />

Aus Sicht der Praxis muss jedoch vermerkt werden, dass für den Anwendenden –<br />

jenseits grosser Grundlagenforschungsprojekte -letztlich kaum die Möglichkeit besteht,<br />

die Postulate zur Sachbilanzierung selbstständig einzuhalten. Bezüglich der -meistens<br />

nur geringen Anzahl -selbst erhobener Prozessdaten wird die Datenqualität durch die<br />

Verfügbarkeit bestehender Messungen sowie den hohen Aufwand eigener Messungen,<br />

resp. die Komplexität der Beschreibung von Prozessen letztlich stark eingeschränkt.<br />

Damit wird deutlich, dass die Sachbilanzierung, resp. ihre Resultate einen hohen Grad<br />

an Abstraktion fernab von der realen Situation des zu untersuchenden Gegenstandes<br />

aufweisen. Anhand einer geringen Zahl durch die Anwendenden selbst erfasster<br />

Material-, resp. <strong>St</strong>offflüsse werden letztlich Modelle der Ökobilanzforschung skaliert.<br />

Diese Modelle basieren wiederum auf vielfältigen, durch die Forschenden getroffenen<br />

Annahmen und Konventionen. Sie sind damit geeignet die Ausrichtung der Lernprozesse<br />

der Anwendenden erheblich zu beeinflussen.<br />

4.3.4 Selektion und Modellierung von Wirkungsketten<br />

Neben der oben beschriebenen Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Behandlung<br />

besonders kritischer Operationen der Sachbilanzierung erfuhr in den 90er Jahren auch<br />

die systematische Beurteilung der <strong>St</strong>offbilanzen stark an Bedeutung.<br />

Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die Arbeiten der 70er und 80er Jahre nur in<br />

sehr rudimentären Ansätzen direkt Bezug auf konkrete Umweltveränderungen nahmen.<br />

Die (Output-seitige) Umweltbelastung wurde anhand der Emissionen, nicht anhand der<br />

von ihnen ausgehenden Umweltveränderungen beurteilt. Eine Datenverdichtung<br />

beschränkte sich allenfalls auf umweltmedienspezifische Kategorien wie Luft<br />

(-belastung), Wasser(-belastung) sowie Abfall (Deponieraumbedarf) und Rohstoff-,<br />

resp. Energieverbrauch.<br />

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse, resp. Modelle der Umweltforschung fanden<br />

zunächst nur indirekte Berücksichtigung über die Priorisierung via gesetzliche<br />

Grundlagen wie Umweltqualitätsziele, MIK- oder MAK-Werte. Transmissionsprozesse -<br />

also die zwischen Emission und Immission stattfindenden Abbau- und<br />

Umwandlungsprozesse -wurden ebenfalls nicht systematisch einbezogen, sondern nur<br />

–in seltenen Fällen -sehr pragmatisch und punktuell für einzelne <strong>St</strong>offe im Ansatz<br />

berücksichtigt. Wir haben diese Situation in Abschnitt 3.2.2 dargestellt. Sie muss vor<br />

dem Hintergrund gesehen werden, dass in den 70er Jahren die Umweltforschung selbst<br />

noch wenig entwickelt war und damit die Voraussetzungen für einen differenzierten und<br />

systematischen Einbezug von Umweltwirkungen in die Ökobilanzierung noch gar nicht<br />

gegeben waren. Unter dem Eindruck einer drohenden Ökologischen Katastrophe wurde<br />

sie als Überlebenswissenschaft seither jedoch erheblich ausgebaut und ihr Einfluss auf


84 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

die Definition gesellschaftlich wahrgenommener Umweltthemen stieg insbesondere ab<br />

Mitte der 80er Jahre deutlich an.<br />

Die klassischen Themen-Kategorien wie Ressourcenknappheit, Luftbelastung und<br />

Gewässerverschmutzung wurden nun auch in Öffentlichkeit und Politik differenzierter<br />

thematisiert und in verschiedene Phänomene wie Smog, Überdüngung, Versauerung,<br />

etc. unterteilt. Die sich einer unmittelbaren Erfahrbarkeit entziehenden, globalen<br />

Umweltveränderungen – Abbau der Ozonschicht, Treibhauseffekt, Verlust an Artenvielfalt<br />

–gewannen an wissenschaftlicher Fundierung und gesellschaftlicher Beachtung.<br />

Das Phänomen Umweltbelastung wurde immer mehr zu einem vorwiegend auf<br />

Emissionen, resp. Immissionen bezogenen Thema. Die drohende Rohstoffverknappung<br />

wurde hingegen hauptsächlich auf Energieknappheit reduziert.<br />

Diese Entwicklung prägte schliesslich auch die Differenzierung des Impact Assessment<br />

von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen. Die Frage einer systematisierten ökologischen<br />

Priorisierung wurde damit immer drängender, und die Validität als auch<br />

Operationalisierbarkeit einer subjektiven, verbal-argumentativen Beurteilung angesichts<br />

der zunehmenden Komplexität grundsätzlich in Frage gestellt. 157 Dazu trug neben den<br />

immer vielfältigeren und verwissenschaftlichten Umweltthemen auch das enorm<br />

gestiegene Auflösungsvermögen der Sachbilanzierung wesentlich bei: Konzepte der<br />

subjektiven ABC-Beurteilung oder Nutzwertanalyse verlieren mit zunehmender Anzahl<br />

Indikatoren –insbesondere jenseits von 10 -20 Indikatoren pro Umweltmedium -ihre<br />

Praktikabilität, weil die Beurteilenden überfordert werden, resp. ihr Mangel an umweltwissenschaftlicher<br />

Sachkenntnis offengelegt wird.<br />

Erste Ansätze in Richtung Formalisierung der Erfassung von Wirkungsaspekten im<br />

Rahmen der Ökobilanzierung wurden mit Bezug zur Risikoanalyse von Chemikalien<br />

entwickelt: In der Literatur wird dazu das Beispiel der vom Batelle Institut 1978<br />

publizierten Methodik zur Beurteilung organischer Substanzen als Pionierleistung<br />

gewürdigt: 158 Die <strong>St</strong>offe wurden anhand von 5 Kriterien und naturwissenschaftlichexperimentell<br />

fundierter Daten beurteilt und dann gewichtet zu einem Gefährdungspotential<br />

aggregiert. Die Kriterien waren: Menge, Persistenz (Abbaubarkeit anhand der<br />

Halbwertszeit des <strong>St</strong>offes), Mobilität (normiert auf den Wasser-Verteilungskoeffizient<br />

von n-octanol) und Schadwirkung (MAK Maximale Arbeitsplatzkonzentration 159 ). Als<br />

fünftes Kriterium wurden auch „indirekte Schadwirkungen“ wie Kanzerogenität,<br />

Ozonabbau und Treibhauseffekt anhand einer simplen Ja/Nein-Klassifizierung<br />

mitberücksichtigt.<br />

157<br />

Siehe Enquête Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages<br />

(Hrsg.): Die Industriegesellschaft gestalten, Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit <strong>St</strong>off- und<br />

Materialströmen, Economica, Bonn, 1994, S. 676.<br />

158<br />

Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1994, S. 102.<br />

159<br />

Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen =Bemessen auf Arbeitsnehmer durchschnittlicher Konstitution<br />

und im Rahmen der normalen Arbeitszeit. Nicht vergleichbar mit den auf Risikogruppen (Kindern,<br />

Personen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder besonderer Anfälligkeit) und eine andauernde<br />

Exposition bemessenen MIK-Werten.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 85<br />

Ende der 80er Jahre setzte sich dann zur Risikobeurteilung von Chemikalien<br />

zunehmend durch, die Schadwirkung nicht mehr anhand der politischen MAK-Werte,<br />

sondern durch direkten Einbezug der toxikologischen Charakterisierung von <strong>St</strong>offen zu<br />

bestimmen, indem sogenannte Toxizitätsäquivalente zur Beurteilung eingesetzt wurden.<br />

In der Ökobilanzforschung waren dazu die Arbeiten von Gebler wegweisend. 160 Er<br />

berechnete solche Charakterisierungsfaktoren auf der Basis von -über verschiedene<br />

Organismen gemittelten -, stoff-spezifischen Schwellenwerten für Kanzerogenität,<br />

Mutagenität und Toxizität sowie unter Einbezug der Bioakkumulation (Anreicherung von<br />

<strong>St</strong>offen in den Organismen) und der Persistenz.<br />

Damit fanden (umwelt-)naturwissenschaftliche Konzepte und Daten erst gegen Ende<br />

der 80er Jahre wirklich -sprich systematisch -Eingang in die Ökobilanzierung. Zuvor<br />

bestand das Konzept im Kern lediglich aus einer ingenieurwissenschaftlichen<br />

Beschreibung von <strong>St</strong>offflüssen und Beurteilungsmethoden, welche verschiedene Wertmassstäbe<br />

repräsentierten. Diese Wertmassstäbe wurden zwar verschiedentlich naturwissenschaftlich<br />

begründet, bildeten jedoch nicht Teil der Modellierung von Ökobilanzen,<br />

sondern stellten exogene, also über Annahmen eingeführte Referenzwerte,<br />

resp. Bewertungsprinzipien dar.<br />

Die Ökobilanzforschung der 90er Jahre ging nun dazu über diese naturwissenschaftlich<br />

modellierbaren Umweltveränderungen und deren Schadwirkung von der ökonomisch<br />

oder sozialwissenschaftlich bestimmten Gewichtung klar zu trennen und unter dem Titel<br />

der Wirkungsanalyse zu operationalisieren. Es entstanden eine ganze Reihe neuer<br />

Begrifflichkeiten und Arbeitsschritte:<br />

1. Selektion: Welche Wirkungskategorien sind zu berücksichtigen<br />

2. Klassifizierung: Zuordnung der Substanzen zu den Wirkungskategorien<br />

3. Charakterisierung: Quantifizierung des Beitrags des Untersuchungsgegenstandes<br />

zu den ausgewählten Wirkungskategorien<br />

Für die praktische Ökobilanzierung spielen die Arbeitsschritte Klassifizierung und<br />

Charakterisierung als einzelne Operationen keine Rolle. Sie werden an die Forschung<br />

delegiert. Dort werden sie zwingend als -zweistufige –Einheit ausgeführt. Eine isolierte<br />

Betrachtung macht für unsere Untersuchung deshalb wenig Sinn. Wir fassen diese<br />

beiden Schritte deshalb unter dem Begriff Modellierung von Wirkungsketten<br />

zusammen.<br />

Sowohl die Selektion von Wirkungen als auch die Modellierung von Wirkungsketten<br />

stellen kritische Arbeitsschritte dar und haben wesentlichen Einfluss auf das Resultat,<br />

deren Realitätsbezug und damit auf die durch Ökobilanzen angestossenen<br />

Lernprozesse.<br />

160<br />

Gebler, W.: Ökobilanzen in der Abfallwirtschaft. Methodische Ansätze zur Durchführung einer<br />

Programm-Umweltverträglichkeitprüfung, <strong>St</strong>uttgarter Berichte zur Abfallwirtschaft Band 41, 1990.


86 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

4.3.4.1 Selektion von Wirkungskategorien<br />

Als Wirkungskategorien kommen verschiedenste, als problematisch empfundene,<br />

zumeist durch verschiedene Substanzen ausgelöste Phänomene in Frage. „Die Liste<br />

der zu betrachtenden Wirkungen sollte dabei einerseits kompakt mit einer möglichst<br />

geringen Zahl an Wirkungen ausgestaltet sein, um die wesentliche Aufgabe der<br />

Wirkungsbilanz –die Schaffung von Voraussetzungen für eine auch öffentlich nachvollziehbare<br />

Bilanzbewertung –zu erfüllen. Andererseits sollte sie möglichst vollständig<br />

sein, um die in der Umweltschutzdiskussion allgemein anerkannten Zielsetzungen zu<br />

erfüllen.“ 161<br />

Einen Meilenstein stellten hierzu die Arbeiten des niederländischen Zentrums für<br />

Umweltwissenschaften in Leiden (CML) dar, deren Forscher bereits innerhalb der<br />

SETAC bei der Formulierung des Rahmenkonzepts der Ökobilanzierung im Rahmen<br />

des Code of Practice massgeblich beteiligt waren. Der 1992 unter der Leitung von<br />

Heijungs publizierte Leitfaden 162 und die dazu erarbeiteten Datengrundlagen aus<br />

Modellen zur Klassifizierung und Charakterisierung prägten Diskussion und Anwendung<br />

weltweit. Erstmals war es möglich, die Bedeutung einer Vielzahl von Inputs und Outputs<br />

im Hinblick auf verschiedene Wirkungen numerisch zu quantifizieren. Konkret umfasste<br />

die Methode folgende 15 Wirkungskategorien:<br />

– Erschöpfung abiotischer Ressourcen<br />

– Erschöpfung biotischer Ressourcen<br />

– Landbeanspruchung<br />

– Treibhauseffekt<br />

– Ozonabbau (in der <strong>St</strong>ratosphäre)<br />

– Humantoxizität<br />

– Aquatische Ökotoxizität<br />

– Terrestrische Ökotoxizität<br />

– Bildung von Photooxidantien<br />

– Versauerung<br />

– Überdüngung (Eutrophierung)<br />

– Abwärme in Oberflächengewässer<br />

– Geruchsbelästigung<br />

– Lärm<br />

– Opfer (Tote und Kranke)<br />

161<br />

Klöpffer/Renner, 1995, S. 17.<br />

162<br />

Heijungs, R., et.al.: Environmental Life Cycle Assessment of Products, Guideline and Backgrounds,<br />

CML, Leiden, 1992.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 87<br />

In der Folge haben sich verschiedene Institutionen mit ähnlichen Vorschlägen<br />

eingebracht und Listen von Wirkungskategorien diskutiert, die grundsätzlich in Frage<br />

kommen. 163 Damit wurde der Rahmen absteckt, was innerhalb der Ökobilanzforschung<br />

als ökologisch relevant, wissenschaftlich fassbar -und mit Blick auf die weitläufigen<br />

Prozessketten, resp. die umfangreichen Sachbilanz - als passend erachtet wurde.<br />

Heute sind hier die nach wie vor wesentlich durch Forschende aus Leiden geprägten<br />

Arbeiten der SETAC 164 ,resp. der Life Cycle Initiative des United Nations Environmental<br />

Programs (UNEP) 165 massgeblich.<br />

Ein Vergleich von CML 1992 und aktuellen Vorschlägen offenbart, dass ein Grossteil<br />

der damals postulierten Wirkungskategorien auch heute noch als relevant erachtet wird.<br />

Allerdings haben sich <strong>St</strong>ruktur und Detaillierungsgrad erheblich verändert, wie wir bei<br />

der Frage der Modellierung noch sehen werden. Grundsätzlich neuartige Kategorien<br />

werden erst seit kurzem diskutiert: hier sind einerseits Wirkungen zu nennen, welche<br />

aus Sicht des hochindustrialisierten Nordens bislang nicht Gegenstand der Umweltdiskussion<br />

waren, jedoch in Ländern der südlichen Hemisphäre und in Asien als<br />

relevant eingestuft werden: Versalzung, Vertrocknung, Wüstenbildung, Bodenerosion.<br />

Anderseits sind technologiespezifische Wirkungskategorien vorgeschlagen worden:<br />

Effekte ionisierender <strong>St</strong>rahlung oder Wirkungen gentechnisch veränderter Organismen<br />

oder invasiver (durch den Menschen in ein Ökosystem eingebrachter Arten) auf Ökosysteme<br />

und den Menschen (beispielsweise pathogene Organismen).<br />

Weitere Kategorien in Diskussion sind Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder generell<br />

dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen. 166<br />

Gegen Ende der 90er Jahre ist hingegen die Wirkungskategorie Abfall 167 , resp. der<br />

Bedarf an Deponievolumen weitgehend aus den Listen relevanter Wirkungen<br />

verschwunden.<br />

Im konkreten Anwendungsfall einer Ökobilanzierung dienen diese Listen als<br />

Ausgangspunkt. Die wissenschaftliche Rationalisierung durch Wirkungsmodelle<br />

erfordert also zunächst einen willkürlichen, wenig formalisierten aber kritischen<br />

Arbeitsschritt: die Selektion von Wirkungen. Bislang haben sich dazu sehr allgemein<br />

formulierte Kriterien entwickelt, wie auch der ISO14042 entnommen werden kann: Die<br />

Wirkungskategorien sollen im Hinblick auf die spezifische Fragestellung einer Ökobilanzierung<br />

„zielführend“, „wissenschaftlich fundiert“ und „ökologisch relevant“ sein. Sie<br />

sollen mit den effektiv durch den Untersuchungsgegenstand verursachten Wirkungen<br />

163<br />

Siehe Consoli, 1993 sowie Klöpffer/Renner, 1995 oder Lindfors, L.G., et.al: Impact Assessment. LCA-<br />

NORDIC Technical Report Nr.10, Nordic Council of Ministers, Copenhagen, 1996.<br />

164<br />

De Haes, U. et.al.: Life Cycle Impact Assessment – <strong>St</strong>riving for Best Practice, SETAC, 2002.<br />

165<br />

UNEP Life Cycle Initiative: LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II, January 2003.<br />

166<br />

Klöpffer, W., Renner, I.: The Problem of New Impact Categories, in: UNEP Life Cycle Initiative: LCIA<br />

Definition <strong>St</strong>udy, Background Document II, January 2003, ohne Seitenangaben.<br />

167<br />

Sundmacher, 2002, S. 173.


88 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

übereinstimmen und Überschneidungen zwischen den gewählten Kategorien sind zu<br />

vermeiden.<br />

De facto konnten sich diese Postulate jedoch nur sehr beschränkt durchsetzen: schon<br />

die von verschiedenen Forschenden und Behörden erarbeiteten Auswahllisten wurden<br />

den Kriterien von ISO14042 nicht gerecht: Die bekannten Vorschläge verstiessen alle<br />

gegen das Postulat der Vermeidung von Überschneidungen zwischen den Kategorien.<br />

Neben Human- und Ökotoxizität führten sie in der Regel auch Versauerung, Überdüngung<br />

und Photooxidantien nebeneinander auf, obwohl diese Kategorien Umweltveränderungen<br />

darstellen, welche mittelbar zur Human- resp. Ökotoxizität beitragen.<br />

Nicht konsistent waren die Listen auch insofern, als dass sie vereinzelt Sachbilanz-<br />

Indikatoren –Energieverbrauch oder Abfall –enthielten, wenngleich diese <strong>St</strong>offflüsse<br />

im Rahmen der Sachbilanz sowie anhand von Wirkungen anderer Kategorien<br />

abgedeckt wurden. Emissionen aus der Abfallentsorgung beispielsweise über<br />

Ökotoxizität, Versauerung, Überdüngung, etc..<br />

Im Kontrast zum Postulat einer entscheidungsspezifischen Selektion standen zudem<br />

die verschiedentlich unternommenen Versuche, einen Konsens über den minimalen<br />

Umfang an Wirkungsindikatoren, die immer einbezogen werden sollten, herbeizuführen.<br />

Man sprach in solchen Fällen dann von „Pflicht- und Kür-Kategorien“. 168 Wurden diese<br />

Listen durch einflussreiche Institutionen wie dem Deutschen Umweltbundesamt<br />

publiziert, so führten sie aufgrund ihrer Autorität zur Selektion bei den Anwendenden.<br />

Aus Sicht der Praxis stellte wiederum die Datenverfügbarkeit das zentrale Selektionskriterium<br />

dar: denn die Modellierung einzelner Wirkungen ist sehr aufwendig und<br />

erfordert sehr spezifisches Umweltwissen. <strong>St</strong>eht für eine als relevant erachtete Wirkung<br />

jedoch kein Modell zur Verfügung, so muss auf deren Einbezug in der Regel verzichtet,<br />

resp. auf eine qualitative Beurteilung abgestellt werden. Ebenfalls selektierend wirkt die<br />

vermeintliche Plausibilität von Wirkungen: so werden Themen von nationaler, resp.<br />

internationaler umweltpolitischer Relevanz unabhängig von der Angemessenheit<br />

bezüglich der spezifischen Fragestellung, resp. ihrer allenfalls stark an einen regionalen<br />

Kontext gebundenen Wirkung ausgewählt. Gerade die stark von der bereits<br />

bestehenden, sogenannten Hintergrundbelastung sowie anderen lokalen Faktoren<br />

abhängigen Kategorien Versauerung, Überdüngung sowie Photooxidation wurden und<br />

werden häufig zur Beurteilung von kontext-unspezifischen Emissionen herangezogen.<br />

Hingegen lässt sich feststellen, dass die Anwendenden diejenigen Wirkungen kaum<br />

einbezogen haben, deren Kontextbezug auch für Laien leicht erkennbar und deren<br />

politische Diskussion zudem eher kontextspezifisch erfolgt: Dies betrifft aus der Liste<br />

von CML die Kategorien Geruchsbelastung, Lärm, Abwärme, Arbeitsplatzbelastung<br />

sowie Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen,<br />

dass dazu bereits spezifische, auf lokale Problemfelder spezialisierte Beurteilungsinstrumente<br />

wie die Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Risikoanalyse ausserhalb<br />

der Ökobilanzierung zur Verfügung stehen.<br />

168<br />

Siehe Klöpffer/Renner, 1995, S. 63 – 70.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 89<br />

Die zwar im Hinblick auf Biodiversität- und Habitatschutz allgemein anerkannte Landbeanspruchung<br />

konnte sich ebenfalls lange Zeit nicht durchsetzen –denn in der Sachbilanzierung<br />

fehlten bis Ende der 90er Jahre entsprechende Daten. Im Zuge der<br />

gestiegenen Datenverfügbarkeit wird diese Kategorie heute jedoch vereinzelt miteinbezogen<br />

und bei der Beurteilung von landwirtschaftlichen Prozessen, resp. Rohstoffen<br />

als Pflichtkriterium betrachtet.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass Datenverfügbarkeit, wissenschaftliche<br />

Fundierung, politische Autorität der verfügbaren Modelle sowie deren vordergründige<br />

Plausibilität, resp. deren vordergründig erkennbarer Kontextbezug die Selektion<br />

prägten.<br />

Dies führt uns zur zweiten kritischen Operation der Wirkungsanalyse: der Modellierung<br />

von Wirkungsketten.<br />

4.3.4.2 Modellierung von Wirkungsketten<br />

Die Modellierung der Wirkungen im Rahmen von Ökobilanzen erhebt nicht den<br />

Anspruch reale Umweltwirkungen abzubilden: „It must be emphasized, that these<br />

methods of analysis do not indicate that actual impacts will be observed in the<br />

environment because of the life cycle of the product or process under study, but only<br />

that there is apotential linkage (...).“ 169 Der Wirkungsanalyse liegt das Konzept des<br />

<strong>St</strong>ressors zugrunde: <strong>St</strong>ressoren sind Bedingungen, die zur Beeinträchtigung der<br />

menschlichen Gesundheit, der Gesundheit von Ökosystemen oder zur Erschöpfung von<br />

Ressourcen führen können. 170<br />

Schon zu Beginn der 90er Jahre war man sich bewusst, dass eine solche Übersetzung<br />

von Emissionen in potentielle Beeinträchtigungen über komplexe Wirkungsketten<br />

erfolgt. Es wurden bezüglich verschiedener Umweltphänomene verschiedene <strong>St</strong>ufen<br />

von Wirkungen unterschieden: Im Falle des Treibhauseffekts beispielsweise die<br />

Veränderung der <strong>St</strong>rahlungsabsorption der Atmosphäre, der Temperatur, der<br />

Vegetation, der Artenvielfalt, der Gesundheit eines Ökosystems, etc.<br />

Je weiter man sich von einer spezifischen Emission entlang der Wirkungskette bewegt,<br />

desto komplexer wird das Wirkungsgefüge, da eine Vielzahl von Wirkungen<br />

angestossen werden und sich die Wirkungskette mehrfach verzweigen kann.<br />

Entsprechend wird eine Quantifizierung des potentiellen Beitrags einer bestimmten<br />

Emission immer schwieriger, resp. wissenschaftlich immer weniger gesichert quantifizierbar.<br />

Wie schon bei der Problematik der Systemabgrenzung zur Beschreibung des<br />

Untersuchungsgegenstands sieht sich die Ökobilanzierung auch bei der Beurteilung<br />

Umweltwirkungen letztlich wieder mit einem unendlich komplexen System konfrontiert.<br />

Besteht diese Problematik bei der Sachbilanzierung bezüglich der Vernetzung der<br />

169<br />

Hejiung, R., Guineé, J.: CML on actual versus potential risks, in: LCA News, SETAC Europe, Nr. 3, July<br />

1993, S. 4.<br />

170<br />

Klöpffer/Renner, 1995, S. 24.


90 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Prozesse der Technosphäre, stellt sie sich bei der Wirkungsanalyse bezüglich der<br />

Vernetzung der Prozesse der Ökosphäre.<br />

Abbildung 4.7: Wirkungskette Versauerung<br />

Aufbau einer Wirkungskette am Beispiel der Wirkungskategorie Versauerung. Die Bildung von Wasserstoffionen<br />

stellt hier den Umweltveränderungsindikator dar, der Schaden wird anhand des<br />

Schadensindikators PDF beschrieben. (Potentially Disappeared Fraction of Species; ein Wert von 1<br />

bedeutet, dass alle Arten von der Fläche 1m 2 für die Dauer eines Jahres verschwinden oder dass 10% der<br />

Arten während 10 Jahren verschwinden oder dass 10% der Arten während eines Jahres von 10m 2<br />

verschwinden 171 ) 172<br />

Um angesichts dieser hohen Komplexität dennoch Zusammenhänge erfassen und einer<br />

formalen Modellierung zuführen zu können, begann die Ökobilanzforschung die<br />

Wirkungsketten der in den verschiedenen Listen vorgeschlagenen Umweltveränderungen<br />

systematisch zu strukturieren, Wirkungsstufen zu entflechten, und die<br />

Umweltveränderungen von den durch sie verursachten Schäden zu trennen. Dementsprechend<br />

unterscheidet man heute bewusst zwischen den Schutzobjekten (saveguard<br />

subjects 173 ) - auch areas of protection 174 genannt -, den zugehörigen Schadens-<br />

171<br />

Goedkoop, M., Spriensma, R.: The Eco-indicator 99 –Adamage oriented method for Life Cycle Impact<br />

Assessment, Methodology Report, Second Edition, April 2000, S. 116.<br />

172<br />

Leicht veränderte Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 161.<br />

173<br />

Dieser Begriff wird in der ISO 14040 Normreihe zur Ökobilanzierung verwendet.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 91<br />

kategorien (endpoints), charakterisiert anhand von Schadensindikatoren (endpoint<br />

indicators) und Umweltveränderungskategorien (midpoints), operationalisiert durch<br />

Umweltveränderungsindikatoren (midpoint indicators).<br />

4.3.4.3 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Emissionen<br />

Wenngleich schon zu Beginn der 90e Jahre von Schutzobjekten gesprochen wurde, so<br />

erfolgte die wissenschaftliche Aufarbeitung der Wirkungsketten zunächst ausgehend<br />

von den Emissionen entlang der Wirkungskette zu verschiedenen in den oben<br />

erwähnten Listen als besonders relevant erachteten Wirkungskategorien auf Ebene<br />

Umweltveränderungen, welche am Anfang erheblich komplexerer Wirkungszusammenhänge<br />

stehen. Sie liessen sich zumeist anhand von experimentell bestimmbaren<br />

<strong>St</strong>offeigenschaften beschreiben: Versauerung anhand der Protonenbildung und<br />

normiert über das gewichtsbezogene Protonenbildungspotential von SO2 (Indikator:<br />

Acidification Potential in kg SO2-Equivalent) oder anthropogener Treibhauseffekt mittels<br />

der stoffbezogenen <strong>St</strong>rahlungsabsorptionsfähigkeit, zeitlich abgegrenzt unter Einbezug<br />

der Verweil-, resp. Wirkungsdauer normiert auf die Leitsubstanz Kohlendioxid<br />

(Indikator: Global Warming Potential, Modell 100 Jahre, in kg CO 2 -Equivalent).<br />

Die entsprechende Wirkungsbilanzierung kannte keine Schäden an Schutzobjekten,<br />

resp. entsprechende Schadenskategorien. Sie berücksichtigte zudem nur Persistenz,<br />

resp. Verweildauer von <strong>St</strong>offen sowie ganz einfache Transmisionsprozesse. Im<br />

Verlaufe der 90er Jahre wurden diese vorwiegend im Labor bestimmbaren Parameter<br />

der <strong>St</strong>offeigenschaften für verschiedene Wirkungsketten mit Transmissions- und<br />

Aufnahmemodellen verknüpft: Zur Operationalisierung der Wirkungskategorien Humanund<br />

Ökotoxizität sind heute solche Modelle meistens Bestandteil der Wirkungsanalyse.<br />

Vereinzelt sind mittlerweile auch Modellierungen für Versauerung unter Einbezug der<br />

Hintergrundbelastung, resp. Pufferkapazität von Böden und Gewässern im Einsatz 175 .<br />

Diese Wirkungsmodelle bilden Verteil-, Abbau- und Umwandlungsprozesse in den<br />

einzelnen Umweltmedien ab, indem die Mobilitäts-, Persistenz-, Akkumulations- und<br />

Reaktionseigenschaften bestimmter Leitsubstanzen mit Daten zur Beschreibung der<br />

Eigenschaften der jeweiligen Umweltmedien (Wind- und Fliessgeschwindigkeiten, Luftfeuchtigkeit,<br />

<strong>St</strong>rahlungsintensität, etc.) kombiniert werden. Zu diesem fate modelling<br />

kommen exposure models hinzu. Sie beschreiben die Aufnahmewege von <strong>St</strong>offen<br />

durch Pflanzen, Tiere und schliesslich Menschen.<br />

174<br />

Dieser Begriff wird in den Arbeiten der UNEP Life Cycle Initiative verwendet.<br />

175<br />

Potting, J., Hauschild, M.: Spatial Differentiation in Life Cycle Assessment via the site-dependent<br />

Characterisation of Environmental Impact from Emission, in: Intern. Journal of LCA, Nr. 4, 1997, S.<br />

209-216.


92 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Modelle stammen ursprünglich aus der Risikoanalyse für Chemikalien 176 und es<br />

existieren verschiedene Varianten, die jeweils im Hinblick auf spezifische Fragestellungen<br />

entwickelt wurden. 177 Angefangen von Modellen zur Beschreibung eines<br />

ganz bestimmten geografischen Raums, beispielsweise eines spezifischen Flussdeltas,<br />

einer <strong>St</strong>adt oder einer länderübergreifenden Region bis hin zu Globalmodellen 178 ohne<br />

räumliche Auflösung.<br />

Entsprechend unterschiedlich sind die damit untersuchten Fragestellungen: angefangen<br />

bei den Auswirkungen des Baus einer Fabrik über die Erfassung grenzüberschreitender<br />

Schadstofffrachten bis hin zu sehr generellen Abschätzungen der Masseverteilung von<br />

Substanzen auf die Umweltmedien oder der potentiellen Anreicherung von <strong>St</strong>offen in<br />

der Nahrungskette.<br />

Für die Berechnung von Grundlagendaten zur Wirkungsanalyse in Ökobilanzen finden<br />

vorwiegend die sehr abstrakten, in der Regel nicht räumlich-geografisch differenzierten<br />

Modelle Anwendung. Infolge der hohen Komplexität in diesem Forschungsbereich,<br />

befassen sich nur wenige, hochspezialisierte Forschungsgruppen mit der Modellierung<br />

und Berechnung entsprechender Grundlagendaten 179 ,wobei die Arbeiten von CML 180<br />

anhand des USES-Modells in der Literatur am häufigsten genannt werden. In jüngerer<br />

Vergangenheit finden zudem auch die Arbeiten der EPFL Lausanne 181 sowie der<br />

Technischen Universität Dänemark 182 innerhalb der Ökobilanzforschung Anerkennung.<br />

Im Vordergrund steht die Ermittlung von Verteilungskoeffizienten, resp. Konzentrationen<br />

verschiedener Gruppen von Chemikalien in sehr allgemein modellierten Umweltkompartimenten<br />

(Boden, <strong>St</strong>ratosphäre, Troposphäre, Oberflächengewässer, Grundwasser,<br />

Ozeane) und darauf aufbauend die Abschätzung der Aufnahmekoeffizienten<br />

durch Lebewesen.<br />

176<br />

Mackay, D. et.al.: Evaluating the Environmental Behaviour of Chemicals with a Level III Fugacity<br />

Model, in: Chemosphere, Nr. 14, 1985, S. 335. (Literaturverzeichnis: 335 – 374.)<br />

177<br />

Einen Überblick bietet. Pennington, D. et.al: Construction of aChemical Fate &Human Exposure<br />

Model of Toxic Substances for Japan, Final Report, EPFL, 2001, Abschnitt 2.2 Multimedia Models –<br />

Background, ohne Seitenangaben<br />

178<br />

Siehe Mackay, D.: Multimedia Environmental Models: The Fugacity Approach. Lewis Publishers, Boca<br />

Raton, 1991.<br />

179<br />

Jolliet, O., Pennington, D.: Ecotoxicity, Description and <strong>St</strong>ate of the Art, in: UNEP Life Cycle Initiative,<br />

LCA Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, Background Document III, 2003, S. 17<br />

180<br />

Siehe Guinée, J., et. al. :LCA Impact Assessment of Toxic Releases: Generic modelling of fate,<br />

exposure and effect for ecosystems and human beeings for about 100 chemicals, Centre of<br />

Environmental Science, Leiden, National Institute of Public Health and Environmental Protection,<br />

Netherlands, 1996.<br />

181<br />

Siehe Jolliet, O., et.al.: IMPACT 2002+, ANew Life Cycle Impact Assessment Methodology, in: Int.<br />

Journal of LCA, Nr. 8, 2003, S. 324 – 330.<br />

182<br />

Hauschild, M., Wenzel, H.: Environmental Assessment of Products. Volume 2: Scientific Background,<br />

Chapman & Hall, London, 1998.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 93<br />

Resultate wurden zunächst als Umweltveränderungsindikatoren in Form von auf<br />

bestimmte Leitsubstanzen normierten Toxizitätspotentialen (beispielsweise als kg 1,4-<br />

Dichlorobenzene-Equivalent) für einige Hundert Substanzen ausgedrückt. Diese<br />

werden differenziert nach Umweltmedien ausgewiesen, womit entsprechende Datenbanken<br />

einen Umfang in der Grössenordnung von 1'000 Indikatoren aufweisen. 183<br />

Mittlerweile werden die Expositions-Daten von einigen Forschergruppen in einem<br />

weiteren Schritt mit den experimentell gewonnenen Dosis-Wirkungs-Funktionen aus der<br />

Toxikologie, resp. Pharmakologie kombiniert und als Schadensindikatoren anhand ihres<br />

Schadenspotentials charakterisiert. Damit wird die von der Wirkungsanalyse letztlich<br />

angestrebte Modellierung einer Wirkungskette von der Emission bis zur Gefährdung<br />

eines bestimmten Schutzobjekts realisiert.<br />

Abbildung 4.8: Komplexität ökologischer Prozesse<br />

Die hohe Komplexität ökologischer Prozesse stellt die Modellierung von Wirkungsketten vor eine Reihe<br />

von Herausforderungen 184 .<br />

Diese Verbindung kann nur über extreme Vereinfachungen in der Modellierung und<br />

unter Inkaufnahme grosser Unsicherheiten vorgenommen werden. Das wird deutlich,<br />

wenn man sich vor Augen hält, dass die Modellierung in der Regel ohne räumlich-<br />

183<br />

Beispielsweise bei den durch CML publizierten Resultaten aus Hujibregts, M.: Priorities Assessment of<br />

Toxic Substances in the Framework of LCA: Development and Application of multi-media fate,<br />

exposure and effect model USES-LCA, University of Amsterdam, 1999.<br />

184<br />

Darstellung aus Sundmacher, 2002, S. 174.


94 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

geografisch differenzierte Parameter auskommen muss. Entsprechend wir unterstellt,<br />

dass sich alle <strong>St</strong>offe innerhalb des Umweltmediums gleichmässig verteilen, dass überall<br />

dieselben meteorologischen Verhältnisse herrschen, dass die Aufnahme der <strong>St</strong>offe<br />

durch alle Menschen gleich und gleich verteilt erfolgt, und dass die Dosis-<br />

Wirkungsbeziehungen ebenfalls äusserst vereinfachend anhand von Norm-Organismen<br />

und unterstellten, idealtypischen Kurvenverläufen modelliert werden. Zudem müssen<br />

die modellierten Modelle zeitlich abgegrenzt werden, da die Verteilungs- und<br />

Umwandlungsprozesse grundsätzlich nie abgeschlossen sind.<br />

Sundmacher stellt in seiner anschaulichen Abbildung einige der Herausforderungen an<br />

die Modellierung übersichtlich dar.<br />

In allen genannten Bereichen wurden in den letzten Jahren Fortschritte im Sinne eines<br />

prinzipiellen Einbezugs in die Modellierung erreicht. Dennoch: Für einzelne Substanzen<br />

wurde verschiedentlich gezeigt, dass die für spezifischere Fragestellungen, <strong>St</strong>offe und<br />

Kontexte geschaffenen Modelle in vielen Fällen zu sehr unterschiedlichen Resultaten<br />

führen. Selbst Vergleiche der Resultate verschiedener Global-Modelle zeigen bezüglich<br />

zahlreicher Substanzen Abweichungen um einige Grössenordnungen. 185<br />

Eine abschliessende Beurteilung der Qualität der Modelle ist insbesondere im Falle von<br />

auf Schadensindikatoren bezogenen Wirkungsketten enorm schwierig. Erste<br />

statistische Unsicherheitsanalysen zeigen eine hohe Unsicherheit von Resultaten<br />

aufgrund der statistischen Unsicherheit der verwendeten Dosis-Wirkungsbeziehungen.<br />

186 Jedoch wurden diese Analysen bislang erst für die Wirkungsketten von<br />

ozonschichtzerstörenden <strong>St</strong>offen in Bezug auf Todesfälle infolge Hautkrebs<br />

unternommen. Dabei spielen die Unsicherheiten bei der Modellierung komplexer Transmissionsprozesse,<br />

wie sie für toxische <strong>St</strong>offe von besonderer Relevanz sind, kaum eine<br />

Rolle.<br />

Einen Hinweis auf die Qualität der Transmissionsmodelle unter Ausklammerung der<br />

Schadensmodellierung, kann zumindest anhand des Vergleichs von realen Emissionen<br />

und gemessenen Konzentrationen näherungsweise abgeschätzt werden (verzerrt durch<br />

Messbedingungen und Hintergrundbelastungen). Doch auch hier zeigen sich grosse<br />

Abweichungen zwischen den gemessenen Konzentrationswerten und den<br />

entsprechenden Schätzungen der Modelle.<br />

Hinzu kommt, dass die heutigen Modelle für Toxizität nur rund 350 Substanzen –<br />

vorwiegend Pestizide, VOC sowie Schwermetalle abdecken. Angesichts der über<br />

100'000 industriell genutzten Chemikalien sowie der (in der EU) rund 30'000 mit einem<br />

Jahresvolumen von über einer Tonne genutzten Chemikalien ein sehr geringer<br />

Ausschnitt der Realität. Tatsächlich bestehen zu den meisten dieser Chemikalien nicht<br />

einmal die zur Charakterisierung innerhalb der Wirkungsanalyse benötigten,<br />

185<br />

Siehe Pennington, D. et.al: Construction of a Chemical Fate & Human Exposure Model of Toxic<br />

Substances for Japan, Final Report, EPFL, 2001, Abschnitt 15 Result Comparison, ohne<br />

Seitenangaben, 2001.<br />

186<br />

Itsubo, N. et.al.: Uncertainty Analysis of Damage Function of Human Health Caused by Ozonlayer<br />

Depletion, in: Proceedings of The 5 th International Conference on Ecobalance, Tsukuba, 2002, S. 89.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 95<br />

umfassenden Grundlagendaten. 187 Lediglich für 7'120 <strong>St</strong>offe (N-Class-Datenbank)<br />

stehen Ausgangsdaten aufgrund gesetzlich vorgeschriebener Risikoprüfungen sowie für<br />

insgesamt 20'600 Chemikalien (QSAR-Datenbank) provisorische Prüfungen im<br />

Rahmen von Selbstdeklarationen der Hersteller zur Verfügung. 188 Diese Daten sind<br />

allerdings vor allem auf den sicheren Umgang im Gebrauch gerichtet und im Hinblick<br />

auf die Wirkungsmodellierung unvollständig.<br />

Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass in den vergangenen 10 Jahren zwar<br />

Methoden zur Modellierung ganzer Wirkungsketten - von der Emission bis zu den<br />

Schäden an Schutzobjekten -geschaffen wurden. Diese Methoden sind heute aber<br />

noch kaum ausreichend empirisch unterlegt, was zu einer hohen Unsicherheit der<br />

Resultate führt. Dennoch hat sich die Wirkungsmodellierung zu einem anerkannten und<br />

dynamischen Forschungszweig der Ökobilanzierung entwickelt, in welchem<br />

Spezialisten an den Schnittstellen zu den Umweltwissenschaften und der Toxikologie,<br />

resp. Pharmakologie die Wirkungskategorien erforschen, das vorhandene Wissen<br />

inventarisieren, Vor und Nachteile verschiedener Modelle für jede <strong>St</strong>ufe der<br />

Wirkungskette abwägen und auf deren Basis Wirkungsindikatoren und<br />

Charakterisierungsfaktoren berechnen.<br />

Allein für die Wirkungskategorien Human- sowie terrestrische und aquatische Ökotoxizität<br />

sind derzeit mindestens 8verschiedene Modelle zur Ermittlung von Charakterisierungsfaktoren<br />

verfügbar oder in Entwicklung. 189<br />

Die Spezialisten sind sich der Grenzen ihrer Modelle durchaus bewusst und weisen<br />

darauf hin, dass die Unsicherheiten der Modelle möglichst quantitativ fassbar gemacht<br />

werden sollten, um so einerseits eine gezielte Forschung zur Verbesserung der Modelle<br />

und der Datenbasis zu betreiben und anderseits in der Anwendung falsche Schlussfolgerungen<br />

zu vermeiden.<br />

In der Praxis werden die Resultate aus den Modellen dennoch meistens unbesehen<br />

übernommen. Denn Inhalt und <strong>St</strong>ruktur einzelner Wirkungskategorien, ihrer Wirkungsmodelle<br />

und -indikatoren werden nicht im Rahmen der angewandten Ökobilanzierung<br />

entwickelt, da der entsprechende Aufwand zu gross und das dazu erforderliche Wissen<br />

viel zu spezifisch ist. Man vertraut auf die Autorität der Experten. Die Modellierung bleibt<br />

dabei für die Anwendenden meistens eine black box. Aus ihrer Sicht sind deshalb<br />

Datengrundlagen offizieller, resp. öffentlicher Organe von besonders hohem Wert. Die<br />

ISO 14042 fordert denn auch: „The impact categories, category indicators and<br />

characterisation models should be internationally accepted, i.e. based on an<br />

international agreement or approved by acompetent international body“. 190 Gerade die<br />

187<br />

OECD: Environmental Outlook, Paris, 2001, S. 211.<br />

188<br />

Larsen, H.F. et.al.: Inventory of LCIA Selection methods for assessing toxic releases, Presentation on<br />

OMNIITOX, Technical University of Denmark, 13.6.2002, ohne Seitenangaben.<br />

189<br />

Larsen, 2002, ohne Seitenangaben.<br />

190<br />

ISO14042 zitiert in Guinée, 2002, S. 539.


96 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

endpoint-orientierten, noch sehr unsicheren Modelle sind jedoch weit von einer solchen<br />

Anerkennung entfernt. Dies im Gegensatz zu den am Anfang der Wirkungskette<br />

liegenden Potential-Indikatoren für Treibhauseffekt, Ozonschichtabbau, Versauerung,<br />

Überdüngung oder Photooxidation. Die Charakterisierungsfaktoren dieser Umweltveränderungskategorien<br />

stammen häufig aus international anerkannten Gremien, zum<br />

Beispiel dem Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (Treibhauseffekt), den<br />

Berichten zum Montreal Protocol (Ozonabbau) oder werden von internationalen<br />

Branchenorganisationen wie der Responsible Care Initiative der Chemischen Industrie<br />

postuliert (Photooxidation).<br />

4.3.4.4 Wirkungsmodellierung ausgehend von den Schutzobjekten<br />

Während sich die Ökobilanzforschung zu Beginn der 90er Jahre sozusagen von links –<br />

ausgehend von den Inputs und Outputs –nach rechts –also entlang der Kausalketten<br />

entwickelte, setzte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts eine intensive Diskussion<br />

ausgehend von den Schutzobjekten –also von rechts nach links –über die Schäden<br />

hin zu den Wirkungsmodellen und schliesslich zu den Emissionen ein.<br />

Man versprach sich davon eine konsistentere und fokussiertere Modellierung, indem<br />

lediglich die für bestimmte Schutzobjekte, resp. Schäden dominierenden Wirkungsketten<br />

und schliesslich auch Sachbilanzindikatoren einbezogen werden sollten. Damit<br />

wollte man dem Vorwurf einer vorwiegend durch die Verfügbarkeit von Wirkungsmodellen<br />

bestimmten <strong>St</strong>eigerung der Komplexität der Wirkungsketten entgegenwirken,<br />

und dem Umstand Rechnung tragen, dass die bislang modellierten Umweltwirkungen<br />

(midpoints) am Anfang der Wirkungsketten zunächst einmal nur ökologische<br />

Veränderungen abbildeten, unabhängig von der Relevanz der dadurch allenfalls<br />

ausgelösten Schäden.<br />

Zur Ermittlung relevanter Schäden muss jedoch explizit spezifiziert werden, welche<br />

Objekte als schützenswert erachtet werden. Die Schutzobjekte selbst liegen<br />

ausserhalb der wissenschaftlichen Modellierung. Sie dienen der Klärung, was in Ökobilanzen<br />

als bedrohtes Gut betrachtet werden soll und erlauben die Selektion und<br />

Zuordnung von Schadenskategorien.<br />

Seit Beginn der 90er Jahre gelten als allgemein akzeptierte Schutzobjekte drei sehr abstrakte<br />

Begriffe: die Menschliche Gesundheit, die Natürliche Umwelt und Ressourcen.<br />

Weitere, eher in jüngeren Vorschlägen postulierte Schutzobjekte stellen zudem die<br />

Kulturelle Umwelt dar, womit die Technosphäre selbst (beispielsweise Kulturgüter, Infrastruktur,<br />

etc.) bezeichnet wird, resp. das Schutzobjekt Gesellschaftliche Wohlfahrt.<br />

Die Bedrohung der Schutzobjekte wird im Rahmen der Formulierung von endpoint<br />

indicators operationalisiert. Es ist also zu fragen, welche Schäden - durch Umweltveränderungen<br />

ausgelöst und anhand messbarer Indikatoren beschreibbar - den<br />

einzelnen Schutzobjekten zuzuordnen sind. Zur Beschreibung der Schäden an der<br />

Menschlichen Gesundheit werden beispielsweise Years of Life Lost (YOLL) oder<br />

Disability Adjusted Life Years (DALY) vorgeschlagen. In der Praxis hat sich bisher


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 97<br />

DALY als praktikabler Indikator etabliert. Er geht auf Vorschläge im Umfeld der Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO 191 zurück, in deren Rahmen DALY-Tabellen zu<br />

verschiedenen Krankheitsbildern publiziert wurden. Diese Krankheitsbilder (Herz- und<br />

Kreislaufkrankheiten, verschiedene Formen von Krebs, Atemwegserkrankungen, etc.)<br />

dienen der Ökobilanzforschung zur - durch Schadensfunktionen formalisierten, auf<br />

mehr oder weniger „kausalen“ 192 ,resp. epidemiologischen 193 Grundlagen basierenden -<br />

Verbindung mit den verschiedenen die Gesundheit beeinträchtigenden<br />

Umweltveränderungen.<br />

Für das Schutzziel Natürliche Umwelt wird häufig vorgeschlagen, als<br />

Schadenskategorie den Verlust an Biodiversität (beispielsweise mittels sogenannter<br />

Potentially Affected Fraction of Species PAF, resp. Potentially Disappeared Fraction of<br />

Species PDF in m2 pro Jahr) sowie die Reduktion biotischer Ressourcen<br />

heranzuziehen (beispielsweise anhand der Veränderung der Netto-Primärproduktion in<br />

Trockengewicht Biomasse).<br />

Abbildung 4.9: Operationalisierung von Schutzobjekten 194<br />

191<br />

Murray, C, Lopez, C.: The Global Burden of Disease, aComprehensive Assessment of Mortality and<br />

Disability from Diseases, Injuries and Risk Factors in 1990 projected to 2020, Harvard School of Public<br />

Health, World Health Organization and World Bank, 1996.<br />

192<br />

Im Sinne von experimentell bestimmbarer Dosis-Wirkungsbeziehungen (beispielsweise gemessene<br />

Funktion zwischen Konzentration eines <strong>St</strong>offes und dem Absterben einer Population eines bestimmten<br />

Organismus unter Laborbedingungen.<br />

193<br />

Im Sinne von statistisch unterlegten, vermuteten Wirkungsbeziehungen (beispielsweise statistische<br />

Korrelation zwischen dem Auftreten von Atemwegserkrankungen und der Konzentration von<br />

Luftschadstoffen.<br />

194<br />

Darstellung aus Müller-Wenk, R.: Development of a consistent framework for Life Cycle Impact<br />

Assessment, in: UNEP Life Cycle Initiative, LCA Impact Assessment Definition <strong>St</strong>udy, Background<br />

Document II, 2003, S. 8.


98 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Bis jetzt noch keine klare Vorstellung für die Operationalisierung eines<br />

Schadensindikators besteht hingegen bezüglich den allgemein als wichtig anerkannten<br />

und dem Schutzobjekt Natürliche Umwelt zugeordneten life support functions 195 des<br />

globalen Ökosystems. In den bislang vorgeschlagenen Modellen werden sie ihrer<br />

Bedeutung zum trotz nicht separat behandelt. Neuerdings wird vorgeschlagen, sie als<br />

Umweltveränderungskategorien oder als eine Art vorgelagerte <strong>St</strong>ufe von Schutzobjekten<br />

separat zu modellieren, da diese Funktionen für Mensch und Natur relevant<br />

seien und je spezifische Schäden von deren Beeinträchtigung auf die anderen<br />

Schutzobjekte ausgehen würden. 196 Noch ist jedoch nicht absehbar, anhand welcher<br />

Indikatoren eine Anbindung an die Wirkungsindikatoren oder die Schadensindikatoren<br />

erfolgen könnte.<br />

Für die Kulturelle Umwelt werden Schäden an Gütern mit Marktwert, resp. an Gütern<br />

ohne Marktwert in monetären Einheiten als Operationalisierungen postuliert. Ebenso<br />

werden für das Schutzziel Soziale Wohlfahrt monetäre Grössen vorgeschlagen<br />

(economic value). Aber in beiden Fällen ist noch weitgehend unklar, anhand welcher<br />

Schadensfunktionen oder Wirkungsketten eine konkrete Modellierung erfolgen soll.<br />

Abbildung 4.10: Vorschlag von Itsubo zur Operationalisierung von Schutzzielen 197<br />

Erscheint das Konzept der Schutzobjekte und deren Übersetzung in<br />

Schadensindikatoren am Beispiel der Menschlichen Gesundheit zunächst als<br />

überzeugend und gut formalisierbar, so offenbaren bereits die Formulierungen zur<br />

195<br />

Siehe Abschnitt 2.3.4.<br />

196<br />

Müller-Wenk, 2003, S. 7.<br />

197<br />

Darstellung aus UNEP, 2003, ohne Seitenangaben.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 99<br />

Operationalisierung der anderen Schutzobjekte Probleme einer wissenschaftlich<br />

eineindeutigen Bestimmung der Kategorien sowie der Indikatoren.<br />

Tatsächlich sind die Schutzobjekte unterschiedlich formulierbar. Es existieren neben<br />

den im Rahmen der SETAC und der ISO14'040er Norm postulierten drei Schutzobjekte<br />

auch andere, plausible Vorschläge: Beispielsweise wird im National LCA Database<br />

Project Japans von zwei Schutzobjekten erster Ordnung ausgegangen, aus denen je<br />

zwei weitere Schutzobjekte zweiter Ordnung abgeleitet werden, aus denen dann als<br />

Schutzobjekte dritter Ordnung eigentliche endpoint-Kategorien hergeleitet werden.<br />

Diese Situation illustriert, dass -nach mehr als 30 Jahren Ökobilanzforschung -nach<br />

wie vor umstritten ist, ob im Rahmen dieser Methodik ausschliesslich Fragen der<br />

Gesundheit, resp. der ökologischen Existenzsicherung oder aber das gesamte<br />

Zieldreieck des Konzepts Nachhaltige Entwicklung integriert werden soll.<br />

Dabei ist die Definition der Schutzobjekte mehr als eine rein philosophische Frage: sie<br />

hat erhebliche Konsequenzen für die Methodik als Ganzes: Würde man<br />

Ökobilanzierung an den drei Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung ausrichten, so<br />

würde sozusagen die Umweltökonomie teil der Modellierung von Wirkungsketten,<br />

indem social welfare operationalisiert und damit ökonomische Schadens-, resp. Wertindikatoren<br />

eingeführt und mit den Umweltwirkungen verknüpft werden müssten.<br />

Belässt man das Konzept bei den drei ursprünglichen Schutzobjekten, so bliebe der<br />

naturwissenschaftliche Charakter der Wirkungsanalyse bestehen.<br />

Dies stellt ein zentrales Anliegen des vier Elemente umfassenden Rahmenkonzepts der<br />

Ökobilanzierung in Frage: Dass man naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche<br />

Operationen strikt voneinander abgrenzt: Zunächst also naturwissenschaftlich<br />

Wirkungen ermittelt und dann getrennt diese Wirkungen mit den sozialen Wertvorstellung<br />

einer Gewichtung zuführt. Aus diesem Grund hatte man auch die Schutzobjekte<br />

vorgeschlagen, in der Annahme, dass es Anwendenden leichter fallen würde<br />

zwischen Schutzobjekten oder Schadensindikatoren abzuwägen als zwischen<br />

abstrakten, naturwissenschaftlichen Umweltveränderungspotentialen oder gar einer<br />

mittlerweile kaum mehr überschaubaren Vielzahl von Inputs, resp. Outputs, deren<br />

Konsequenzen in beiden Fällen für den Laien diffus sind.<br />

Die Einführung der Schutzobjekte war somit als Schnittstelle zwischen Wirkungsanalyse<br />

und Gewichtung konzipiert. Auch wenn ihre Selektion und <strong>St</strong>rukturierung noch<br />

bei weitem nicht abgeschlossen erscheint, hat die Diskussion um ihre<br />

Operationalisierung eine integrierende Wirkung auf die Ökobilanzforschung ausgeübt<br />

und somit wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung der Wirkungsanalyse gegeben.<br />

Da die Initiative zu dieser Fokussierung von verschiedenen Exponenten der Befürworter<br />

einer Gewichtung ausging - also der in den Umweltwissenschaften äusserst<br />

umstrittenen Gesamtaggregation zu einem einzigen Index der Umweltbelastung –<br />

fühlten sich die Protagonisten der traditionellen Wirkungsanalyse zunächst offenbar<br />

herausgefordert, die noch schwache empirische Fundierung, resp. hohe Unsicherheit


100 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

der Schadensmodellierung zu kritisieren. Mittlerweile scheint dieses Spannungsfeld<br />

jedoch die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben, dass Bruchstellen in den<br />

Wirkungsketten gemeinsam geschlossen werden.<br />

Die Diskussion um die Schutzobjekte hat zudem die Frage nach der Relevanz<br />

bestimmter Wirkungskategorien wiederbelebt und damit auch gezeigt, dass selbst bei<br />

strikter Trennung zwischen Gewichtung und Wirkungsanalyse dennoch Werturteile in<br />

den Modellen enthalten sind: viele kleine Entscheidungen der Wirkungsanalyse-<br />

Spezialisten prägen die Modelle und beeinflussen damit die Ergebnisse.<br />

4.3.4.5 Fazit: Selektion und Modellierung bewirken weitere Spezialisierung<br />

Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit der im Verlaufe der 90er Jahre von beiden<br />

Seiten der Wirkungsketten her geleisteten wissenschaftlichen Aufarbeitung der<br />

Wirkungsanalyse dem Phänomen Umweltbelastung ein logischer Rahmen zugrunde<br />

gelegt werden konnte. Angefangen von der Frage, welche Wirkungen als relevant<br />

eingestuft werden, bis zur Diskussion über die Schutzobjekte, resp. über zu<br />

vermeidende Schäden.<br />

Abbildung 4.11: Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtung<br />

Diese Darstellung der integrierten Wirkungsanalyse- und Gewichtungs-Methodik LIME stellt verschiedene<br />

Ebenen einer ökologischen Beurteilung anschaulich dar. 198<br />

198<br />

UNEP Life Cycle Initiative, backgroung document II, 2003, ohne Seitenangaben.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 101<br />

Es steht nun ein generisches, resp. universelles Rahmen-Konzept zur Verfügung,<br />

welches eine nachvollziehbare <strong>St</strong>rukturierung unterschiedlicher, als relevant erachteter<br />

Wirkungen und Schäden erlaubt. Und das seinem Wesen nach unterschiedliche<br />

Operationen oder <strong>St</strong>ufen begrifflich und modelltechnisch trennt.<br />

Dieser Rahmen ist nicht abschliessend bestimmt, sondern grundsätzlich offen für die<br />

Aufnahme neuer Wirkungen oder Schadenskonzepte. Er ist darüber hinaus geeignet<br />

sich weiter zu differenzieren und sich entsprechend dem jeweils zu erzielenden<br />

Konsens zu restrukturieren. Es entstand damit eine Landkarte der Meta-Wissenschaft<br />

Life Cycle Impact Assessment, in der die verfügbaren Modelle und Daten verortet<br />

werden können. Und in welcher Bruchstellen oder Inkonsistenzen zwischen den<br />

Modellen zur Beschreibung der Umweltveränderungen und denjenigen zur<br />

Beschreibungen von Schäden identifiziert und somit wissenschaftliche Arbeiten<br />

koordiniert, resp. aus der Perspektive beider Enden der Wirkungsmodellierung<br />

priorisiert werden können. 199<br />

Es liegt auf der Hand, dass solche Wirkungsmodelle bei aller Komplexität vereinfachte,<br />

letztlich konstruierte Zusammenhänge darstellen. Dennoch tragen sie ganz erheblich zu<br />

einem rationalen Verständnis von Umweltbelastungen bei, indem sie jenseits von lokalspezifischen<br />

Situationen, den Anwendenden einen aktuellen Erkenntnisstand der<br />

Umweltwissenschaften zur Verfügung stellen.<br />

Die Wirkungsanalyse ist damit grundsätzlich geeignet, das steigende Bedürfnis nach<br />

einer Komplexitätsreduktion bei Beurteilung umfangreicher Input-Output-Bilanzen durch<br />

eine Fokussierung auf das ökologisch Vordringliche zu befriedigen. Jedoch wurde damit<br />

das Komplexitätsproblem lediglich auf die Ebene der Umweltnaturwissenschaften<br />

transferiert: wer wirklich verstehen will, wie die Resultate der Wirkungsanalyse -<br />

insbesondere die Ergebnisse auf <strong>St</strong>ufe von endpoint indicators –zustande kommen,<br />

muss sich enorm anstrengen und über ein profundes naturwissenschaftliches Grundwissen<br />

verfügen!<br />

Die Wirkungsanalyse nimmt aber den Beurteilenden die Aufgabe einer subjektiven oder<br />

formalisierten Beurteilung ab. Sie verlagert jedoch diese Entscheidung von der Ebene<br />

der Sachbilanz auf die Ebene der Umweltveränderungen und/oder Schäden an<br />

Schutzielen. Diese Resultate sind jedoch -mit Ausnahme der Selektion eines einzigen<br />

Umweltveränderungs-Indikators - als Resultate immer mehrdimensional und damit<br />

muss der Anwendende zwischen verschiedenen Resultaten bezüglich Umweltveränderungspotentialen<br />

(Treibhauseffekt, Ozonschichtabbau, etc.) oder<br />

Schadenspotentialen (DALY, PDF, etc.) abwägen.<br />

Dies führt uns schliesslich zur Betrachtung der methodischen Entwicklung bezüglich der<br />

fünften und letzten kritischen Operation der Ökobilanzierung: der Gewichtung.<br />

199<br />

Siehe UNEP Life Cycle Initiative, 2003.


102 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

4.3.5 Gewichtung zu einem Gesamtindikator Umweltbelastung<br />

Durch die Wirkungsanalyse nach wie vor nicht formalisiert, wurde die Frage nach einer<br />

Gesamtbeurteilung von Umweltbelastung und deren Quantifizierung anhand eines<br />

einzigen Gesamtindikators. Dieser letzte Schritt auf dem Weg zum Grünen <strong>St</strong>ein der<br />

Weisen wurde schon zu Beginn der 90er Jahre eindeutig als nicht naturwissenschaftlich<br />

machbar herausgearbeitet und entsprechend von der Wirkungsanalyse begrifflich<br />

getrennt, wenngleich im Rahmen desselben Elements (Wirkungsanalyse und<br />

Gewichtung) des Grundrasters belassen. Es bildeten sich jenseits der Wirkungsanalyse<br />

auch für die Beurteilung spezifische Operationen aus:<br />

1. Normalisierung: Vergleich der Resultate mit Referenzgrössen zur Ermittlung<br />

des relativen Beitrags innerhalb einer Wirkungskategorie<br />

2. Gruppierung: Klassifizierung oder ranking von Wirkungsbilanzresultaten nach<br />

Priorität oder relativer Bedeutung<br />

3. Gewichtung: Numerische Gewichtung aller Wirkungskategorien zur<br />

Berechnung eines gesamtaggregierenden Indikators (single score)<br />

Für unsere Untersuchung ist hiervon die Gewichtung als kritische Operation genauer zu<br />

betrachten. Denn bei der Gewichtung erfolgt ein weiterer Modellierungs- und<br />

Formalisierungsschritt. Normalisierung und Gruppierung stellen hingegen modellfreie<br />

Berechnungsschritte dar, wie sie auch in anderen Zusammenhängen vorgenommen<br />

werden. Sie sollen der Vollständigkeit halber kurz charakterisiert werden, da sie in der<br />

Praxis häufig Anwendung finden.<br />

Normalisierung<br />

Bei der Normalisierung werden die Resultate von Wirkungsbilanz und/oder Sachbilanz<br />

in Relation zu Referenzgrössen gesetzt. Beispielsweise werden häufig <strong>St</strong>offflüsse,<br />

Wirkungen, oder Schäden eines Landes mit den potentiellen <strong>St</strong>offflüssen, Wirkungen,<br />

resp. Schäden des Untersuchungsgegenstands verglichen. Auch eine Normalisierung<br />

der Ergebnisse auf eine Person oder ein bestimmtes Konsumverhalten werden häufig<br />

als anschauliche Grössen empfohlen. 200 Die Ökobilanzforschung selbst sammelt und<br />

publiziert dazu sogenannte Normalisierungssets für verschiedene Länder, grössere<br />

regionale Einheiten oder gar die Erde als Ganzes. 201 Meistens handelt es sich dabei um<br />

Datenbestände die aus diversen Quellen zusammengestellt und allenfalls auf die<br />

gewünschte Region anhand des Bruttosozialprodukts oder der Bevölkerungszahl<br />

skaliert werden. Empfehlenswert ist das Abstellen auf offizielle <strong>St</strong>atistiken von Umweltbehörden,<br />

internationalen Organisationen (beispielsweise der OECD), Branchen-<br />

200<br />

Siehe Guinée, 2002, S. 625 – 628 sowie Sundmacher, 2002, S. 212 - 228.<br />

201<br />

Huijbregts, M.A.J., et.al.: LCA normalisation data for the Netherlands (1997/1998), Western Europe<br />

(1995) and the World (1990 and 1995), CML, Leiden, Niederlanden, 2000.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 103<br />

verbänden oder bekannten Forschungsinstituten (beispielsweise des World Resource<br />

Institute).<br />

Es liegt auf der Hand, dass wiederum die Qualität dieser Daten und insbesondere<br />

deren Kontextbezug einen direkten Einfluss auf die Abbildungsqualität entsprechend<br />

normalisierter Ökobilanz-Resultate haben.<br />

„Normalization reveals which effects are large and which are small in relative terms.<br />

However, it does not say anything about the relativ importance of the effects. Asmall<br />

effect can very well be the most important.“ 202 Diese Wichtigkeit ist nicht ohne die<br />

Einführung von irgendwelchen Präferenzen, resp. Manifestationen von Präferenzen<br />

oder Werturteilen bestimmbar. Dazu dienen die beiden Operationen Gruppierung und<br />

Gewichtung:<br />

Gruppierung<br />

Bei der Gruppierung sortiert man einzelne Resultate der Sach- oder Wirkungsbilanz<br />

anhand von Kategorien unterschiedlicher Priorität oder man führt ein verbal<br />

argumentativ fundiertes ranking durch. Das Resultat hat die Form von Ranglisten oder<br />

Klassen von Wirkungskategorien. Diese sollen dann bei der Interpretation der<br />

numerischen Resultate (Wirkungen, resp. Schäden) als Interpretationshilfe dienen.<br />

Wenngleich dieser Arbeitsschritt in den gängigen Leitfäden und auch der ISO14040-<br />

Normreihe aufgeführt wird, schenkt man ihm im Rahmen der Ökobilanzforschung kaum<br />

Beachtung: Guinée et. al. stellen fest, dass hierzu keine spezifischen Aktivitäten oder<br />

Fortschritte im Verlaufe der 90er Jahre zu verzeichnen sind.<br />

Dies Situation kontrastiert mit der dynamischen und vielbeachteten Entwicklung der<br />

Gewichtung, mit der wir unsere Untersuchung zur Differenzierung und<br />

Operationalisierung der Ökobilanzforschung abschliessen:<br />

Gewichtung<br />

Die Gewichtung ist der letzte Schritt einer vollständig formalisierten und damit<br />

algorithmusbasierten Ökobilanz. Er basiert zwingend auf Werturteilen und kann nicht<br />

allein naturwissenschaftlich ausgeführt werden. Gerade deshalb ist dieser Schritt nach<br />

wie vor äusserst umstritten: „Die angestrebte idealtypische Lösung -Darstellung der<br />

gesamten Umweltbelastung auf einer eindimensionalen Skala oder mit Hilfe eines Index<br />

– wird als methodisch unlösbar, pseudo-objektiv und nicht konsensfähig angesehen“. 203<br />

Dieser deutlichen Aussage des deutschen Umweltbundesamtes zum Trotz wurden in<br />

den 90er Jahren zahlreiche Versuche in diese Richtung unternommen. Die bereits in<br />

den 70er Jahren formulierten Grundideen wurden dabei weiterentwickelt und zu einer<br />

grossen Vielfalt von Methodenvorschlägen kombiniert. Im Gegensatz zur Wirkungs-<br />

202<br />

Goedkoop, M.: The Eco-Indicator 95, A tool for designers, Pré Consultants, Amersfoort, 1995, S. 5.<br />

203<br />

Umweltbundesamt, 1992, S. 54.


104 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

analyse, für die im Verlaufe der 90er Jahre ein -zumindest theoretisch überzeugendes<br />

– einheitliches Vorgehen mit klar bestimmten Teiloperationen und Begrifflichkeiten<br />

geschaffen wurde, besteht bezüglich der Gewichtung kein solcher Konsens. 204 Vielmehr<br />

sind sehr verschiedene Vorgehensweisen entstanden, resp. in der Praxis verbreitet.<br />

Abbildung 4.12: Seit 1990 entwickelte Gewichtungsmethoden<br />

In der Literatur häufig genannte und in der Praxis eingesetzte Gewichtungsmethoden<br />

Die Forschung zur Operation Gewichtung konzentriert sich auf die Diskussion formaler,<br />

intersubjektiver Bewertungsprinzipien und die Bereitstellung generischer Gewichtungsfaktoren<br />

für eine möglichst grosse Zahl von Sachbilanz-Indikatoren. In unserer<br />

Untersuchung tragen wir diesem Umstand Rechnung, indem wir anhand der gängigsten<br />

204<br />

Bengtsson, M.,: Environmental Valuation and Life Cycle Impact Assessment, Chalmers University of<br />

Technology, CPM Report 2000:1, Göteborg, 2000, S. 17. sowie Finnveden, G.: Acritical review of<br />

operational valuation/weighting methods for life cycle assessment. AFR-report 253, Swedish Waste<br />

Research Council, Swedish EPA, <strong>St</strong>ockholm, 1999 , S. 2.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 105<br />

<strong>St</strong>andard-Methoden aufzeigen, wie sich die Operationalisierung einzelner Prinzipien seit<br />

den 70er Jahren entwickelt hat.<br />

Die Tabelle zeigt in der Literatur häufig genannte Methoden nach Datum des<br />

Erscheinens, resp. ihrer Weiterentwicklung. Dabei handelt es sich jeweils nicht nur um<br />

konzeptionelle Beiträge, sondern für alle hier aufgeführten Methoden sind entsprechende<br />

Gewichtungsfaktoren verfügbar und die Methoden wurden im Rahmen<br />

mehrerer Untersuchungen in der Praxis eingesetzt. Angesichts der Vielzahl der Ansätze<br />

konzentrieren wir unsere Diskussion auf diejenigen Konzepte, die in der Literatur<br />

ausführlich behandelt werden und die für die Weiterentwicklung der Gewichtung<br />

wichtige Beiträge geleistet haben. Die meisten davon sind im Rahmen von<br />

Kooperationen zwischen Umweltbehörden, bekannten Forschungsinstitutionen<br />

und/oder Beratungsunternehmen entstanden.<br />

Die Entwicklung der formalisierten Gewichtung wurde massgeblich durch die<br />

Pionierarbeiten aus der Schweiz geprägt: Das Prinzip der Ökologischen Knappheit 205<br />

ursprünglich von Müller-Wenk vorgeschlagen, ist bis heute stetig überarbeitet und auf<br />

zahlreiche andere Länder übertragen worden. Aus den in der Tabelle aufgeführten 33<br />

Gewichtungsmethoden berufen sich 12 – umgesetzt für 8 verschiedene Länder -<br />

unmittelbar auf dieses Prinzip. Zählt man andere Methoden hinzu, die Gewichtungsfaktoren<br />

ebenfalls auf der Basis eines Vergleichs zwischen dem aktuellen Zustand und<br />

einem politisch angestrebten Zustand (distance-to-target) ermitteln, sind es insgesamt<br />

15.<br />

Als Nachfolger-Konzepte von Methoden auf der Basis von naturwissenschaftlich<br />

begründeten Referenzwerten oder Prinzipien gelten 5der aufgeführten Ansätze und der<br />

Familie der umweltökonomisch inspirierten Konzepte sind weitere 5 zuzuordnen; 4<br />

gelten als Panel-Methoden und die restlichen drei stellen Mischformen dar.<br />

Die Tabelle zeigt zudem, dass sich die Methodenentwicklung auf bestimmte Regionen<br />

konzentriert: so sind seit Beginn der 90er Jahre neben der Schweiz insbesondere die<br />

Niederlande, Schweden und Dänemark präsent, in jüngerer Vergangenheit auch<br />

insbesondere Japan. Dies im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland und den USA,<br />

die auch heute noch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Gewichtung anbringen<br />

(beispielsweise innerhalb der ISO) und heute über keine <strong>St</strong>andard-Methoden verfügen.<br />

Wir orientieren unsere Übersicht 206 anden vier identifizierten Bewertungkonzeptionen:<br />

Umwelt-Naturwissenschaften, Politik, Empirische Sozialforschung (Panel) und Umweltökonomie.<br />

205<br />

Siehe Abschnitt 3.2.6.<br />

206<br />

Siehe <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Die Frage der Bewertung in Ökobilanzen -<strong>St</strong>and und Perspektiven, in: Energie<br />

und Umweltforschung im Bauwesen, 11. Schweizerisches <strong>St</strong>atus-Seminar, Zentrum für Nachhaltigkeit<br />

im Bauwesen, Zürich, 2000, S. 411 – 416.


106 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

4.3.5.1 Umwelt-Naturwissenschaften als Referenz<br />

Zu dieser Kategorie werden häufig die sogenannten Proxy-Indikatoren gezählt: Sie<br />

bilden Umweltbelastung indikativ ab, indem unterstellt wird, dass eine enge Beziehung<br />

zwischen Indikator und Umweltbelastung besteht. Ein solcher Proxy-Indikator wurde<br />

beispielsweise mit dem Konzept der MIPS -Material Intensity per Service Unit -von<br />

Schmidt-Bleek vorgeschlagen 207 .Der Indikator basiert auf der Erfahrung, dass Masse<br />

oft mit Umweltbelastung korreliert. Es wird vom Prinzip „Weniger ist besser“<br />

ausgegangen.<br />

Es handelt sich damit eigentlich nicht um einen formalisierten Gewichtungsansatz,<br />

sondern um einen Summenparameter zur Aggregation der Sachbilanz. Unberücksichtigt<br />

bleiben sowohl Wirkungen der <strong>St</strong>offe als auch Präferenzen der<br />

Beurteilenden. 1kg CO 2 wird gleich gewichtet wie 1kg Plutonium. Der Einfluss dieses<br />

Konzepts auf die Ökobilanzforschung ist -seiner Bekanntheit in der Öffentlichkeit im<br />

Zuge der weltbekannten Leitbilder Faktor 4 (E.U. Von Weizsäcker) und Faktor 10<br />

(Schmid-Bleek) zum Trotz – als gering einzustufen. 208<br />

Die Vorstellung, es lasse sich ein Referenzzustand ökologischer Nachhaltigkeit als<br />

maximal zulässiger Fluss pro Zeiteinheit und geografischem Bezug beschreiben, liegt<br />

hingegen dem Konzept den nachfolgend genannten Vorschläge zugrunde:<br />

Ein prominentes Beispiel dieser Kategorie hatten wir bereits erwähnt: die durch Odum<br />

und andere Wegbereiter der Ökologischen Ökonomie, aus den Hauptsätzen der<br />

Thermodynamik, abgeleiteten Indikatoren für Energie, resp. Ordnung (resp. Exergie,<br />

Enthalpie, Entropie) 209 .Mit der natürlich durch die Sonneneinstrahlung vorgegebenen<br />

Entropieabnahme auf der Erde, resp. der in Rohstoffen verfügbaren Exergie steht ein<br />

Referenzwert im Sinne einer Ökologischen Knappheit zur Verfügung. Allerdings trägt<br />

dieser Ansatz letztlich nur der Verfügbarkeit von Rohstoffen Rechnung und vermag<br />

schädliche Wirkungen von <strong>St</strong>offumsätzen nur dadurch einzubeziehen, dass der<br />

Energiebedarf von Sanierungs- oder Vermeidungaktivitäten abgeschätzt wird. Diese<br />

Grundidee der Ökologischen Ökonomie wird heute allgemein eher als eine Wirkungskategorie<br />

unter anderen diskutiert, resp. angewendet.<br />

Neben Masse und Energie wurden auch Konzepte mit Bezug zu Raum und Zeit als<br />

naturwissenschaftliche Gewichtungsprinzipien postuliert:<br />

207<br />

Schmidt-Bleek, F.: Wieviel Umwelt braucht der Mensch MIPS –Das Mass für ökologisches Wirtschaften.<br />

Birkhäuser, Berlin, 1993.<br />

208<br />

Siehe beispielsweise: Braunschweig, et.al.: Developments in LCA Valuation, IWÖ-Diskussionsbeitrag<br />

Nr. 32, IWOE-HSG, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1996, S. 10 – 15.<br />

209<br />

Siehe Abschnitt 3.2.5.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 107<br />

Der 1993 publizierte Ökologische Fussabdruck von Wackernagel 210 ,bezieht sich auf<br />

den Flächenbedarf zur Versorgung mit Energie auf rein erneuerbarer Basis (Sonneneinstrahlung,<br />

resp. Wirkungsgrad der Photosynthese) sowie dem Flächenbedarf zur<br />

Bereitstellung ökologischer Regenerationsleistungen. 211 Es wird berechnet, welche<br />

Anzahl m² notwendig wäre, um die verwendeten Inputs auf erneuerbarer Basis<br />

herzustellen, resp. um die Wirkungen der Outputs durch Regeneration zu<br />

neutralisieren. Vergleicht man den resultierenden Flächenbedarf zum Beispiel für eine<br />

ganze Nation mit der dort effektiv zur Verfügung stehenden Fläche, so ist das Kriterium<br />

der strengen ökologischen Nachhaltigkeit bei Werten >1 entsprechend verletzt.<br />

Analog zur Energie ist dieses Prinzip jedoch kaum geeignet, Umweltwirkungen und<br />

Schäden angemessen zu berücksichtigen. Er wird deshalb in der Ökobilanzforschung<br />

nicht weiter beachtet. Hingegen findet er aufgrund seiner Anschaulichkeit in der Praxis<br />

auch durchaus Anwendung: so bezieht sich beispielsweise der WWF verschiedentlich<br />

auf dieses Mass (beispielsweise mit dem Eco-Footprint-Rechner zur Ermittlung der<br />

persönlichen Ökobilanz). Wackernagel selbst hat den Ansatz verwendet, um ein weitherum<br />

beachtetes Nachaltigkeits-“ranking“ von Ländern vorzunehmen 212 .<br />

Ebenfalls nicht im Blickfeld der Ökobilanzforschung sind die zeitbezogenen<br />

Gewichtungsprinzipien wie sie beispielsweise von Yasui 213 oder Jolliet entwickelt<br />

wurden. Während Yasuis Ansatz auf einer Abschätzung der Zeit bis zum Eintreten einer<br />

ernsthaften Krise für verschiedene Wirkungskategorien beruhte und damit letztlich<br />

ebenfalls eher veranschaulichenden Charakter aufwies, da dieser Wert nicht wissenschaftlich<br />

eindeutig bestimmt werden kann (was Yasui anerkannte), stellt die Cricital<br />

Surface Time 214 Methode von Jolliet eine naturwissenschaftlich fundierte<br />

Fortentwicklung der bekannten Kritischen Volumina 215 dar. Die Critical Surface Time<br />

baut auf den Transmissionsprozessen von <strong>St</strong>offen auf: Abbau- und Verdünnungsprozesse<br />

werden verwendet, um Zeit und Raum zu ermitteln, welche benötigt werden,<br />

um eine Emission in eine unschädliche Konzentration zu überführen. Diese Referenzkonzentrationen<br />

verschiedener <strong>St</strong>offe wurden –analog zu den Kritischen Volumina aus<br />

der Gesetzgebung übernommen. Auch dieser Ansatz wird heute nicht mehr im Sinne<br />

210<br />

Wackernagel, M.: How Big Is Our Ecolocigal Footprint: AHandbook For Estimating ACommunity‘s<br />

Appropriated Carrying Capacity, University of British Columbia, Vancouver, 1993.<br />

211<br />

Ein ähnlicher Vorschlag stellt auch der Sustainable Process Index dar, siehe: Krotschek, Ch.,<br />

Naradoslawsky, M.: The Sustainable Process Index; a new dimension in ecological evaluation,<br />

Amsterdam, 1994.<br />

212<br />

Wackernagel, M., et.al.: Ecological Footprints of Nations, How much nature do they have – How much<br />

nature do they have, Centro de Estudios para la Sustentabilidad, Universidad Anàhuac de Xalapa<br />

Mexico, Xalapa, 1997.<br />

213<br />

Yasui, I.: Anew Scheme of Life Cycle Impact Assessment Method Based on the Consumption of Time,<br />

in: Proceedings of the 3 rd International Ecobalance Conference, Tsukuba, 1998, S. 89 - 92.<br />

214<br />

Siehe Jolliet, O.: Critical Surface-Time: An Evaluation Method for Life Cycle Assessment, in: Udo de<br />

Haes, H.A. et.al.:Integrating Impact Assessment into LCA, SETAC Press, 1994, S. 133 – 144.<br />

215<br />

Siehe Abschnitt 3.2.8.


108 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

einer Gewichtungmethode weiterentwickelt. Jolliets Arbeiten sind in der Modellierung<br />

von Schadensindikatoren auf <strong>St</strong>ufe Wirkungsanalyse aufgegangen.<br />

Alternativ zu den politisch legitimierten Grenzwerten wurden von Kortmann 1994 No<br />

Observable Effect Levels (NOEL) 216 , resp. No Significant Adverse Effect Levels<br />

(NSAEL) als naturwissenschaftliche Referenzgrössen zur Gewichtung diskutiert. Diese<br />

Schwellenwerte werden in der Toxikologie verwendet, um Aussagen darüber zu<br />

machen, bis zu welcher <strong>St</strong>offkonzentration keine Effekte im Ökosystem beobachtet<br />

werden können, resp. keine negativen Effekte wahrgenommen werden.<br />

Abbildung 4.13: NSAEL Methode<br />

Gewichtungsfaktoren auf der Basis der NSAEL Methode für 5 CML-Umweltwirkungskategorien 217<br />

Kortmann schlug vor, auf diesem Wege zu bestimmen, welche Menge an Emission pro<br />

Zeit und Raum das Einhalten dieser Konzentrationswerte erlaubt. Während NOEL für<br />

Organismen eine rein experimentelle Bestimmung zulassen, jedoch per definitionem<br />

nichts über die ökologische Bedeutung einer Überschreitung des Referenzwertes<br />

aussagen können, 218 wurden NSAEL-basierte Referenzwerte kritisiert, weil sie durchaus<br />

von subjektiven Wertvorstellungen geprägt werden: Letztlich muss jemand definieren,<br />

was unter signifikanten, unerwünschten Effekten verstanden werden soll. Dies kann<br />

toxikologisch im Laborversuch für einzelne <strong>St</strong>offe und bestimmte Organismen allenfalls<br />

noch bestimmt werden, hingegen kaum für andere Wirkungskategorien, beispielsweise<br />

den Treibhauseffekt. Als problematisch in der Umsetzung wurde zudem das<br />

Zurückrechnen von Immissionskonzentrationen auf Emissionsfrachten erkannt. Auch<br />

NOEL und NSAEL haben sich somit nicht als allgemein anerkannte Gewichtungs-<br />

216<br />

Heute spricht man zumeist von NOEC = No Observable Effect Concentrations<br />

217<br />

Eigene Darstellung mit Gewichtungsfaktoren aus Müller-Wenk, R.: Methode der wirkungsorientierten<br />

Klassifikation nach CML Leiden sowie darauf aufbauende Methoden für die Bewertung, in:<br />

Braunschweig, et.al.: Evaluation und Weiterentwicklung von Bewertungsmethoden für Ökobilanzen –<br />

Erste Ergebnisse, IWÖ Diskussionsbeitrag, Nr. 19, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 1994, S. 34.<br />

218<br />

Siehe Müller-Wenk, R.. Political and scientific targets distance-to-target valuation models, in<br />

Braunschweig, 1996, S. 86 - 93.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 109<br />

faktoren etablieren können. Sie werden aber in den schadensorientierten Modellen der<br />

Wirkungsanalyse spezifisch für die Abbildung von Toxizität verwendet, beispielsweise<br />

NOEL bei der Ermittlung von Potentially Disappeared Fraction of Species (PDF). 219<br />

Damit ist festzustellen, dass sich die Ideen einer rein naturwissenschaftlich fundierten<br />

Gewichtung und rationalen Operationalisierung von Umweltbelastung als nicht tragfähig<br />

erwiesen haben. Einerseits, weil die rein physikalischen Referenzgrössen Energie,<br />

Fläche, Zeit oder Masse nicht in der Lage sind, alle Aspekte von Umweltwirkungen<br />

ausreichend abzubilden. Andererseits, weil die Ökobilanzforschung zur Kenntnis<br />

nehmen musste, dass auch wissenschaftlich gängige Begriffe und Modelle letztlich von<br />

Werturteilen der Forschenden selbst abhängig sind. 220 Forschung mag zwar auf<br />

Wahrheit gerichtet zu sein; ohne wertbasierte Entscheidungen -beispielsweise bei der<br />

Auswahl von Modellen oder der Annahme des Verlaufs von Schadensfunktionen -lässt<br />

sich aber auch keine Naturwissenschaft betreiben.<br />

Heute wird die Gewichtung innerhalb der Ökobilanzforschung als allein mittels<br />

sozialwissenschaftlichen Ansätzen realisierbar anerkannt. In Anlehnung an Luhmann<br />

kann man sagen „Die Gesellschaft kann ihre Wirkungen auf die Umwelt nur selbst<br />

bewerten“. Das sahen viele der beteiligten NaturwissenschafterInnen zu Beginn der<br />

90er Jahre keineswegs so.<br />

Dennoch kann festgehalten werden, dass einige dieser Ideen –Energie, NOEL, Transmissionsmodellierung<br />

-durchaus Eingang in das Rahmenkonzept der Wirkungsanalyse<br />

gefunden haben, wenngleich auf einer anderen Ebene und mit erheblich geringerem<br />

Geltungsanspruch.<br />

4.3.5.2 Politik und Gesetzgebung als Referenz<br />

Von der Grundidee einer Ökologischen Grenze wie die oben beschriebenen naturwissenschaftlich<br />

orientierten Methoden sind auch die Pionier-Methoden der Ökologischen<br />

Knappheit ,resp. die Kritischen Volumina ausgegangen. Dabei suchten sie<br />

diese Grenze aus politischen Vorgaben abzuleiten: Grenzwerte oder <strong>St</strong>offflussziele der<br />

Umweltpolitik wurden dazu herangezogen. 221<br />

Obwohl die Kritischen Volumina keine eigentliche Gewichtungsmethode darstellen,<br />

sondern nur eine Teilaggregation vornahmen und damit der Wirkungsanalyse<br />

zugeordnet wurden, haben sie die Entwicklung verschiedener Gewichtungsmethoden<br />

auf der Basis von Grenzwertrelationen angestossen. Die oben bereits beschriebene<br />

Critical Surface Time von Jolliet baut direkt darauf auf. Eine umfassende und<br />

systematische Weiterentwicklung stellen die Qualitätsziel-Relationen von<br />

Schaltegger/<strong>St</strong>urm dar: Sie rechnen 1992 die Immissionsgrenzwerte von m 3 auf Mol um<br />

219<br />

Siehe Abschnitt 4.3.2.2.<br />

220<br />

Siehe Bengtsson, 2000, S. 17.<br />

221<br />

Siehe Abschnitt 3.2.6.


110 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

und machen damit einen Vergleich der Grenzwerte über alle Umweltmedien möglich.<br />

Die Grenzwertrelation erhalten sie schliesslich über eine Normalisierung auf CO 2 (wozu<br />

allerdings kein Grenzwert-Ziel existiert und sie pragmatisch die Konzentration von 1960<br />

als Qualitätsziel annehmen). Sie empfehlen schliesslich eine Multiplikation des<br />

Ergebnisses mit der Halbwertszeit des entsprechenden <strong>St</strong>offes, wobei sie selbst diesen<br />

Schritt mangels Daten nicht umsetzen. In der Literatur wird dieser Ansatz bis Ende der<br />

90er Jahre ebenfalls häufig diskutiert und die entsprechenden Gewichtungsfaktoren<br />

wurden in verschiedenen Software-Programmen Anwendenden zur Verfügung gestellt.<br />

Heute finden die Qualitätsziel-Relationen jedoch keine Beachtung mehr und die<br />

Gewichtungsfaktoren werden von den Autoren nicht mehr aktualisiert. Die Methodik ist<br />

jedoch in der Praxis zumindest beim Pharmakonzern Roche noch in Gebrauch und<br />

dient dort zur Ermittlung einer „Eco-Efficiency-Rate“ 222 .<br />

Die grenzwertorientierten Methoden unterscheiden sich von den distance-to-target-<br />

Ansätzen insbesondere dadurch, dass sie lediglich etwas über die politisch, resp.<br />

administrativ anerkannte relative Gefährlichkeit eines <strong>St</strong>offes aussagen. Sie berücksichtigen<br />

hingegen den aktuellen Zustand der Umwelt nicht und enthalten damit keine<br />

Informationen über den politisch gebotenen Handlungsbedarf zur Begrenzung von<br />

Emissionen.<br />

Die Ökologische Knappheit - der Vorläufer aller distance-to-target-Methoden wurde<br />

hingegen immer wieder aktualisiert und die Herleitung der Gewichtungsfaktoren an<br />

neue Entwicklungen der Ökobilanzforschung angepasst. Dies obwohl die meisten der<br />

führenden Forschenden diese Methode ablehnen, da die Gewichtungsfaktoren auf<br />

<strong>St</strong>ufe der <strong>St</strong>offflüsse bestimmt werden, ohne dass die allgemein geforderte Abfolge von<br />

Arbeitschritten der Wirkungsanalyse (Selektion von Wirkungskategorien, resp. Schutzobjekten,<br />

Modellierung der Wirkungsketten, Normalisierung und erst dann Gewichtung)<br />

durchlaufen wird. Auch die ursprünglichen Autoren der Ökologischen Knappheit haben<br />

sich seit Mitte der 90er Jahre in Ihren Arbeiten der schadensorientierten Wirkungsanalyse<br />

und darauf basierenden Gewichtungsmethoden zugewandt.<br />

Grundsätzliche Kritik seitens der Ökobilanzforschung an distance-to-target-Methoden<br />

entspringt einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der ökologischen Angemessenheit<br />

von Umweltpolitik und Umweltgesetzgebung: Einerseits werden die Ziele häufig als zu<br />

wenig umfassend sowie als zu wenig restriktiv erachtet. 223 Umweltrechtsexperten<br />

verweisen zudem auf den Umstand, dass viele Umweltgesetze in ihrer Aussagekraft<br />

durch Formulierungen wie „soweit wirtschaftlich tragbar und technisch machbar“ letztlich<br />

unbestimmt seien und eher einen technokratischen Kompromiss zwischen Behörden<br />

und Wirtschaft darstellen, als eine demokratisch legitimierte Präferenzordnung.<br />

In der Praxis ist die Methode jedoch weiterhin präsent und es haben sich andere<br />

Autoren gefunden, die heute die Weiterentwicklung vorantreiben. 224 Diese haben<br />

222<br />

Roche AG, Sicherheit und Umweltschutz bei Roche: Konzernreport 2002, Basel, 2002, S. 40.<br />

223<br />

Schoenbaum, T.: Environmental Law and Ecofactors, in: Miyazaki, N., et.al.: JEPIX –Japan Environmental<br />

Policy Priorities Index, Social Science Research Institute Monograph Series Nr. 7, Tokyo, 2004,<br />

S. 55 - 59.<br />

224<br />

Siehe Doka, G.: Synopsis of variations of the BUWAL Ecopoints LCIA Method, Ecoscarcity ,Übersicht


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 111<br />

begonnen, bezüglich bestimmter <strong>St</strong>offgruppen selektiv auch Modelle der Wirkungsanalyse<br />

in die Berechnung einzubeziehen. So wird in aktuellen Auflagen der Ökologischen<br />

Knappheit für Treibhausgase und ozonschichtabbauende <strong>St</strong>offe so<br />

vorgegangen, dass Gewichtungsfaktoren zunächst nur für die explizit gesetzlich<br />

geregelten <strong>St</strong>offe ermittelt und diese Faktoren dann mittels Charakterisierungsfaktoren<br />

(insbesondere für die Umweltwirkungen Treibhauspotential, resp. Ozonabbaupotential<br />

sowie Photooxidationspotential) auf andere <strong>St</strong>offe skaliert werden, sofern das Gesetz<br />

explizit auf diese Wirkungen hin ausgerichtet ist. Dadurch kann das Auflösungsvermögen<br />

der Methodik erheblich erhöht werden. 225<br />

Zusätzlich wurde angeführt, dass die Methodik durchaus auf Schutzobjekten beruht, da<br />

sich entsprechende Formulierungen in den Gesetzen finden und man anhand dieser<br />

Schutzobjekte auch Wirkungsmodelle zur Bestimmung der Zielflüsse legitimerweise<br />

verwenden könne.<br />

Beispielsweise haben wir eine solche Erweiterung für den Einbezug toxischer<br />

Substanzen vorgeschlagen und für Japan auf dieser Basis Gewichtungsfaktoren für<br />

rund 300 Substanzen, nach Umweltmedien differenziert, berechnet. Das Auflösungsvermögen<br />

der Methodik kann damit auf über 1'000 Gewichtungsfaktoren erhöht werden<br />

und viele bislang unberücksichtigte, aber zweifelsfrei relevante <strong>St</strong>offe –insbesondere<br />

Schwermetalle, Pestizide und Dioxine –können damit in die Beurteilung einbezogen<br />

werden. Da das Chemikaliengesetz „den Schutz der Gesundheit von Mensch und<br />

Umwelt“ zum Ziel hat und da in Japan für rund 20 toxische Substanzen nationale Ziele<br />

bestehen, wird so die distance-to-target auf der Basis von Toxizitätswerten legitimiert,<br />

ohne dass von Immissionsgrenzwerten auf Emissionsfrachten zurückgerechnet werden<br />

muss. Die gemessenen Immissionswerte dienen in dieser Version der Methodik<br />

vielmehr dazu, um erstmals eine Regionalisierung der Gewichtungsfaktoren<br />

vorzunehmen: Die auf nationaler Ebene berechneten Gewichtungsfaktoren wurden<br />

anhand der spezifischen Konzentrationswerte von 47 Präfekturen skaliert (für Luftqualität<br />

anhand NO X , SO X , Photooxidantien, sowie für Wasserqualität anhand DOC,<br />

Phosphor und <strong>St</strong>ickstoff).<br />

Dem Umstand, dass sich für einen <strong>St</strong>off, resp. eine Wirkung unterschiedliche Ziele aus<br />

verschiedenen politisch legitimierten Quellen ergeben können wird zudem Rechnung<br />

getragen, indem für jede dieser Quellen ein Gewichtungsfaktor berechnet und dann mit<br />

Berufung auf das Vorsorgeprinzip der höchte Faktor ausgewählt wird.<br />

Das Konzept der Ökologischen Knappheit trägt somit in seinen aktuellen Umsetzungen<br />

durchaus den Entwicklungen der Wirkungsanalyse Rechnung. Im Gegensatz zum<br />

Anspruch der Wirkungsanalyse, eine möglichst naturwissenschaftliche Bestimmung von<br />

Wirkungen, resp. Schäden zu erreichen, versucht das distance-to-target-Prinzip explizit<br />

im Auftrag des BUWAL, Doka Life Cycle Assessments, Zürich, 2000.<br />

225<br />

Siehe Scheidegger, A.,: Der Umgang mit politischen Zielwerten –Erfahrungen aus der Überarbeitung<br />

der Methode der Ökologischen Knappheit, in: in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden,<br />

Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 29 – 33.


112 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

politische Wertungen abzubilden und erhebt damit keinen naturwissenschaftlichen<br />

Anspruch. Deshalb haben wir auch vorgeschlagen, den missverständlichen Namen<br />

Ökologische Knappheit aufzugeben und angemessener von politischen Prioritäten zu<br />

sprechen. Die für Japan entwickelte Variante wurde entsprechend als JEPIX –Japan<br />

Environmental Policy Priorities Index bezeichnet. 226<br />

National Ecobalance for Japan 1999<br />

Ozon Depletion Potential<br />

BOD (biggest rivers)<br />

4%<br />

4%<br />

COD (desig. water areas)<br />

4%<br />

Road Noise<br />

5%<br />

Photochemical Oxidant<br />

5%<br />

N0x<br />

3%<br />

SPM<br />

3%<br />

Greenhouse Gas<br />

40%<br />

P (desig. water areas)<br />

5%<br />

N (desig. water areas)<br />

7%<br />

Waste to Landfilling<br />

10%<br />

Toxicity Potentials<br />

10%<br />

Abbildung 4.14: Ökobilanz Japans 1999 nach JEPIX<br />

Die Darstellung zeigt die nationale Ökobilanz für Japan des Jahres 1999 auf der Basis des Japan Environmental<br />

Policy Priorities Index JEPIX 227<br />

Eine durchgängige Integration von Wirkungsbilanz und Gewichtung (es ergeben sich –<br />

sozusagen von links nach rechts -Resultate auf beiden Ebenen) wurde erstmals 1994<br />

durch niederländische Forscher umgesetzt. Kalisvaart und Remmerwaal griffen mit der<br />

MET-Point-Methode 228 die von CML vorgelegte Wirkungsanalyse-Methodik sowie die<br />

entsprechenden Datenbestände auf und begannen nicht die <strong>St</strong>offe der Sachbilanz,<br />

sondern die Wirkungsindikatoren („effect scores“) -beispielsweise Treibhauseffekt -zu<br />

gewichten. Dazu orientierten sie sich zwar analog zur Ökologischen Knappheit an<br />

nationalen <strong>St</strong>offflusszielen. Diese wurden für 8 der 13 durch CML vorgeschlagenen<br />

Wirkungskategorien auf Wirkungsindikatoren umgerechnet und auf dieser Basis der<br />

Zielwert mit dem effektiven jährlichen Wert jedes Wirkungsindikators verrechnet. Die<br />

226<br />

<strong>Siegenthaler</strong>, 2002, ohne Seitenangaben.<br />

227<br />

Leicht veränderte Darstellung aus Miyazaki, 2004, S. 53.<br />

228<br />

Kaalisvart, S., Remmerswaal, J.: The MET-Point method: Anew single figure performance indicator<br />

based on effect scores, zitiert in Müller-Wenk, 1994, S. 36.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 113<br />

Methode wurde später nicht weiterverfolgt, inspirierte jedoch andere Autoren, Modelle<br />

der Wirkungsanalyse zur Operationalisierung politischer Zielwerte zu verwenden<br />

(beispielsweise Ökologische Knappheit 1997, JEPIX).<br />

Dieser Ansatz liegt auch der dänischen Environmental Design of Industrial Products<br />

EDIP Methode von Hauschild und Wenzel zugrunde: sie berechnen 1997 Gewichtungsfaktoren<br />

für 8 Wirkungskategorien sowie diverse Ressourcen und gewichten diese<br />

ebenfalls anhand der Entfernung von politisch legitimierten Referenzwerten. Je nach<br />

geografischer Bedeutung einer Wirkungskategorie werden die Daten global oder<br />

national pro Kopf normalisiert. EDIP findet sowohl in der Literatur als auch in der Praxis<br />

Beachtung. Dieser Ansatz wurde 1999 auch in einer Version für China publiziert. 229<br />

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die an politischen Zielwerten orientierten<br />

Methoden zu Beginn der 90er Jahren die Gewichtungs-Diskussion angestossen haben.<br />

Sie wurden stetig aktualisiert und haben die Erkenntnisse, resp. Modelle und Daten der<br />

Wirkungsanalyse zunehmend integriert. Nach wie vor sind diese Ansätze aber<br />

methodisch einfach aufgebaut (einfache Formel zur Verrechnung von Zielfluss und<br />

aktuellem Fluss) ohne die vorgängig notwendigen Schritte zur Datengewinnung und<br />

Selektion an konsequent durchgehaltenen Kriterien zu durchlaufen oder Prinzipien<br />

formal einheitlich zu gestalten. Damit sind sie mehr von Pragmatismus und Plausibilität<br />

geprägt, als vom Anspruch einer wissenschaftlich reproduzierbaren Vorgehensweise.<br />

Zumindest im Falle der Gewichtungsfaktoren auf Basis der Ökologischen Knappheit für<br />

die Schweiz, resp. Japan als auch für die EDIP Methodik in Dänemark wurden die<br />

Gewichtungsfaktoren in Koordination mit den Umweltbehörden und Vertretern von<br />

Unternehmen erarbeitet und auch durch anerkannte Institutionen publiziert. Damit<br />

haben die Daten eine gewisse Qualitäts- und Vollständigkeitsprüfung durchlaufen und<br />

erhalten auch eine offizielle Autorität. In der Schweiz spricht man häufig von der<br />

BUWAL-Methodik - dies obwohl das BUWAL - Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />

Landschaft -explizit festhält, dass man die entsprechende Publikation nur als einen von<br />

mehreren Beiträgen zur Methoden-Diskussion verstanden haben will und es sich<br />

keinesfalls um eine offizielle Methode handelt.<br />

Da sich sowohl der Umweltzustand als auch die Gesetzgebung stetig verändern,<br />

müssen die Gewichtungsfaktoren periodisch aktualisiert und neue Ziele aufgenommen<br />

werden. In Kombination mit ihrer Autorität sind sie darum grundsätzlich geeignet,<br />

Trends umweltpolitischer Differenzierung und Priorisierung an die Entscheidungsträger<br />

zu vermitteln. Diese Kategorie von Ansätzen bildet also eher einen sozialen Lern- und<br />

229<br />

Nielsen, P., Yang, J.: Chinese normalization references and weighting factors –According to the EDIP<br />

impact assessment method, Technical University of Denmark &Chinese Academy of Science, Inco<br />

China, 1999.


114 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Priorisierungsprozess ab (gesellschaftliche Resonanz !), als eine naturwissenschaftliche<br />

Ökologische Wahrheit.<br />

4.3.5.3 Empirische Sozialforschung (Panel) als Referenz<br />

Die bereits in den 70er und 80er Jahren praktizierten, subjektiven Beurteilungsmethoden<br />

(verbal-argumentativ, ABC, Nutzwertanalyse), welche spezifisch auf eine<br />

bestimmte Fragestellung zugeschnitten sind, werden in der Praxis weiterhin häufig<br />

eingesetzt. Sie sind aber eher Gegenstand der allgemeinen Entscheidungstheorie und<br />

werden in der Ökobilanzforschung nicht spezifisch thematisiert. An ihre <strong>St</strong>elle traten<br />

Befragungstechniken aus der empirischen Sozialforschung, die unter dem <strong>St</strong>ichwort<br />

Panel-Methoden Eingang in die Ökobilanzierung gefunden haben.<br />

Der Begriff Panel ist in der empirischen Sozialforschung eigentlich für sogennante<br />

Längsschnittstudien reserviert, in welchen die Probanden periodisch mit denselben<br />

Fragestellungen konfrontiert werden. In der Ökobilanzierung hat sich der Begriff ganz<br />

allgemein für Befragungen zu Präferenzen etabliert 230 – jedoch ohne die umweltökonomischen<br />

Methoden zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft einzuschliessen.<br />

Diese bilden eine eigenständige Kategorie.<br />

Die häufig zitierte Landbank Panel <strong>St</strong>udie von Wilson 231 verwendete erstmals eine<br />

mehrstufige Delphi-Befragung zur Gewichtung einer 39 Emissionen umfassenden<br />

Sachbilanz. Eine Gruppe von 11 Umweltwissenschaftern aus 10 britischen<br />

Universitäten hatte mittels score allocation (Punkte-Budget verteilen) und ranking<br />

(Rangliste bilden) ihre Beurteilungen abzugeben. Diese Beurteilung erfolgte anonym<br />

und die statistisch ausgewerteten Resultate wurden vor einer zweiten Befragung den<br />

Experten zugestellt. Die meisten passten daraufhin ihre Einschätzungen erheblich an.<br />

Diese Änderungen waren zu begründen und diese Kommentare standen dann in einer<br />

dritten Runde allen Experten zur Verfügung. Diese Runde zeigte kaum mehr<br />

Veränderungen der Gewichtungsfaktoren. In diesem Sinne wurde ein Konsens unter<br />

den Experten erzielt, auf dessen Basis Sachbilanzen gewichtet werden konnten.<br />

Auch Kortmann verwendete 1994 parallel zu dem oben erwähnten NSAEL-Ansatz für<br />

die Gewichtung ein Experten-Panel. Er liess hingegen die ausgewählten 22<br />

holländischen Umweltexperten aus verschiedenen Organisationen (Universitäten,<br />

Behörden, Verbänden, u.a.) nicht einzelne <strong>St</strong>offe aus der Sachbilanz, sondern 5<br />

Wirkungskategorien aus CML mittels ranking und score allocation gewichten. Er wählte<br />

dazu ebenfalls ein mehrstufiges Vorgehen, in welchem die Experten im Verlaufe des<br />

Verfahrens weitere Informationen - u.a. auch die Gewichtung nach der NSAEL-<br />

230<br />

Mettier, Th.: Der Vergleich von Schutzgütern –Ausgewählte Ergebnisse einer Panel-Befragung, in:<br />

ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9. Diskussionsforums<br />

Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 59.<br />

231<br />

Wilson, B., Jones, B.: The Phosphate Report, Landbank Consulting, London, 1994, übernommen aus<br />

Foerster, R,: Panel Method according to Landbank, in: Braunschweig, 1994, S. 141 – 151.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 115<br />

Methode –erhielten. Sie hatten zudem ihre Werturteile zu begründen und konnten die<br />

Begründungen und scores der anderen Experten einsehen. Damit wurden die<br />

verwendeten Kriterien transparent. 232<br />

Abbildung 4.15: PANEL-Methode<br />

Gewichtungsfaktoren der PANEL-Methode für 5 CML-Wirkungskategorien 233<br />

Es zeigte sich, dass die Experten anhand sehr unterschiedlicher Kriterien<br />

argumentierten. In einem weiteren Schritt selektierte man eine Gruppe von 10<br />

Experten, welche ungefähr dieselben Kriterien zugrunde gelegt hatten. Nur deren<br />

scores wurden schliesslich zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren verwendet, da die<br />

Resultate der anderen 12 Experten sehr stark variierten und als nicht vergleichbar<br />

taxiert wurden. Dieses Beispiel zeigt, dass unter den Experten erhebliche Differenzen<br />

nicht nur in der Gewichtung bestimmter Wirkungskategorien, sondern auch bezüglich<br />

der persönlichen Vorgehensweise, resp. den persönlich als relevant erachteten<br />

Aspekten bestehen. Die resultierenden Gewichtungsfaktoren zeigen schliesslich eine<br />

gewisse Gleichgewichtung der verschiedenen Wirkungskategorien. –dies in starkem<br />

Gegensatz zu den NSAEL-basierten (naturwissenschaftlich-begründeten) Gewichtungsfaktoren.<br />

Eine Befragung von Umweltexperten und Fachpersonen wurde auch 1995 von Nagata<br />

zur Ermittlung von Gewichtungsfaktoren für 9 Wirkungskategorien verwendet. Sein<br />

Panel umfasste 5 verschiedene Personengruppen (Total 242 Befragte) – Umweltwissenschaftler<br />

(57), Umweltexperten der Chemical Engineering Society (48), Ökobilanzanwendende<br />

aus der Industry (30), Laien-Mitglieder der Chemical Enginering<br />

232<br />

Kortmann, J.G.M., et al.: Towards a single Indicator for Emissions. An Exercise in Aggregating Environmental<br />

Effects; Ministry of VROM, Report Nr. 1994/12, Zoetermeer, 1994, übernommen aus Müller-<br />

Wenk, 1994, S. 34 – 42.<br />

233<br />

Eigene Darstellung; Gewichtungsfaktoren aus Müller-Wenk, 1994, S. 34.


116 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Society (50) und <strong>St</strong>udierende der Ingenieurwissenschaften (57). Dabei wurden drei<br />

verschiedene Befragungsmethoden –ranking, score allocation und analytical hierarchy<br />

process (Paarweise Beurteilung aller Wirkungskategorien) –getestet. 234 Die Resultate<br />

der drei verschiedenen Verfahren wurden gegenübergestellt und ihre <strong>St</strong>reuung<br />

untersucht. Schliesslich wurde jeweils der Mittelwert der Befragungen als Gewichtungsfaktor<br />

verwendet und die Ergebnisse mit einer Reihe anderer Methoden – so zum<br />

Beispiel der Ökologischen Knappheit für die Schweiz, die Niederlande, Norwegen und<br />

Schweden verglichen.<br />

Abbildung 4.16: Beurteilung von Umweltveränderungen durch Befragung<br />

Die RADEX-Darstellung stellt die Ergebnisse des Panels von Nagata für verschiedene Gruppen von<br />

Befragten dar. Es zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Einschätzungen. 235<br />

Nagata stellte fest, dass sich die einzelnen Gruppen in der Beurteilung der 9Wirkungskategorien<br />

stark unterschieden. Einzig die Kategorie Abfälle wurde von allen als relativ<br />

unwichtig taxiert. Grosse Unterschiede ergaben sich hingegen bei der Einschätzung<br />

des Treibhauseffekts, der Gewässerbelastung, der Energie sowie bei den ökologischen<br />

Schäden. Zudem stellte er fest, dass die verschiedenen getesteten<br />

Befragungsmethoden (ranking, score allocation und analytical hierachy process) keine<br />

nennenswerten Unterschiede in den Resultaten zeigten.<br />

234<br />

Nagata, K., et.al.: Developing an Impact Assessment Methodology using Panel Data, in: RITE<br />

International Workshop on Total Ecobalance, Tokyo, 1996, S. 101 – 119.<br />

235<br />

Nagata, 1996, S. 103.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 117<br />

Auch die weltweit viel beachtete schadensorientierte Gewichtungsmethodik Eco-<br />

Indicator 99 236 von Goedkoop und Spriensma baut auf Ergebnissen einer Befragung<br />

auf: Sie verwendet die Ergebnisse einer fragebogenbasierten Umfrage unter 82<br />

Mitgliedern des LCA Forums ETHZ/EPFL -vorwiegend Forschende und Mitarbeitende<br />

von Beratungsunternehmen -durch Mettier. Dabei wurden erstmals Schutzgüter und<br />

entsprechende Schäden (endpoints) und nicht wie bis dato Emissionen oder Umweltveränderungen<br />

durch die Befragten beurteilt.<br />

Es waren die Präferenzen zum Schutze der Menschliche Gesundheit, der Qualität des<br />

Ökoystems sowie von Ressourcen zu ermitteln. Aufbauend auf der Erkenntnis, dass in<br />

Befragungen ohne Zusatzinformationen eine starke Tendenz zur Gleichgewichtung<br />

besteht, enthielt der Fragebogen verschiedene Interpretationshilfen, war mehrstufig,<br />

qualitativ und quantitativ aufgebaut und fragte die Bewertungen anhand verschiedener<br />

Entscheidungskontexte (Schäden in Europa, Schäden aus einem hypothetischen<br />

Produkt, etc.) ab. 237<br />

Mettier stellte fest, dass die Befragten erheblich Mühe hatten, vorgegebene Schäden<br />

konsistent zu beurteilen, die nicht in demselben Enscheidungskontext liegen. Die<br />

Befragten bevorzugten eine Bewertung auf einer eher allgemeinen Ebene gegenüber<br />

einer sehr konkreten Ebene. Bei den rankings der Schutzobjekte wurden „Ressourcen“<br />

deutlich weniger wichtig eingestuft als die beiden anderen, während die Ökosystemqualität<br />

mit leichtem Vorsprung am häufigsten als wichtigstes Schutzziel taxiert wurde.<br />

Beim nachfolgenden scoring zeigte sich, dass 50% der Befragten nicht bereit waren,<br />

ihre Gewichtung der Schutzobjekte numerisch auszudrücken. Dies ist ein Phänomen,<br />

welches auch im Rahmen von Befragungen zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft in<br />

der umweltökonomischen Forschung häufig in dieser Grössenordnung anzutreffen ist. 238<br />

Die Befragung versuchte desweiteren die Wertvorstellungen der Befragten anhand der<br />

sogenannten Kulturtheorie zu erfassen, die eine Typenbildung aufgrund von zwei<br />

Merkmalen vornimmt (group/grid analysis). Während das Merkmal group erfasst, wie<br />

stark jemand in festen Gruppen eingebunden ist, versucht das Merkmal grid zu<br />

bestimmen, wie stark jemand durch Vorschriften und Zwänge beeinflusst wird.<br />

Entsprechend den Ausprägungen werden verschiedene Archetypen unterschieden.<br />

Hofstetter hatte den Ansatz der Kulturtheorie in die Ökobilanzforschung eingebracht<br />

und Mettier untersuchte nach dessen Vorschlägen drei Ausprägungen: Individualist<br />

(grosse Unabhängigkeit und Selbstbestimmung), Egalitarian (Gruppenindentität und<br />

Hierarchieaversion) sowie Hierachist (Gruppenidentität und Unterordnung). 239 Anhand<br />

der Antworten von 29 Befragten, die in diesen Kategorien starke Ausprägungen zeigten,<br />

wurden schliesslich typenspezifische Gewichtungsfaktorensets berechnet.<br />

236<br />

Siehe Goedkoop, M., Spriensma, R.: The Eco-indicator 99 –Adamage oriented method for Life Cycle<br />

Impact Assessment, Methodology Report, Second Edition, April 2000, S. 3.<br />

237<br />

Mettier, Vergleich von Schutzgütern, 1999, S. 58.<br />

238<br />

Mitchell, R.C., Carson,R.T.: Using Surveys to Value Public Goods. The Contingent Valuation Method,<br />

Resources for the Future, Washington, 1989, S. 34.<br />

239<br />

Siehe ausführlich: Hofstetter, P.: Perspectives in Life Cycle Assessment: Astructured approach to<br />

combine models of the technosphere, ecosphere and valuesphere. Kluwer, Norwell, 1998.


118 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Abbildung zeigt die Resultate des rankings und des scorings sowie die daraus<br />

(pragmatisch) abgeleiteten Gewichtungsfaktoren.<br />

Abbildung 4.17: Gewichtung von Schutzobjekten für den Eco-indicator 99<br />

Gewichtung von Schutzobjekten Im Rahmen des Eco-Indicator 99. Links sind die Resultate des rankings,<br />

rechts die Resultate des scorings dargestellt. Die Tabelle zeigt die darauf basierenden Gewichtungen auf<br />

Ebene Schutzobjekte und für das Gesamtresultat (Average), sowie die drei getesteten Archetypen.<br />

Anhand der Resultate aus <strong>St</strong>ichproben mit nur 46, resp. 65 Ökobilanz-Interessierten aus dem Verteiler<br />

des ETH LCA Forums, werden heute weltweit zahlreiche Ökobilanzen gewichtet (siehe auch Abschnitt<br />

5.3.3). 240<br />

In der Anwendung einer konkreten Ökobilanzierung wählt man die Perspektive zur<br />

Gewichtung aus und erhält ein spezifisch für diese Perspektive typisches Resultat.<br />

Später wurde auch eine Software bereitgestellt, damit man sich selbst im Gewichtungsdreieck<br />

verorten und damit individuelle Gewichtungsfaktoren erstellen und zur<br />

Berechnung von Ökobilanzen einsetzen kann.<br />

Eine solche zielgruppenspezifische Konfiguration der Ökobilanz ist grundsätzlich<br />

begrüsst worden und entspricht den Forderungen diverser Leitfäden als auch der ISO-<br />

14040ff. Allerdings sind die entsprechenden Resultate nicht mehr mit anderen <strong>St</strong>udien<br />

vergleichbar. Wohl deshalb findet man in der Literatur kaum Fallbeispiele, die diese<br />

typenspezifische Konfiguration tatsächlich anwenden. In der Regel wird mit den<br />

durchschnittlichen Gewichtungsfaktoren (Average) gerechnet.<br />

Das von Mettier entwickelte <strong>St</strong>udie stellt die unseres Wissens bislang anspruchsvollste<br />

Befragung zur Herleitung von Gewichtungsfaktoren im Rahmen der Ökobilanzforschung<br />

dar. Angesichts der geringen <strong>St</strong>ichprobe sind die Resultate jedoch nicht repräsentativ.<br />

240<br />

Darstellungen zusammengefasst aus Goedkoop/Spriensma, 2000, S. 96/97.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 119<br />

Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Panel-basierten <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden<br />

feststellen, dass in den durchgeführten Befragungen ranking und scoring<br />

sowie analytical hierarchy process eingesetzt werden. Die <strong>St</strong>ichproben beziehen sich in<br />

der Regel auf ausgewählte Umwelt- und (meistens hauptsächlich) Ökobilanzfachleute.<br />

Sie geben weder Aufschlüsse über die Einschätzungen der Bevölkerung, noch<br />

zeichnen sie ein repräsentatives Bild der in den Umweltwissenschaften engagierten<br />

Forschenden.<br />

Mit Blick auf den erheblichen Aufwand und die enorme Komplexität der einzelnen<br />

Arbeitsschritte einer Ökobilanz mag dies überraschen. Offenbar ist die Schnittstelle zur<br />

empirischen Sozialforschung noch wenig ausgeprägt. Es werden keine bestehenden<br />

Forschungsresultate der Demoskopie genutzt und die Diskussion der verschiedenen<br />

Methoden der Befragung ist -mit Ausnahme der umfangreichen Arbeit von Mettier in<br />

der Ökobilanzliteratur vergleichsweise oberflächlich. Dies bestätigen auch die Untersuchungen<br />

von Hofstetter 241 , Finnveden 242 und Sundmacher, die die verschiedenen<br />

Panel-basierten Gewichtungsprojekte inventarisiert haben. Alle drei Autoren stellen fest,<br />

dass die Befragungen tendenziell dazu führen, dass die Befragten die zu beurteilenden<br />

Wirkungs- oder Schadenskategorien gleich gewichten. Sie weisen zudem auf die<br />

Herausforderung hin, diese wertbeladene Frage überhaupt tauglich im Rahmen eines<br />

Fragebogens zu formulieren und konstatieren eine latente Überforderung der<br />

Befragten.<br />

Sundmacher stellt zusammenfassend fest: „(...) dass hier insgesamt von einem bisher<br />

eher embryonalen <strong>St</strong>adium der Befragungstechnik gesprochen werden muss.“ 243<br />

4.3.5.4 Monetarisierung als umweltökonomische als Referenz<br />

Die monetäre Bewertung von Umweltschäden dient im Rahmen der Ökobilanzierung<br />

nicht der Internalisierung Externer Kosten, sondern primär einer indikativen Information<br />

der Beurteilenden über die gesellschaftliche Bewertung verschiedener Umweltwirkungen<br />

des Untersuchungsgegenstands. 244<br />

Monetarisierung als Vorschlag zur Gewichtung wurde in rudimentärer Form bereits in<br />

den 70er Jahren vereinzelt anhand von Vermeidungs-, resp. Schadenskosten in<br />

Sozialbilanzen vorgenommen. 245 In den 90er Jahren wurden die entsprechenden<br />

Konzepte von der Ökobilanzforschung wieder aufgegriffen.<br />

Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildeten zwei Publikationen aus dem Jahre 1992:<br />

Die eine entstand im Zusammenhang mit einer Verpackungsökobilanz-<strong>St</strong>udie des<br />

241<br />

Siehe Braunschweig, 1996, S. 138 - 140.<br />

242<br />

Finnveden, G.: Acritical review of operational valuation/weighting methods for life cycle assessment.<br />

AFR-report 253, Swedish Waste Research Council, Swedish EPA, <strong>St</strong>ockholm, 1999.<br />

243<br />

Sundmacher, Umweltinformationsinstrument Ökobilanz, 2002, S. 246.<br />

244<br />

Kytzia, S., Seidel, I.: Monetarisierung – ein Weg für die vergleichende Bewertung von<br />

Umweltschäden, in ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9.<br />

Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 34.<br />

245<br />

Siehe Abschnitt 3.2.3.


120 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Tellus Institute. Sie basierte auf dem Vermeidungskostenansatz, indem aus der<br />

Literatur die Kosten von gesetzlich vorgeschriebenen Umwelttechnologien und –<br />

massnahmen recherchiert und als Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Emissionen<br />

verwendet wurden. 246 Vermeidungskosten werden auch heute noch häufig verwendet.<br />

Jedoch nur stoffspezifisch und nicht zur Gewichtung verschiedenster Emissionen oder<br />

Wirkungskategorien. Dies im Gegensatz zum Prinzip der Zahlungsbereitschaft<br />

(willingness to pay).<br />

Auf der Zahlungsbereitschaft basiert die schwedische Environmental Priority <strong>St</strong>rategies<br />

Methodik (EPS). Als erste Methode überhaupt geht sie von Schutzobjekten aus und<br />

zielt dabei im Gegensatz zu den anderen bisher diskutierten Methoden auf einen<br />

globalen Geltungsbereich. Sie wurde in Zusammenarbeit mit namhaften Unternehmen,<br />

insbesondere Volvo, später auch Akzo Nobel und ABB entwickelt.<br />

Konkret werden für 5 – aus dem Protokoll der Rio-Konferenz (UNCED 1992) abgeleitete<br />

- Schutzobjekte Zahlungsbereitschaften zur Wiederherstellung eines als nachhaltig<br />

erachteten Niveaus ermittelt: Menschliche Gesundheit, Ressourcen, Produktionskapazität<br />

des Ökosystems, Biodiversität und Ästhetische Werte. Für die Schutzobjekte<br />

werden nicht zwingend jeweils ein endpoint-Indikator, sondern mehrere Indikatoren<br />

verwendet, welche dann spezifisch mit Zahlungsbereitschaften belegt werden. Das<br />

heisst, für menschliche Gesundheit werden anstelle eines endpoint- Indikators Disability<br />

Adjusted Life Years DALY (Eco-indicator 99) fünf Wirkungsindikatoren – Years of Life<br />

Lost YOLL, Severe Morbidity, Morbidity, Severe Nuisance und Nuisance separat<br />

ermittelt und dann die Zahlungsbereitschaften für jeden dieser Indikatoren addiert.<br />

Je nach Schutzziel werden sehr unterschiedliche Wege zur Herleitung der Zahlungsbereitschaften<br />

verwendet: 247 einerseits werden Marktpreise für biotische Ressourcen<br />

(Mais, Reis, etc.) und Frischwasser verwendet, anderseits werden fossile Energieträger<br />

mit dem Marktpreis der durch den Abbau verdrängten biotischen Ressourcen (Ernteausfall<br />

infolge Landbeanspruchung) bewertet. Auch mineralische Rohstoffe werden<br />

anhand der Marktpreise von Holzenergie bewertet, die aufgewendet werden müsste,<br />

um den Rohstoff aus einem minderwertigen Erz (definiert als 10-fache Konzentration<br />

der Erdkruste) zu gewinnen.<br />

Neben Marktpreisen werden auch „collective revealed preferences“ über staatliche und<br />

damit politisch legitimierte Ausgaben ermittelt. Die Ausgaben der schwedischen<br />

Behörden für den Arten- und Biotopschutz pro Kopf dienen zur Hochrechnung der<br />

Zahlungsbereitschaft auf die gesamte Weltbevölkerung.<br />

Bei der Gewichtung der unterschiedlichen Schadensindikatoren für Menschliche<br />

Gesundheit kommen verschiedenste Bewertungsgrundlagen zur Anwendung: Zum<br />

einen der Versicherungswert für einen Todesfall, zum anderen contingent valuation<br />

Zahlungsbereitschaftsbefragungen für die verschiedenen Arten von Beein-<br />

246<br />

Tellus Institute: The Tellus Institute Packaging <strong>St</strong>udy, Boston, 1992 zitiert in Schaltegger/<strong>St</strong>urm, 1992,<br />

S. 72.<br />

247<br />

Wir beziehen uns bei dieser Diskussion auf die Version von 1992.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 121<br />

trächtigungen. Insgesamt beschränken sich die Autoren auf Sekundär-Forschung, das<br />

heisst, es werden alle Werte aus der Literatur übernommen und allenfalls umgerechnet.<br />

Der Ansatz wurde heftig kritisiert, da die diversen Methoden nicht direkt vergleichbare<br />

Werte ergeben, aber dennoch ohne weiteres und in nicht nachvollziehbarer Weise<br />

addiert werden. Ebenfalls kritisiert wurden zahlreiche der sehr arbiträren Annahmen und<br />

die Hochrechnung von schwedischen, teils US-amerikanischen Zahlungsbereitschaften<br />

auf die gesamte Weltbevölkerung. „The method (..) suffers from alack of transparency<br />

(e.g. valuation of biodiversity) and contains some scientific, logical and computational<br />

errors.“ 248<br />

<strong>St</strong>een hält dem entgegen, dass es ohnehin nur indikative Zahlen zur Ermittlung relativer<br />

Unterschiede sind und die resultierenden ELU (entsprechend einem ECU) nicht direkt<br />

mit echtem Geldwert zu vergleichen sind. Aller Kritik zum Trotz wurde die Methodik<br />

1994, 1996 und 1999 überarbeitet und die Datengrundlagen wurden aktualisiert. 249 Ein<br />

weiteres prominentes Unternehmen zählt heute zudem zu den Anwendenden: Ricoh<br />

Inc. – in Japan als das führende Unternehmen in Sachen Umweltmanagement<br />

mehrfach ausgezeichnet –verwendet das EPS System zur Gewichtung der Betriebsökobilanz<br />

und Berechnung der Ökoeffizienz.<br />

Die Methodik ist aus umweltökonomischer Sicht sicherlich als abenteuerlich zu taxieren.<br />

Dennoch nimmt <strong>St</strong>een einige Entwicklungen der Ökobilanzforschung vorweg: das<br />

Ausgehen von Schutzobjekten, eine Operationalisierung der Ressourcen-Kategorie<br />

anhand des Energieaufwandes zur Aufbereitung minderwertiger Erze sowie grundsätzlich<br />

die Einführung des Grundgedankens der Zahlungsbereitschaft zur Gewichtung.<br />

Gegen Ende der 90er Jahre fand eine zweite <strong>St</strong>andard-Methodik zur Gewichtung von<br />

Sachbilanzen Beachtung. Auch sie basiert auf dem Prinzip der Zahlungsbereitschaft,<br />

wurde aber nicht innerhalb der Ökobilanzforschung entwickelt, sondern aus der<br />

empirischen Umweltökonomie übernommen: ExternE. Im Auftrag der Europäischen<br />

Kommission wurden zur Politikberatung (Vorbereitung einer Energie- oder Ökosteuer)<br />

zunächst die marginalen Externen Kosten der <strong>St</strong>rombereitstellung in Europa abgeschätzt,<br />

später dann auch die Externen Kosten des Verkehrs ermittelt. Das Projekt<br />

wurde auf europäischer Seite von mehr als 50 wissenschaftlichen Institutionen<br />

ausgeführt und es bestand auch eine Zusammenarbeit mit dem US Departement for<br />

Energy. ExternE entwickelte dazu -sozusagen parallel zur Ökobilanzforschung –ein<br />

umfassendes Wirkungsmodell –ausgehend von Emissionen an konkreten Lokalitäten<br />

über Transport und Umwandlung, Konzentration und Deposition, Wirkung auf<br />

Rezeptoren bis zur Ermittlung der physikalischen Schäden und den dadurch<br />

ausgelösten Kosten, resp. Wohlfahrtsänderungen. 250 ExternE weist damit erhebliche<br />

248<br />

Guinée, 2002, S. 631<br />

249<br />

<strong>St</strong>een, B.: Asystematic approach to environmental priority strategies for product development (EPS),<br />

Version 2000 – general system characteristics, CPM Report 1999/4, 1999.<br />

250<br />

Krewitt, W., Friedrich, R.: Monetäre Bewertung von Umweltschäden –Erfahrungen aus dem ExternE<br />

Projekt, in: ETH Zürich: Ansätze zum Vergleich von Umweltschäden, Nachbearbeitung des 9.<br />

Diskussionsforums Ökobilanzen vom 4.12.1998, S. 44 – 57.


122 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

strukturelle Parallelen zur Wirkungsanalyse in der Ökobilanzierung auf und stellt damit<br />

ein vollkommen integriertes Modell dar. Dieses erlaubt Auswertungen auf Ebene der<br />

Wirkungsanalyse anhand von Umweltwirkungs- und Schadensindikatoren und<br />

gewichtet schliesslich zu einer einzigen (Geld-)Einheit.<br />

Allerdings werden Schäden an Ökosystemen nicht monetarisiert, sondern nur als<br />

endpoint (Zunahme der Flächen, in welchen die „critical loads“ überschritten werden)<br />

ausgewiesen, da keine Ansätze zur Ermittlung der Schadenskosten entsprechender<br />

Überschreitungen zur Verfügung stehen. Auch kennt ExternE kein Schutzobjekt<br />

Ressourcen im Sinne der Ökobilanzierung, da ihre Kosten über Marktpreise als<br />

internalisiert unterstellt werden. Materialschäden werden hingegen -vergleichbar dem<br />

Schutzobjekt Kulturelle Umwelt miteinbezogen.<br />

ExternE verwendet zur Monetarisierung einerseits Marktpreise für Materialschäden und<br />

Ernteverluste. Ansonsten werden Zahlungsbereitschaftsbefragungen eingesetzt, z.B.<br />

zur Verringerung eines statistischen Risikos. Dabei werden einkommensabhängige<br />

Zahlungsbereitschaften verwendet und mit dem jeweiligen Grenznutzen des<br />

Einkommens gewichtet, um den einheitlichen Wert eines statistischen Lebens zu<br />

ermitteln. Entsprechend sind die Resultate hauptsächlich durch Gesundheitsschäden<br />

bestimmt.<br />

Die Berechnungen sind im Vergleich zum EPS System von erheblich höherer<br />

Konsistenz und spiegeln den aktuellen <strong>St</strong>and umweltökonomischer Forschung. Dabei<br />

betonen die Autoren, dass ExternE entwickelt wurde, um auf der Basis von<br />

Schadenskosten ein optimales Belastungsniveau zu ermitteln. Sie weisen<br />

korrekterweise darauf hin, dass im Rahmen der Ökobilanzierung durchaus auch andere<br />

umweltökonomische Ansätze verwendet werden könnten, beispielsweise zur<br />

Gewichtung der von ExternE nicht monetarisierten Ökosystemschäden anhand von<br />

<strong>St</strong>andard-Preis-Modellen. Es stünden für diese Schadenskategorie denn auch Vermeidungskostenschätzungen<br />

auf der Basis der offiziellen EU-Zielsetzung einer Halbierung<br />

der Flächen, auf denen die critical loads überschriten werden zur Verfügung. „Im Prinzip<br />

entspricht die Monetarisierung auf der Basis des <strong>St</strong>andard-Preis-Ansatzes der Methode<br />

der Ökologischen Knappheit.“ 251<br />

Zwar wurden schon vor ExternE sogenannte Emissions-Zuschläge aus diversen<br />

<strong>St</strong>udien zur makroökonomischen Abschätzung der Externen Kosten 252 auch im Rahmen<br />

von Ökobilanzen und Energiebilanzen verwendet. Sie werden aber von der Ökobilanzforschung<br />

nicht thematisiert. ExternE stimmt jedoch über weite <strong>St</strong>recken mit dem<br />

<strong>St</strong>andard-Ablauf der Ökobilanzierung überein und verwischt damit eigentlich die<br />

Grenzen zwischen Umweltökonomie und Ökobilanzierung. Man könnte diesen Ansatz<br />

auch als Ökobilanz-Methodik bezeichnen, wenngleich mit eingeschränktem<br />

(Schutzobjekt-)Fokus und einer hohen Kontextbezogenheit (Energiebereitstellungs- und<br />

Transportprozesse in Europa).<br />

251<br />

Krewitt, 1998, S. 52.<br />

252<br />

Beispielsweise aus Prognos, Ecoplan, Infras: Die Vergessene Milliarden, Bern, 1996


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 123<br />

Verwendete die Ökobilanzforschung bis Ende der 90er Jahre umweltökonomische<br />

Instrumente nur insofern, als dass Ergebnisse aus entsprechenden <strong>St</strong>udien in<br />

Gewichtungsmethoden übernommen wurden, so haben in jüngster Zeit auch Ökobilanz-Forschende<br />

selbst Techniken zur Erhebung der Zahlungsbereitschaft als<br />

Arbeitsfeld erschlossen.<br />

Abbildung 4.18: Conjoint Tabelle zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft<br />

Die Darstellung zeigt ein Beispiel einer Auswahl-Tabelle zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften für<br />

verschiedene Schutzobjekte der schadensorientierten LIME Methodik. 253<br />

Erwähnenswert ist hierzu das japanische National LCA Database Project: Die von<br />

Itsubo und Inaba geleiteten Arbeiten zur sogenannten LIME-Methodik (Life Cycle<br />

Impact Assessment based on Endpoint Modelling) stellt ähnlich wie bereits EPS und<br />

Eco-Indicator 99 eine <strong>St</strong>andard-Methode dar, die von Schutzobjekten ausgeht. Die<br />

Schadensindikatoren zu Menschliche Gesundheit, Soziale Wohlfahrt, Primärproduktion<br />

sowie Biodiversität werden auf der Basis einer sogenannten conjoint analysis gewichtet.<br />

Die Probanden wählten dabei aus drei vorgegebenen Kombinationen von Werten zu<br />

den vier Schutzobjekten sowie einem fünften monetären Wert, in diesem Falle<br />

„<strong>St</strong>euern“. Es wurden 8unterschiedliche Sets solcher Auswahlkombinationen gebildet<br />

und dann zufällig den Befragten zugeteilt. Aus den Antworten wurden indirekt die<br />

Zahlungsbereitschaften für jeden Parameter aufgrund der Ausprägungen der gewählten<br />

253<br />

Itsubo, N.: Development of LCIA Methodology considering the Damages of Endpoints in LCA National<br />

Project of Japan, National Institute of Advanced Industrial Science and Technology, Folienpräsentation,<br />

Tsukuba, Januar 2003, ohne Seitenangaben.


124 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Kombinationen bestimmt. Dazu haben die Forschenden rund 300 Erwachsene in Tokyo<br />

befragt. 254<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass umweltökonomische Ansätze in der<br />

Ökobilanzforschung in jüngster Zeit zunehmend Beachtung finden. Sie werden in der<br />

Literatur neben den Panel-Methoden als am vielversprechendsten für die Entwicklung<br />

von formalen <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden erachtet –dies im Gegensatz zu den<br />

distance-to-target-Ansätzen. Dennoch erscheint auch diese Kategorie von<br />

Gewichtungsmethoden erst in Grundzügen wissenschaftlich diskutiert. Es lassen sich<br />

einige Systematisierungen und Diskussionen der in Frage kommenden Ansätze finden<br />

–so erneut bei Finnveden 255 oder Sundmacher oder auch bei Kytzia/Seidel. Sie stellen<br />

im wesentlichen auf die auch in der Umweltökonomie selbst diskutierten prinzipiellen<br />

Probleme bei der Ermittlung von Schäden oder Zahlungsbereitschaften ab. Eine<br />

vertiefte Auseinandersetzung mit den aktuellsten Resultaten umweltökonomischer<br />

Forschung, deren Möglichkeiten und Grenzen im Rahmen der Ökobilanzierung sowie<br />

insbesondere eine Inventarisierung und Beurteilung der allenfalls verfügbaren Datenbestände<br />

scheint aber noch ausstehend zu sein.<br />

Ein wesentliches Moment der Attraktivität der umweltökonomischen Gewichtungsansätze<br />

wird darin gesehen, dass Resultate in Geldwerten bei Anwendenden als<br />

attraktiv, weil vermeintlich vertraut wahrgenommen werden und damit die bei Panel-<br />

Methoden konstatierte tendenzielle Überforderung gelindert werden kann. Sicherlich ist<br />

CHF 1.- näher an der Lebenswelt der Beurteilenden als 1DALY. Anderseits ist diese<br />

Vertrautheit in vielen Fällen irreführend und kann erhebliche Verzerrungen in der<br />

Beurteilung verursachen: Der Informationsgehalt von CHF 1.- ermittelt in Umfragen zur<br />

Zahlungsbereitschaft ist keinesfalls mit dem Marktpreis CHF 1.- gleichzustellen.<br />

Braunschweig spricht hier treffend von „pseudo-monetären“ Resultaten. 256 Esbesteht<br />

die Gefahr, dass diese Werte unbedarft auf gänzlich andere Kontexte übertragen<br />

werden. Ein Beispiel dazu liefert die in Japan bekannte Ebara-Methode: Dabei wurden<br />

Vermeidungskosten für verschiedene Emissionen durch einen Vergleich zweier<br />

Generationen von Wärmepumpen berechnet. Diese Vermeidungskosten wurden bereits<br />

in verschiedensten Beispielen zur Gewichtung von Emissionen in ganz anderen<br />

Bereichen verwendet: so u.a. zur Berechnung der Ökoeffizienz verschiedener<br />

Elektronikkonzerne. Der Informationsgehalt der Vermeidungskosten für Emissionen aus<br />

Herstellung und Betrieb einer Wärmepumpe ist bezogen auf diese Anwendung aber<br />

offensichtlich gleich Null. Trotzdem zirkulieren diese Werte noch immer, denn die<br />

meisten Anwendenden kennen den Ursprung dieser Daten gar nicht. 257<br />

254<br />

Itsubo, N., et.al.: Development of Weighting Factors for Safeguard Subjects Applying Conjoint Analysis,<br />

in: Proceedings of the 5 th International Ecobalance Conference, Tsukuba, 2002, S. 65 – 69.<br />

255<br />

Finnveden, G.: On the possibilities of life-cycle assessment, development of methodology and review<br />

of case studies, <strong>St</strong>ockholm University, 1998, zitiert in Guinée 2002, S. 630.<br />

256<br />

Braunschweig, 1994, S. 124.<br />

257<br />

Honda, T.: Comparing JEPIX, LIME and Ebara Methods for Weighting, in: Proceedings of the JEPIX


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 125<br />

Aus umweltökonomischer Sicht ist zudem anzumerken, dass die Übertragbarkeit von<br />

Resultaten umweltökonomischer Forschung auf Ökobilanzen nicht nur vom technologischen,<br />

geografischen und zeitlichen Kontext abhängt. Zumindest theoretisch gilt es zu<br />

berücksichtigen, ob es sich sowohl in der Ökobilanzierung als auch in der verwendeten<br />

umweltökonomischen Gewichtung um Durchschnitts- oder Marginalbetrachtungen<br />

handeln kann. Da schadensorientierte Ökobilanzansätze darauf abzielen, dass<br />

marginale Schadenspotential zu erfassen, wäre eine Gewichtung anhand makroökonomischer<br />

Durchschnittswerte Externer Kosten mit Vorsicht zu betrachten. Zudem ist<br />

der Einfluss von Fragestellung und Untersuchungsgegenstand auf den Einsatz umweltökonomischer<br />

Gewichtungsmethoden noch nicht systematisch erforscht worden.<br />

Das Projekt ExternE macht zudem deutlich, dass eine mikroökonomische Operationalisierung<br />

der (neoklassischen) umweltökonomischen Schadensermittlung<br />

ausgehend von Emissions- über Transmissions-, Immissions- und schliesslich<br />

Schadensfunktionen 258 methodisch weitgehend mit den Operationen der Ökobilanzierung<br />

übereinstimmt. Man könnte umgekehrt den Schluss ziehen, dass die Ökobilanzierung<br />

letztlich denselben Grenzen unterliegt, wie sie kritische Ökonomen der<br />

neoklassischen Umweltökonomie nachgewiesen haben.<br />

Diese Einschränkung wird von den Ökobilanzforschenden zumindest insofern erkannt,<br />

dass die verschiedenen Techniken jeweils nur spezifische Wertaspekte zu ermitteln<br />

vermögen und dass auch die Ökonomie grösste Probleme hat, einen ganzheitlich,<br />

universalen und richtigen Wert zu ermitteln. „Für eine vollumfängliche und eindeutige<br />

Beschreibung von Werten/Schäden besteht keine Methode. Es können immer nur<br />

Teilaspekte von Schäden/Werten monetarisiert werden.“ 259<br />

4.3.5.5 Fazit: Es ist kein Konsens zur Gewichtung absehbar<br />

Die Gewichtung hat in den 90er Jahren –trotz grosser Skepsis seitens der Ökobilanzforschung<br />

selbst –ebenfalls eine erhebliche Differenzierung erfahren. Dabei haben sich<br />

die Bemühungen zur Operationalisierung einer umwelt-naturwissenschaftlichen<br />

Gewichtung als Sackgasse der Forschung erwiesen, da sie jeweils nur sehr spezifische<br />

Einzelaspekte des Phänomens Umweltbelastung herausgreifen und damit eher von<br />

illustrativem Wert sind. Die Frage der Gewichtung ist heute anerkannt eine Frage der<br />

gesellschaftlichen Bewertung.<br />

Dabei dürften zielgruppenspezifische Befragungstechniken für ganz konkrete<br />

Anwendungsbereiche von Ökobilanzen die höchste Akzeptanz und Konformität mit den<br />

eigenen Ansprüchen und Vorgaben der Ökobilanzforschung aufweisen: Dann nämlich,<br />

wenn die Zielgruppen und die von den Resultaten Betroffenen begleitend in den<br />

Prozess einbezogen werden. Je nach Anwendungsbereich ist dies in der Praxis möglich<br />

Forum Japan, Januar 2004, ohne Seitenangaben.<br />

258<br />

Siehe Heller, 1989, S. 90 – 105.<br />

259<br />

Kytzia/Seidel, 1998, S. 39.


126 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

und wird auch so praktiziert (insbesondere, wenn es um politische Entscheidungen<br />

geht). In solchen Fällen nähert sich die Ökobilanzierung dem Vorgehen der Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

an. Bei der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse oder bei der<br />

Beurteilung der Umweltleistung von Unternehmen ist eine massgeschneiderte Ökobilanzierung<br />

jedoch infolge des erheblichen Aufwands nur selten möglich.<br />

Für die Ökobilanzforschung zur Gewichtung prägend sind deshalb die <strong>St</strong>andard-<br />

Methoden, deren Entwicklung wir in diesem Abschnitt nachgezeichnet haben. Es wurde<br />

deutlich, dass diese Methoden ihre Gewichtungsfaktoren auf grundlegend verschiedene<br />

gesellschaftliche Referenzen beziehen und auf jeweils sehr unterschiedlichen Ebenen<br />

der Ökobilanz-Methodik angreifen. Zwar stellen alle Methoden ihre Resultate als Listen<br />

von Gewichtungsfaktoren für die Inputs- und Outputs der Sachbilanz zur Verfügung. Sie<br />

gewichten jedoch teilweise auf Ebene der Emissionen, teils auf Ebene der Wirkungspotentiale<br />

und teils auf Ebene der Schutzobjekte, resp. Schäden. Dabei ist allen<br />

aktuellen Methoden gemein, dass sie in irgendeiner Form Resultate aus der Wirkungsanalyse<br />

einschliessen.<br />

Insgesamt sind die Gewichtungsmethoden wissenschaftlich noch wenig entwickelt: 260<br />

Die Panel-Methoden basieren auf sehr beschränkten (Experten-)<strong>St</strong>ichproben und<br />

liefern deshalb keine repräsentativen Resultate. Zu den politisch-gesetzlich<br />

abgestützten distance-to-target-Methoden sind anerkannte Prozeduren zur<br />

eineindeutigen Selektion der verwendeten Daten noch wenig entwickelt und sie sind in<br />

ihrem Geltungsbereich immer auf einen nationalen, allenfalls supranationalen Kontext<br />

beschränkt. Das ist für die meisten Produkte und für Grossunternehmen in einer<br />

globalisierten Wirtschaft nicht angemessen. Mit denselben Probleme sehen sich auch<br />

die umweltökonomischen Gewichtungsmethoden konfrontiert. Deren ökobilanzspezifische<br />

Auf- und Ausarbeitung sowie empirische Fundierung hat offenbar gerade<br />

erst begonnen.<br />

Gewichtungsmethoden reduzieren die numerische Komplexität der umfangreichen<br />

Sachbilanz und mehrdimensionaler Wirkungsbilanzen erheblich. Sie erlauben damit<br />

eine starke Fokussierung des Ökobilanzprozesses, indem beim iterativen Durchlaufen<br />

der vier Elemente (Systemabgrenzung – Sachbilanzierung – Wirkungsanalyse und<br />

Interpretation) -Schwerpunkte zur Konzentration von Aufmerksamkeit und Ressourcen<br />

auf wesentlich erscheinende Aspekte schnell und einfach identifiziert werden können.<br />

Jedoch erhöht der Einsatz von Gewichtungsmethoden die inhaltliche Komplexität<br />

enorm, da jedes Modell wiederum auf seine Kompatibilität mit Zielsetzung, Kontext, etc.<br />

geprüft werden sollte, damit die Resultate überhaupt präzise interpretiert werden<br />

können.<br />

260<br />

Siehe hierzu: <strong>Siegenthaler</strong>, C., Inaba, A.: Life Cycle Impact Assessment – Current <strong>St</strong>ate and<br />

Perspectives for Research, in: ECP Newsletter, Nr. 10, JEMAI Japan Environmental Management<br />

Association for Industry, Tokyo, 1998, S. 1 – 6.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 127<br />

Abbildung 4.19: Typologie von Gewichtungsmethoden<br />

Die Abbildung ordnet die wichtigsten Methoden unterschiedlichen Gewichtungsprinzipien zu und zeigt auf,<br />

auf welcher Ebene das jeweilige Prinzip angewendet wird. 261<br />

Dennoch sind Gewichtungsmethoden in der praktischen Ökobilanzierung weit<br />

verbreitet, wie unsere empirische <strong>St</strong>andortbestimmung zeigen wird. Und im Gegensatz<br />

zu den Ökobilanz-Forschenden selbst, vertrauen die Anwendenden diesen Methoden.<br />

Die Ökobilanzforschung selbst empfiehlt angesichts dieser Situation, mehrere<br />

verfügbare <strong>St</strong>andard-Methoden parallel zur Gewichtung der Sachbilanz anzuwenden<br />

und damit das Spektrum der möglichen Resultate zu erkennen, ein Verständnis für die<br />

Mechanik der Modelle und für auftretende Widersprüche zu entwickeln.<br />

Für eine vorwiegend von Persönlichkeiten aus den exakten Naturwissenschaften<br />

geprägte Wissenschaft dürfte dies ein ernüchternder Prozess gewesen sein. Man<br />

überschritt sozusagen die Grenze von der rationalen, echten Wissenschaft zu den<br />

unscharfen Sozialwissenschaften. Oder wie ein japanischer Kollege im Rahmen eines<br />

gemeinsamen Projektes zum Thema Gewichtung einmal mit Schrecken feststellte: „Oh<br />

my god: it is not science !“<br />

261<br />

Eigene Darstellung.


128 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

4.4 Ökobilanzierung wird zur Wissenschaft<br />

Unsere Betrachtungen zur Phase der Differenzierung und Operationalisierung<br />

verfolgten zwei Zielsetzungen: erstens sollte dargelegt werden, wie stark sich die Ökobilanzforschung<br />

in den 90er Jahren entwickelt hat, und entlang welcher kritischen<br />

Operationen, resp. Forschungsschwerpunkte diese Differenzierung erfolgt ist. Zweitens<br />

diente die Diskussion der Erkenntnisse der Ökobilanzforschung dazu, einen Eindruck<br />

von den Möglichkeiten und Grenzen der Methodik, aber auch vom Selbstverständnis<br />

dieser Wissenschaft zu gewinnen.<br />

4.4.1 Differenzierung der Methodik<br />

Ausgehend von den bereits zu Beginn der 90er Jahre als Konsens greifbaren vier<br />

Elementen haben sich eine grosse Zahl von Arbeitsschritten entwickelt. Je nach Quelle,<br />

werden zwischen 25 und 35 wesentliche Operationen aufgeführt, die im Rahmen jeder<br />

Ökobilanz-Untersuchung bearbeitet, resp. zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit<br />

dokumentiert werden sollten. Diese umfassen jeweils wiederum eine Vielzahl einzelner<br />

Detailarbeitsschritte.<br />

Auch nach Vorliegen der internationalen Normreihe ISO14040 werden nach wie vor<br />

Bezeichnungen, Detailierungsgrad und Anzahl der benötigten Arbeitsschritte von<br />

verschiedenen Autoren(-gruppen) unterschiedlich ausgestaltet -wenngleich sich alle an<br />

den vier genannten Elementen orientieren. Beispielsweise werden einzelne<br />

Operationen bezüglich der Modellierung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse mal der Definition<br />

von Ziel und Untersuchungsrahmen, mal der Sachbilanzierung zugeordnet. Oder die<br />

unter Interpretation subsumierte Prüfung der Datenqualität wird häufig direkt bei der<br />

jeweiligen Modellierung der Sachbilanz, der Wirkungsanalyse und der Gewichtung<br />

verortet.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 129<br />

Abbildung 4.20: Differenzierung der Methodik im Verlaufe der 90er Jahre 262<br />

4.4.2 Ökobilanzierung als eine Theorie der Umweltbelastung<br />

Die Liste macht deutlich, dass Ökobilanzierung im Sinne eines massgeschneiderten<br />

Prozesses -im Hinblick auf eine ganz spezifische Fragestellung und mit einem hohen<br />

Anspruch an Präzision und Kontextbezug -nur im Rahmen äusserst umfangreicher<br />

Projekte und unter Einbezug der Zielgruppen, resp. Betroffenen stattfinden kann. Selbst<br />

in einem solchen Rahmen wird man auf den Einsatz von <strong>St</strong>andard-Daten angewiesen<br />

sein und damit ist der Anspruch einer vollkommen konsistenten Modellierung aller<br />

Ebenen in der Praxis nicht durchzuhalten. In diesem Sinne stellt der bislang erreichte<br />

Konsens zu den Operationen eine Utopie dar, deren Anspruch in der Praxis nicht<br />

eingelöst werden kann. Je nach Anwendung, Urheberschaft und Tragweite der<br />

262<br />

Eigene Darstellung, zusammengestellt aus Guinée, 2002, sowie aus ISO14040:1997, ISO14041:1998,<br />

ISO14042:2000, ISO14043:2000.


130 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Resultate ist ein angemessener Kompromiss zu schliessen. Das entwickelte Programm<br />

dient dabei zur Orientierung und als Massstab.<br />

Unsere Untersuchung anhand der fünf als kritisch identifizierten Operationen hat zudem<br />

deutlich gemacht, dass selbst im Falle einer konsistenten Anwendung aller Arbeitsschritte<br />

der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen dennoch unerreichbar bleibt: man kann die<br />

Operationen noch so gewissenhaft ausführen, letztlich wird man nicht ohne<br />

Vereinfachungen und Konventionen auskommen, um überhaupt zu einem Resultat zu<br />

gelangen.<br />

Angefangen von der Definition einer Funktionellen Einheit, über die Abgrenzung und<br />

Beschreibung der relevanten Prozesse und der Auswahl der <strong>St</strong>offindikatoren bis hin zur<br />

Berechnung der Sachbilanz: schon auf Ebene einer systematischen Beschreibung der<br />

<strong>St</strong>off- und Energieflüsse wird deutlich, dass es keine Ökologische Wahrheit geben kann<br />

und dass die Resultate durch Variation der Annahmen um Grössenordnungen<br />

verändert und ins Gegenteil verkehrt werden können.<br />

Diese Situation setzt sich auf der Ebene der Wirkungsmodellierung fort: dort löst sich<br />

die vermeintliche Präzision wissenschaftlicher Erkenntnisse im grossen Mangel an<br />

verfügbaren Daten sowie in der Konkurrenz verschiedener Theorien, Messmethoden<br />

und Modelle zur Beschreibung von Umweltveränderungen auf. Je weiter man sich von<br />

im Labor bestimmbaren <strong>St</strong>offeigenschaften in Richtung Umweltveränderungen und<br />

schliesslich Schäden bewegt, desto grösser werden Komplexität und Unsicherheit.<br />

Ohne Konventionen, resp. Usanzen was man als Zusammenhang zwischen Untersuchungsgegenstand<br />

und Wirkung noch als akzeptabel und richtungstreu erachtet<br />

(oder als normative Kraft des Numerischen einfach akzeptiert), können bald keine<br />

präzisen und validen Ergebnisse mehr gewonnen werden.<br />

Dies war für den letzten Schritt auf dem Weg zu einem Gesamtindikator für Umweltbelastung<br />

schon seit jeher anerkannt: die Gewichtung muss sich an gesellschaftlichen<br />

Präferenzen orientieren und versucht dies über Befragungen direkt oder indirekt über<br />

collective revealed preferences aus sozial legitimierten Konstruktionen abzuleiten.<br />

Jenseits eines mediativen Einbezugs der Betroffenen in einen Beurteilungsprozess,<br />

indem dann eine massgeschneiderte Konvention über die Prioritäten einzelner<br />

Emissionen, Umweltveränderungen oder Umweltschäden verhandelt wird, sind auch<br />

hier keine allgemein gültigen Resultate zu erhalten.<br />

Damit könnte man die Erkenntnisse aus 30 Jahren Ökobilanzforschung pointiert mit<br />

dem Satz zusammenfassen: „Umweltbelastung entsteht im Kopf“ -sei es in den Köpfen<br />

von Forschenden, wenn es um eine naturwissenschaftliche Modellierung von ökologischen<br />

Phänomenen geht; im Kopf von Entscheidenden und Handelnden, wenn es<br />

um eine Beurteilung dieser Phänomene geht. In beiden Bereichen sind Aussagen nur<br />

möglich, wenn Annahmen getroffen werden. Und jenseits der persönlichen Ebene ist<br />

Umweltbelastung ein Konstrukt auf der Basis vielerlei Konventionen. Somit entsteht<br />

Umweltbelastung auf gesellschaftlicher Ebene durch Kommunikation und Konvention.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 131<br />

Die Ökobilanzforschung zieht damit letztlich im Kern ihrer Erkenntnis denselben<br />

Schluss wie Luhmann in seiner Ökologischen Kommunikation.<br />

Ist angesichts dieses Befundes das Projekt Ökobilanzierung als gescheitert zu<br />

betrachten Keineswegs, denn die Ökobilanzforschung hat in den letzten 15 Jahren<br />

wesentliches zur Überwindung einer Ökologischen Beliebigkeit oder einer rein<br />

glaubensbasierten Digital-Ökologie geleistet:<br />

1. Sie hat das soziale Konstrukt Umweltbelastung in ein logisch-rationales Konzept<br />

überführt. Sie hat systematisch aufgearbeitet, welche Fragen zur Operationalisierung<br />

von Umweltbelastung zu beantworten sind. Und sie hat aufgezeigt, welche<br />

Informationen, resp. welches Wissen auf verschiedenen Ebenen –über den Untersuchungsgegenstand,<br />

über die Umwelt –über die Gesellschaft -notwendig wären<br />

und welche Anforderungen an die Daten zu stellen sind.<br />

2. Sie hat identifiziert, in welchen Bereichen zur Erfassung, resp. Beschreibung der<br />

Realität letztlich Konventionen notwendig sind, um die Komplexität auf ein verarbeitbares<br />

Mass zu reduzieren. Sie hat dazu alternative Möglichkeiten der Beschreibung<br />

von <strong>St</strong>offen, Prozessen, Wirkungen, Schäden und Präferenzen getestet und nachgewiesen,<br />

dass hier keine eineindeutige Realität erfasst werden kann, sondern<br />

Entscheidungen über Vereinfachungen getroffen werden müssen. Sie weist klar<br />

darauf hin, dass diese Entscheidungen offengelegt und begründet werden sollten.<br />

3. Sie hat eine Landkarte geschaffen, in der konzeptionelles und empirisches Umweltwissen<br />

verortet werden kann. Sie entwickelt konzeptionelle Schnittstellen zwischen<br />

verschiedenen umweltwissenschaftlichen Teildisziplinen und treibt eine ganzheitliche<br />

Integration dieser Disziplinen im Hinblick auf die Beschreibung und/oder<br />

Veränderung von Umweltbelastung voran. Sie hat dazu eine differenzierte Sprache<br />

geschaffen.<br />

4. Sie anerkennt und betont, dass die Qualität ihrer Ergebnisse durch ihre Einbindung<br />

in konkrete soziale Entscheidungsprozesse entsteht. Gerade darum ist die Ökobilanzierung<br />

keine naturwissenschaftliche Disziplin, sondern verbindet ökologische<br />

Erkenntnisse mit Erkenntnissen und Methoden aus Ingenieur-, Sozial- und<br />

Wirtschaftswissenschaften.<br />

5. Sie ist selbst als sozialer Lernprozess angelegt, indem sie das inventarisierte Wissen<br />

mit wissenschaftlichen Methoden auf Unsicherheiten und Inkonsistenzen hin prüft,<br />

Schwachstellen identifiziert und gezielt Bedarf an zusätzlicher Forschung oder<br />

weiteren Konventionen aufzeigt. Sie ist in der Lage, ihre interne Sprache und<br />

<strong>St</strong>ruktur zu reorganisieren, indem weitere Operationen und Begriffe geschaffen<br />

werden. Grundsätzlich offen konzipiert, kann sie neue Wirkungsketten aufnehmen,<br />

resp. bestehende austauschen oder weglassen.<br />

Die Ökobilanzforschung allein auf dieser Ebene gibt keine Antworten auf spezifische<br />

Fragen zur Umweltbelastung, sondern generiert Fragen, Arbeitsanweisungen und An-


132 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

forderungen. Sie spiegelt den Konsens über die Erfordernisse einer rationalen –<br />

vernunftbasierten - Erfassung von Umweltbelastung wieder. Sie ist nur Methodik,<br />

Sprache und Prozess.<br />

Ihre kritische Selbstreflexion offenbart, dass sie sich bewusst (geworden) ist, wie gering<br />

das gesellschaftliche Umweltwissen und wie beschränkt die Möglichkeiten einer<br />

präzisen Beschreibung und damit Optimierung letztlich sind.<br />

4.4.3 Die angewandte Ökobilanzforschung schafft Konventionen<br />

Ökobilanzforschung ist aber nicht nur der Versuch, eine Theorie der Umweltbelastung<br />

zu schaffen und dabei zu akzeptieren, dass wissenschaftlich präzise Aussagen gar<br />

nicht möglich sind. Im Gegenteil: neben der theoretischen Ökobilanzforschung wird<br />

auch angewandte Forschung betrieben. Man identifiziert nicht nur die Grenzen einer<br />

Operationalisierung von Umweltbelastung, sondern geht im Gleichschritt dazu über,<br />

diese Grenzen selbst mit Vereinfachungen und Konventionen zu überschreiten, um<br />

dennoch zu Aussagen, resp. zu numerischen Grössen der Umweltbelastung zu<br />

gelangen.<br />

Die angewandte Ökobilanzforschung geht äusserst pragmatisch vor: sie akzeptiert<br />

Vereinfachungen und übernimmt Konventionen aus den verschiedenen wissenschaftlichen<br />

Disziplinen, die sie in ihrer Landkarte verortet hat. Sie baut auf den verfügbaren<br />

Resultaten von Messverfahren auf und übernimmt deren stofflichen<br />

Aggregationsgrad. Sie entscheidet sich für eine bestimmte aller möglichen Abgrenzungen<br />

und nimmt Allokationen von <strong>St</strong>offen auf Prozesse vor. Sie trifft Annahmen<br />

zum Umgang mit rekursiven (Recycling) <strong>St</strong>offströmen und aggegriert <strong>St</strong>offe<br />

pragmatisch über verschiedene Kontexte hinweg. Sie charakterisiert ganze <strong>St</strong>offgruppen<br />

in ihrem Umweltverhalten auf der Basis von einzelnen Laborwerten, schätzt<br />

deren Verteilung im Raum anhand einiger weniger Parameter und unterlegt ihre idealtypisch<br />

gleichförmigen Schadensfunktionen mit den dürftigen und selbst umstrittenen<br />

Ergebnissen der dose response-, resp. der epidemiologischen Forschung. Und<br />

schliesslich summiert sie diese Ergebnisse anhand von unterstellten oder nichtrepräsentativ<br />

ermittelten Präferenzen der Gesellschaft.<br />

Bildet der generell abstrakte Rahmen sozusagen den Grundkonsens der Ökobilanzierenden,<br />

so zerfällt diese Gemeinschaft aus Sicht der Anwendungsforschung in<br />

verschiedene Fraktionen: Man entwickelt gemeinsam die Theorie, steht aber bezüglich<br />

deren Anwendung in konstruktiver Konkurrenz. Es gibt Gruppierungen, die eine Auswertung<br />

allein auf der Ebene der Sachbilanzergebnisse fordern, andere empfehlen,<br />

nicht über die Wirkungspotentiale hinaus zu gehen und wieder andere halten die Ebene<br />

der Schadensindikatoren oder gar der Gewichtung für zielführend und vertretbar. Jede<br />

Fraktion versucht in Forschung und Praxis möglichst ihre Konventionen durchzusetzen.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 133<br />

Abbildung 4.21: Arbeitsteilung innerhalb der Ökobilanzforschung<br />

Entsprechend hat sich die angewandte Ökobilanzforschung in den 90er Jahren stark<br />

arbeitsteilig entwickelt: einige Institutionen konzentrierten sich auf die Bereitstellung von<br />

generischen Sachbilanz-Daten (<strong>St</strong>andard-Ökoinventare), andere stellten<br />

Charakterisierungsfaktoren für diverse Wirkungskategorien zur Verfügung, wieder<br />

andere erarbeiteten Charakterisierungsfaktoren für Schadensindikatoren oder Gewichtungsfaktoren.<br />

Die angewandte Ökobilanzforschung fügt das verfügbare Wissen in<br />

die Landkarte ein, testet die Eignung von Modellen und evaluiert die Qualität von Daten<br />

und Resultaten. Damit trägt sie wesentlich zur weiteren Entwicklung und<br />

Differenzierung der Theorie bei. Die Grenze zwischen der theoretischen und der<br />

angewandten Forschung ist in der Realität fliessend – es sind häufig dieselben<br />

Institutionen und Personen auf beiden Ebenen aktiv. Man betreibt sozusagen ein<br />

Modell konstruktiver Konkurrenz zur Weiterentwicklung der generischen Methodik,<br />

obwohl man in der Anwendung unterschiedliche <strong>St</strong>andpunkte einnimmt und auch an<br />

anderen Schwerpunkten arbeitet.<br />

Die angewandte Ökobilanzforschung beeinflusst mit steigender Komplexität der<br />

Methodik, resp. steigendem Umfang der verfügbaren, resp. der benötigten Daten auch<br />

zunehmend die praktische Anwendung. Sie tut dies insbesondere im Zuge der<br />

zunehmenden Arbeitsteilung und Zentralisierung von Datenaufbereitung und Methodenentwicklung.<br />

4.4.4 Zentralisierung der Ökologischen Wahrheit über Datenbanken<br />

Die Datenverfügbarkeit hat im Verlaufe der 90er Jahre enorm zugenommen: Von einem<br />

Dutzend Input-Output-Indikatoren anfangs der 70er Jahre über einige Dutzend Ende


134 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

der 80er stieg der Umfang von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren zunächst auf über 100<br />

(BUWAL 250; 1995) 263 ,dann über 400 (ETH-ESU;1996) 264 und erreicht heute aufgrund<br />

einer Differenzierung nach Kontext und Wirkungsdauer rund 1'000 Indikatoren für rund<br />

400 <strong>St</strong>offe (Ecoinvent; 2003). 265 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht alle<br />

wichtigen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare ein solch immenses Auflösungsvermögen aufweisen:<br />

Beispielsweise beschränkt sich die japanische National LCA Database aus dem Jahr<br />

2003 mit 14 <strong>St</strong>offindikatoren. 266<br />

<strong>St</strong>andard-Ökoinventare sind nicht mehr nur für einige wenige Energiebereitstellungsoder<br />

Entsorgungsprozesse sowie Verpackungen verfügbar, sondern für eine grosse<br />

Anzahl von Materialien und Prozessen. Die aktuelle Ecoinvent Datenbank umfasst rund<br />

2'700 Datensätze. Die oben erwähnte japanische Datenbank enthält rund 250 Datensätze,<br />

teilweise auf <strong>St</strong>ufe komplexer Produkte wie Personal Computer oder<br />

Kopiergeräte. Damit wird es zunehmend möglich, sehr umfassende Lebenszyklen von<br />

Produkten, resp. Wertschöpfungsketten von Unternehmen systematisch abzubilden.<br />

Hinzu kommen die Meta-Informationen, also die Beschreibung der Datenerhebung, der<br />

Berechnungsmethoden und Annahmen sowie zu den einzelnen Prozessen und<br />

Materialien, dem Alter der Daten, dem geografischen Geltungsbereich, etc. sowie<br />

qualitative -in den state-of-the-art Datenbanken auch quantifizierte –Datenqualitätsindikatoren<br />

zu jedem Datensatz. Die zugehörigen Dokumentationen können<br />

entsprechend mehrere Tausend Seiten umfassen (beispielsweise ESU 1996: 1'946<br />

Seiten; Ecoinvent 2003: 8'491 Seiten).<br />

Mit der Einführung der Wirkungsmodellierung ist das Auflösungsvermögen bezüglich<br />

Charakterisierungsfaktoren ebenfalls enorm gestiegen: verarbeiteten die Kritischen<br />

Volumina noch knapp 30 Sachbilanz-Indikatoren für alle vier Wirkungskategorien<br />

zusammen, hat CML 2001 ein Auflösungsvermögen von rund 1'000 Sachbilanz-<br />

Indikatoren (ca. 300 <strong>St</strong>offe, nach Umweltmedien differenziert) und beinhaltet für<br />

verschiedene Wirkungskategorien jeweils eine Auswahl unterschiedlicher Modelle pro<br />

Wirkungskategorie mit insgesamt über 23'000 Charakterisierungsfaktoren auf Ebene<br />

Umweltveränderungen.<br />

Auch die Gewichtungsmodelle sind entsprechend umfangreicher geworden: Die<br />

Ökologische Knappheit von 1991 wies Gewichtungsfaktoren für 19 Substanzen aus, die<br />

Version 1998 -unter Einbezug von Charakterisierungsfaktoren aus Wirkungsmodellen<br />

für Treibhauseffekt und Ozonschichtabbau - deren 91.<br />

Die Japanische Version JEPIX umfasst unter Einbezug von Humantoxizität über 1'000<br />

Gewichtungsfaktoren und zusätzlich Skalierungsfaktoren für rund 150 Luftemissionen in<br />

47 Präfekturen, für BOD in 120 Flüssen, für P, Nund COD in 41 Seen sowie 3halboffenen<br />

Buchten. Das ergibt insgesamt über 8'000 regional und nach Umweltmedium<br />

263<br />

Habersatter, K., et.al.: Ecobalance of Packaging Materials, BUWAL, SRU 250, Bern, 1995.<br />

264<br />

ETH-ESU/PSI: Environmental Life Cycle Inventories of Energy Systems, ENET, 1996.<br />

265<br />

Swiss Centre for Life Cycle Inventories: Ecoinvent 2000, Zürich, 2003.<br />

266<br />

Narita, N., et.al: Current <strong>St</strong>atus of National LCA Project in Japan, in: Proceedings of the 5 th International<br />

Ecobalance Conference, Tsukuba, 2002, S. 125.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 135<br />

differenzierte Gewichtungsfaktoren 267 für rund 370 <strong>St</strong>offe.<br />

Die neuste Generation der schadensorientierten Gewichtungsmethoden weist zudem<br />

modular für jede Substanz die Charakterisierungsfaktoren auf Ebene Umweltveränderungspotential,<br />

Schadenspotential sowie gewichtet aus. Die Anwendenden<br />

verfügen damit über die von der Theorie geforderte Flexibilität und können auf allen<br />

<strong>St</strong>ufen Resultate ausgeben, resp. diejenige Ebene auswählen, die für die Beantwortung<br />

ihrer Fragestellung am besten geeignet ist.<br />

Abbildung 4.22: <strong>St</strong>andardfaktoren von LIME 2003<br />

Integrierte Wirkungsanalyse und Gewichtungsmethoden der neusten Generation wie LIME 2003 erlauben<br />

es den Anwendenden, Auswertungen auf Ebene Umweltveränderungspotential, Schadenspotential sowie<br />

gewichtet vorzunehmen, indem für jede Ebene entsprechende Faktoren zur Verfügung gestellt werden. 268<br />

Die angewandte Ökobilanzforschung schafft durch die Bereitstellung der Daten und<br />

insbesondere durch die dazu erforderliche, zentralisierte Durchführung kritischer<br />

Operationen (Modellierung) in hohem Masse Konventionen: es werden Entscheidungen<br />

zur Datensammlung, zum Aggregationsgrad der <strong>St</strong>offindikatoren, zu Allokationen 269 und<br />

Systemabgrenzungen eines Grossteils der - die Resultate einer praktischen<br />

267<br />

<strong>Siegenthaler</strong>, C.: JEPIX 2005 - Ecofactors for Japan, Datasheet to the JEPIX Technical Report,<br />

erhältlich über www.jepix.org, Tokyo, 2003.<br />

268<br />

UNEP Life Cycle Initiative, LCIA Definition <strong>St</strong>udy, Background document II, ohne Seitenangabe, 2003.<br />

269<br />

Als Novum werden in der Ecoinvent Datenbank nebst den Inventarresultaten auch Rohdaten vor<br />

Allokation verfügbar gemacht. Die Anwendenden können dann ihre Allokationsregeln einführen bevor<br />

sie die Inventardaten berechnen lassen. Allerdings ist zu erwarten, dass viele Anwendende sowie die<br />

Softwarehersteller jeweils die <strong>St</strong>andard-Einstellungen nutzen.


136 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Anwendung prägenden -Daten getroffen. Die Datenbasis wird damit vereinheitlicht und<br />

die Vergleichbarkeit der Resultate erhöht.<br />

Den Anwendenden bleibt die Aufgabe, die (technologische, zeitliche, geografische, etc.)<br />

Angemessenheit der verwendeten Daten in ihrer spezifischen Anwendung kritisch zu<br />

prüfen. Zu prüfen ist zudem auch, ob die verschiedenen Daten –Sachbilanz, Wirkungsbilanz,<br />

ggf. Gewichtung auch wirklich zusammenpassen. Ob sie dies in der Realität<br />

tatsächlich tun und ob sie sich angesichts der enormen Datenmenge dazu überhaupt im<br />

<strong>St</strong>ande fühlen, ist freilich eine andere Frage. Zumindest hätten sie die Möglichkeit, in<br />

Übereinstimmung mit der Theorie zu handeln. Es ist zu erwarten, dass viele<br />

Anwendende auf die Autorität der Ökobilanzforschung vertrauen, wenn die Daten von<br />

renommierten Institutionen erhoben und/oder publiziert wurden.<br />

Im Zuge der explosionsartigen Zunahme der Datenverfügbarkeit ist es aber erwiesenermassen<br />

bedeutsam, die Kompatibilität der verwendeten Daten auf jeder Ebene sowie<br />

zwischen den verschiedenen Ebenen zu prüfen. Dies ist insbesondere dann geboten,<br />

wenn Inventare aus unterschiedlichen Quellen sowie verschiedene Beurteilungsmethoden<br />

parallel eingesetzt werden –eine im Zusammenhang mit dem Einsatz von<br />

Ökobilanz-Software häufig anzutreffende Konstellation. Wie vergleichende <strong>St</strong>udien<br />

offengelegt haben, passten die Datenformate der verschiedenen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />

in der Regel nicht überein. 270 Hier wurde im Verlaufe der 90er Jahre ein hoher<br />

<strong>St</strong>andardisierungsbedarf offensichtlich.<br />

Number of<br />

substances<br />

Number of substances not covered<br />

BUWAL SRU 250 Inventory CML 92<br />

UBP’97<br />

Ecoscarcity<br />

Eco-Indicator 95<br />

Emissions to air 40 18 24 20<br />

Emissions to water 47 28 3 24<br />

Emissions to soil 13 6 8 Not considered<br />

Abbildung 4.23: Mangelnde Übereinstimmung von Indikatoren<br />

Die Tabelle zeigt die Anzahl Indikatoren der <strong>St</strong>andard-Ökoinventare aus BUWAL 250 und offenbart,<br />

wieviele dieser Substanzen von den damals gängigen <strong>St</strong>andard-Methoden nicht erfasst und damit auch<br />

nicht beurteilt wurden. Viele Anwendende waren sich dieser Situation nicht bewusst.. 271<br />

Die in der Literatur ebenfalls häufig anzutreffenden Vergleiche verschiedener<br />

Beurteilungsmethoden haben zudem gezeigt, dass auch diese Daten in der Regel nicht<br />

vollständig kompatibel mit den Sachbilanzdaten sind, was zu erheblichen Verzerrungen<br />

der Resultate führen kann: Manche Methoden sehen Gewichtungsfaktoren nur für<br />

270<br />

Siehe hierzu Abschnitt 5.3.3.<br />

271<br />

Tabelle aus einer Präsentation von Foerster, R., EMPA, in: Proceedings of „6.Ecobalance-Forum:<br />

LCIA, <strong>St</strong>ate-of-the-art, New Developments 1998, Future Perspectives, March, 1998, ETH-Zürich,<br />

Anhang, ohne Seitenangaben.


Kapitel 4: Phase der Differenzierung und Operationalisierung 137<br />

Summenparameter anstelle von Einzelstoffen vor (also beispielsweise nur einen Faktor<br />

für die, eine Vielzahl von Einzelstoffen umfassenden, flüchtigen organischen<br />

Verbindungen VOC). In der Folge wurden <strong>St</strong>offe entweder gar nicht gewichtet oder<br />

allenfalls doppelt gezählt –einmal als Einzelstoff und einmal als Summenparameter –<br />

dies häufig ohne, dass sich die Anwendenden dieser Problematik bewusst waren.<br />

Zudem deckten die Beurteilungsmethoden häufig unterschiedliche Ausschnitte aus der<br />

Sachbilanz ab, was ebenfalls die Resultate beeinflusst. Mal berücksichtigte eine<br />

Methode keine Schwermetalle, eine andere wiederum keine Dioxine und eine dritte<br />

keine Ressourcen.<br />

Es entstand an der Schnittstelle zwischen Anwendung und Praxis eine weitere kritische<br />

Operation: Die Datenharmonisierung. Es mussten Ansätze entwickelt werden, wie<br />

Gewichtungsfaktoren von Summenparametern auf die Einzelstoffe umgelegt, resp.<br />

einzelstoffliche Gewichte auf Summenparametern konsolidiert werden können, resp.<br />

sollen. 272 Die Methodenentwickler waren gefordert, das Auflösungsvermögen ihrer<br />

Charakterisierungs- und Gewichtungsfaktoren auf die Datenformate der Inventar-Datenbanken<br />

abzustimmen. Weitere Konventionen und teilweise auch Vereinfachungen<br />

wurden notwendig. Und weil die Weiterentwicklung, resp. die Veröffentlichung von<br />

verschiedenen Datenbanken wie auch Beurteilungsmethoden nicht im Gleichschritt<br />

erfolgt, ergibt sich ein ständiger Koordinations, resp. Harmonisierungsbedarf. Diese<br />

Aufgabe fällt im Grenzbereich zwischen Forschung und Praxis einerseits den jeweiligen<br />

Forschenden, aber auch den kommerziellen Anbietern von Softwarelösungen zu, da sie<br />

jeweils die neusten Entwicklungen in ihren Datenstrukturen zu berücksichtigen haben.<br />

Bei dieser Datenharmonisierung werden nicht selten auch Fehler in den Berechnungen,<br />

Übertragungsfehler oder einfach nur Tippfehler in den Daten aufgedeckt. Die<br />

Zusammenarbeit zwischen den Datenlieferanten und Software-Anbietern entpuppt sich<br />

als ein qualitätssichernder Arbeitsschritt. Auch dieser erfolgt zentral und entlastet die<br />

Anwendenden von der eigenen Kontrolle, resp. stärkt deren Akzeptanz der Daten –und<br />

damit bewusst oder unbewusst auch der durch diese implementierten Konventionen.<br />

So entsteht der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest im Ansatz durch die Verwendung<br />

von Datenbanken und <strong>St</strong>andard-Beurteilungsmethoden der angewandten Ökobilanzforschung.<br />

Was die Frage aufwirft, wo und durch wen dieser Zentralisierungs- und<br />

<strong>St</strong>andardisierungsprozess stattfindet. Die Analyse der dritten Phase der Ökobilanz-<br />

Entwicklung – Institutionalisierung - soll uns hierzu Klarheit verschaffen.<br />

Bevor wir uns dieser Phase zuwenden, werfen wir noch einen abschliessenden Blick<br />

auf die noch immer auftretenden grossen Unterschiede in den Resultaten von<br />

verschiedenen Datengrundlagen und Bewertungsmethoden. Die nachfolgende<br />

272<br />

Siehe <strong>St</strong>ahel, R., Foerster, R.: Zuordnung der Ökofaktoren 97 und des EcoIndicators95 zu Schweizer<br />

Ökoinventaren, ÖBU Schriftenreihe 16/1998, Zürich, 1998 sowie BUWAL: Bewertung von Ökoinventaren<br />

für Verpackungen, BUWAL SRU 300, Bern, 1998.


138 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung stellt an ausgewählten Beispielen gegenüber, welche Abweichungen<br />

verschiedene Beurteilungsmethoden zeigen, wenn Ökoinventare der aktuellen<br />

Datenbank Ecoinvent 2003 mit ihrem Vorläufer ESU 1996 verglichen werden. Die<br />

auftretenden Unterschiede ergeben sich real aus einer veränderten technologischen<br />

Basis der betrachteten Prozesse, sind aber vorwiegend methodisch bedingt, weil für<br />

viele Prozesse, zu denen früher keine Informationen einbezogen werden konnten heute<br />

Daten zur Verfügung stehen und somit die Systemgrenzen entsprechend erweitert<br />

werden konnten.<br />

Abbildung 4.24: Resultate von Ecoinvent 2003 im Vergleich mit ESU 1996<br />

Vergleich der Ökoinventare verschiedener Materialien aus der aktuellen Ecoinvent 2003 Datenbank mit<br />

den Resultaten aus der Vorgänger-Version ESU 1996. Die Werte zeigen, welche Differenzen sich unter<br />

verschiedenen Beurteilungsmethoden ergeben (UBP'97 =Ökologische Knappheit 1997, EI'99 (H,A) =<br />

Eco-Indicator 99 Hierachist Damagefactors/Average Weighting, GWP100a =Global Warming Potential,<br />

100 Jahre, nach IPPC 2001) 273<br />

Es wird deutlich, wie unterschiedlich sich diese Veränderungen in der Datenbasis auf<br />

die Resultate der verschiedenen <strong>St</strong>andard-Methoden auswirken. Die <strong>St</strong>abilität der<br />

Erkenntnisse ist also selbst bei Datenerhebung durch dieselbe Projektleitung sowie<br />

dem Einsatz von etablierten <strong>St</strong>andard-Methoden im Zeitverlauf noch keineswegs<br />

gegeben; der Erkenntnisgewinn bei der Datenerhebung ist noch immer erheblich; die<br />

Resultate der Beurteilungsmethoden widersprüchlich. Die Ökologische Wahrheit lässt<br />

weiterhin aus sich warten... allen bislang durch die angewandte Ökobilanzforschung<br />

getroffenen Konventionen und eingespielten Usanzen zum Trotz.<br />

273<br />

Abbildung aus Frischknecht, 2003, Folie Nr. 41.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 139<br />

5 Phase der Institutionalisierung<br />

Die Phase der Institutionalisierung bezeichnet den Prozess des Aufbaus einer eigenständigen,<br />

organisatorischen Infrastruktur des Projekts Ökobilanz. Mit organisatorischer<br />

Infrastruktur sind einerseits die sich in Forschung und Praxis formierenden Netzwerke,<br />

Organisationen und Plattformen, resp. Medien zur fachspezifischen Kommunikation<br />

gemeint, anderseits die Prozesse der (internationalen) Harmonisierung- und<br />

<strong>St</strong>andardisierung der Methodik. Angesichts der grossen Bedeutung von Daten und<br />

Software an der Schnittstelle zwischen angewandter Ökobilanzforschung und der<br />

praktischen Anwendung in Unternehmen, stellt die Entwicklung eines entsprechenden<br />

Marktes ebenfalls einen wichtigen Pfeiler der Institutionalisierung dar. Ziel dieses<br />

Kapitels ist eine Bestandesaufnahme der Ausprägung dieser Merkmale:<br />

– Netzwerke und Organisationen<br />

– Fachzeitschriften und Konferenzen<br />

– <strong>St</strong>andardisierung von Methodik und deren Anwendung<br />

– Entwicklung eines Marktes für Ökobilanz-Software<br />

Wir orientieren unsere Untersuchung an den internationalen Bestrebungen, die Ökobilanzierung<br />

als Methodik, resp. Wissenschaft zu institutionalisieren. Denn bereits 1992<br />

schreibt das deutsche Umweltbundesamt: „Im Rahmen der <strong>St</strong>ichworte „Product-Life-<br />

Cycle-Assessments“ (LCA) und „Ecobalances“ sind derzeit eine kaum mehr überschaubare<br />

Fülle von Initiativen internationaler und nationaler Institutionen zu<br />

registrieren.“ 274 Eine umfassende Darstellung nationaler Entwicklungen würde deshalb<br />

zu weit greifen. Wo dies für das Verständnis hilfreich und für die internationale Ebene<br />

als relevant erscheint, werden wir nationale Entwicklungen jedoch in unsere<br />

Betrachtung einschliessen.<br />

Zur Abgrenzung der Phase Institutionalisierung halten wir uns willkürlich an die<br />

Publikation internationaler <strong>St</strong>andards sowie international breit abgestützter Gremien.<br />

Dies erlaubt einerseits eine klare Feststellung von Meilensteinen und erscheint uns<br />

andererseits als guter Indikator institutioneller Fortschritte, da beide Merkmale auf<br />

einem breiten Konsens wichtiger Akteursgruppen basieren.<br />

Denn Beginn dieser Phase verorten ist demnach im Jahre 1993 zu verorten. In diesem<br />

Jahr publizierte die Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC) den<br />

ersten, internationale Anerkennung findenden Leitfaden zur Methodik, der das heute<br />

noch geltende Rahmenkonzept sowie ihren modularen Aufbau prägte.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich Ökobilanzierung vorwiegend unkoordiniert und<br />

unter diversen verschiedenen Bezeichnungen im Rahmen der praktischen Anwendung<br />

und des dadurch ausgelösten Diskurses (siehe Kapitel 2).<br />

274<br />

UBA, 1992, Anhang 10, S. 1.


140 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

5.1 Entwicklung einer internationalen Forschungsgemeinschaft<br />

„Erst ab 1990 begannen die (...) Ökobilanz-Entwickler international zu kooperieren und<br />

zunächst eine Bestandesaufnahme der verschiedenen Ansätze durchzuführen.“ 275<br />

Dieser Prozess nahm seinen Anfang im Rahmen eines 1989 in Vermont, USA, abgehaltenen<br />

Workshops unter dem Titel A Technical Framework for Life Cycle<br />

Assessment, der 1990 in Leuven, Belgien fortgesetzt wurde. 276 Ausgehend von diesen<br />

Workshops der SETAC entstand eine internationale Forschungsgemeinschaft, deren<br />

Netzwerke und Plattformen wir in diesem Abschnitt umreissen.<br />

5.1.1 Netzwerke und ihre Leistungen<br />

5.1.1.1 SETAC Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC)<br />

Die SETAC, eine seit 1979 bestehende Organisation mit heute weltweit rund 5'000<br />

Mitgliedern aus Forschung, Industrie, Behörden und non-governmental organisations<br />

(NGOs), entwickelte zur führenden Plattform der Ökobilanzforschung. Die meisten<br />

Mitglieder stammen aus den (Umwelt-)Naturwissenschaften, der Toxikologie sowie dem<br />

chemical engineering.<br />

Von den regionalen Sektionen der weltweiten Dachorganisation haben sich die SETAC<br />

North America und SETAC Europe zu zwei unterschiedlich ausgeprägten Schulen der<br />

Ökobilanzierung entwickelt. „The European workings groups have regarded the<br />

development and harmonisation of LCA methodology as their main aim, while the North<br />

American groups have focused on analysing the limitations of LCA and warning against<br />

its unwarranted use.“ 277<br />

Die SETAC organisiert zu verschiedenen Themenbereichen jeweils Arbeitsgruppen,<br />

welche den <strong>St</strong>and von Forschung und Praxis zusammentragen, bestehende Konsens-,<br />

resp. Dissensbereiche feststellen und das entsprechende Wissen publizieren. Seit 1990<br />

wurden so über 10 Bücher und Berichte von SETAC Press veröffentlicht. 278 Hinzu<br />

kommen eine Vielzahl von Publikationen einzelner Forscher sowie Tagungsberichte,<br />

Fallstudien, etc. in diversen Fachzeitschriften. Mit dem Journal for Environmental<br />

Toxicology and Chemistry stellt SETAC ein wichtiges Medium zur Publikation von<br />

Forschungsergebnissen bereit, wobei Ökobilanzierung in diesem Magazin nicht einen<br />

Schwerpunkt einnimmt, sondern sich vielmehr neben den anderen, traditionellen<br />

Themen der SETAC entwickeln konnte. Ab Herbst 2004 wird nun ein spezifischeres<br />

Magazin Integrated Environmental Assessment and Management lanciert, indem<br />

quartalsweise und peer-reviewed Artikel zur Anwendung von Risiko- und Umweltanalysen<br />

in Management und Politik erscheinen sollen. Dieses neue Medium macht<br />

deutlich, dass die SETAC-Forschenden zunehmend die Grenzen ihrer Umweltnatur-<br />

275<br />

Klöpffer/Renner, 1995, S. 5.<br />

276<br />

Guinée et.al, 2002, S. 10.<br />

277<br />

Guinée et.al, 2002, S. 11.<br />

278<br />

Fava, J.: Life Cycle Initiative: Ajoint UNEP/SETAC Partnership to Advance the Life-Cycle-Economy, in:<br />

Int. Journal of LCA, Nr. 2, Volume 7, 2002, S. 196. (Verzeichnis: S. 196 - 198)


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 141<br />

wissenschaften überschreiten und die Bedeutung der Sozialwissenschaften,<br />

insbesondere der Wirschafts- und Politikwissenschaften für die Umsetzung ihrer<br />

Methoden anerkennen.<br />

Im Rahmen der Jahrestagungen der Sektionen werden Ökobilanz-Themen jeweils<br />

neben anderen Forschungsbereichen der SETAC behandelt. Seit 1992 konnte mit dem<br />

einmal jährlich stattfindenden SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium eine spezifische<br />

Plattform etabliert werden, die dem Austausch und der Aufbereitung von Erfahrungen<br />

zwischen Forschung und Praxis dient und jeweils ein breites Spektrum von spezifischen<br />

Fragen abdeckt.<br />

Betrachtet man die Liste der Teilnehmenden sowie die Namen der Verantwortlichen<br />

von Arbeitsgruppen sowie Tagungen, so fällt die personelle Kontinuität seit Beginn der<br />

Zusammenarbeit auf. Rund 40 Personen scheinen diesen Prozess aktiv zu gestalten<br />

und zu verwalten. Es sind dieselben Namen, die auch in den einschlägigen Bibliografien<br />

zur Ökobilanzierung und auch in unserem Literaturverzeichnis häufig vertreten sind.<br />

Dabei sind Forschende des Zentrums für Umweltwissenschaften CML in Leiden,<br />

Niederlanden, seit Beginn auffällig präsent, aber auch zahlreiche Forschende aus<br />

Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland sowie aus der Schweiz (ETH-<br />

Institutionen sowie Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>). Auffällig ist zudem die seit Ende der 90er<br />

Jahre zunehmende Präsenz der japanischen Forschenden. Ebenfalls überdurchschnittlich<br />

präsent in den Gremien der SETAC sind zahlreiche Experten von Beratungsunternehmen,<br />

insbesondere aus den Niederlanden, Deutschland und den USA.<br />

Der 1993 vorgelegte SETAC Code of Practice, resp. dessen vorgängig publizierte<br />

Entwürfe beeinflussten die in einzelnen Ländern einsetzenden<br />

<strong>St</strong>andardisierungssaktivitäten verschiedener Berufs- und Branchenorganisationen<br />

sowie länderübergreifender Gremien massgeblich: Beispielsweise des Nordic Council of<br />

Ministers (of Environment), der als erstes internationales Gremium den <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung<br />

zusammenfasste und 1995 die Nordic Guidelines on Life Cycle<br />

Assessment publizierte.<br />

Die SETAC-Arbeiten bildeten auch den Ausgangspunkt der internationalen Normierung<br />

von Ökobilanzen, die ab 1993 im Rahmen der International Organization for<br />

<strong>St</strong>andardization ISO vorangetrieben wurde. Wir betrachten diese Entwicklung detailliert<br />

in Abschnitt 5.2.2.<br />

5.1.1.2 ISIE - International Society for Industrial Ecology<br />

Eine stärker transdisziplinäre Ausrichtung als die SETAC pflegt die zweite internationale<br />

Forschungsgesellschaft mit starkem Bezug zur Ökobilanzforschung: die, 2001 von<br />

vorwiegend amerikanischen Forschenden, gegründete International Society for<br />

Industrial Ecology. In ihrem Rahmen koordinieren und kommunizieren Forschende


142 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Arbeiten, die über den Fokus auf Produktlebenszyklen hinausgehen und Anwendungen<br />

der Ökobilanzmethodik auf Unternehmen, Regionen und ganze Volkswirtschaften<br />

analysieren. Neben umweltnaturwissenschaftlichen Aspekten wird dabei ökonomischen<br />

und politischen Analysen der Einsatzmöglichkeiten und -grenzen von Ökobilanzen ein<br />

hoher <strong>St</strong>ellenwert beigemessen. Die Gesellschaft mit Sitz an der amerikanischen<br />

Universität Yale stellt damit eine Art Schnittstelle zwischen SETAC und der Society for<br />

Ecological Economics dar, was auch in den entsprechenden personellen<br />

Verflechtungen zum Ausdruck kommt: In ihren Reihen finden sich prominente<br />

Forschende aus beiden Bereichen.<br />

Die Aktivitäten der ISIE nehmen sich im Vergleich zur SETAC (noch) realtiv bescheiden<br />

aus: Ein vierteljährlich erscheinender newsletter informiert die Mitglieder über<br />

Veranstaltungen, bespricht Publikationen und Projekte und berichtet über das Netzwerk<br />

der beteiligten Personen. 2001 und 2003 fanden die ersten zwei ISIE Konferenzen<br />

statt, deren dritte Auflage für 2005 geplant ist. Die ISIE beteiligt sich ausserdem seit<br />

2003 an der Organisation des SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposiums und stellt einen<br />

Vertreter im International Life Cycle Panel (siehe Abschnitt 5.2.3).<br />

Ein Fachmagazin gibt die ISIE selbst nicht heraus. Als offizielles Organ der Gesellschaft<br />

fungiert das quartalsweise und peer-reviewed erscheinende Journal of Industrial<br />

Ecology, 279 welches seit 1997 durch MIT Press in Zusammenarbeit mit der Universität<br />

Yale herausgegeben wird. Die Liste der bislang 350 Autoren belegt die enge<br />

Verflechtung mit den Mitgliedern der SETAC.<br />

5.1.2 Unabhängige Plattformen zur fachspezifischen Kommunikation<br />

5.1.2.1 International Journal for Life Cycle Assessment<br />

Als das zentrale Medium der Ökobilanzforschung vermochte sich das -1996 durch den<br />

deutschen Ecomed Verlag lancierte -International Journal for Life Cycle Assessment zu<br />

etablieren.<br />

Es erscheint peer-reviewed alle 6 Monate in gedruckter und elektronischer Fassung und<br />

betreibt mehrere online-Foren zur Diskussion spezifischer Fragen der Ökobilanzforschung<br />

und -praxis. Neben den Fachbeiträgen wird auch über die institutionelle<br />

Entwicklung der Ökobilanzierung berichtet; über Konferenzen, Normierungsaktivitäten,<br />

Software, Netzwerke und Publikationen. Der Autorenindex umfasst für 1996 bis Mai<br />

2004 mehr als 700 Autoren und der Artikelindex über 500 Fachbeiträge.<br />

Seit 2001 ist das Journal im Science Citation Index Expanded SCIExp des Institute für<br />

Scientific Information ISI vertreten. Im Rahmen dieses -rund 5'800 wissenschaftliche<br />

Fachzeitschriften umfassenden – Index wird ein sogenannter Journal Impact Factor<br />

ermittelt, der aufzeigen soll, wie oft Artikel eines bestimmten Magazins im Verlaufe von<br />

mindestens drei Jahren in anderen Zeitschriften oder in anderen Ausgaben desselben<br />

Magazins zitiert werden. Liegt ein solcher Journal Impact Factor vor, so kann das<br />

Magazin in den –die vermeintlich 3'800 einflussreichsten Zeitschriften umfassenden –<br />

279<br />

Siehe Abschnitt 2.4.2.2.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 143<br />

Science Citation Index SCI aufgenommen werden. Lediglich 10% der neu im SCIExp<br />

vertretenen Magazine werden für den SCI ausgewählt. Der Impact Factor wird für das<br />

Jahr 2003 mit 1.035 angegeben, was das Magazin an 10. <strong>St</strong>elle der Kategorie<br />

Engineering, Environmental, resp. unter den insgesamt 131 Magazinen der Kategorie<br />

280 281<br />

Environmental Sciences an 64.<strong>St</strong>elle positioniert.<br />

5.1.2.2 ICEB - International Conference on EcoBalance<br />

Keine Organisation im formalen Sinne, aber ein wichtiges Forum der Ökobilanzforschung<br />

stellt die seit 1994 alle zwei Jahre im japanischen Tsukuba stattfindende<br />

International Conference on EcoBalance ICEB dar: Mehr als 450 Teilnehmende aus 21<br />

Ländern besuchten die 147 Referate sowie 116 Poster-Präsentation im Jahr 2002. Die<br />

entsprechenden proceedings umfassen mittlerweile über 1'000 Seiten und<br />

dokumentieren die grosse Vielfalt an Ergebnissen aus Forschung und Praxis. 282 Die<br />

ICEB deckt dabei das gesamte Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten der Methodik<br />

ab.<br />

280<br />

News from the International Journal of LCA, in: Int. Journal of LCA, Vol. 9 (2), 2004, S. 8A.<br />

281<br />

Siehe http://www.scientificjournals.com/sj/LCA.<br />

282<br />

Siehe http://www.sntt.or.jp/ecobalance/.


144 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Year International Conference<br />

1989 SETAC LCA Workshops<br />

1992 1. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1993 2. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1994 3. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1. ICEB International Ecobalance Conference<br />

1995 4. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1996 5. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

2. ICEB International Ecobalance Conference<br />

1997 6. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1998 7. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

3. ICEB International Ecobalance Conference<br />

1999 8. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

2000 9. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

4. ICEB International Ecobalance Conference<br />

1. INLCA International LCA Conference<br />

2001 10. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

1. ISIE International Society for Industrial Ecology Conference<br />

2002 11. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

5. ICEB International Ecobalance Conference<br />

2003 12. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

2. INLCA/LCM International LCA Conference<br />

2. ISIE International Society for Industrial Ecology Conference<br />

2004 14. SETAC LCA Case <strong>St</strong>udy Symposium<br />

6. ICEB International Ecobalance Conference<br />

Abbildung 5.1: Internationale Konferenzen der Ökobilanzforschung<br />

Der sich verdichtende internationale Veranstaltungskalender ist ein Indiz für die zunehmende Vernetzung<br />

der Ökobilanzforschenden. Seit Mitte der 90er Jahre hat die Anzahl der Konferenzen sowie der<br />

Teilnehmenden deutlich zugenommen. In den Gremien dieser Veranstaltungen finden sich häufig<br />

dieselben Namen wie in den editorial boards der Fachzeitschriften sowie den Vorständen der Forschungsgesellschaften.<br />

5.1.2.3 INLCA/LCM Intern. Conference on LCA & Life Cycle Management 283<br />

Ergänzend zur ICEB wurde im Jahr 2000 erstmals die International Conference on Life<br />

Cycle Assessment INLCA in Washington organisiert. Verantwortlich zeichnete damals<br />

die amerikanische Umweltagentur EPA. Mittlerweile wird der Anlass unter dem neuen<br />

Namen International Conference on LCA &Life Cycle Management INLCA/LCM durch<br />

das American Centre for LCA ACLA ausgerichtet. Mit dem erweiterten Titel soll die<br />

Umsetzung der Ökobilanzierung stärker betont werden und vermehrt auch Delegierte<br />

aus der Industrie ansprechen.<br />

Die INLCA/LCM findet alle drei Jahre als traditionelle Konferenz sowie in den Zwischenjahren<br />

als online-Forum statt. Die jeweils rund 300 Teilnehmenden der ersten beiden<br />

Konferenzen 2000 und 2003 stammten aus 30 Ländern.<br />

283<br />

Siehe http://www.lcacenter.org/INLCA-LCM03/Index.html.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 145<br />

5.1.3 Fazit: Die Ökobilanzforschung konstituiert sich<br />

Mit zwei internationalen Forschungsgesellschaften, zwei spezifischen Fachzeitschriften<br />

und der Präsenz in mehreren, breiter angelegten Fachmagazinen sowie drei<br />

regelmässig stattfindenden, internationalen Fachkonferenzen verfügt die Ökobilanzforschung<br />

heute über eine hochgradig vernetzte und etablierte akademische<br />

Infrastruktur. Sie hat sich als Wissenschaft konstituiert. 284<br />

Orientiert man sich an Indizien wie Autorenverzeichnissen und Listen von Konferenz-<br />

Teilnehmenden, so lässt sich abschätzen, dass die international vernetzte Forschungsgemeinschaft<br />

zwischen 200 und 300 aktive Personen umfassen dürfte. Diese stammen<br />

vorwiegend aus Forschungsinstituten, Beratungsunternehmen und zunehmend auch<br />

aus grossen, multinationalen Unternehmen. Diese Gemeinschaft stellt Zentrum und<br />

Taktgeber der stetigen Weiterentwicklung der generischen Methodik sowie der<br />

angewandten Ökobilanzforschung dar. Den Kern dieser Gemeinschaft bilden ca. 40<br />

Personen, deren Namen seit Beginn der 90er Jahre sowohl in der Literatur als auch in<br />

den Gremien von Fachzeitschriften und Konferenzen immer wieder anzutreffen sind.<br />

Auch dies ein Zeichen institutioneller <strong>St</strong>abilität und eine wichtige Voraussetzung für die<br />

Institutionalisierung des Projekts Ökobilanz.<br />

5.2 <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung<br />

Wie wir anhand unserer Untersuchung zur Phase der Differenzierung und<br />

Operationalisierung deutlich gemacht haben, ist die praktische Umsetzung der<br />

Ökobilanzierung auf eine Vielzahl von Konventionen angewiesen. Wir haben<br />

diagnostiziert, dass diese Normierung nicht theoretisch begründet, sondern einzig durch<br />

Übereinkunft oder Usanzen entsteht. Deshalb kommt der angewandten Ökobilanzforschung<br />

eine zentrale Rolle zu für die gesellschaftliche Relevanz des Projekts<br />

Ökobilanz.<br />

Es stellt sich die Frage, welche Netzwerke diese Schnittstelle zwischen Theorie und<br />

Anwendung durch Transfer und <strong>St</strong>andardisierung der Methodik gestalten. Wir<br />

betrachten dazu im folgenden Abschnitt fünf, für die internationale Institutionalisierung<br />

der angewandten Ökobilanzforschung, resp. der praktischen Anwendung in<br />

Unternehmen zentrale Netzwerke.<br />

5.2.1 SPOLD Society for the Promotion of Life Cycle Assessment<br />

Neben den hauptsächlich durch Wissenschaftler und Beratungsunternehmen<br />

verwalteten Plattformen, entstand 1992 mit der Society for the Promotion of Life Cycle<br />

Assessment SPOLD eine spezialisierte Industrievereinigung. Unter den Gründungsfirmen<br />

fanden sich Grossunternehmen wie Ciba, Procter&Gamble, Unilever oder<br />

Electricité de France. Im Rahmen von SPOLD wurden verschiedene <strong>St</strong>udien vergeben,<br />

welche auf die Förderung der Praktikabilität sowie der Akzeptanz von Ökobilanzen<br />

284<br />

konstituieren = gründen, einrichten, zur festen Einrichtung machen, aus Wahrig, 1994, S. 942.


146 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

abzielten. So entstanden Publikationen wie LCA anew business planning tool 285 ,die<br />

Guidelines for the Application of Life Cycle Assessment in the European Union<br />

Ecolabelling Programme 286 oder das Directory of Life Cycle Inventory Data Sources 287 .<br />

Mit dem Beginn der Normierung im Rahmen der ISO verlagerte SPOLD seine<br />

Aktivitäten zunehmend auf die Entwicklung eines standardisierten Datenformats 288 für<br />

Inventare und entwickelte zwischen 1995 und 1999 eine Software, mit der die Daten<br />

erfasst und im sogenannten SPOLD-Format ausgegeben werden konnten (siehe<br />

unten). Nachdem sowohl die SETAC als auch ISO das Thema <strong>St</strong>andard-Datenformate<br />

aufgriffen, stellte die Organisation 2001 ihre Aktivitäten ein. 289<br />

5.2.2 ISO International Organization for <strong>St</strong>andardization<br />

Formal begann die internationale Normierung der Ökobilanzmethodik mit der<br />

Einrichtung der Arbeitsgruppe ISO/TC207/SC5 Life Cycle Assessment anlässlich der<br />

TC207-Sitzung im Juni 1993 in Toronto. Zuvor bestand bereits eine Ökobilanz-<br />

Arbeitsgruppe innerhalb der ISO <strong>St</strong>rategic Advisory Group on Environment SAGE. Die<br />

SAGE hatte die Schaffung einer umfassenden Normreihe zu Themen des<br />

Umweltmanagements angeregt. Damit griff die ISO bestehende, nationale<br />

Normierungsbestrebungen auf, wie sie beispielsweise im Rahmen des Deutschen<br />

Normen Ausschusses DIN-AGUS-AA3 oder der Canadian <strong>St</strong>andard Association CSA<br />

vorangetrieben wurden -und im Falle der CSA auch bald zur weltweit ersten nationalen<br />

Norm für Produktökobilanzen führten: 1994 wurde die CAN/CSA-Z760 Life Cycle<br />

Assessment in Kraft gesetzt. In der Folge konzentrierte sich der <strong>St</strong>andardisierungsprozess<br />

zur Ökobilanzierung im Rahmen der ISO-Gremien; nationale <strong>St</strong>andards<br />

basieren heute auf den Arbeiten des TC207.<br />

Die International Organization for <strong>St</strong>andardization ISO (von griechisch: isos =gleich) ist<br />

die weltweit grösste und bedeutendste <strong>St</strong>andardisierungsorganisation mit Sitz in Genf.<br />

1946 auf Beschluss von Delegationen aus 25 Ländern gegründet, umfasst sie heute<br />

148 nationale <strong>St</strong>andardisierungsorganisationen. Diese stellen nicht zwingend staatliche<br />

Behörden dar, sondern können auch rein privatwirtschaftlich organisiert sein. Jedes<br />

Land wird durch diese nationalen Organisationen mit einer <strong>St</strong>imme vertreten, wenn es<br />

um die Verabschiedung von Normen geht; die Länderorganisationen sind für die<br />

nationalen Koordinationsprozesse verantwortlich. Zudem delegieren 570 internationale<br />

Organisationen Experten in die 188 sogenannten Technical Committees (TC), resp. die<br />

zugehörigen 546 Subcommittees (SC) und 2'224 Working Groups (WG). 290<br />

285<br />

Fussler, C. :Life Cycle Assessment - A New Business Planning Tool, SPOLD, Brussels, 1993.<br />

286<br />

Groupe des Sages (chaired by Udo de Haes, H A).: Guidelines for the Application of Life-Cycle<br />

Assessment in the European Union Ecolabelling Programme. CML Leiden/SPOLD, 1994.<br />

287<br />

Hemming, Chr.:Directory of Life Cycle Inventory Data Sources. SPOLD, Brussels, 1995.<br />

288<br />

Weidema, B.: SPOLD ‘99 format – an electronic data format for exchange of LCI data, SPOLD,<br />

Brussels, 1999.<br />

289<br />

Siehe http://LCA-netc.com/SPOLD/whatis.html.<br />

290<br />

ISO: ISO in figures for the year 2003. Central Secretariat, Genf, 2004, S. 1 - 3.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 147<br />

Hauptprodukt der ISO sind die seit 1947 verabschiedeten rund 13'700 ISO International<br />

<strong>St</strong>andards. Sie stellen den höchsten Konsens im Rahmen der ISO Gremien dar und<br />

durchlaufen mehrstufige und langwierige Abstimmungsprozesse. Die ISO kennt aber<br />

auch eine Reihe von weniger verbindlichen Produkten, an welche geringere<br />

Anforderungen gestellt werden und die häufig Vorstufen von ISO International<br />

<strong>St</strong>andards darstellen: diese werden in Form sogenannter Publicly Available<br />

Specifications (PAS), Technical Specifications (TS), Technical Reports (TR) oder<br />

International Workshop Agreements (IWA) publiziert.<br />

Abbildung 5.2: ISO TC 270 Environmental Management im Überblick.<br />

Normen zur Ökobilanzierung werden im Rahmen des SC5 entwickelt -in Koordination mit verwandten<br />

Themen wie Umweltkennzeichnung von Produkten oder der Umweltleistungsmessung von Unternehmen.


148 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Ökobilanz-Normierung findet im Rahmen des SC 5 des TC 207 Environmental<br />

Management statt, welche für die Normreihe ISO14000 verantwortlich zeichnet.<br />

Das TC 207 befasst sich einerseits mit organisationsbezogenen Methoden,<br />

insbesondere der <strong>St</strong>andardisierung und Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen<br />

(UMS) sowie der betrieblichen Umweltleistungsmessung (Environmental<br />

Performance Evaluation EPE).<br />

Andererseits werden produktbezogene Aspekte durch diese Normserie abgedeckt:<br />

Umweltkennzeichnung und Ökobilanzierung stehen dabei im Zentrum. Diese<br />

Architektur soll gewährleisten, dass eine einheitliche Sprache entwickelt und die<br />

einzelnen Fachgebiete in ihrem übergeordneten Zusammenhang gesehen und<br />

konsistent normiert werden können. In Ergänzung zu den Subcommittees sind dem TC<br />

207 vier Arbeitsgruppen zugeordnet, die sich spezifischen Themenbereichen (climate<br />

change, environmental communication) widmen oder Koordinationsfunktionen<br />

wahrnehmen (terminonology coordination, NGO task group, chairman's advisory group).<br />

Von der Arbeit des TC 207 explizit ausgeschlossen wird das Setzen von „limit values<br />

and levels of environmental performance“. 291 Die Normierung bezieht sich also immer<br />

und ausschliesslich auf Prozesse, resp. Methoden, Terminologien und Spezifikationen<br />

von Anforderungen.<br />

Die meisten Normen des TC 207 werden direkt vom European Committee for<br />

<strong>St</strong>andardization CEN übernommen und erhalten damit in 19 europäischen <strong>St</strong>aaten<br />

direkt den <strong>St</strong>atus als nationaler <strong>St</strong>andard, so auch in der Schweiz, in Deutschland,<br />

Frankreich oder England.<br />

Im SC 5zur Ökobilanzierung sind mittlerweile 61 Länderorganisationen vertreten, wobei<br />

42 davon <strong>St</strong>immrecht haben und aktiv an der Normierung beteiligt sind. Zusätzlich sind<br />

15 internationale Organisationen eingebunden, darunter verschiedene Branchenorganisationen<br />

(<strong>St</strong>ahl-, Aluminium-, Chemie-, Textil-, Leder- und Juteindustrie),<br />

Wirtschaftsverbände (International Chamber of Commerce ICC, International Network<br />

for Environmental Management INEM), diverse NGOs (European Environmental<br />

Citizens Organisation for <strong>St</strong>andardisation ECOS, Global Ecolabelling Network,<br />

Consumers International) sowie supranationale Organisationen (Europäische<br />

Kommission, World Trade Organisation WTO). Auch die SETAC ist in die Arbeiten des<br />

SC 5offiziell eingebunden, wobei zudem in einigen nationalen Delegationen (Japan,<br />

Niederlanden, Deutschland, USA, Schweden und Dänemark) SETAC-Exponenten<br />

vertreten sind.<br />

291<br />

Siehe http://www.ISO.org/ISO/en/stdsdevelopment/tc/.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 149<br />

Abbildung 5.3: Nationale Mitglieder-, resp. Beobachtergremien des TC 207 / SC 5<br />

Das SC 5 ist wiederum in Arbeitsgruppen untergliedert in deren Rahmen die<br />

spezifischen Normentwürfe erarbeitet werden. Diese Arbeitsgruppen tagen je nach<br />

Bedarf mehrmals pro Jahr, das SC 5selbst in der Regeln halbjährlich und das TC 207<br />

im Rahmen einer Vollversammlung einmal jährlich.<br />

Seit der Beginn der Ökobilanznormierung 1993 wurden 7Dokumente verabschiedet;<br />

davon 4 mit dem <strong>St</strong>atus eines ISO International <strong>St</strong>andards. Diese decken sich<br />

weitgehend mit dem von der SETAC vorgeschlagenen Rahmenkonzept und wurden<br />

auch entsprechend strukturiert: Zieldefinition und Untersuchungsrahmen sowie Sachbilanzierung<br />

in der ISO 14041 (1998), Wirkungsanalyse und Gewichtung in ISO 14042<br />

(2000) sowie Interpretation in ISO 14043 (2000). Die bereits 1997 verabschiedete erste<br />

Norm 14040 umschreibt diesen Rahmen generell.<br />

Im Gegensatz zu den Umweltmanagementsystemen sind die Ökobilanznormen keine<br />

zertifizierbaren <strong>St</strong>andards. Sie beschreiben vielmehr die Methodik generell, diskutieren<br />

Modellierungsvarianten und weisen allenfalls Anforderungen und Einschränkungen<br />

genereller Natur aus, beispielsweise, dass im Falle einer Veröffentlichung der Resultate<br />

zwingend ein critical review also eine Begutachtung durch unabhängige Experten<br />

erfolgen soll, oder dass im Falle von Veröffentlichungen – insbesondere Produktvergleichen<br />

–keine gewichteten Resultate ausgewiesen werden sollten. Insgesamt sind<br />

jedoch die Vorgaben minimal: so fordert die Normreihe zwar zwingend eine Wirkungsanalyse,<br />

lässt aber offen, welche Umweltwirkungen selektiert werden sollen und macht


150 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

auch keine Vorgaben bezüglich Wirkungsindikatoren- oder Wirkungsstufen (Umweltveränderungen<br />

oder Schäden, etc.).<br />

Entsprechend ist unstrittig, dass insgesamt immer noch sehr viel Spielraum in der<br />

Auslegung und Anwendung besteht. Einen Eindruck davon vermittelt die entsprechende<br />

Fachliteratur: beispielsweise das Handbook on Life Cycle Assessment -Operational<br />

Guide to the ISO <strong>St</strong>andards (3 Bände, 700 Seiten) 292 oder in deutscher Sprache Das<br />

Umweltinformationsinstrument Ökobilanz (LCA) – Anwendungsbezug und<br />

instrumentelle Ausgestaltungsmöglichkeiten (370 Seiten) 293 .<br />

Dennoch: diesen Normen ist es zu verdanken, dass bezüglich der Grundstruktur der<br />

Methodik ein von verschiedenen Interessengruppen getragener Konsens herrscht und<br />

eine hochgradig differenzierte Fachsprache jenseits der wissenschaftlichen Plattformen<br />

etabliert werden konnte. Die Normen tragen zudem erheblich dazu bei, dass das<br />

Interesse an der Methodik in verschiedenen Ländern überhaupt erst geweckt wurde.<br />

Dies im Hinblick auf eine Verwendung von Ökobilanzen zur Umweltkennzeichnung: die<br />

sogenannten Type III Kennzeichnungen (ISO 14025) - Environmental Product<br />

Declarations – sehen den Einsatz von lebenszyklusbasierten Sachbilanzen vor. 294<br />

Aus Sicht der generellen Anwendbarkeit der Methodik ist desweiteren bemerkenswert,<br />

dass die betriebsbezogenen Normen einen Einbezug der ökologischen Produktlebenszyklen<br />

zwar fordern, dazu aber nicht zwingend die Methodik der Ökobilanzierung<br />

vorgeschrieben wird. Bislang beschränkt sich der internationale Konsens bezüglich der<br />

betrieblichen Umweltleistungsmessung lediglich auf Kennzahlen, welche sich auf Sachbilanzindikatoren<br />

beziehen. Vor- und nachgelagerte <strong>St</strong>ufen der Wertschöpfungskette<br />

sind dabei nicht zwingend numerisch einzubeziehen (ISO 14031 EPE), ja werden nur<br />

am Rande erwähnt. Die generische Methodik des Life Cycle Assessment wäre jedoch<br />

grundsätzlich dazu geeignet – und wird in der Praxis vereinzelt tatsächlich zur<br />

betrieblichen Umweltleistungsmessung eingesetzt, wie wir im Rahmen unserer<br />

empirischen Untersuchung aufzeigen werden (siehe Kapitel 6). Von Delegierten aus<br />

Ökobilanz-Netzwerken wurde verschiedentlich (erfolglos) vorgeschlagen, die<br />

betriebliche Umweltleistungsmessung in die Ökobilanz-Normen zu überführen und die<br />

separate Norm 14031 aufzugeben. 295<br />

Die ISO-Normen haben sich insgesamt als wichtiger Transmissionsriemen der Ökobilanzforschung<br />

erwiesen und tragen wesentlich zu ihrer Institutionalisierung bei. Bis<br />

Ende der 90er Jahre hat sich so auf der internationalen Ebene eine duale, arbeitsteilige<br />

<strong>St</strong>ruktur entwickelt: während sich die SETAC auf die wissenschaftliche Weiter-<br />

292<br />

Guinée, et.al., 2002<br />

293<br />

Sundmacher, 2002.<br />

294<br />

Siehe Abschnitt 5.2.5.<br />

295<br />

Buxmann, K.: Protokoll der TK 174 vom 19.1.2004, S. 1. Das TK 174 ist der Spiegelausschuss des<br />

TC207 im Rahmen der Schweizerischen Normenvereinigung SNV. Dieses Gremium koordiniert die<br />

nationalen Beiträge im Rahmen des TC 207. Mitglieder sind rund 30 Personen, resp. Organisationen,<br />

davon 5aus Zertifizierungsgesellschaften, 6aus Behörden (insbesondere BUWAL), 2aus Universitäten,<br />

5 aus Beratungsunternehmen und 11 aus Unternehmen.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 151<br />

entwicklung und die Herausbildung des Konsens zwischen den wissenschaftlichen<br />

Experten etabliert hat, bietet die ISO mit dem TC 207 eine Plattform zur Herstellung von<br />

Konsensbereichen zwischen Interessengruppen, resp. Anwendenden und damit eine<br />

mächtige Absicherung von methodischen Konventionen. Dabei bestehen Synergien<br />

bezüglich der Mobilisierung von Ressourcen zur Fortsetzung des Projekts Ökobilanz.<br />

Es bestehen aber auch divergierende Interessen zwischen den Anspruchsgruppen und<br />

den Forschenden der SETAC. Einerseits sind die ISO-Normen bei einer vollständigen<br />

Umsetzung sehr aufwendig und schränken damit die - normkonforme - praktische<br />

Anwendung stark ein. Die Dokumentationspflichten sind ebenfalls enorm. Andererseits<br />

streben die Ökobilanzforschenden eine weitergehende <strong>St</strong>andardisierung der Wirkungsanalyse<br />

im Sinne eines minimalen Umfangs zu berücksichtigender Wirkungen<br />

(Selektion) an. „However, in an ISO TC 207 meeting, it was established, that particularly<br />

at this stage, ISO would not take up this task. Nevertheless, there was the need for an<br />

authoritative organisation showing willingness to join SETAC.“ 296<br />

Ein solcher Partner wurde schliesslich in UNEP gefunden. Damit besteht seit 2002 eine<br />

dritte, international abgestützte Organisation zur Förderung und <strong>St</strong>andardisierung der<br />

Ökobilanz-Methodik: die UNEP/SETAC Life Cycle Initiative.<br />

5.2.3 UNEP/SETAC Life Cycle Initiative<br />

UNEP -das United Nations Environmental Program -wurde im Zuge der ersten Weltkonferenz<br />

zu Umwelt und Gesundheit 1972 gegründet, um die Umweltaktivitäten<br />

innerhalb der Vereinten Nationen zu koordinieren. Seit 1975 wird es von einem<br />

Governing Council geleitet, bestehend aus 58 Ländervertretern. Zu den Aufgaben des<br />

UNEP gehören neben der UNO-internen Koordination ein breites Spektrum von<br />

Tätigkeiten, u.a. globale Umweltbeobachtung, Technologietransfer und Ausbildung,<br />

Entwicklung und Förderung umweltpolitischer Instrumente sowie die Förderung von<br />

Initiativen/Partnerschaften verschiedener Anspruchsgruppen. Dem UNEP<br />

angeschlossen sind die zudem die Sekretariate völkerrechtlicher Verträge,<br />

beispielsweise das Sekretariat des Montreal Protokolls zum Schutz der Ozonschicht<br />

oder der Basler Konvention über den Verkehr mit Sonderabfall. Innerhalb des UNEP<br />

hat sich die Division für Technologie, Industrie und Wirtschaft seit Mitte der 90er Jahre<br />

mit der Methodik der Ökobilanzierung befasst und dazu zwei Publikation<br />

herausgegeben, ein internationales Expertentreffen einberufen und eine Umfrage zur<br />

weltweiten Anwendung der Methodik in Auftrag gegeben. 297<br />

Im Rahmen des 10-year Framework of Programmes on Sustainable Consumption and<br />

Production wurde 2002 gemeinsam mit der SETAC die Life Cycle Initiative als Plattform<br />

zur weltweiten Förderung und Weiterentwicklung der Ökobilanzierung gegründet.<br />

296<br />

Udo de Haes, H.A.: The UNEP/SETAC Life Cycle Initiative –APersonal View of the Results after one<br />

Year, in: Int. Journal of LCA, Vol. 8 (5), S. 307.<br />

297<br />

UNEP-Division of Technology, Industry and Economics: Towards the Global Use of Life Cycle<br />

Assessment, UNEP, Paris, 1999. sowie UNEP-Division of Technology, Industry and Economics: Life<br />

Cycle Assessment – What it is and How to do it, UNEP, 1996.


152 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Organisatorisch besteht die Initiative als Netzwerk von vorwiegend freiwillig arbeitenden<br />

Experten und Anspruchsgruppen. Diese werden durch ein zentrales Sekretariat mit<br />

derzeit zwei Vollzeit-Mitarbeitenden unterstützt. Formaler Sitz der Initiative und des<br />

Sekretariats ist die UNEP Division für Technologie, Industrie und Wirtschaft in Paris.<br />

Die Projekte werden in einer ersten Phase im Rahmen von 3 thematischen<br />

Programmen in Arbeitsgruppen bearbeitet. Im Jahre 2004 wurden 12 solche Arbeitsgruppen<br />

gestartet. Sowohl die Programmverantwortlichen als auch der operative<br />

Direktor der Initiative sind dezentral an ihren jeweiligen Institutionen im Rahmen eines<br />

Teilzeitpensums aktiv. Die Arbeit erfolgt sehr ähnlich wie im Rahmen der ISO, das<br />

heisst vorwiegend im Rahmen elektronischer Kommunikation sowie jährlich zwei bis<br />

vier Sitzungen, die zumeist anderen Fachveranstaltungen angegliedert werden.<br />

Als strategisches <strong>St</strong>euerungsgremium fungiert das International Life Cycle Panel ILCP,<br />

in dem verschiedene Anspruchsgruppen sowie Delegierte der Sponsoren vertreten<br />

sind. Neben SETAC und UNEP sind wichtige Organisationen wie das ISO TC 207 /SC<br />

5, die Society for Industrial Ecology ISIE, der World Business Council for Sustainable<br />

Development WBCSD sowie die International Society for Exposure Analysis<br />

eingebunden. Insgesamt stellen Delegierte der Wirtschaft die Mehrheit im ILCP und ein<br />

wesentlicher Anteil der finanziellen Mittel wird durch Unternehmensverbände aus der<br />

Rohstoffindustrie aufgebracht, wenngleich die Finanzierung der Aufbauphase<br />

hauptsächlich durch Behörden aus Japan, Canada, Deutschland, den Niederlanden<br />

und der Schweiz bestritten wurde.<br />

Die Initiative hat zum Ziel, die Anwendung und Anwendbarkeit von Ökobilanzen zu<br />

erhöhen und das Denken in ökologischen Lebenszyklen, resp. <strong>St</strong>off- und<br />

Energieflüssen zu fördern, „through the development of an international life-cycle<br />

management (LCM) framework (...) and databases of best available LCA methods and<br />

data.“ 298 Mit LCM wird einerseits die Ausrichtung auf eine konkrete Umsetzung der<br />

Methodik besonders betont: Life Cycle Management meint letztlich die Nutzung und<br />

Implementation der Ökobilanzierung in konkreten Anwendungszusammenhängen,<br />

beispielsweise in der Produktentwicklung, im Marketing oder im Rahmen des<br />

betrieblichen Umweltmanagements. LCM umfasst in diesem Sinne neben der Methodik<br />

auch Techniken und Instrumente zur Ausbildung, zur organisationalen Verankerung<br />

und zur Kommunikation von Ökobilanz-Informationen.<br />

298<br />

Fava, 2002, S.197.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 153<br />

Abbildung 5.4: Organisation der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative 299<br />

Anderseits zielt die Initiative darauf ab, über die ISO Normen insofern hinauszugehen,<br />

als das nicht mehr nur eine generische Methodik sowie Anforderungen und Grenzen<br />

der Ökobilanzierung bezeichnet, sondern konkrete Modelle und Daten empfohlen<br />

werden sollen, wie sie die angewandte Ökobilanzforschung entwickelt hat. Man zielt<br />

also konkret darauf ab, Empfehlungen zu bestimmten Modellen -und somit auch zu<br />

den darin enthaltenen Konventionen – abzugeben. Es wird dabei betont, dass eine<br />

eineindeutige <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzmethodik im Rahmen der Life Cycle<br />

Initiative nicht angestrebt wird. Vielmehr wolle man - je nach „generic situation<br />

dependency“ -für unterschiedliche Anwendungsbereiche verschiedene „good (but quite<br />

different) side-by-side methods“ 300 empfehlen. Gegenüber den rein prozeduralen ISO-<br />

Normen wäre dies dennoch eine erhebliche Konkretisierung.<br />

Abbildung 5.5: Arbeitsschwerpunkte der UNEP/SETAC Life Cycle Initiative<br />

Die Themenschwerpunkte und Arbeitsgruppen der Life Cycle Initiative machen deutlich, dass mittels<br />

Empfehlungen zu Daten und Modellen gegenüber den generischen ISO-Normen eine erhebliche<br />

Konkretisierung angestrebt wird.<br />

Die anfangs 2004 lancierten Arbeitsgruppen, resp. deren Produkte wurden auf der<br />

Grundlage sogenannter definition studies für jeden der drei Themenschwerpunkte<br />

konzipiert. Diese <strong>St</strong>udien inventarisieren einerseits den Wissensstand und die<br />

299<br />

Eigene Zusammenstellung aus Sonnemann, G: Activities ahead for 2004, in: Int. Journal of LCA, Vol. 9<br />

(2), 2004, S. 74 sowie Sonnemann,G: International Life Cycle Panel: Decisions for 2003, Int. Journal of<br />

LCA, Vol. 8 (2), 2003, S. 61.<br />

300<br />

Udo de Haes, 2003, S. 309.


154 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Verfügbarkeit von Daten und Modellen –analog zu den Arbeiten der SETAC –weisen<br />

aber eine stärkere Einbindung der Perspektive von wirtschaftlich wenig entwickelten<br />

Ländern auf. Dies führt zu anderen <strong>St</strong>andpunkten, resp. Bedürfnissen als sie im<br />

Rahmen der europäisch-amerikanischen SETAC Arbeitsgruppen oder der ISO<br />

formuliert werden. Die definition studies zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht und<br />

welchen Aktivitäten Priorität eingeräumt werden sollte. „The idea was that these studies<br />

could well build on the results of the SETAC Europe working groups in these areas,<br />

making it possible to perform such astudy at short notice. However, as aconsequence,<br />

for the global outreach requirement author teams had to be established with global<br />

representation, which, in part, necessitated to start from fresh.“ 301<br />

Den definition studies voraus gegangen, war eine fragebogenbasierte Umfrage zu den<br />

Bedürfnissen von Ökobilanz Anwendenden (User Needs Survey). Rund 200 Experten,<br />

resp. Anwendende aus aller Welt nahmen daran teil. Allerdings ist einschränkend zu<br />

bemerken, dass es sich dabei mehrheitlich um Antwortende aus Wissenschaft und<br />

Beratungsunternehmen handelte und davon rund 70% aus Europa und Amerika<br />

stammen. Die Resultate widerspiegeln somit eher developer needs, resp. die Wünsche<br />

und Ansichten der angewandten Ökobilanzforschung als die der Anwendenden in<br />

Unternehmen.<br />

Abbildung 5.6: Arbeitsschwerpunkte zukünftiger Ökobilanzforschung<br />

Die <strong>St</strong>ruktur der User Needs Survey zeigt auf, welche Anspruchsgruppen sich im Rahmen der<br />

UNEP/SETAC Life Cycle Initiative inhaltlich einbringen. Die Antworten bezüglich Zustimmung und<br />

Priorisierung von Themen zur Förderung der Ökobilanzierung machen deutlich, dass die Umsetzung<br />

gegenüber einer weiteren Differenzierung der Methodik im Vordergrund steht. 302<br />

Der Bedarf nach weiterer Konkretisierung, Autorisierung und <strong>St</strong>andardisierung kommt<br />

dabei einerseits in der Anerkennung der Notwendigkeit sowie der hohen Priorisierung<br />

der Themen scientific confidence, recommended factors sowie scientific cooperation<br />

zum Ausdruck. Anderseits deuten auch die niedrigen Werte für Themen wie fully<br />

301<br />

Udo de Haes, 2003, S. 307.<br />

302<br />

Darstellung zusammengestellt aus <strong>St</strong>ewart, M., Goedkoop, M.: LCIA Needs analysis report of the<br />

UNEP-SETAC Life Cycle Initiative, UNEP/SETAC Life Cycle Initiative, Paris, Version 2, October 2003,<br />

S. 4 sowie 12.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 155<br />

detailed, spatial differentiation und temporal differentiation darauf hin, dass man die<br />

Komplexität der Methoden -und damit die Unsicherheit der Modelle -nicht weiter zu<br />

erhöhen wünscht. Trotz dieser starken Umsetzungsorientierung wird dennoch zum<br />

Ausdruck gebracht, dass man die hohen Anforderungen an die Ökobilanzmethodik, wie<br />

sie in den 90er Jahren formuliert wurden, nicht aufgegeben möchte: Transparenz, eine<br />

anwendungsspezifische Ausgestaltung der generischen Methodik sowie die Berücksichtigung<br />

der Unsicherheit von Daten und Modellen erzielten ebenfalls hohe<br />

Zustimmung und Priorität.<br />

Wie wir im Abschnitt 4.4.4 ausgeführt haben, ist zu erwarten, dass diese Anforderungen<br />

nur im Zuge einer weiteren Zentralisierung der angewandten Ökobilanzforschung -im<br />

Rahmen von sehr umfangreichen Grossprojekten zur Datenerhebung und Modellierung<br />

-sowie über den Markt für Datenbanken und Software erreicht werden können. Im<br />

Hinblick darauf, sind die in jüngster Zeit in verschiedenen Ländern geschaffenen,<br />

nationalen Ökobilanz-Zentren von besonderer Bedeutung. Einige dieser Zentren haben<br />

begonnen, sich auf internationaler Ebene im Rahmen der Global Alliance of LCA<br />

Research Centers zu koordinieren.<br />

5.2.4 GALAC - Global Alliance of LCA Research Centres<br />

Die Global Alliance of LCA Research Centers GALAC wurde im Februar in Tokyo<br />

gegründet. Sie stellt somit die vierte und jüngste internationale Plattform zur Institutionalisierung<br />

der Ökobilanzforschung dar.<br />

Mitglieder von GALAC sind ausschliesslich nationale oder supranationale, nicht-gewinnorientierte<br />

Organisationen, die auf die Förderung von lebenszyklus-basierten Methoden<br />

und Ökobilanzen in staatlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen spezialisiert<br />

sind. Als Zielgruppen ihrer Arbeit erachtet GALAC die Mitglieder von Parlamenten und<br />

nationalen Verwaltungen, Meinungsführende aus Medien und dem Bildungssektor<br />

sowie alle Arten von Unternehmen. 303<br />

GALAC umfasst im Mai 2004 vier solche Zentren:<br />

– ACLCA American Center for Life Cycle Assessment<br />

– CIRAIG Canadian Interuniversity Reference Center for Life Cycle Assessment<br />

– LCI Network - Forschungszentrum Karlsruhe, Germany<br />

– LCA Center Denmark<br />

– National Research Center for LCA Japan<br />

Im Rahmen von GALAC wollen die zusammengeschlossenen Zentren Personal und<br />

Erfahrungen austauschen, Fallstudien zur erfolgreichen Umsetzung von Ökobilanzmethoden<br />

aufbereiten, Promotionsmaterial zur Ökobilanzierung erstellen und verbreiten<br />

sowie Modelle zur Integration von Ökobilanzelementen in Politik und Gesetzgebung auf<br />

303<br />

Siehe http://galacenters.org.


156 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

nationaler und kommunaler Ebene entwickeln. Derzeit wird ein gemeinsamer Business<br />

Plan erarbeitet; noch liegen dazu keine konkreten Informationen vor. Dennoch ist die<br />

Gründung von GALAC ein bemerkenswerter Beitrag zur Institutionalisierung der Ökobilanzforschung:<br />

Einerseits, weil durch die in verschiedenen Ländern entstehenden<br />

Zentren die Ausgestaltung von Methoden als auch die Qualität von Daten massgeblich<br />

gesteuert wird. Anderseits, da die bisherigen internationalen Netzwerke –SETAC, ISO,<br />

UNEP/SETAC Life Cycle Initiative – auf den Beiträgen verschiedener Anspruchsgruppen,<br />

insbesondere jedoch von Delegierten der Wissenschaft und der Wirtschaft<br />

(Grossunternehmen, Verbände, Beratungsunternehmen) beruhen. Im Gegensatz dazu<br />

sind die nationalen Zentren formal stärker in der Verwaltung verankert und besetzen<br />

bezüglich Autorität damit eine besondere Position.<br />

Es gilt jedoch zu beachten, dass auch hier der Übergang zwischen Forschung,<br />

Verwaltung und Wirtschaft fliessend ist: Die meisten Zentren nehmen auf nationaler<br />

Ebene eine Koordinationsfunktion zwischen verschiedenen Forschungsinstitutionen,<br />

Wirtschaftsverbänden sowie Verwaltungseinheiten wahr: Im deutschen LCI-Network<br />

(Netzwerk Lebenszyklusdaten) sind beispielsweise 10 Universitäten, resp. Fachhochschulen,<br />

12 private Forschungsinstitute, 8 Wirtschaftsverbände, einige Grossunternehmen<br />

sowie das Umweltbundesamt und das Forschungsministerium<br />

zusammengeschlossen. Andere Zentren werden im Auftrag des Umweltministeriums<br />

und unter Leitung eines vorwiegend durch Delegierte von Wirtschaftsverbänden<br />

besetzten <strong>St</strong>euerungsgremium durch Beratungsunternehmen geführt -beispielsweise in<br />

Dänemark.<br />

Innerhalb von GALAC nimmt das Japanische Research Center for LCA ein besondere<br />

<strong>St</strong>ellung ein: Als Forschungszentrum ist es einerseits dem National Institute for<br />

Advanced Industrial Science and Technology AIST zugehörig. Das AIST selbst ist ein<br />

Verbund diverser nationaler Forschungsinstitute mit insgesamt über 3'500<br />

Forschenden, welche alle durch das Ministry for Economy, Trade and Industry METI<br />

finanziert und verwaltet werden. Das Research Center for LCA ist innerhalb der SETAC,<br />

der ISO sowie dem International Life Cycle Panel aktiv und hat zudem ein Netzwerk von<br />

Ökobilanzforschenden in APEC-<strong>St</strong>aaten (Asia Pacific Economic Co-Operation) initiiert.<br />

Anderseits ist das Research Center for LCA personell und im Rahmen konkreter<br />

Projekte eng mit JEMAI verbunden - der Japan Environmental Management<br />

Association for Industry. JEMAI umfasst rund 1'200 vorwiegend international<br />

ausgerichtete Unternehmen und betreut zudem den nationalen Spiegelausschuss des<br />

ISO TC 207. JEMAI bietet den Mitgliedern Software, Ausbildung sowie Beratungsleistungen<br />

an und nimmt für den <strong>St</strong>aat verschiedene Kontrollfunktionen im<br />

Zusammenhang mit der Einhaltung von Umweltgesetzen wahr. JEMAI koordiniert<br />

zudem das National LCA Database Project, in dessen Rahmen 54 Industrieverbände<br />

eingebunden sind, führt das Sekretariat der Life Cycle Assessment Society of Japan<br />

JLCA, dem –mit Unterstützung des METI -über 250 Organisationen sowie direkt 420


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 157<br />

Mitgliedsfirmen 304 angehören und betreibt desweiteren das nationale ECO-LEAF<br />

Program. Dieses Programm spezifiziert und zertifiziert ISO 14025 TR Type III<br />

Environmental Product Declarations EPD, das heisst lebenszyklusbasierte Ökobilanz-<br />

Daten zu verschiedenen Produkten. 305 JEMAI ist auch auch Mitglied im GEDnet, einer<br />

internationalen Organisation zur Förderung von EPDs.<br />

Neben den vier im Rahmen von GALAC kooperierenden Zentren bestehen in 10<br />

weiteren Ländern verschiedene, nationale Ökobilanz-Koordinationsstellen, resp.<br />

Netzwerke, die sich von ihrer Ausrichtung her ebenfalls GALAC anschliessen könnten.<br />

Allen gemeinsam ist der Anspruch, die Methodik der Ökobilanzierung auf nationaler<br />

Ebene zu fördern. Bezüglich Aktivitäten, Mitgliedern und Ressourcenausstattung<br />

unterscheiden sich diese Plattformen jedoch sehr stark.<br />

Gründungsjahr Nationale Zentren und Netzwerke<br />

1995 Japan LCA Society JLCA<br />

1996 Swiss LCA Forum ETHZ/EPFL<br />

1997 Indian Society for LCA ISLCA<br />

Korean Society for LCA KSLCA<br />

1998 Swiss Center for Life Cycle Inventories<br />

1999 Italian LCA Society<br />

2001 American Center for LCA ALCA<br />

Australian LCA Society ALCAS<br />

Brazilian Life Cycle Association<br />

Chinese Center for Materials Life Cycle Assessment<br />

CIRAIG Canadian Interuniversity Reference Center for Life Cycle Assessment<br />

Research Center for LCA Japan<br />

Taiwan LCA Forum<br />

Thai LCAnet<br />

2002 LCA Centre Denmark<br />

2003 LCI-Network Deutschland<br />

GALAC Global Alliance of LCA Research Centers<br />

2004 African LCA Network Alcan<br />

Abbildung 5.7: Netzwerke und Zentren zur Förderung der Ökobilanzierung 306<br />

Einige stellen reine Plattformen zum Austausch von Erfahrungen im Rahmen von<br />

Konferenzen dar (beispielsweise LCA Forum der Eidg. Technischen Hochschulen<br />

Zürich und Lausanne ETHZ/EPFL), andere sind als Interessengemeinschaften von<br />

Forschungsinstituten, Beratungsunternehmen und allenfalls Industrieunternehmen<br />

konzipiert und zielen auf die Akquisition von inländischen und internationalen<br />

Forschungsmitteln sowie allenfalls den Aufbau nationaler Zentren (beispielsweise<br />

Australian LCA Society ALCA, Thai LCAnet, Indian Society for LCA ISLCA, Brazilian<br />

Life Cycle Association, Italian LCA Society) während eine dritte Kategorie von Netzwerken<br />

bereits die Rolle solcher Zentren wahrnimmt, wenngleich sie nicht zwingend<br />

304<br />

Life Cycle Assessment Society of Japan, in: Int. Journal of LCA, Vol. 4 (5), 1999, S. 248.<br />

305<br />

JEMAI: Toward a Sustainable Society, Brochure, JEMAI, Tokyo, ohne Datum.<br />

306<br />

Eigene Zusammenstellung, <strong>St</strong>and Mai 2004.


158 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

auch entsprechende Namen tragen (beispielsweise LCA Forum Taiwan, Korean<br />

Society for LCA KSLCA).<br />

Institutionell breit abgestützt und mit erheblichen Ressourcen ausgestattet sind die<br />

Zentren in Japan, Korea, Taiwan, Canada, Dänemark, Deutschland und der Schweiz.<br />

Die Netzwerke in Korea und Taiwan sind ähnlich ausgerichtet, resp. organisiert wie in<br />

Japan: Neben dem koordinierten <strong>St</strong>udium von Methoden und insbesondere der<br />

internationalen Entwicklung, werden nationale Datenbanken für Ökoinventare, nationale<br />

Wirkungsanalyse- und Gewichtungsmethoden sowie entsprechende Software<br />

entwickelt. In Korea werden diese Projekte von KSLCA in Zusammenarbeit mit<br />

Universitäten und der Industrie ausgeführt. Die Finanzierung wird durch das Ministry for<br />

Commerce, Industry and Energy MOCIE zur Verfügung gestellt. In Taiwan sind die<br />

Arbeiten am Industrial Technology Research Institute ITRI angesiedelt, welches<br />

wiederum dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist.<br />

Im Gegensatz dazu stellt das Swiss Centre for Life Cycle Inventories das einzige,<br />

aussschliesslich durch Forschungsinstitutionen konstituierte Zentrum dar: es besteht<br />

aus 7, dem ETH-Verbund zugehörigen Forschungsanstalten. Die bereits erwähnte<br />

Datenbank Ecoinvent wurde durch dieses Zentrum entwickelt und wird nun durch die<br />

Eidgenössische Materialprüfungs- und -forschungsanstalt EMPA betreut.<br />

Abbildung 5.8: Organisation des Swiss Centre for Life Cycle Inventories<br />

Das bislang einzige Produkt des Zentrums, die Datenbank Ecoinvent 2000, wurde<br />

zwischen 1998 und 2003 als gemeinsames Projekt der ETH und verschiedener<br />

Bundesämter entwickelt. Im Gegensatz zu den Datenbanken der asiatischen Zentren


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 159<br />

wird die Ecoinvent Datenbank vorwiegend über eine Reihe international tätiger<br />

Ökobilanz-Softwareanbieter vertrieben. Das Zentrum bietet bislang keine weiteren<br />

Dienstleistungen an. Auf Initiative des BUWAL soll in naher Zukunft ein Competence<br />

Center for LCA entstehen, welches sich verstärkt der praktischen Anwendung der<br />

Methoden widmen soll. 307<br />

5.2.5 GEDnet – Global Environmental Product Declarations Network<br />

GEDnet ist die fünfte internationale Organisation mit grossem Einfluss auf die<br />

Institutionalisierung der Ökobilanzierung. Dabei steht weniger die Forschung im<br />

Zentrum, sondern die Umsetzung von produktspezifisch standardisierten, lebenzyklusbasierten<br />

Sach- und Wirkungsbilanzen. 1999 auf Initiative von JEMAI gegründet zielt<br />

das Netzwerk auf den Erfahrungsaustausch und eine gemeinsame Förderung der<br />

Verbreitung von Type III EPDs.<br />

EPDs „provide quantified environmental product information for the entire life cycle (...)<br />

based on independently verified, systematic data and is presented (...) in aformat, that<br />

facilitates comparison between products.“ 308<br />

Grundlage dieser Arbeiten bilden der ISO Technical Report 14025:2000 Type III<br />

Environmental Product Declarations, die ISO 14040 Norm zu Ökobilanzierung sowie die<br />

ISO Technical Specification 14048:2002 für Ökobilanz-Daten.<br />

307<br />

Rentsch, Chr.: Sustainable Development <strong>St</strong>rategy 2002, Präsentation, Special LCA Forum ETH<br />

Lausanne, Dezember 2003, S. 6.<br />

308<br />

GEDnet: International Guide to Environmental Product Declarations. Pre-print Edition, GEDnet,<br />

<strong>St</strong>ockholm, 2002, S. 7.


160 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung: <strong>St</strong>ruktur des schwedischen EPD (c) Programms für EPDs 309 S.29.<br />

Demnach hat eine nationale <strong>St</strong>elle generelle Anforderungen an die Spezifikation der<br />

EPDs sowie der zu durchlaufenden Arbeitsschritte zu formulieren. Diese werden als<br />

guidelines veröffentlicht. Auf der Basis solcher generell-abstrakter Richtlinien sind für<br />

einzelne Produktkategorien jeweils Product Specific Requirements PSR zu<br />

spezifizieren. Diese regeln zentrale Modellierungsanforderungen, u.a. zur Funktionellen<br />

Einheit und Systemabgrenzung, zu Allokationsregeln, zur Auswahl von Sachbilanzindikatoren<br />

und ggf. Wirkungsindikatoren, etc.. Die PSRs regeln auch, welche<br />

Ökoinventar-Daten(banken) zur Erstellung eines EPDs in der spezifischen Produktkategorie<br />

verwendet werden dürfen und wie hoch der Anteil spezifisch erhobener<br />

Daten, resp. der Anteil von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren sein darf. Die PSRs können durch<br />

die nationale <strong>St</strong>elle selbst, durch Branchenorganisationen oder auch durch einzelne<br />

Unternehmen veröffentlicht werden. Die PSRs sind jedoch auf alle Fälle durch die<br />

nationale <strong>St</strong>elle auf ihre Konformität mit den guidelines hin zu prüfen und zu<br />

autorisieren.<br />

Die Sachbilanzdaten über den gesamten Lebenszyklus werden alsdann durch jedes<br />

teilnehmende Unternehmen erhoben und berechnet. Je nach Spezifikation können<br />

auch zusätzliche, nicht-numerische Informationen ausgewiesen werden, beispielsweise<br />

wenn das Produkt in ISO 14001-zertifizierten Betrieben hergestellt wurde oder wenn es<br />

309<br />

Darstellung aus GEDnet, 2002, S. 29.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 161<br />

andere Umweltkennzeichen (Blauer Engel, etc.) erhalten hat. Die PSRs können auch<br />

vorsehen, dass bestimmte Indikatoren nicht veröffentlicht werden dürfen (beispielsweise<br />

Resultate zu einzelnen Wirkungsindikatoren).<br />

Akkreditierte Zertifizierungsstellen führen – entsprechend der Anforderung von<br />

ISO14040 für öffentlich zu kommunizierende Ökobilanzen –ein neutrales critical review<br />

durch. Produkte mit einem derart validierten EPD können mit einem Umweltkennzeichen<br />

ausgestattet werden -in Japan beispielsweise mit dem ECO-LEAF von JEMAI.<br />

Das zugehörige EPD wird über das Internet und eine dem Umweltkennzeichen zu<br />

entnehmende Identifikationsnummer verfügbar gemacht.<br />

EPDs enthalten keine Beurteilungen und Interpretationen, gewichtete Ökobilanzresultate<br />

sind ebenfalls nicht zugelassen. Sie stellen ausschliesslich Daten zur<br />

Verfügung und bieten Gewähr dafür, dass für das entsprechende Produkt eine<br />

Ökobilanz nach einem standardisierten Verfahren, mittels geprüfter Daten durchgeführt<br />

wurde und das die Spezifikation der Anforderungen an dieses Verfahren unter<br />

Einbezug relevanter Anspruchsgruppen erstellt wurde.<br />

GEDnet zielt darauf ab, guidelines und PSRs international zu standardisieren. Dem<br />

Netzwerk sind mittlerweile Canada, Dänemark, Deutschland, Italien, Japan, Südkorea,<br />

Norwegen und Schweden angeschlossen. In einigen dieser Länder (Italien,<br />

Deutschland und Dänemark) befindet man sich erst im Aufbau der entsprechenden<br />

Infrastruktur zur Spezifikation der PSRs, resp. zur Validierung der EPDs.<br />

Es gilt zwischen dem ursprünglich in Schweden entwickelten EPD (c) Programm und<br />

anderen, nationalen Systemen für Type III Environmental Declarations EPD zu<br />

unterscheiden: Das schwedische Programm steht grundsätzlich anderen Ländern offen<br />

und bislang haben sich Dänemark, Deutschland, Finnland, Polen, Japan und Italien<br />

assoziieren lassen. Die entsprechenden PSRs sowie EPDs werden durch den Swedish<br />

Environmental Management Council anhand dessen Guidelines geprüft und autorisiert,<br />

danach dürfen sie mit dem EPD (c) Logo ausgezeichnet werden und sind über die EPD (c) -<br />

Website abrufbar. Die PSR werden periodisch dem <strong>St</strong>and des Wissens angepasst und<br />

die einzelnen EPDs sind jeweils für die Dauer von 3Jahren gültig. Bislang bestehen für<br />

54 Produktgruppen EPD (c) -PSRs und für 65 Produkte liegen EPD (c) svor oder stehen<br />

kurz vor der Autorisierung.<br />

Nicht alle nationalen PSRs, resp. EPDs werden durch die teilnehmenden <strong>St</strong>aaten über<br />

das schwedische Programm autorisiert. Vielmehr bestehen in allen teilnehmenden<br />

Ländern parallel dazu PSRs und EPDs auf ausschliesslich nationaler Ebene, deren<br />

Anforderungen und Validierung nur im entsprechenden Land vorgenommen wird.


162 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Zusätzlich bestehen nicht mit dem schwedischen EPD (c) -System assoziierte Systeme in<br />

den zwei GEDnet-Mitglied-Ländern Canada (Environmental Profile Data Sheet EPDs)<br />

und Norwegen (NOH Type III Program) als auch in Korea (Environmental Declaration of<br />

Products EDP).<br />

Je nach Programm und PSR werden die EPDs mehr oder weniger detailliert<br />

ausgestaltet. Häufig umfasst ein EPD selbst nur wenige, Sachbilanz-Summenparameter<br />

(insbesondere Energie, Abfall) und/oder ausgewählte Wirkungsindikatoren. In diesen<br />

Fällen müssen neben dem EPD zusätzliche Datenblätter mit ausführlicheren Angaben<br />

zu Sach- und Wirkungsbilanz verfügbar gemacht werden. Das Auflösungsvermögen auf<br />

<strong>St</strong>ufe Sachbilanz umfasst beispielsweise bei den japanischen EPDs, resp. den<br />

dazugehörigen Product Environmental Information Data Sheet PEIDS insgesamt 22<br />

einzelstoffliche Input-Indikatoren sowie 18 Emissionen. 310<br />

Das schwedische EPD (c) nennt in einem konkreten Beispiel als Minimalerfordernisse<br />

den Ausweis von Ressourcenverbrauch (erneuerbar, nicht-erneuerbar sowie mit<br />

Energiegehalt), den <strong>St</strong>romverbrauch sowie 5 Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungspotential:<br />

Treibhauseffekt (in CO 2 -Equivalent), Versauerung (in kmol H + -<br />

Equivalent), Ozonabbau (in CFC-11-Equivalent), Überdüngung (in O 2 -Equivalent) sowie<br />

Photooxidation (in Ethylen-Equivalent).<br />

Andere Programme beschränken sich auf weniger Wirkungsindikatoren und/oder<br />

verwenden andere Charakterisierungsfaktoren zu deren Abschätzung –beispielsweise<br />

wird im ECO-LEAF-Program Japans das Versauerungspotential in SO 2 -Equivalent, das<br />

Ozonabbaupotential in CFC-22-Equivalent und das Überdüngungspotential in Phosphat<br />

(PO 4 -Equivalent) durch die guidelines vorgeschlagen. Allerdings werden für die meisten<br />

Produktkategorien lediglich Treibhauseffekt und Versauerung obligatorisch verlangt.<br />

310<br />

Beispiele dazu finden sich unter: www.JEMAI.or.jp/ecoleaf_e/.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 163<br />

Abbildung 5.9: Beispiel einer Type III Environmental Product Declaration von Fuji<br />

Dies macht deutlich, dass die EPDs Ökobilanzen bis auf <strong>St</strong>ufe Wirkungsanalyse weitgehend<br />

standardisieren und damit alle notwendigen Vereinfachungen treffen und Auswahlmöglichkeiten<br />

soweit durch Konventionen einschränken, dass eine Vergleichbarkeit<br />

von verschiedenen EPDs ermöglicht wird. Durch die Vorschriften zur Verwendung<br />

bestimmter Ökoinventare sowie zur Berechnung von Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe<br />

Umweltveränderungen werden zentral geschaffene Artefakte über Konventionen als<br />

Vergleichsmassstäbe eingeführt. Dies trifft insbesondere auf die sehr kontextabhängigen<br />

Wirkungsketten der Versauerung, Überdüngung oder Photooxidation zu.<br />

Schadensorientierte Wirkungsindikatoren finden sich in den bisherigen PSRs genau so<br />

wenig wie gewichtete Resultate.<br />

EPDs stellen damit auf Ebene der internationalen Normierung die konkreteste Form der<br />

Ökobilanzanwendung und einen wesentlichen Schritt in Richtung des Grünen <strong>St</strong>eins<br />

der Weisen dar. Durch den -zumindest formalen -Einbezug der Anspruchsgruppen


164 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

sowie die Veröffentlichung der guidelines, PSRs und der zugrundeliegenden Produktökobilanzdaten<br />

werden EPDs gesellschaftlich legitimiert.<br />

Abbildung 5.10: Verteilung weltweit verfügbarer Type III PSRs und EPDs<br />

Schweden und Japan haben bislang die meisten PSRs ausgearbeitet. Diese bilden die Grundlage zur<br />

Zertifizierung von Environmental Product Declarations EPDs. 311<br />

Da diese Programme zwar im nationalen Rahmen aufgesetzt werden, jedoch die<br />

Teilnahme auf freiwilliger Basis erfolgt, sind die Unternehmen Träger dieser<br />

Entwicklung. Sie erstellen PSRs und EPDs und tragen die Kosten für deren Validierung<br />

und Publikation. Am meisten EPDs haben bislang Minolta Imaging (24, zu Einweg-,<br />

Analog-, und Digitalkameras), Electrolux Deutschland (18, zu Waschmaschinen und<br />

Kühlgeräten) sowie ABB Italien, resp. ABB Schweden (11, zu verschiedenen elektrotechnischen<br />

Produkten) publiziert.<br />

Nach Produktkategorien dominieren Papier- und Zellstoffprodukte (34 EPDs, alle aus<br />

Kanada), Photokopierer (17, Japan) sowie Einwegkameras (16, Japan). In den anderen<br />

Kategorien sind häufig nur einzelne Produkte vertreten.<br />

Während in Japan meistens verschiedene Anbieter EPDs zu denselben Produktkategorien<br />

veröffentlicht haben, sind in den anderen Ländern (mit Ausnahme der<br />

kanadischen Papierprodukte) selten EPDs verschiedener Hersteller zu einer<br />

bestimmten Produktkategorie verfügbar. Es wird sich zeigen müssen, ob sich EPDs<br />

mittel- bis langfristig wirklich etablieren können. Eine wichtige Voraussetzung dazu ist<br />

erst dann gegeben, wenn die wichtigsten Mitbewerber pro Produktkategorie für ihre<br />

Produkte regelmässig EPDs veröffentlichen.<br />

EPDs werden mittlerweile nicht nur im Rahmen allgemein ausgerichteter, nationaler<br />

Programme, sondern ebenfalls sektoriell durch Branchenorganisationen entwickelt.<br />

311<br />

Eigene Darstellung, Daten gemäss eigenen Recherchen zu den einzelnen nationalen Programmen. Ein<br />

Verzeichnis der Programme findet sich unter: www.environdec.com/international/programs.asp.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 165<br />

Dies trifft insbesondere auf die Baustoffindustrie zu, in der bereits 8 Länder EPD-<br />

Programme geschaffen haben oder gerade aufbauen: Frankreich, die Niederlande,<br />

Finnland, Grossbritannien, die USA sowie die Schweiz (resp. im Aufbau: Deutschland<br />

und Dänemark). Frankreich hat zudem im Rahmen des ISO TC 59 eine Arbeitsgruppe<br />

zur Produktedeklaration von Baustoffen initiiert, die sich an ISO TR14025 weitestgehend<br />

orientieren soll. Weitere EPD Programme bestehen zudem in der Chemie-,<br />

Elektronik- und Textilindustrie.<br />

Eine 2002 durch die EU-Kommission Abteilung Umwelt in Auftrag gegebene <strong>St</strong>udie 312<br />

hat jedoch offenbart, dass diese Systeme nur selten den Anforderungen der ISO 14040<br />

Ökobilanznormen, resp. dem ISO TR 14025 für EPDs umfassend entsprechen. Die<br />

meisten beziehen zwar Daten zum gesamten Lebenszyklus mit ein, sind jedoch<br />

bezüglich Detaillierungsgrad, Datenqualität, Modellierung, Validierung, Transparenz<br />

sowie Einbezug von Anspruchsgruppen erheblich weniger anspruchsvoll als die<br />

nationalen – ISO 14040 und ISO TR 14025 folgenden - Programme. Von den 13<br />

untersuchten sektoriellen Systemen, entspricht lediglich das A.I.S.E Programm der<br />

europäischen Waschmittelindustrie beiden <strong>St</strong>andards. Im Gegensatz zu den nationalen<br />

Systemen verzichtet es jedoch auf eine Zertifizierung. Das Auflösungsvermögen der<br />

entsprechenden Deklarationen ist mit lediglich vier hochaggregierten <strong>St</strong>offindikatoren<br />

(Energie, Gewicht Waschmittel, Gewicht Verpackung, Gewicht schwerabbaubarer<br />

Inhaltsstoffe) im Vergleich zu den umfangreichen Sachbilanz, resp. Wirkungsbilanzen<br />

der nationalen EPD Programme sehr bescheiden.<br />

Wir verzichten vor diesem Hintergrund auf eine nähere Darstellung dieser sektoriellen<br />

EPD Programme. Es ist zu erwarten, dass sie sich mittelfristig entweder den nationalen<br />

Programmen anschliessen oder aber durch eine konsequentere Umsetzung der ISO<br />

Normierung angleichen werden.<br />

Für die Institutionalisierung von EPDs, resp. Produktökobilanzen ist insgesamt der<br />

weitere Verlauf der ISO Normierung von zentraler Bedeutung. Aufgrund der erwarteten<br />

Wettbewerbswirkungen wurden die entsprechenden Diskussionen innerhalb des ISO<br />

TC 207 von Beginn weg sehr kontrovers geführt: ISO TR 14025 geht zurück auf einen<br />

Vorschlag eines US-Delegierten im Jahre 1994. Der -zunächst auf starke Ablehnung<br />

stossende Vorschlag -wurde auf Initiative der schwedischen Delegierten im Jahre 1995<br />

erneut traktandiert und erhielt soweit Zustimmung, dass die Ausarbeitung eines ISO<br />

International <strong>St</strong>andards 14025 in Angriff genommen werden konnte. Nach Intervention<br />

der US-Delegation wurden jedoch die Arbeiten 1998 sistiert: Ein Mangel an konkreten<br />

Erfahrungen mit EPDs gab dazu den Ausschlag. Zudem wurde bezweifelt, ob<br />

Konsumenten Ökobilanz-Resultate überhaupt verstehen und akzeptieren würden.<br />

Diese Situation führte dazu, dass die Arbeiten zu EPDs lediglich als ISO Technical<br />

Report veröffentlicht wurden. Der Report zeigt auf, welche Anforderungen an EPD<br />

Programme grundsätzlich zu stellen wären und er zeigt Beispiele aus den bis dahin<br />

312<br />

ERM: Evaluation of Environmental Product Declaration Schemes. Final Report commissioned by<br />

European Commission DG Environment, 2002, S. 68.


166 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

aufgebauten nationalen Programmen, insbesondere dem schwedischen EPD (c)<br />

Programm. Die Schaffung eines International <strong>St</strong>andard blieb jedoch weiterhin auf der<br />

Traktandenliste: 2002 scheiterte ein weiterer, von den meisten europäischen <strong>St</strong>aaten<br />

unterstützter Vorschlag am Widerstand der Entwicklungsländer und der USA. Auf<br />

Vorschlag von Japan und Korea wurde jedoch eine weitere Abstimmung für 2003<br />

angesetzt. Bis dahin sollten konkrete Schritte zur Beilegung der strittigen Punkte in<br />

einem verbindlichen Massnahmenplan festgehalten werden. Die Einbindung der<br />

Entwicklungsländer in die Ökobilanzforschungsgemeinschaft über subventionierte<br />

Beteiligungen an Projekten und Ausbildungsmassnahmen wie sie beispielsweise seit<br />

2002 durch die UNEP/SETAC Life Cycle Initiative vorangetrieben werden, dürften den<br />

Ausschlag dafür gegeben haben, dass die erneute Abstimmung schliesslich erfolgreich<br />

verlief. TR 14025:2000 soll bis 2006 zu einem International <strong>St</strong>andard ISO 14025 weiterentwickelt<br />

werden.<br />

Dabei ist bemerkenswert, dass mittlerweile ein Konsens darüber besteht, dass EDPs<br />

für die Kommunikation mit Endkunden nicht geeignet seien, sondern vielmehr im<br />

Business to Business Bereich einem wachsenden Bedürfnis entsprechen. Diese<br />

Entwicklung dürfte einerseits mit einer stärkeren Ausrichtung betrieblicher Umweltmanagementsysteme<br />

auf die gesamte Wertschöpfungskette zu tun haben, wie sie sich<br />

im Rahmen der Überarbeitung von ISO 14001 abzeichnet. Anderseits dürften die in<br />

verschiedenen <strong>St</strong>aaten forcierten Bestrebungen zur Umsetzung einer Integrated<br />

Product Policy IPP die Nachfrage nach systematisch erhobenen und umfassenden<br />

Umweltinformationen stetig erhöhen: Technische Spezifikationen von Produkten unter<br />

Einschluss ökologischer Kriterien, branchenorientierte Zielvorgaben für das<br />

Management von <strong>St</strong>offströmen, die Einführung des Prinzips Material-, resp. Produktverantwortung<br />

sowie der entsprechenden Haftungsregelungen, Umweltkennzeichnungspflichten<br />

und schliesslich die Berücksichtigung von Umweltaspekten in<br />

der Öffentlichen Beschaffung –sämtliche Elemente von IPP dürften den Bedarf der<br />

Industrie nach einer <strong>St</strong>andardisierung der Messung von Umweltbelastung und damit der<br />

Schaffung klarer Regeln für den Wettbewerb nachhaltig steigern.<br />

Die Mitglieder von GEDnet sind die wesentlichen Treiber dieser Entwicklung. Mit der in<br />

ihrem Rahmen koordinierten Harmonisierung von EPDs schaffen sie für die in ihren<br />

Programmen mitwirkenden Unternehmen die entsprechenden Voraussetzungen im<br />

internationalen Handel. Als assoziiertes Mitglied des ISO TC 207 SC3 sichert GEDnet<br />

die bisherigen Arbeiten ab und verstärkt den Einfluss der nationalen Delegierten ihrer<br />

Mitgliedstaaten. Gelingt es, ihre Vorleistungen in der zu schaffenden ISO 14025<br />

umfassend zur Geltung zu bringen, wird GEDnet zu einer zentralen Plattform der<br />

<strong>St</strong>andardisierung von EPD und damit zur <strong>St</strong>andardisierung von Produktökobilanzen.<br />

5.2.6 Fazit: Der Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen nimmt Form an<br />

Die Betrachtung der internationalen Normierung und ihrer Trägerorganisationen hat<br />

deutlich gemacht, dass Ökobilanzen zunehmend durch die gesellschaftlichen


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 167<br />

Anspruchsgruppen und insbesondere durch die Wirtschaft selbst einer<br />

<strong>St</strong>andardisierung zugeführt werden. Diese <strong>St</strong>andardisierung erfolgt einerseits im<br />

Rahmen der Normreihe ISO 14040ff im Sinne eines Konsens der generell abstrakten<br />

Vorgehensweise und Anforderungen, sozusagen als Kondensat der theoretischen Ökobilanzforschung.<br />

Eine produktspezifische, konkrete <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzierung<br />

erfolgt hingegen über den Zwischenschritt der Definition von<br />

Anforderungen und Prozeduren zur Gestaltung von Umweltkennzeichnungsprogrammen<br />

(ISO (TR) 14025) letztlich im Rahmen international koordinierter,<br />

nationaler EPD Programme. Diese Programme regeln branchenunabhängige Mindestanforderungen<br />

(Prozess, Daten, Indikatoren, etc.) und legen fest, in welchem Prozess<br />

die produktspezifischen Konventionen zur Erstellung vergleichbarer Ökobilanzen<br />

geschaffen werden sollen. Sie sichern Legitimation und Transparenz dieser Prozesse<br />

und validieren deren Resultate.<br />

Diese <strong>St</strong>andardisierung der produktspezifischen Umsetzung von Ökobilanzen baut auf<br />

den Ergebnissen der angewandten Ökobilanzforschung auf, indem generische Ökoinventare<br />

sowie Wirkungsmodelle, resp. entsprechende Charakterisierungsfaktoren<br />

ausgewählt und in die Spezifikationen aufgenommen werden. Dieser Einbezug erfolgt<br />

selektiv: aus dem gesamten Universum der verfügbaren Daten und Modelle werden<br />

zunächst im Rahmen der nationalen/internationalen guidelines diejenigen ausgewählt,<br />

die von den nationalen Programmen als konsensfähig, wissenschaftlich fundiert und<br />

gesamtgesellschaftlich relevant erachtet werden. Im Rahmen der Spezifikation<br />

einzelner Produktkategorien erfolgt dann nochmals eine Konkretisierung der zu<br />

verwendenden Daten, resp. der auszuweisenden Wirkungskategorien. Auf dieser <strong>St</strong>ufe<br />

erfolgt auch die zentrale Definition von Funktioneller Einheit und Allokation.<br />

Die von uns analysierten Beispiele von PSRs, resp. EPDs offenbaren, dass dieser<br />

Prozess sehr selektiv auf die Ergebnisse der angewandten Ökobilanzforschung abstellt:<br />

Das Auflösungsvermögen der Sachbilanz ist auf maximal 20 Input- und 20 Output-<br />

Indikatoren beschränkt; Emissionen toxischer <strong>St</strong>offe fehlen weitgehend. Von den<br />

zahlreichen Wirkungskategorien werden die –in der angewandten Ökobilanzforschung<br />

am wenigsten umstrittenen - auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungen einbezogen;<br />

Schadensindikatoren finden offenbar noch keine Akzeptanz.<br />

Die Träger dieser zunehmenden Konkretisierung und <strong>St</strong>andardisierung der Ökobilanzierung<br />

sind zunächst einmal privatwirtschaftliche Organisationen –Wirtschaftsverbände<br />

und multinationale Grossunternehmen - unter Einbezug der Ökobilanzforschungsgemeinschaft<br />

sowie verschiedener Anspruchsgruppen.<br />

Auf einzelstaatlicher Ebene zeigt sich, dass in den aktivsten Ländern die nationalen<br />

Ökobilanz-Zentren sowie die EPD Programme stark durch die Wirtschaftsministerien<br />

oder wiederum Industrieverbände unterstützt werden. Diese Konstellation ist in den<br />

asiatischen Ländern – Japan, Korea, Taiwan – aber auch in Schweden stark ausgeprägt.<br />

In Dänemark, Deutschland und den Niederlanden sind zudem die Umwelt-


168 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

behörden zusammen mit Wirtschaftsverbänden und Universitäten die Träger der<br />

Institutionalisierung. In der Schweiz wiederum besteht eine duale <strong>St</strong>ruktur, indem<br />

Forschung und Behörden eng zusammenarbeiten, jedoch weitgehend losgelöst von<br />

den im ISO-Normierungsprozess aktiven Akteuren der Wirtschaft.<br />

Der Normierungsprozess wird vor allem von Europa und Asien vorangetrieben, wobei<br />

die Niederlanden, Schweden, Deutschland sowie Japan als aktivste Akteure auftreten.<br />

Das japanische Ökobilanz-Netzwerk nimmt bezüglich seiner personellen und<br />

finanziellen Ausstattung, seiner hochgradigen Integration zwischen Forschung,<br />

Normierung und Praxis, seiner institutionellen Verflechtung und Autorität als auch<br />

bezüglich seiner internationalen Vernetzung eindeutig die Führungsrolle ein. Japan<br />

stellt mitunter die umfangreichsten Delegationen an den TC 207 SC5 und TC207 SC5<br />

Sitzungen, hat sowohl GALAC und GEDnet initiiert, die Gründung der UNEP/SETAC<br />

Life Cycle Initiative wesentlich finanziell unterstützt und betreibt zudem intensive<br />

Ausbildungsaktivitäten in anderen asiatischen Ländern. Kein anderes Land kann mehr<br />

Praxisbeispiele zur Anwendung von Ökobilanzmethoden vorweisen und auch bezüglich<br />

EPDs hat Japan die Führungsrolle übernommen.<br />

Abbildung 5.11: Produktökobilanzierung bei NEC<br />

Die Einführung von Produktökobilanzen bei NEC, einem der weltweit grössten Elektronikkonzerne -steht<br />

symbolisch für die rasche und breit abgestützte Umsetzung der Methodik in Japan. Unter Führung des<br />

Wirtschaftsministeriums hat ein nationales Netzwerk aus Bürokratie, Forschung und Wirtschaft innert<br />

kurzer Zeit die globale Führungsrolle bezüglich der praktischen Anwendung der Ökobilanzierung<br />

übernommen. 313<br />

Dieses Netzwerk wird zentral durch das Wirtschaftsministerium METI koordiniert und<br />

alimentiert. Sowohl JEMAI, die Japan LCA Society als auch das National LCA<br />

313<br />

Darstellung aus NEC: Environmental Report 2002, S. 25.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 169<br />

Research Center sind dem METI unterstellt. Die involvierten Personen wechseln zudem<br />

zwischen diesen Organisationen und stellen die Delegierten für die internationalen<br />

Gremien. Das Umweltministerium spielt in diesem Netzwerk eindeutig eine untergeordnete<br />

Rolle.<br />

Wir vertreten deshalb die These, dass Japan das erste Land ist, welches eine<br />

Industrie- und Wettbewerbstrategie auf der Basis der Ökobilanz-Methodik betreibt.<br />

Professor Ryoichi Yamamoto, Vorsitzender der parlamentarischen Kommission für<br />

Wirtschaft und Umwelt, hat uns diese These im Rahmen eines Interviews bestätigt.<br />

„Japan is fully committed to become an ecological super power. Concerning LCA<br />

Europe has already fallen behind us“. 314<br />

5.3 Diffusion von Daten und Modellen über Software<br />

Neben dem Entstehen einer anerkannten Forschungsgemeinschaft und der<br />

<strong>St</strong>andardisierung von Methodik und konkreter Anwendung trägt eine dritte Entwicklung<br />

wesentlich zur Institutionalisierung der Ökobilanzierung bei: der Markt für<br />

entsprechende Software.<br />

Wir haben in Abschnitt 4.4.4 diagnostiziert, dass die im Rahmen der angewandten<br />

Ökobilanzforschung produzierten Datenmengen im Verlaufe der 90er Jahre auf allen<br />

Ebenen –Sachbilanz, Wirkungsanalyse und Gewichtung -enorm zugenommen haben.<br />

Diese Daten werden periodisch überarbeitet, was nicht nur eine Aktualisierung<br />

bestehender Werte bedeutet, sondern noch immer mit substantiellen Veränderungen<br />

an den methodischen Operationen (Systemabgrenzung, Allokationen, etc.) sowie der<br />

<strong>St</strong>ruktur der verwendeten Sach-, Wirkungs- und Gewichtungsindikatoren einhergeht.<br />

Die stetige Veränderung der Datenformate auf allen Ebenen schafft erhebliche Schnittstellenprobleme,<br />

die nur in Koordination der Urheber oder durch zentrale <strong>St</strong>ellen, nicht<br />

jedoch durch die Anwendenden in der Praxis selbst gelöst werden können.<br />

Wir haben schliesslich festgestellt, dass Ökobilanzierung als Lernprozess ausgestaltet,<br />

ein iteratives Vorgehen und damit auch eine gewisse Flexibilität im Umgang mit Daten<br />

und Modellen erfordert.<br />

Für die Bewältigung dieser Rahmenbedingungen einer praktischen Anwendung der<br />

Methodik bietet sich der Einsatz von Datenbanken und Software an. Durch ihren<br />

Einsatz übernehmen die Anwendenden zahlreiche Konventionen der angewandten<br />

Ökobilanzforschung. Wir betrachten nachfolgend, warum der Einsatz von Software aus<br />

Sicht der Anwendenden attraktiv ist, inwieweit sich ein entsprechender Markt<br />

herausgebildet hat und wie Software zur <strong>St</strong>andardisierung und Zentralisierung der<br />

Methodik beiträgt.<br />

314<br />

Interview mit Prof. Dr. Ryoichi Yamamoto, Universität Tokyo, 27. Januar 2004.


170 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

5.3.1 Nutzenpotentiale einer softwaregestützten Ökobilanzierung<br />

Mit der Verfügbarkeit einfach zu bedienender Computersysteme auf Basis von MS<br />

DOS, MS Windows oder Apple Macintosh wurden Ende der 80er Jahre meistens<br />

Tabellenkalkulationsprogramme eingesetzt. Diese erlaubten eine übersichtliche<br />

Darstellung und Berechnung von einfachen Ökobilanzen. Über die sich etablierenden<br />

Dateiformate -beispielsweise ASCII-Text oder Excel –konnten Daten ausgetauscht<br />

werden.<br />

Abbildung 5.12: Tabellenkalkulation als Werkzeug zur Ökobilanzierung<br />

Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus einer Tabelle zur Berechnung einer Betriebsökobilanz nach der<br />

schweizerischen ÖBU-Methodik. 315 Solche Tabellen sind nur für einfache und statische Ökobilanz-<br />

Berechnungen ausreichend, da sie mit zunehmender Komplexität u.a. unübersichtlich und fehleranfällig<br />

werden.<br />

Ökobilanzen auf Basis von Tabellenkalkulationsprogrammen haben sich jedoch als<br />

überaus fehleranfällig erwiesen: nur offensichtliche Fehler aufgrund nicht-plausibel<br />

erscheinender Resultate werden in der Regel erkannt. Systematische Fehlerprüfungen<br />

finden in der Praxis kaum statt. Meistens sind die Berechnungen schlecht dokumentiert<br />

und nicht konsequent - in immer gleicher Weise - umgesetzt. Das führt zu Intransparenz<br />

315<br />

Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Ökobilanzierung und Öko-Controlling, Gastvorlesung, Wahlprogramm<br />

Umweltmanagement, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 20. November 2002, S. 34.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 171<br />

und einer hohen Personenabhängigkeit der entsprechenden Tabellen. Zudem sind<br />

diese Lösungen aufgrund ihrer statischen Natur für eine iterative, lernorientierte<br />

Anwendung der Methodik nur bedingt geeignet: Verändern sich die zu beantwortenden<br />

Fragen, müssen häufig neue Berechnungen abgebildet werden. Dies hat zur Folge,<br />

dass einmal programmierte <strong>St</strong>rukturen angesichts des Aufwands fundamentaler<br />

Eingriffe häufig einfach so belassen werden, wie sie sind. Mit anderen Worten:<br />

Tabellenkalkulationen behindern tendenziell den Lernprozess.<br />

Mit steigendem Datenaufkommen, ständigen Veränderungen in der Methodik sowie der<br />

zunehmenden Detaillierung der einzelnen Operationen nehmen Wartungsaufwand,<br />

Fehleranfälligkeit und der Anreiz sich auf das Bestehende zu beschränken, stetig zu.<br />

Einmal erstellte Tabellen werden deshalb häufig nicht angepasst und führen damit<br />

dazu, dass allenfalls auf der Basis veralteter Daten weiter gearbeitet wird oder dass das<br />

Instrument mit der Zeit gar aufgegeben wird. Die Kosten einer kontinuierlichen Pflege<br />

solcher Tabellen übersteigen nach wenigen Jahren die Kosten kommerzieller Lösungen<br />

– und dies bei geringer Investitionssicherheit infolge hoher Personenabhängigkeit. 316<br />

Die kommerziellen, spezifisch für die Erstellung und Verwaltung von Ökobilanzen<br />

entwickelten Softwarelösungen versprechen vor diesem Hintergrund einen hohen<br />

Nutzen: sie reduzieren den Aufwand der Datenerfassung und Modellierung, werden<br />

zentral auf Fehler geprüft, im Idealfall stetig erneuert und bieten eine spezifisch auf die<br />

Operationen der Ökobilanzierung ausgerichtete Funktionalität. Diese Funktionalität<br />

unterstützt die Modellierung der zu betrachtenden Systeme –häufig mittels grafischer<br />

Oberflächen, die Umrechnung verfügbarer Daten (beispielsweise von Konzentrationswerten<br />

aus Messprotokollen in Mengenflüsse oder in einheitliche Grössen) und erlaubt<br />

eine systematische und nachvollziehbare Dokumentation der verwendeten Ökoinventare<br />

sowie relevanter Zusatzinformationen (Datenqualität, Kommentare zu<br />

einzelnen erfassten Werten, etc.). Die meisten Programme bieten diverse Methoden zu<br />

Auswertung, die einfach auf Knopfdruck ausgetauscht werden können (beispielsweise<br />

verschiedene Gewichtungsmethoden) und fördern damit eine iterative, von einer<br />

spezifischen Methodik unabhängige Identifikation der gewichtigsten Umweltbelastungen,<br />

resp. deuten auf Widersprüche hin. Solche Funktionen lenken die<br />

Aufmerksamkeit auf das Wesentliche und unterstützen ein gezieltes Navigieren durch<br />

Resultate und Datengrundlagen. Damit kann der Lernprozess der Anwendenden<br />

gefördert und auf wesentliche Aspekte konzentriert werden. Diverse Auswertungsmöglichkeiten<br />

sowie vorgefertigte Berichtsvorlagen mit Tabellen und/oder Diagrammen<br />

erleichtern zudem die Aufbereitung der Resultate sowie deren Export in<br />

Textverarbeitungs- oder Präsentationssoftware.<br />

316<br />

<strong>Siegenthaler</strong>, C., Linder, S., Pagliari, F.: LCA Software Guide 1997. Schriftenreihe der ÖBU, Adliswil,<br />

1997, S. 4.


172 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 5.13: Nutzenpotentiale von <strong>St</strong>andardsoftware zur Ökobilanzierung<br />

Durch den Einsatz kommerzieller <strong>St</strong>andard-Software können die verschiedenen Kostenfaktoren der<br />

Erstellung und Pflege von Ökobilanzdatenbeständen erheblich gesenkt werden. Dabei sind insbesondere<br />

die qualitätssichernden sowie die lernbezogenen Potentiale von Bedeutung. Software kann Methoden<br />

interaktiv vermitteln und die Anwendenden kontinuierlich über den aktuellen <strong>St</strong>and der Forschung<br />

orientieren. 317<br />

Kommerzielle Ökobilanz-Software erlaubt erfahrungsgemäss eine rasche Einarbeitung,<br />

da die Hersteller die entsprechende Ausbildung anbieten, resp. über Lehrmittel und<br />

Schritt-für-Schritt-Beispiele verfügbar machen. Sie bindet darüber hinaus die Nutzenden<br />

in ein Netzwerk von Spezialisten ein: Neben reiner technischer Unterstützung stellen<br />

die Anbieter häufig Beratungsleistungen bezüglich Datenerhebung, Modellierung und<br />

Interpretation der Ergebnisse zur Verfügung.<br />

Die Softwareanbieter selbst müssen stetig mit der Entwicklung der Methodik Schritt<br />

halten, ihre Datenformate anpassen und die Datenbestände aktuell halten. Dazu stehen<br />

sie meistens in engem Kontakt zu den Forschenden. Sie bilden eine wichtige Schnittstelle<br />

zwischen angewandter Ökobilanzforschung und der praktischen Ökobilanzierung.<br />

Im Rhythmus der Aktualisierung der Programme werden die Anwendenden stetig über<br />

Neuerungen bezüglich Datenverfügbarkeit und Methodik orientiert. Die<br />

Nutzenpotentiale des Einsatzes kommerzieller Software sind also aus Sicht der<br />

Anwendenden vielfältig und erheblich.<br />

5.3.2 Entstehung eines Marktes für Ökobilanz-Programme<br />

Solange die verfügbaren Daten und die verwendeten Indikatorenlisten noch überschaubar<br />

und mittels Taschenrechner, resp. Tabellenkalkulation zu bewältigen waren,<br />

blieb der Einsatz spezifisch zur Ökobilanzierung entwickelter Informatiklösungen auf<br />

317<br />

Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong>, 2002, S. 32.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 173<br />

grosse Forschungsprojekte zur Erhebung von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren beschränkt. Im<br />

Rahmen dieser Projekte wurden jeweils hauseigene Datenbanken programmiert, um<br />

die grossen Datenmengen zu erfassen, aber auch um die Berechnungen von<br />

Allokationen und Rekursionen (Recycling-Schlaufen) zu automatisieren. Die Ergebnisse<br />

wurden zunächst nur in Buchform publiziert, aus denen die Anwendenden die<br />

relevanten Daten ablesen und in ihre Berechnungen übernehmen konnten. Die<br />

Mehrheit dieser Werkzeuge wurde später direkt durch die Forschungsinstitute oder im<br />

Rahmen von spin-off Unternehmen als kommerzielle Produkte auf dem Markt<br />

angeboten. Den Markt eröffnet haben hingegen kleine, auf Ökobilanzen spezialisierte<br />

Beratungsunternehmen, resp. private Forschungsinstitute. Auch sie haben zumeist<br />

infolge des internene Bedarfs entsprechende Entwickungen vorangetrieben und ihre<br />

hauseigenen Lösungen später zu <strong>St</strong>andard-Software weiterentwickelt. Traditionelle<br />

Softwareunternehmen haben bislang nur vereinzelt (Siemens Nixdorf, DEBIS) versucht<br />

in diesen Markt einzusteigen und haben dazu Programme von Forschungsinstituten<br />

übernommen. Sie sind aber angesichts der geringen Volumina rasch wieder ausgeschieden.<br />

Der Markt wird nach wie vor durch kleine spezialisierte Beratungs- und Forschungsinstitutionen<br />

bedient. Seine Entwicklung ist gut dokumentiert: Zahlreiche <strong>St</strong>udien<br />

versuchten das gegen Mitte der 90er Jahre rasch zunehmende Angebot und die Vielfalt<br />

an Produkten in Übersichten zusammenzufassen, um so den potentiellen<br />

Anwendenden eine Hilfesstellung für die Auswahl geeigneter Werkzeug zu bieten. 318<br />

Vorläufer-Programme stellen GEMIS (1989, heute betreut durch das Ökoinstitut<br />

Freiburg) sowie The Boustead Model (1990, Boustead Consulting) dar: diese<br />

Programme sind ursprünglich für Energy Analysis also die Ermittlung des kumulierten<br />

Energieaufwandes entwickelt worden, resp. beschränkten ihre Datenbanken auf den<br />

Indikator Energie. In späteren Versionen gingen die Autoren dann dazu über, auch<br />

Input- und Output-Indikatoren aufzunehmen und nahmen Charakterisierungsfaktoren<br />

für die Analyse von Wirkungskategorien auf. Die erste Produkt-Ökobilanz-Software im<br />

eigentlichen Sinne erschien 1990 mit SimaPro von Pré Consultants. Diese Software ist<br />

heute weltweit das wohl bekannteste Werkzeug und mit über 800 Lizenzen führt es die<br />

Rangliste der kommerziell abgesetzten Lizenzen an.<br />

318<br />

Hemming, C.: Directory of Life Cycle Inventory Data Sources, SPOLD, 1995, <strong>Siegenthaler</strong>, C.,<br />

Noppeney, C., Pagliari, F.: Ökobilanz-Software 1995 – Eine Übersicht der derzeit erhältlichen<br />

Programme zur Erstellung von Betriebs- und Produktökobilanzen, ÖBU, Adliswil, 1995, Rice, G,: A<br />

review of commercial LCA Software, with specific emphasis on European industrial application,<br />

Universits of Surrey, 1996, Menke, D., et.al.: Evaluation of Life Cycle Assessment Tools, Environment<br />

Canada, Ottawa, 1996, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997, Gruppe angepasste Technologien Grat:<br />

Ecodesign/Cleaner Production, Software-Recherche und Leistungstest, Schriftenreihe des<br />

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie BMUJF, Nr. 15/1998, Wien, 1998, Jönbrink, A.K.,<br />

Wolf-Wats, M. Erixon, P. Olsson, Wallén, N.: LCA Software Survey, Industrial Research Institute in<br />

Sweden, IVF Research Publication 824, 2000.


174 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Chronologie des Markteintritts von Ökobilanzsoftware<br />

(total 51 Programme)<br />

9<br />

8<br />

8 8<br />

Anzahl neu erschienene Programme<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

3<br />

4<br />

2<br />

4<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2 2<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

0<br />

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />

Abbildung 5.14: Entstehung des Marktes für Ökobilanz-Software<br />

Die Darstellung zeigt, die Anzahl der jährlich neu auf den Markt kommenden Programme zur Erstellung<br />

von Produkt- und Betriebsökobilanzen. 319 Die <strong>St</strong>atistik erfasst nur Programme, zu denen entsprechende<br />

Informationen zum Erscheinungsjahr öffentlich zugänglich sind, resp. die von den einschlägigen Marktstudien<br />

entsprechend erfasst wurden. Entsprechend dürften die Zahlen für 2000 –2002 eher zu gering<br />

ausgefallen sein, da allenfalls weitere lancierte Werkzeuge noch nicht erfasst wurden.<br />

Die meisten Programme der ersten Generation waren auf Ökobilanzen von<br />

Verpackungen ausgerichtet, so auch der Pionier in der Schweiz: Oekobase der<br />

MIGROS war für interne Zwecke und im Zusammenhang mit den bekannten<br />

BUWAL/EMPA-Daten für Verpackungen (BUS 24, 1984; BUWAL 132, 1990) entwickelt<br />

und später auch erfolgreich Dritten angeboten worden. Nach anfänglich beachtlichem<br />

Absatz (rund 100 Lizenzen) wurde die Entwicklung Ende der 90er eingestellt. Ab Mitte<br />

der 90er Jahre wurden die spezifisch mit bestimmten Datenbanken und Methoden<br />

verbundenen, statischen Programme zunehmend durch universell einsetzbare, flexibel<br />

erweiterbare und an der generischen Methodik von ISO 14040 orientierte Software<br />

abgelöst.<br />

Ein Vorläufer der unternehmungsbezogenen Werkzeuge erschien 1990 mit PIUSoecos,<br />

das eine Erfassung von Inputs und Outputs erlaubte, jedoch keine Wirkungsanalyse<br />

oder Gewichtung vorsah und auch keine Lebenszyklusdaten (Inventare) enthielt. Das<br />

weltweit erste Werkzeug mit entsprechender Funktionalität wurde im Umfeld einer<br />

Arbeitsgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Ökologisch bewusste Unternehmungsführung<br />

ÖBU durch <strong>St</strong>udierende der Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> entwickelt und<br />

319<br />

Eigene Darstellung anhand der Angaben aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997, S. 8sowie aktualisiert anhand<br />

der Daten aus Jönbrink et.al., 2000 sowie aus <strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, C.: LCA<br />

Software Guide 2005, ÖBU, Zürich, 2005.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 175<br />

1994 als REGIS für Windows auf den Markt gebracht. 320 Esfindet heute als einzige<br />

Schweizer Ökobilanz-Software international Anwendung.<br />

Herkunft der Programme<br />

(total 52 Programme)<br />

Finnland<br />

1<br />

1<br />

Österreich<br />

2<br />

3<br />

Frankreich<br />

1<br />

3<br />

United Kingdom<br />

2<br />

4<br />

USA<br />

3<br />

5<br />

Schweden<br />

1<br />

5<br />

Niederlanden<br />

3<br />

5<br />

Japan<br />

2<br />

6<br />

Schweiz<br />

7<br />

7<br />

Deutschland<br />

0 2 4 6 8 10 12<br />

9<br />

13<br />

2004 1997<br />

Abbildung 5.15: Herkunft von Ökobilanz-Software<br />

Die Darstellung zeigt die Herkunft von 52, im Verlaufe der 90er Jahre kommerziell angebotenen<br />

Programmen. Der Vergleich mit den Ergebnissen des LCA Software Guide 1997 offenbart, aus welchen<br />

Ländern seither neue Anbieter in den Markt eingetreten sind. 321<br />

Eine Aufschlüsselung der lancierten Programme nach Ursprungsland ist für unsere<br />

<strong>St</strong>andortbestimmung ebenfalls aufschlussreich: Sie kann zeigen, wo ein hohes Niveau<br />

an Aktivitäten bestand, sodass einerseits zahlreiche Projekte zur Entwicklung von<br />

Software führten, resp. wo die Entwickler zur Überzeugung gelangten, dass ein Markt<br />

für ihre Programme und somit ein Bedürfnis nach Ökobilanzen bestand: hier wird<br />

deutlich, dass insbesondere in der Pionierphase bis Mitte der 90er Jahre Deutschland<br />

und die Schweiz führend waren. Allerdings zeigt sich auch, dass seit 1997 andere<br />

Länder deutlich zugelegt haben, während in der Schweiz keine neuen Programme mehr<br />

auf den Markt gebracht wurden. Neben Deutschland verzeichnen in den letzten Jahren<br />

320<br />

Kytzia, S., <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Die schweizerische Methodik „Ökobilanzen für Unternehmungen“ und ihre<br />

Anwendung mit REGIS für Windows, in: Informatik für den Umweltschutz, Metropolis Verlag, 1994, S.<br />

89 – 100.<br />

321<br />

Eigene Darstellung anhand der Angaben in Jönbrink et.al., 2000, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005 ergänzt<br />

durch eigene Recherchen.


176 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Japan und Schweden die meisten Neuentwicklungen. Allerdings ist für Software-Märkte<br />

typisch, dass sich mittel- bis langfristig nur wenige Produkte gleichwertiger<br />

Funktionalität -das heisst im selben Segment -durchsetzen können. Dies ist bei Ökobilanz-Software<br />

nicht anders: zwar sind einige der Pioniere weiterhin präsent, eine<br />

grosse Anzahl Werkzeuge wurde aber bereits wieder aufgegeben.<br />

Der Markt zeigt eine duale <strong>St</strong>ruktur, indem einige Anbieter regional oder sektoriell über<br />

eine starke Position verfügen, die es ihnen erlaubt, die ständige Aktualisierung von<br />

Daten und Programm zu gewährleisten. Anderseits gibt es einen globalen Markt für<br />

universell einsetzbare Programme, auf dem sich nur wenige kommerzielle Anbieter<br />

durchsetzen können: SimaPro (NL), Umberto (D), LCAit (S), GaBi (D) und TEAM (F).<br />

Die meisten Programme sind in englischer Sprache erhältlich; einige wenige sind in<br />

diversen Sprachen, wobei neben Englisch vor allem Japanisch, Schwedisch und<br />

Deutsch dominieren. Es gibt vereinzelt auch spanische, italienische, niederländische<br />

und dänische Versionen, resp. Programme.<br />

Während das Angebot an Software gut dokumentiert ist, liegen bislang keine Angaben<br />

zur Nachfrageseite vor. Es ist also unbekannt, durch wen und wo die Programme<br />

beschafft werden. Neben Unternehmen dürften zahlreiche Universitäten und<br />

Forschungseinrichtungen zu den Anwendenden gehören.<br />

Hingegen sind einige Anhaltspunkte über den gesamthaften Absatz verfügbar. Zwar<br />

machen nicht alle Anbieter entsprechende Angaben, aber immerhin zeigt eine<br />

Zusammenstellung der verfügbaren Absatzzahlen aus vier verschiedenen <strong>St</strong>udien, dass<br />

die Gesamtzahl der im Markt befindlichen Lizenzen weiterhin deutlich zunimmt. Dabei<br />

gilt es zu berücksichtigen, dass die Zahlen für das jeweilige Jahr den Angaben der<br />

Anbieter zu ihren abgesetzten Lizenzen entspricht; einige Anbieter schliessen hierin<br />

jedoch die Lizenzen veralteteter Versionen nicht mehr ein. Der tatsächliche kumulierte<br />

Absatz dürfte also höher liegen. Die Abschätzung der aktuellen Lizenzbestände ist<br />

dennoch geeignet, nachzuweisen, dass die Verbreitung von Ökobilanzen weiterhin<br />

stetig zunimmt.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 177<br />

Abbildung 5.16: Entwicklung der Anzahl Lizenzen kostenpflichtiger Programme<br />

Die verfügbaren Angaben aus verschiedenen <strong>St</strong>udien zeigen ein stetiges Wachstum des Bestandes an<br />

abgesetzten Lizenzen kostenpflichtiger Programme. Zu beachten ist, dass einige Hersteller keine<br />

Angaben veröffentlichen –insbesondere betrifft dies Anbieter japanischer Programme –Hitachi, NEC,<br />

Toshiba. Auch sind keine Zahlen zu den durch staatliche Institutionen vertriebenen Programmen in<br />

Taiwan und Korea erhältlich. Nicht aufgenommen wurden hingegen die im Umlauf befindlichen Lizenzen<br />

kostenlos erhältlicher Software, da uns keine Angaben zu früheren Jahren vorliegen und unklar ist, ob die<br />

Programme in Gebrauch sind. Je nach Programm sind die entsprechenden Volumen gemäss Herstellerangaben<br />

dennoch beachtlich: beispielsweise GEMIS 1'000, TRACI 7'000, EIO-LCA 150'000. Als Hinweis<br />

auf die Verbreitung der Ökobilanzierung erachten wir jedoch die Anzahl kostenpflichtiger Lizenzen als<br />

verlässlicheren Indikator. Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis in der Höhe von rund 5'000 CHF ist<br />

davon auszugehen, dass sie nur beschafft werden, wenn konkrete Projekte ausgeführt werden. 322<br />

5.3.3 Funktionalität, Datenformate und <strong>St</strong>andard-Methoden<br />

Die angebotenen Programme prägen die Anwendung von Ökobilanzen durch die<br />

Ausgestaltung ihrer Funktionalität, der Datenformate sowie mittels bereits enthaltener<br />

Daten zur Sachbilanzierung, Wirkungsanalyse und Gewichtung.<br />

Grundsätzlich ist auf dem Markt ein breites Spektrum an methodischer Funktionalität<br />

anzutreffen: Einfache Programme, die Anwendenden nur ein Minimum an<br />

Dateneingabe erlauben und ihnen alle methodischen Entscheidungen –insbesondere<br />

zu Allokation, Systemabgrenzung, Wirkungsanalyse, Gewichtung, etc. abnehmen. Man<br />

wählt in einem solchen Falle die verwendeten Materialen und Prozesse aus einer<br />

Datenbank, gibt dazu jeweils noch die entsprechende Menge an und erhält dann das<br />

Resultat – beispielsweise in Eco-indicator-Punkten.<br />

322<br />

Eigene Darstellung anhand der Angaben in <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1995, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 1997,<br />

Jönbrink et.al., 2000, <strong>Siegenthaler</strong>, C., Braunschweig, A., Oetterli, G. : The LCA Software Guide 2004 –<br />

Poster Presentation, 6 th Int. Conference on EcoBalance, Tsukuba, 2004, <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005.


178 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 5.17: Einfache grafische Modellierung mit Ecoscan<br />

Die Darstellung zeigt eine grafische Oberfläche zur Modellierung eines Produktes. Nach Erfassung der<br />

Materialien aller relevanten Bestandteile sowie der Auswahl der entsprechenden Entsorgungswege wird<br />

das Ergebnisse direkt in Eco-indicator-Punkten ausgegeben. Eine Sachbilanz wird nicht berechnet. 323<br />

Solche Programme waren insbesondere in der Pionierphase des Marktes und speziell<br />

für Verpackungsökobilanzen weit verbreitet. Ein heute noch relativ verbreitetes Beispiel<br />

ist das niederländische Ecoscan von TNO, welches auf Produktentwickler abzielt. Mit<br />

einem solchen Programm dauern Einarbeitung und Erstellung einer Ökobilanz nur<br />

wenige <strong>St</strong>unden. Allerdings ist der Aussagewert der Resultate auch sehr eingeschränkt,<br />

da nicht ersichtlich ist, welche <strong>St</strong>offflüsse zu den gewichteten Resultaten führen und<br />

weder Sensitivitätsanalysen noch Methodenvergleiche zur kritischen Prüfung der<br />

Validität des Resultats angestellt werden können. Diese Programme bieten Laien den<br />

Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen sozusagen per Knopfdruck.<br />

Am anderen Ende des Spektrums stehen Programme, die eine weitgehend<br />

parametrisierbare Ökobilanzierung unterstützen. Das heisst das Systemgrenzen variiert,<br />

Allokationen selbst gesetzt und durchgängig mathematisch formulierte Modellierungen<br />

des zu untersuchenden Systems inklusive Rekursionen und nicht-linearer Algebra<br />

323<br />

Screenshot aus EcoScan 3.0.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 179<br />

(Schwellenwerte, if-then-Funktionen, etc.) vorgenommen werden können. schliesslich<br />

können eigene Charaktierisierungs- oder Gewichtungsfaktoren hinterlegt werden und<br />

die Software erlaubt das Durchspielen von Szenarien, Sensitivitäts- und<br />

Unsicherheitsanalysen, etc. Die Ausgabe der Daten kann über standardisierte<br />

Schnittstellen oder über konfigurierbare Berichtseditoren erfolgen und zudem ist eine<br />

eigenständige Programmierung durch die Anwendenden möglich -zur Einbindung in<br />

eine bestehende Informatikstruktur oder zur selbständigen Erweiterung der<br />

Funktionalität. Ein Program dieser Kategorie stellt beispielsweise Umberto von ifu und<br />

ifeu aus Deutschland dar. Entsprechend komplex ist seine Bedienung und<br />

entsprechend aufwendig die Einarbeitung, resp. Modellierung.<br />

Abbildung 5.18: Mathematische Modellierung und Visualisierung von <strong>St</strong>offflüssen<br />

Beispiel einer weitgehend parametrisierbaren Modellierung von <strong>St</strong>offflüssen, indem für jeden Prozess alle<br />

Inputs und Outputs individuell und mittels diverser, auch nicht-linearer Funktionen verknüpft werden<br />

können. Die Prozesse können beliebig zu Systemgrenzen zusammengefasst und summiert werden. Die<br />

<strong>St</strong>offflüsse werden in diesem Beispiel mittels Sankey-Diagramm visualisiert. 324<br />

Zwischen diesen Extremvarianten liegen die meisten Programme -tendenziel eher in<br />

Richtung Einfachheit. Die meisten erlauben mittlerweile die selbständige Erweiterung<br />

der Datenbankinhalte – sprich das Einpflegen oder Verändern von Inventaren,<br />

Indikatorstrukturen, Charakterisierungs- oder Gewichtungsfaktoren sowie eine grafische<br />

Modellierung der Prozesse, resp. Materialien. In der Regel werden die<br />

Datenbankinhalte aber einfach linear skaliert, dass heisst alle Berechnungen skalieren<br />

den Durchschnitt aus der Datenbank – damit werden lineare Emissionsfunktionen<br />

unterstellt. Auch die in den Programmen häufig enthaltenen Charakterisierungs- und<br />

324<br />

Screenshot aus Umberto 1.4.


180 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Gewichtungsfaktoren werden linear skaliert, da bislang keines der Programme die<br />

Wirkungsmodellierung einschliesst, sondern aus der angewandten Ökobilanzforschung<br />

nur die Ergebnisse in Form von statischen Faktoren übernommen werden.<br />

Neben der Funktionalität bestimmen die enthaltenen Daten wesentlich das Resultat der<br />

Ergebnisse: Werden vorwiegend <strong>St</strong>andard-Ökoinventare verwendet, so werden in der<br />

Regel die dort zugrundeliegenden zeitlichen wie geografischen Systemabgrenzungen,<br />

Allokationen und insbesondere <strong>St</strong>offindikatoren übernommen. Die meisten Programme<br />

bieten heute umfangreiche Datenbanken mit Inventaren zu hunderten bis mehreren<br />

tausend Materialien, Produkten und Prozessen an. Dabei dominieren die Resultate<br />

bekannter Forschungsprojekte wie etwa die BUWAL, resp. Ecoinvent-<strong>St</strong>udien. Häufig<br />

fügen die Softwareanbieter aber auch eigene Daten aus ihren Projekten bei.<br />

Abbildung 5.19: Umfang mitgelieferter <strong>St</strong>andard-Inventar-Datenbanken.<br />

Von den im LCA Software Guide 2005 erfassten 27 Programmen werden 23 mit Datenbeständen zu Ökoinventaren<br />

ausgeliefert. Als Datenquelle nehmen davon 12 Bezug auf die BUWAL-, resp. 10 auf die erst<br />

vor kurzem erschienene Ecoinvent 2000 <strong>St</strong>udie. Damit kommen Ökoinventaren aus der Schweiz im<br />

internationalen Markt für Ökobilanz-Software eine starke <strong>St</strong>ellung zu. Bei den 1997 vom LCA Software<br />

Guide erfassten Programmen wurden noch 38% ohne Daten und nur rund 20% der Programme mit<br />

Beständen in der Grössenordnung von 1'000 Datensätzen angeboten. 325<br />

Ebenfalls prägend und eng mit den implementierten <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren verknüpft<br />

ist die Frage des Auflösungsvermögens der Sachbilanz. Welche und wie viele Input-,<br />

resp. Output-Indikatoren in die Ökobilanzierung einfliessen, ob konsistent mit Summenparametern<br />

umgegangen wird, etc. wird meistens durch das Datenformat dieser Datenbanken<br />

bestimmt. Einen Hinweis auf den diesbezüglichen <strong>St</strong>andardisierungsgrad<br />

325<br />

Eigene Darstellung anhand der Angaben in <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2005.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 181<br />

geben einerseits die enthaltenen <strong>St</strong>andard-Ökoinventare sowie die implementierten<br />

Import- und Export-Schnittstellen der Programme.<br />

Werden hingegen keine oder nur eigene Daten des Herstellers und lediglich Excel oder<br />

ASCII-Text Ausgabe oder Import angeboten, sind die Daten in einer proprietären<br />

<strong>St</strong>ruktur organisiert. Ein Austausch mit anderen Programmen ist dann aufwendig, denn<br />

jeder Indikator muss bezüglich Kompatibilität von Hand geprüft werden. Die<br />

Kompatibilität mit allenfalls anzuwendenden Wirkungsindikatoren oder Gewichtungsmethoden<br />

ist dann meistens nicht gewährleistet.<br />

Die Verbreitung von <strong>St</strong>andard-Ökobilanz-Datenformaten ist ein guter Indikator für den<br />

Institutionalisierungsgrad der Branche: waren 1997 noch keine Ökobilanz-<strong>St</strong>andard-<br />

Schnittstellen vorhanden weisen eine wachsende Zahl der Programme zumindest für<br />

den Datenimport solche Formate wie SPOLD, SPINE oder ECOSPOLD aus.<br />

Wie bereits angesprochen, geht das SPOLD-Format auf die Society for the Promotion<br />

of Life Cycle Assessment zurück. Diese hat ab 1995 das SPOLD-Format entwickelt 326<br />

und dazu mehrere Aktualisierungen veröffentlicht 327 bis 2001 die Aktivitäten eingestellt<br />

wurden. Bis dahin hatten sich einige wenige Hersteller zwar auf das Format bezogen,<br />

das heisst ihre Datenbankstrukturen ähnlich, aber nicht wirklich kompatibel<br />

ausgestaltet. 328 Auf der Basis von SPOLD baut das ECOSPOLD-Format des Swiss<br />

Centre for Life Cycle Inventories auf. Das Format wurde im Rahmen der Aktualisierung<br />

und Harmonisierung der Ökoinventare verschiedener ETH-Institutionen entwickelt und<br />

dient dem Vertrieb der Ecoinvent 2000 Datenbank. 329 Anbieter die das Format<br />

implementieren erhalten erhebliche finanzielle Anreize, sprich Rabatte auf den<br />

Ecoinvent 2000-Lizenzen. Innert kurzer Zeit hat ECOSPOLD Eingang in diverse und<br />

insbesondere die marktbeherrschenden Programme gefunden.<br />

Ein anderer Ansatz liegt dem SPINE-Format zugrunde, welches seit 1995 durch das<br />

Swedish Product Information Network for the Environment – einem Verbund des<br />

Swedish Environmental Research Institute und Chalmers University of Technology<br />

entwickelt wird. 330 Während SPOLD ein deskriptives Verfahren im Sinne eines Konsens<br />

zwischen verschiedenen proprietären Formaten darstellt und deshalb nicht<br />

informationstechnisch konsistent ist, wurde SPINE unabhängig davon als relationale<br />

Datenbankstruktur mit rigiden Vorgaben so gestaltet, dass die Konsistenz der<br />

Modellierung im Vordergrund steht. Die neuste Version SIRII SPINE 331 dient<br />

insbesondere dem Datenaustausch zwischen verschiedenen schwedischen<br />

326<br />

Siehe Singhofen, A., Introduction into aCommon Format for Life-Cycle Inventory Data, <strong>St</strong>atus Report,<br />

SPOLD, Brussels, 1996.<br />

327<br />

Siehe Weidema, 1999.<br />

328<br />

Siehe Guinée, 2002, S. 487-490.<br />

329<br />

Frischknecht, R.: Ecoinvent 2000 – Datenaustauschformat, Spezifikation, Version 2.2., 2000. S. 1.<br />

330<br />

<strong>St</strong>een, B., et.al.: SPINE –ARelational Database <strong>St</strong>ructure for Life Cycle Assessments, Chalmers<br />

Industrieteknik, Swedish Environmental Research Insitute, Gothenburg, 1995.<br />

331<br />

Erlandsson, A., Carlsson, A.S.: SIRII SPINE –Documented and Quality Reviewed Environmental Data,<br />

IVL Rapport B 1455-E, <strong>St</strong>ockholm, 2002.


182 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Forschungsinstituten und erlaubt Dritten das Einpflegen von Inventar-Daten in eine<br />

zentrale Datenbank.<br />

Abbildung 5.20: Inkompatibilität von Ökoinventar-Datenformaten<br />

Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus den beiden derzeit bedeutendsten <strong>St</strong>andard-Datenformaten<br />

SIRII SPINE und ECOSPOLD. Zwar bilden beide Formate weitgehend dieselben Inhalte ab. Die <strong>St</strong>ruktur<br />

ist dennoch so unterschiedlich, dass Daten nicht ohne wesentliche Informations-, resp. Qualitätsverluste<br />

ausgetauscht werden könnten. Dies obwohl sich beide <strong>St</strong>andards an ISO TS 14048 orientieren. 332<br />

Neben diesen -bereits in Software implementierten -Datenformaten läuft derzeit ein<br />

europäisches Verbundprojekt unter dem Titel CASCADE – Co-Operation and<br />

<strong>St</strong>andards for Life Cycle Assessment Data in Europe. Das Projekt zielt darauf ab,<br />

Ökobilanzdaten so zu standardisieren, dass sie im Rahmen gängiger industrielller<br />

Informationssysteme (beispielsweise für Computer Aided Design CAD oder Product<br />

Data Management PDM) einfacher integriert werden können. An dem Projekt sind auch<br />

drei der führenden Softwareanbieter beteiligt. 333<br />

Diese verschiedenen Initiativen zur <strong>St</strong>andardisierung der Dokumentation und des<br />

Austausches von Ökobilanz-Daten machen die zunehmende Institutionalisierung der<br />

Sachbilanz-Modellierung deutlich. Mit der - auf Vorschlag Schwedens 1995 -<br />

begonnenen Harmonisierung von Formaten im Rahmen der ISO ist mit der Verab-<br />

332<br />

Darstellung aus Hischier, R., Kumlin, A.S.: How Compatible are the Swiss ECOSPOLD and the<br />

Swedish SIRII SPINE Formats for Data Documentation and Exchange, Präsentation, International<br />

Workshop on Quality of LCI Data, Forschungszentrum Karlsruhe, 21.Oktober 2003, S. 14.<br />

333<br />

Carlson, R., et.al.: CASCADE – <strong>St</strong>andards for Modelling LCA Data, Präsentation, International<br />

Workshop on Quality of LCI Data, Forschungszentrum Karlsruhe, 21.Oktober 2003, S.4.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 183<br />

schiedung des bereits erwähnten ISO TS 14048 im Jahre 2002 ein erster Meilenstein<br />

erreicht worden. 334 Eine Software –WWW.LCA.Workshop aus Schweden –setzt diese<br />

Spezifikation nach eigenen Angaben bereits um. Angesichts der geplanten Weiterentwicklung<br />

zu einem ISO International <strong>St</strong>andard ist hier mit einer baldigen<br />

Harmonisierung zumindest unter den führenden europäischen Datenlieferanten –sprich<br />

nationalen Ökobilanz-Zentren – sowie den wichtigsten internationalen Software-<br />

Anbietern zu rechnen. Theoretisch wären damit die Voraussetzung zur Zertifizierung<br />

von Datenbankstrukturen und damit auch Programmen gegeben.<br />

Abbildung 5.21: Zunehmende <strong>St</strong>andardisierung der Datenformate<br />

Für die Ausgestaltung des Auflösungsvermögens von Sachbilanz sowie deren konsistente Abbildung sind<br />

Datenformate von zentraler Bedeutung. Sie ermöglichen zudem den problemlosen Austausch von Daten<br />

zwischen den verschiedenen Programmen. Die Hersteller beginnen seit wenigen Jahren die Spezifikationen<br />

von SPOLD, SPINE und neustens ECOSPOLD zu übernehmen. 335<br />

Somit ist absehbar, dass innerhalb der nächsten 5Jahre mit vorliegen je eines ISO<br />

International <strong>St</strong>andard für die Daten als auch für die EPDs eine weitgehende<br />

<strong>St</strong>andardisierung sowohl der Anwendung als auch der Datenformate von Ökobilanzen<br />

Realität wird.<br />

Weit weniger Querbezüge zwischen der internationalen Normierung und der<br />

Institutionalisierung der Methodik durch Software bestehen bezüglich der Anwendung<br />

von <strong>St</strong>andard-Methoden zur Wirkungsanalyse und Gewichtung. Wie wir anhand der<br />

334<br />

Siehe Carlson, R, Palsson, A.C.: First examples of practical application of ISO TS 14048 Data<br />

documentation format, Chalmers University of Technology, Göteburg, 2001.<br />

335<br />

Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2004.


184 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Entwicklungen zur <strong>St</strong>andardisierung von EPDs festgestellt haben, fordern die<br />

bisherigen nationalen Gremien nur einzelne der wissenschaftlich thematisierten und in<br />

Form von <strong>St</strong>andard-Charakterisierungsfaktoren zur Verfügung stehenden knapp 20<br />

Wirkungskategorien (insbesondere: Treibhauspotential, Ozonabbaupotential,<br />

Versauerungspotential und vereinzelt Überdüngungspotential oder<br />

Photooxidationspotential).<br />

Abbildung 5.22: Methoden zur Wirkungsanalyse & Gewichtung in Software<br />

Die Darstellung zeig auf, in wie vielen Programmen Charakterisierungs-, resp. Gewichtungsfaktoren<br />

enthalten sind. Dabei ist zu beachten, dass 1997/1995 ausschliesslich CML Wirkungskategorien abgefragt<br />

wurden. In der Umfrage 2004 geben die Hersteller verschiedene Datenquellen an. Während 3Programme<br />

von 27 über keine Daten zur Wirkungsanalyse verfügen, implementierten 5lediglich vereinzelte Wirkungskategorien<br />

(1-3), 8die gebräuchlichsten (4-9) und 11 Programme 10 oder mehr Wirkungskategorien. Von<br />

den Gewichtungsmethoden sind Eco-indicator sowie die Ökologische Knappheit traditionell und nach wie<br />

vor weit verbreitet. In jüngster Zeit fand auch das schwedische EPS System zunehmend Eingang in die<br />

Datenbanken der Software-Hersteller. 336<br />

Bezüglich Gewichtung gilt gar, dass ISO 14040 eine Publikation der Ergebnisse -<br />

beispielsweise im Rahmen von EPDs kategorisch ausschliesst. Hier erweist sich die<br />

Diffusion von Software als der zentrale Treiber der Institutionalisierung: mehrere<br />

Gewichtungsmethoden sind heute in den meistverkauften Ökobilanz-Programmen<br />

standardmässig implementiert. Damit verfügt die grosse Mehrheit der Anwendenden<br />

über die Möglichkeit, ohne grossen Zusatzaufwand ihre Sachbilanz mittels dieser<br />

Modelle zu gewichten. Obwohl eine korrekte Interpretation der Ergebnisse nur mit<br />

fundierten Kenntnissen der einzelnen Methoden, ihrer Annahmen und Geltungsbereiche<br />

möglich wäre, zeigt die Erfahrung, dass viele Anwendende -insbesondere in<br />

336<br />

Darstellung aus <strong>Siegenthaler</strong> et.al., 2004.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 185<br />

den Unternehmen – die Ergebnisse ohne kritisches Hinterfragen übernehmen und<br />

akzeptieren.<br />

Die auf diesem Wege am meisten verbreiteten Methode ist mittlerweile der aus den<br />

Niederlanden stammende Eco-indicator99 337 –eine Methodik, die unter Leitung des mit<br />

SimaPro führenden Softwareanbieters entwickelt wurde: 13 von 24 aktuellen<br />

Programmen enthalten die entsprechenden Gewichtungsfaktoren. An Verbreitung<br />

gewonnen hat zudem die schwedische EPS 338 Methodik, während die aus der Schweiz<br />

stammende Methodik der Ökologischen Knappheit 339 stagniert. Angesichts des<br />

Umstands, dass sich deren Gewichtungsfaktoren auf die schweizerische<br />

Umweltsituation und Gesetzgebung beziehen, ist diese Präsenz durchaus noch<br />

beachtlich und ein Hinweis auf unkritische Anwendung von Methoden ohne Bezug zum<br />

effektiven Geltungsbereich. Ebenfalls bemerkenswert ist diesbezüglich, dass auch im<br />

Jahre 2004 noch ein zwei Programme die von den Urhebern selbst schon vor mehr als<br />

10 Jahren aufgegebene Methodik der Kritischen Volumina 340 von 1990 enthalten.<br />

Es wird im Rahmen unserer empirischen <strong>St</strong>andortbestimmung in Kapitel 6von zentraler<br />

Bedeutung sein, zu ermitteln, inwiefern diese Methoden durch Software nicht nur zur<br />

Verfügung stehen, sondern auch effektiv genutzt werden. Wie sich dort zeigt, wird der<br />

dargebotene Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen durchaus auch ergriffen.<br />

5.3.4 Fazit: Software ist ein zentraler Treiber der Institutionalisierung<br />

Software erweist sich einerseits als ein wichtiger Kanal der angewandten Ökobilanzforschung<br />

zur <strong>St</strong>andardisierung der Anwendung von Ökobilanzen über Datenformate<br />

und <strong>St</strong>andard-Ökoinventare. Die Softwarehersteller selbst beeinflussen jedoch darüber<br />

hinaus durch die zur Verfügung gestellte Funktionalität, wie Ökobilanzierung in der<br />

Praxis konkret angewandt wird. Die vielfältigen Nutzenpotentiale eines Softwareeinsatzes<br />

haben dazu geführt, dass im Verlaufe der 90er Jahre synchron zur<br />

Differenzierung der Methodik eine Vielzahl von Programmen entwickelt und –dies trifft<br />

zumindest für die meistverkauften zu -stets der aktuellen generischen Methodik sowie<br />

der Datenverfügbarkeit angepasst wurde. Damit sind die Softwareanbieter zu einer<br />

wichtigen Schnittstelle zwischen Ökobilanzforschung und -praxis geworden. Sie<br />

erlauben es jedoch den Anwendenden über den Konsens der Forschungsgemeinschaft<br />

und der einschlägigen Normierung hinaus und ohne grossen Aufwand <strong>St</strong>andard-<br />

Methoden zur Gewichtung einzusetzen.<br />

Da bislang nur vereinzelte empirische Hinweise zur Verbreitung der Ökobilanzierung<br />

vorliegen 341 , bietet der Markt für Ökobilanz-Software immerhin einen Indikator, der<br />

337<br />

Siehe Abschnitt 4.3.5.3.<br />

338<br />

Siehe Abschnitt 4.3.5.4.<br />

339<br />

Siehe Abschnitt 3.2.6.<br />

340<br />

Siehe Abschnitt 3.2.8.<br />

341<br />

Siehe Abschnitt 6.2.


186 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

zumindest den Trend der Anwendung anzeigen dürfte. Demnach ist gemäss Herstellerangaben<br />

die Anzahl gesamthaft im Umlauf befindlicher, kommerzieller Lizenzen<br />

zwischen 1994 und 2004 von knapp 800 auf über 5300 angestiegen. Das effektive<br />

Marktvolumen dürfte deutlich darüber liegen, da insbesondere Anbieter aus Japan,<br />

Korea und Taiwan nur vereinzelt Zahlen publizieren.<br />

Die meisten Lizenzen entfallen dabei auf Programme, die sowohl umfangreiche<br />

Ökoinventar-Datenbanken als auch mehrere Gewichtungsmethoden bereitstellen. Der<br />

Grüne <strong>St</strong>ein der Weisen ist damit für eine beachtliche Anzahl von Anwendenden also<br />

zumindest in Griffnähe.<br />

Unsere Untersuchung des Softwaremarktes hat zudem gezeigt, dass eine<br />

weitergehende Institutionalisierung durch die laufenden Bemühungen zur<br />

<strong>St</strong>andardisierung von Datenformaten für Inventare absehbar ist. Dies wird eine<br />

weitgehende Vereinheitlichung des Auflösungsvermögens und der Datenqualität -<br />

zumindest kommerziell vertriebener -Daten zur Folge haben. Sie dürfte die Autorität,<br />

resp. das Vertrauen in Ökobilanzen erheblich steigern.<br />

5.4 Das Projekt Ökobilanz hat eine kritische Masse erreicht<br />

Mit diesem Kapitel haben wir unsere Retrospektive des Projekts Ökobilanz<br />

abgeschlossen. <strong>St</strong>anden im Kapitel 3die Anfänge der Ökobilanz-Bewegung und die<br />

Vorläufer-Konzepte im Vordergrund, so beleuchtete Kapitel 4 die Entwicklung der<br />

Methodik zum heutigen <strong>St</strong>and. Ziel dieser Darstellungen war es, ein vertieftes<br />

Verständnis über die Möglichkeiten und Grenzen der Schnittstelle zwischen Natur- und<br />

Sozialwissenschaften zu gewinnen und im Detail darzulegen, wie die Methodik der Ökobilanzierung<br />

mit den sich stellenden Herausforderung auf dem Weg zum Grünen <strong>St</strong>ein<br />

der Weisen umgeht.<br />

Im Zentrum dieses fünften Kapitels stand alsdann die Frage, ob und inwieweit es dem<br />

Projekt Ökobilanz gelungen ist, sich als Wissenschaft und Methodik zur rationalen<br />

Codierung ökologischer Informationen zu etablieren.<br />

Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass Ökobilanzierung mittlerweile tatsächlich als<br />

eine transdisziplinäre Wissenschaft anerkannt wird, was sich unter anderem an der<br />

Entwicklung einer wissenschaftlichen Infrastruktur -akademische Gesellschaften, Zeitschriften,<br />

Konferenzen, etc. - festmachen lässt.<br />

Ökobilanzierung ist jedoch weit mehr als eine wissenschaftliche Disziplin geworden: sie<br />

wurde von verschiedenen Anspruchsgruppen, insbesondere jedoch von der Wirtschaft<br />

aufgegriffen und im Hinblick auf einen transparenten Wettbewerb mit ökologischen<br />

Argumenten als Methodik anerkannt. Es ist absehbar, dass hier weitere<br />

<strong>St</strong>andardisierungen eine Art level playing field für die diversen Ansatzpunkte der<br />

sogenannten Integrated Product Policy IPP schaffen werden. Dieser Prozess ist bei<br />

weitem noch nicht abgeschlossen und es bestehen hierzu nicht nur aus der Perspektive<br />

von exportorientierten Entwicklungs- und Schwellenländern grosse Vorbehalte.


Kapitel 5: Phase der Institutionalisierung 187<br />

Dennoch: einige Grossunternehmen zeigen mit ihren Investitionen in entsprechende<br />

Experten und ihrem Engagement in Gremien, dass sie sich einen Nutzen vom Einsatz<br />

der Ökobilanzierung versprechen. Wir wir gesehen haben, bereiten sich einige Länder –<br />

allen voran Japan, aber auch Schweden, Korea und Taiwan –mit Unterstützung der<br />

jeweiligen Wirtschaftsministerien auf die Einführung eines solche level playing fields<br />

und damit auf die Ablösung der Ökologischen Beliebigkeit vor.<br />

Unabhängig davon kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Projekt<br />

Ökobilanz mittlerweile auf nachhaltigem Fundament steht: Mit einer geschätzten<br />

Forschungsgemeinschaft von mehreren Hundert international aktiven Forschenden<br />

(plus eine unbestimmte Anzahl Personen auf nationaler Ebene, beispielsweise in der<br />

Ausbildung) sowie mindestens einigen Tausend Anwendenden von Ökobilanz-<br />

Software. Es darf angenommen werden, dass diese Verbreitung unabhängig vom<br />

einem level playing field allein schon aufgrund positiver Wirkungen der Methodik auf die<br />

ökologischen Lernprozesse seiner Anwendenden zustande gekommen ist. Die<br />

Erfassung dieses Nutzens ist Gegenstand unserer empirischen Analyse zur<br />

Anwendung der Ökobilanzierung in Unternehmen.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 189<br />

6 Empirische Bestandesaufnahme<br />

Unsere Bestandesaufnahme des Projekts Ökobilanz soll im nachfolgenden Kapitel auf<br />

eine empirische Grundlage gestellt werden. Die bereits in Kapitel 5unter dem <strong>St</strong>ichwort<br />

Institutionalisierung angeführten Indizien zu Diffusion und Ausgestaltung von<br />

Ökobilanzen -die Verbreitung von EPDs und die Bedeutung von Software –sollen<br />

durch eine systematische <strong>St</strong>andortbestimmung aus Sicht der Unternehmen<br />

vervollständigt werden. Wir zielen nun auf eine Einschätzung zur Verbreitung,<br />

Ausgestaltung und Akzeptanz methodischer Elemente, aber auch auf eine Beurteilung<br />

des - durch die Anwendenden – wahrgenommenen Nutzens.<br />

Zu diesem Zweck haben wir eine eigene Umfrage durchgeführt und einen detaillierten<br />

Fragebogen entwickelt. Die Ergebnisse dieser Erhebung werden aufzeigen, in welcher<br />

Form Ökobilanzen in Schweizer Unternehmen zur Anwendung kommen, welche<br />

Methoden dabei eingesetzt werden und wie die Anwendenden selbst Wirkung, Aufwand<br />

und Nutzen beurteilen. Wir konzentrieren uns in dieser Analyse auf die beiden<br />

Anwendungsbereiche Produkt- und Betriebsökobilanzierung. Spezifische material- und<br />

prozessbezogene Anwendungen sind nicht Gegenstand unserer Erhebung.<br />

6.1 Begriffsbestimmung zur Betriebsökobilanzierung<br />

Während Produktökobilanzen (Life Cycle Assessment) in der Praxis –gerade dank ISO<br />

14040 -klar definiert und abgegrenzt sind, findet sich zur Betriebsökobilanzierung in<br />

Praxis und Forschung eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Begriffen und Ausgestaltungsformen.<br />

Deshalb ist es wichtig, den Begriff klar zu bestimmen:<br />

Für unsere Untersuchung gehen wir von einem Referenzmodell aus, welches den<br />

maximalen Begriffsumfang aufweist, indem sowohl die Lebenszyklusbetrachtung als<br />

auch die Wirkungsanalyse, resp. Gewichtung als elementare Elemente eingeschlossen<br />

werden.<br />

Wir tun dies aus zwei Gründen: einerseits ist unbestritten, dass der Einbezug von Vorund<br />

Nachstufen für ein ganzheitliches Verständnis der Umweltbelastung, resp. Umweltleistung<br />

eines Unternehmens unabdingbar ist. Gemäss unserer Erfahrung entfällt in den<br />

meisten industriellen Branchen rund 80% der Umweltbelastung der Wertschöpfungskette<br />

auf Vor- oder Nachstufen. Diese <strong>St</strong>ufen werden von Entscheidungen des<br />

Unternehmens massgeblich beeinflusst –insbesondere durch die Produktentwicklung.<br />

Für die Einführung ökologischer Rationalität aus systemtheoretischer und volkswirtschaftlicher<br />

Sicht ist der Einbezug der Wertschöpfungskette deshalb wichtig. Umweltmanagement<br />

nach ISO 14001 fordert ohnehin zwingend, dass die Umweltaspekte der<br />

Produkte eines Unternehmen ermittelt und beurteilt werden –allerdings ohne konkret<br />

den Einsatz von Ökobilanzen vorzuschreiben.


190 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Anderseits stellen Wirkungsanalyse und Gewichtung -formalisierte und durch unternehmungsexterne,<br />

zentrale Datenlieferanten alimentierte –Beurteilungsverfahren dar,<br />

welche die internen Informationen und Werte ergänzen. Sie können damit ökologisches<br />

Lernen, resp. die Herstellung ökologischer Rationalität erheblich beeinflussen, indem<br />

Signale zur Umweltsituation, zu politischen Prioritäten oder Externen Kosten direkt und<br />

formalisiert in die Entscheidungs- und Lernprozesse des Unternehmens einfliessen<br />

können, ohne dass -oder bevor -sie über den Markt oder die Gesetzgebung greifbar<br />

werden.<br />

Diese Argumente sprechen dafür, als Referenzmodell der Betriebsökobilanzierung die<br />

erweiterte Perspektive und die ökobilanz-typischen Operationen einzuschliessen.<br />

Dennoch ist festzustellen, dass die Normierung der betrieblichen Umweltleistungsmessung<br />

– insbesondere ISO 14031 und Umweltberichterstattung (beispw. Global<br />

Reporting Initiative GRI 342 )-die Systemgrenzen in der Regel an den Werktoren des<br />

Unternehmens festmacht und weder Wirkungsanalyse noch Gewichtung bislang als<br />

Muss-Kriterien Eingang gefunden haben.<br />

In der Praxis wird der Begriff Betriebsökobilanz entsprechend häufig allein auf<br />

<strong>St</strong>andortbilanzen angewendet. Diese können unter Einbezug von Wirkungskategorien<br />

und/oder Gewichtungsmethoden ausgestaltet sein; verbal-argumentativ oder mittels<br />

Nutzwertanalyse beurteilt werden. Damit ergibt sich ein fliessender Übergang von der<br />

Betriebsökobilanzierung in die Umweltleistungsmessung mit einer grossen Vielfalt<br />

möglicher Ausgestaltungsmöglichkeiten: Von einzelstofflichen Bilanzen (beispielsweise<br />

für CO 2 )über stoffgruppenbezogene Bilanzen (beispielsweise Gefahrstoffe) bis hin zu<br />

mehr oder weniger vollständigen Input-Output-Bilanzen und mittels externer<br />

Beurteilungsmethoden formalisierten Umweltbilanzen. Und jede dieser Varianten kann<br />

mit unterschiedlichen Systemgrenzen (<strong>St</strong>andort bis gesamte Wertschöpfungskette)<br />

ausgestaltet werden.<br />

Vor diesem Hintergrund muss unsere Erhebung differenziert vorgenommen werden: Es<br />

gilt bezüglich der Betriebsökobilanzierung in Erfahrung zu bringen, welches Spektrum<br />

an <strong>St</strong>off- und Energieflussbilanzen eingesetzt wird, inwieweit ganzheitliche Systemgrenzen<br />

und/oder formale, externe Beurteilungsmethoden Eingang in die Praxis<br />

gefunden haben, resp. wie diese Elemente aus Sicht der Anwendenden beurteilt<br />

werden.<br />

Bevor wir die Resultate der eigenen Erhebungen vorstellen, fassen wir den <strong>St</strong>and der<br />

quantitativen Erforschung der praktischen Ökobilanzierung zusammen.<br />

342<br />

Siehe GRI Sustainability Reporting Guidelines, Global Reporting Initiative, Boston, 2002.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 191<br />

6.2 Bestehende <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung<br />

Die von uns identifizierten <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Ökobilanzierung von Produkten und<br />

Betrieben offenbaren, dass die quantitative empirische Forschung noch wenig<br />

entwickelt ist. Zwar finden sich zahlreiche <strong>St</strong>udien zur konkreten Ausgestaltung und<br />

Anwendung der Methodik in der Form von Fallstudien. Allenfalls werden mehrere<br />

Anwendungen zu konkreten Produkten oder Betrieben im Detail analysiert und daraus<br />

Schlussfolgerungen zur Funktionalität der Methodik aus betriebswirtschaftlicher Sicht<br />

gezogen. Für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung steht jedoch eine Erfassung der Diffusion,<br />

Effektivität und Akzeptanz der Methodik in Gesellschaft und Wirtschaft im Vordergrund<br />

des Interesses. Entsprechend können diese Mikro-Analysen nicht mehr als<br />

Anhaltspunkte für die Gestaltung unserer eigenen Erhebung geben.<br />

Der <strong>St</strong>and der Forschung stellt sich je nach Anwendungsfokus unterschiedlich dar, da<br />

die entsprechenden Begrifflichkeiten von unterschiedlicher Trennschärfe sind: Indizien<br />

zur Produktökobilanzierung lassen sich aufgrund der Präzision des Begriffes gezielt<br />

ausmachen. Für die Anwendung von Betriebsökobilanzen stellt sich die im<br />

vorangehenden Abschnitt genannte Abgrenzungsproblematik zu Themen wie Umweltleistungsmessung,<br />

Umweltkennzahlen, Umweltrating, Umweltcontrolling, Umweltberichterstattung,<br />

etc., resp. im englischen Sprachgebrauch environmental accounting,<br />

environmental performance evaluation, environmental metrics, environmental reporting,<br />

etc.. Diese Begriffsvielfalt erschwert eine literaturbasierte Bestandesaufnahme. Unsere<br />

diesbezügliche Recherchen offenbarten, dass die uns interessierenden Elemente –<br />

Erweiterte Systemgrenzen, Einsatz von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren und Beurteilungsmethoden<br />

der Ökobilanzierung –bislang nicht spezifisch quantitativ untersucht wurden.<br />

Wir konzentrieren uns deshalb nachfolgend auf die Darstellung des <strong>St</strong>andes der<br />

Forschung zu Diffusion und Beurteilung von Produktökobilanzen.<br />

6.2.1 Kommunikation über LCA/DfE der Global 100 Unternehmen<br />

Auf globaler Ebene konnten wir einzig eine <strong>St</strong>udie identifizieren, die auf die Verbreitung<br />

von Produktökobilanzen (LCA) 343 hinweist: Im Rahmen der 1999 Benchmark Survey of<br />

the <strong>St</strong>ate of Global Environmental Reporting 344 wurde erhoben, wie viele der umweltberichterstattenden<br />

Fortune Global 100 Unternehmen über Design for the Environment<br />

(DfE) oder LCA Auskunft geben: Demnach berichteten 1998 48 von 100 Konzernen<br />

über entsprechende Aktivitäten gegenüber 22 im Jahr zuvor. Alle 16 Unternehmen der<br />

Elektronikindustrie sowie 11 von 12 Automobilkonzernen machten demnach Angaben<br />

über ihre Aktivitäten in diesem Bereich. Die <strong>St</strong>udie vermag damit zu illustrieren, dass<br />

die weltweit grössten Unternehmen LCA/DfE als Thema aufgegriffen haben und<br />

darüber kommunizieren. Die <strong>St</strong>udie erlaubt jedoch keine Rückschlüsse darüber, ob<br />

343<br />

Wir verwenden in diesem Abschnitt der besseren Lesbarkeit zuliebe die Abkürzung LCA (Life Cycle<br />

Assessment) stellvetretend für Produktökobilanz.<br />

344<br />

CSRnetwork: 1999 Benchmark Survey of the <strong>St</strong>ate of Global Environmental Reporting, Bath UK, 2000,<br />

S. 40 – 41.


192 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

tatsächlich über LCA und nicht nur generell über DfE berichtet wurde. Ebensowenig<br />

lassen die Resultate erkennen, in welchem Umfang diese Techniken eingesetzt<br />

wurden.<br />

Abbildung 6.1: LCA/DfE in Umweltberichten von Fortune Global 100 Unternehmen<br />

6.2.2 <strong>St</strong>udie zu LCA in amerikanischen Fortune 500 Unternehmen<br />

Für die USA konnten wir einzig die Umfrage von Hunkeler und Huang aus dem Jahr<br />

1995 identifizieren. Sie versandten Fragebögen an die 175 grössten US-Konzerne aus<br />

der Fortune 500 Liste und stellten damals fest, dass mehr als die Hälfte der 41<br />

Antwortenden LCA-Methoden einsetzen würde. Sie diagnostizierten jedoch eine grosse<br />

Skepsis der Industrie bezüglich einer zukünftigen <strong>St</strong>andardisierung -insbesondere der<br />

Wirkungsanalyse und Gewichtung. Zudem wurden hohe Kosten sowie die<br />

345 346<br />

Unsicherheiten der Resultate als Vorbehalte identifiziert.<br />

6.2.3 Branchenstudie Elektronikindustrie in nordischen Ländern<br />

Eine länderübergreifende Branchenstudie in der Elektronikindustrie der nordischen<br />

Länder –die Nordic Environmental Survey 347 –untersuchte verschiedene Aspekte zum<br />

Thema Umwelt und Unternehmung: Umweltmanagement, Eco-Design, Kundenbeziehungen,<br />

gesetzliche Erfordernisse, interne Umweltkompetenz sowie Evaluation<br />

eines Branchenprojekts für Umweltmanagement. Von 600, resp. 400 angeschriebenen<br />

Unternehmen in den Jahren 2000. resp. 2001 beteiligten sich 78, resp. 73. Unter den<br />

23 fachspezifischen Fragen betrafen zwei Anwendung und Kenntnisstand zur Ökobilanzierung.<br />

345<br />

Huang, E., Hunkeler, D., :A Corporate Survey of Life-Cycle Concepts for Minimizing Environmental<br />

Impact, Proceedings of the Third International Congress on Environmentally Conscious Design &<br />

Manufacturing, US-Japan Center for Technology Management, Vanderbilt University, Nashville, 1996,<br />

abstract.<br />

346<br />

Leider liegt uns kein ausführlicher Bericht zu den detaillierten Resultaten der Umfrage, sondern<br />

lediglich ein abstract vor. Angesichts der geringen Rücklaufquote und des Alters der Daten, haben wir<br />

auf weitere Nachforschungen verzichtet.<br />

347<br />

Ausen, D.: Results from the Nordic Environmental Survey 2002, Nordic Industrial Fund, Greenpack<br />

Report 2002-01, 2002


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 193<br />

Abbildung 6.2: LCA-Aktivitäten in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten<br />

Hintergrund der Untersuchung bildet ein Entwurf der EU-Kommission für eine Umweltrichtlinie zur<br />

Elektronikindustrie (WEEE-Richtlinie), welche u.a. den Einsatz von Produktökobilanzen (Sachbilanz)<br />

fordert. Es handelt sich bei den befragten Unternehmen demnach um spezifisch sensibilisierte<br />

Unternehmen. 348<br />

Abbildung 6.3: LCA-Kenntnisse in der Elektronikindustrie nordischer <strong>St</strong>aaten<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Antwortenden LCAs durchführt. Rund<br />

ein Viertel stuft sich diesbezüglich als kompetent ein und über 40% bringen einen<br />

Bedarf zum Aufbau entsprechender Kompetenzen zum Ausdruck. Rund 50% aller ISO<br />

14001 zertifizierten -also Umweltmanagementsysteme betreibenden –Unternehmen<br />

der <strong>St</strong>ichprobe wenden Produktökobilanzen an. Bezüglich Unternehmensgrösse lässt<br />

sich feststellen, dass 52% der Grossunternehmen in der <strong>St</strong>ichprobe, jedoch nur 16%<br />

der Kleinunternehmen LCA anwenden.<br />

348<br />

Darstellung aus Ausen, 2002, S. 15 sowie 22.


194 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Im –nur bedingt aussagekräftigen 349 –Vergleich zwischen den beiden Jahren zeigt sich<br />

eine Zunahme der produktökobilanzierenden Unternehmen um 10% sowie ein um 13%<br />

gestiegener Bedarf nach entsprechenden Kompetenzen. Bei der Interpretation gilt es zu<br />

berücksichtigen, dass die <strong>St</strong>udie u.a. im Hinblick auf eine geplante Richtlinie der EU-<br />

Kommission (WEEE-Richtlinie), welche u.a. Anforderungen an Umweltmanagement der<br />

Elektronikindustrie sowie die Erstellung von <strong>St</strong>offbilanzen vorsieht. 350 Die Befragten<br />

wurden im Rahmen des Projektes für entsprechende Fragen sensibilisiert, was sich<br />

entsprechend auf die Antworten ausgewirkt haben dürfte.<br />

6.2.4 Empirische Forschung zu LCA in Japan<br />

Für Japan konnten verschiedene Datenquellen in englischer Sprache identifiziert<br />

werden, welche Hinweise auf die Bedeutung von LCA aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven geben können.<br />

Zur Verbreitung von LCA in Japan und Korea stehen Daten aus einer fragebogengestützen<br />

Umfrage des Institute for Global Environmental <strong>St</strong>rategies IGES 351 zu<br />

Umweltmanagement in Japan (2001) und Korea (2002) zur Verfügung. Es wurden<br />

6'360 japanische Unternehmen (2'644 börsenkotierte, 3'716 nicht-kotierte)<br />

angeschrieben und ein Rücklauf von 45% erreicht. Allerdings sind in der englisch<br />

vorliegenden Vergleichsstudie mit Korea nur die Resultate der 1'264 antwortenden<br />

Unternehmen der Börsen von Tokyo, Osaka und Nagoya enthalten (entsprechend 46%<br />

Rücklauf). In Korea wurden alle 653 Unternehmen der Seoul <strong>St</strong>ock Exchange<br />

angeschrieben, wovon 98 den Fragebogen retournierten. Aus der <strong>St</strong>ichprobe wurden<br />

die Antworten der produzierenden Unternehmen separat ausgewiesen.<br />

Die Zahlen machen deutlich, dass in Japan knapp 19% aller befragten (über 22% der<br />

produzierenden) und damit mindestens 10% aller börsenkotierten Unternehmen LCAs<br />

erstellen. Rund 7% haben die entsprechenden Erfahrungen und Ergebnisse zudem<br />

öffentlich kommuniziert. Weitere 30% treffen mehr oder weniger intensive Vorbereitungen<br />

für die Durchführung von LCA-Projekten und weitere 35% nehmen eine<br />

abwartende Haltung ein. Nur 12% (6.6% der produzierenden) geben an, LCA nicht zu<br />

kennen.<br />

Für die antwortenden Unternehmen aus Korea zeigt sich zunächst ein ähnliches Bild –<br />

allerdings muss hier die sehr unterschiedliche Qualität der <strong>St</strong>ichprobe berücksichtigt<br />

werden: es ist anzunehmen, dass die relativ kleine <strong>St</strong>ichprobe tendenziell einen überproportionalen<br />

Anteil überdurchschnittlich engagierter Unternehmen enthält. Bezogen<br />

349<br />

33% der <strong>St</strong>ichprobe nahm sicher an beiden Befragungen teil, 18% im Jahre 2002 erstmals und 48%<br />

der befragten Unternehmen konnte dazu keine Aussage machen.<br />

350<br />

Ausen, 2002, S. 5.<br />

351<br />

Kanda, Y., Nakaso, Y., Lee ,B.-W.: Corporate SustainabilityManagement in Japan and Korea, Institute<br />

for Global Environmental <strong>St</strong>rategies, IGES-Kansai, Kobe, 2003.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 195<br />

auf die Gesamtsituation wäre demnach zu erwarten, dass die Verhältnisse wesentlich<br />

weniger Aktivitäten im Vergleich zu Japan zeigen würden.<br />

Abbildung 6.4: LCA-Aktivitäten börsenkotierter Unternehmen in Japan und Korea<br />

Eine zweite Umfrage wurde zum Thema Umweltmanagement und LCA 1998 am<br />

National Institute for Resources and the Environment (aus dem das heutige National<br />

LCA Research Center hervorgegangen ist) durchgeführt. 352 Von 250 ISO 14001<br />

zertifizierten Unternehmen beantworteten 112 den Fragebogen. Die <strong>St</strong>ichprobe<br />

umfasste 74 UMS- und 38 LCA-Verantwortliche. Von Antwortenden gaben 45% an,<br />

bereits LCA-Aktivitäten zu unternehmen und 20% hatten solche in Planung.<br />

Einen Hinweis auf Verbreitung und Akzeptanz von LCA in Japan gibt auch eine <strong>St</strong>udie<br />

des Green Purchasing Network GPN, einer Vereinigung mit 2'800 Mitglieder, davon<br />

2'175 Unternehmen, 365 Behörden und 270 Non-Profit-Organisationen (NPO). Diese<br />

hat im Rahmen ihrer Seventh Survey for Green Purchasing 2002 erstmals -neben zahlreichen<br />

anderen Kriterien – eine Frage zur Nutzung von Type III ECO-LEAF EPDs<br />

erhoben. Von den 3'906 an Hersteller, Handelsunternehmen, Behörden und NPOs<br />

versandten Fragebogen konnten 1'365 ausgewertet werden. Auf die Frage, welche<br />

Arten von Informationen zur Evaluation zu beschaffender Güter verwendet werden<br />

gaben 4 % der Antwortenden an, Type III EPDs zu verwenden.<br />

Zudem wurden die Hersteller gefragt, welche Arten von Informationen sie zur Verfügung<br />

stellen würden. Rund 3% nannten hierzu Type III EPDs. Das ist zwar im Vergleich zu<br />

traditionellen Umweltkennzeichen wie dem staatlichen EcoMark (analog Blauer Engel in<br />

Deutschland), welche von 80% der Nachfragenden und 46% der Anbietenden genutzt<br />

werden, eine geringe Anzahl von etwas mehr als 50 Organisationen. Berücksichtigt<br />

man jedoch, dass das EPDs in Japan erst seit dem Jahr 2000 durch JEMAI zertifiziert<br />

werden können, ist sie dennoch beachtlich.<br />

352<br />

Inaba, A., Finkbeiner, M., <strong>Siegenthaler</strong>, C.: Survey on the Application of LCA and EMS in Japanese<br />

Companies, Internal Report, NIRE; Tsukuba, 1998.


196 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 6.5: Einstellungen japanischer UMS- und LCA-Verantwortlicher 353<br />

Zwei weitere japanische <strong>St</strong>udien mit Bezug zur Produktökobilanzierung erscheinen uns<br />

erwähnenswert:<br />

Die vom National Institute for Environmental <strong>St</strong>udies NIES durchgeführte Befragung von<br />

2'552 japanischen (1998) sowie 1'166 deutschen Haushaltungen (997) zu<br />

verschiedenen Aspekten der Wahrnehmung von Umweltthemen. Darin wurde auch das<br />

Verständnis ausgewählter Umweltfachbegriffe ermittelt: 8% der Japaner und 15.5% der<br />

Deutschen konnten demnach den Begriff LCA korrekt verstehen – während 47.5%,<br />

resp. 61.7% mit dem jeweils nationalen Umweltkennzeichen (EcoMark/Blauer Engel)<br />

vertraut waren. 354<br />

353<br />

Eigene Darstellung<br />

354<br />

Angaben zitiert aus Ohashi, T.: The Realities of Environmental Communication in Japan, Präsentation,<br />

5. Ecobalance Conference 2002, Tsukuba, 2002, Folie Nr. 19.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 197<br />

Als Thema höchster Priorität wurde schliesslich die Umsetzung von LCA-basierter<br />

Produktentwicklung im Rahmen des National Technology Outlook 2030 identifiziert.<br />

Diese seit 1971 alle 5Jahre durchgeführte, viel beachtete <strong>St</strong>udie zu 13 technologischen<br />

Schwerpunktthemen versucht eine Prognose für die jeweils nächsten 30 Jahre zu<br />

zeichnen. In entsprechenden Themengruppen beurteilen Wissenschaftler einzelne<br />

wissenschaftliche Fragestellungen, resp. technologische Lösungen auf ihre<br />

gesellschaftliche Bedeutung, ihre Realisierungschancen und ihre Förderwürdigkeit. „It is<br />

interesting to note that, of all the topics, the one that was ranked highest in terms of the<br />

degree of importance index was: „Wide acceptance of LCA-style product design<br />

concepts that encourage recycling and reuse”, with its realization time forecasted to be<br />

2007.“ 355 Dabei wurden in zwei Befragungsrunden insgesamt 418 Wissenschaftler im<br />

Umweltbereich befragt und zusätzlich 26 LCA-Experten als Kontrollgruppe. Lediglich 2<br />

Befragte zweifelten an der Implementation von LCA. Als prioritäre Fördermassnahmen<br />

wurden die entsprechende Anpassung der Gesetzgebung sowie eine enge Kooperation<br />

zwischen Industrie, Regierung und Wissenschaft identifiziert. Als führend im Bereich<br />

LCA wurde Europa mit rund 80% Zustimmung der Befragten Wissenschaftler und 96%<br />

Zustimmung der LCA-Experten eingestuft. USA und Japan erhielten je rund 40%<br />

Zustimmung (Mehrfachnennungen möglich).<br />

6.2.5 Verbreitung von LCA in D, H, UK und CH<br />

Die Verbreitung von Produktökobilanzen in verschiedenen europäischen Ländern wurde<br />

im Rahmen des Environmental Business Barometers ermittelt. Die fragebogengestützte<br />

<strong>St</strong>udie zielte darauf ab, ein möglichst repräsentatives Bild betrieblicher<br />

Umweltaktivitäten in den teilnehmenden Ländern zu skizzieren. Angeschrieben wurden<br />

zum einen zufällig, aber repräsentativ, ausgewählte Unternehmen des produzierenden<br />

Gewerbes mit mehr als 50 Mitarbeitenden. In den einzelnen Ländern wurden zudem die<br />

grössten Unternehmen und/oder ISO 14001 Zertifizierte einbezogen. Durchführung von<br />

LCA wurde dabei als eine von 20 verschiedenen managementbezogenen Massnahmen<br />

abgefragt.<br />

Für die Schweiz liegen zudem Vergleichswerte aus der Umweltmanagement-<br />

Barometer-<strong>St</strong>udie 356 von 1997/1998 vor: Damals wurden 800 Fragebogen an eine<br />

repräsentative Auswahl von Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit mehr als<br />

50 Mitarbeitenden versandt. Die resultierende <strong>St</strong>ichprobe von 250 Unternehmen<br />

(Rücklauf 33%) war fast repräsentativ – einzig die Baubranche war deutlich untervertreten.<br />

Die Durchführung von Produkt-, Verpackungs- und Betriebsökobilanzen<br />

wurden zusammen mit 7anderen möglichen Massnahmen im Bereich Organisation und<br />

355<br />

Kashiwagi, T.: Survey Results Environment, in: NIESTEP: National Technology Outlook 2030, National<br />

Institut of Science and Technology Policy NISTEP, 2000, S. 264.<br />

356<br />

Baumast, A., Dyllick, Th.: Umweltmanagement-Barometer Schweiz 1997/98 IWOE-HSG Diskussionsbeitrag<br />

Nr. 59, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>.


198 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Führung abgefragt. Es ergaben sich Werte von 28% (70 Nennungen) für Betriebsökobilanzen,<br />

27% (67) für Produkt-, resp. 24% (60) für Verpackungsökobilanzen.<br />

2001 Grossbritannien Deutschland Ungarn Schweiz<br />

Befragte 2'000 2'000 478 1'381<br />

<strong>St</strong>ichprobe 214 179 187 181<br />

Rücklauf 11% 9% 39% 13%<br />

LCA Anwendung 15% 15% 8% 25%<br />

Absolut 32 27 15 45<br />

Rang 20 von 20 19 von 20 11 von 11 18 von 20<br />

Abbildung 6.6: Einsatz von Produktökobilanzen in UK, D, H, CH<br />

Die Darstellung zeigt die Verbreitung der Produktökobilanzierung in verschiedenen europäischen Ländern<br />

im Jahr 2001. 357 Esist zu beachten, dass in den <strong>St</strong>ichproben tendenziell umweltengagierte Unternehmen<br />

gegenüber eher passiven übervertreten waren, weshalb die Zahlen nicht verallgemeinert werden dürfen.<br />

Von den 20 abgefragten managementbezogenen Massnahmen waren Aktivitäten zur Produktökobilanzierung<br />

in allen vier Ländern jeweils unter den am wenigsten häufig genannten.<br />

6.2.6 LCA und <strong>St</strong>offströme in ISO 14001 Zertifizierten in CH<br />

Eine Befragung aller ISO 14001 zertifizierten Unternehmen in der Schweiz im Jahre<br />

1998 wurde durch Hamschmidt durchgeführt. Es wurden 158 Fragebogen retourniert,<br />

was einem Rücklauf von 54% entspricht. Gegenstand der Erhebung war eine<br />

Beurteilung der Wirksamkeit von Umweltmanagementsystemen. Es wurde unter<br />

anderem danach gefragt, welche Massnahmen durch die Einführung eines UMS<br />

ausgelöst, resp. geplant. Die Durchführung von Produktökobilanzen wurde als eine von<br />

10 Massnahmen der Produktökologie abgefragt. Eine systematische Erfassung von<br />

<strong>St</strong>off- und Energieströmen wurde neben 8anderen Massnahmen der Betriebsökologie<br />

abgefragt.<br />

1999 N=158 Bisher Zukünftig<br />

Initiierung/Durchführung von LCA in % Absolut in % Absolut<br />

Weitgehend 5% 8 21% 33<br />

Ansatzweise 28% 44 39% 61<br />

Total 33% 52 60% 95<br />

Systematische Erfassung betrieblicher <strong>St</strong>off- und Energieströme<br />

Weitgehend 43% 68 81% 128<br />

Ansatzweise 43% 68 15% 23.7<br />

Total 86% 136 96% 152<br />

Abbildung 6.7: Durch UMS ausgelöste oder geplante Ökobilanz-Aktivitäten<br />

Produktökobilanzierung gehörte auch in dieser Umfrage zu den am wenigsten<br />

genannten Aktivitäten sowohl unter den bisher durchgeführten als auch unter den<br />

geplanten. Eine weitgehende Umsetzung gaben lediglich 5% der Befragten an, ansatzweise<br />

waren es 28%. Unklar ist jedoch die Interpretation dieser Kategorien: Weitgehend<br />

357<br />

Eigene Darstellung anhand der Daten aus Baumast, A., Dyllick, Th.: Umweltmanagement-Barometer<br />

2001, Tagungsband, IWOE-HSG Diskussionsbeitrag Nr. 93, <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, 2001, S. 35 – 44.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 199<br />

kann bedeuten, dass Produktökobilanzierung für alle Produkte eingesetzt wird. Der<br />

Begriff kann aber auch in Bezug auf die konsequente Umsetzung der Methodik<br />

bezogen werden, unabhängig davon, ob nur vereinzelt oder alle Produkte analysiert<br />

werden. Damit ist unklar, was die Resultate letztlich über die Verbreitung von Ökobilanzen<br />

aussagen können. <strong>St</strong>ünde „ansatzweise“ für eine konsequente Anwendung<br />

der Methodik auf einzelne Produkte, so wäre der festgestellte Wert zur Verbreitung von<br />

LCA mit insgesamt 33% im Vergleich zu den anderen verfügbaren <strong>St</strong>udien überdurchschnittlich<br />

hoch.<br />

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung der Befragten<br />

zur Bedeutung der Umweltbelastung von Vor- und Nachstufen der Wertschöpfungskette:<br />

Demnach halten 25% diese für gering, 42% erachten sie als mittelmässig<br />

bedeutsam und 32% beurteilen sie als gross. Für die meisten Unternehmen stehen der<br />

betriebliche Energieverbrauch, das betriebliche Abfallaufkommen sowie der betriebliche<br />

Materialverbrauch als Umweltaspekte im Vordergrund. 358<br />

Eine systematische Erfassung der betrieblichen <strong>St</strong>off- und Energieströme deutet auf die<br />

Verbreitung von standortbezogenen Input-Output-Bilanzen hin, lässt aber aufgrund der<br />

Fragestellung ebenfalls unbestimmt, ob sich „ansatzweise“ auf den Grad der Vollständigkeit<br />

(Erfassungsqualität) und/oder das Auflösungsvermögen (Anzahl erhobener<br />

Indikatoren) bezieht. Immerhin lässt sich feststellen, dass die Erfassung von <strong>St</strong>off-und<br />

Energieströmen unter den durch UMS ausgelösten Massnahmen der Betriebsökologie<br />

eine relative weite Verbreitung findet. Die Ergebnisse bedeuten aber auch, dass von<br />

den antwortenden ISO zertifizierten Unternehmen in der Schweiz 1999 nur 43% eine<br />

systematische Betrachtung ihrer betrieblichen <strong>St</strong>off- und Energieströme vornehmen.<br />

6.2.7 Einsatz von LCA und Betriebsökobilanzen in D<br />

Die Befragung von Tarara 1995 zielte darauf ab, die Verbreitung ökologieorientierter<br />

Informationsinstrumente in deutschen Industrie-Unternehmen zu erfassen. Die<br />

<strong>St</strong>ichprobe von insgesamt 231 retournierten Fragebogen verteilte sich ungefähr<br />

gleichmässig auf die fünf angeschriebenen Branchen Maschinenbau, Chemische<br />

Industrie, Elektrotechnik, Nahrungs- und Genussmittel sowie Textil und Bekleidung.<br />

40% der antwortenden Unternehmen beschäftigten mehr als 500 Mitarbeitende und die<br />

Fragebögen wurden fast ausschliesslich durch Linienverantwortliche (Geschäftsleitung,<br />

Abteilungsleitung, Gruppenleitung, etc.) ausgefüllt. Rund die Hälfte der befragten<br />

Unternehmen gab an, eine offensive Umweltstrategie zu verfolgen.<br />

Unter den abgefragten ökologieorientierten Informationsinstrumenten fand sich neben<br />

der Produktökobilanz auch die Produktlinienanalyse. In der Praxis wurde letztere häufig<br />

synonym für Produktökobilanzierung verwendet, umfasste genau genommen jedoch<br />

neben der Beurteilung der Umweltrelevanz entlang des Lebenszyklus auch eine<br />

Beurteilung von ökonomischen und sozialen Aspekte. Produktlinienanalysen wurden<br />

358<br />

Hamschmidt, 2001, S. 82.


200 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

meistens verbal-argumentativ beurteilt, ohne dass eine Sachbilanz erstellt -das heisst<br />

die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse quantifiziert – wurde(n).<br />

Als weiteres Instrument erfasste der Fragebogen die Betriebsökobilanzierung nach IWÖ<br />

(ABC-Analyse/verbal-argumentative Beurteilung).<br />

Abbildung 6.8: Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Ökobilanzen<br />

Tarara stellt fest, dass zum Zeitpunkt der Erhebung (1995) die Ökobilanzansätze als<br />

„junge“ Informationstechniken ab 1992 (Produktlinienanalyse) und ab 1993 (Produktökobilanzen/Betriebsökobilanzen)<br />

erstmals in den befragten Unternehmen zur<br />

Anwendung kamen. Mit 29, 12 und 8Nennungen aus einer <strong>St</strong>ichprobe von 225 war<br />

allein die Produktlinienanalyse relativ verbreitet. Die Antworten bezüglich des zukünftig<br />

geplanten Einsatzes zeigten hingegen, dass in den Erwartungen der Antwortenden<br />

Ökobilanzen offenbar ein hoher <strong>St</strong>ellenwert beigemessen wurde. „Somit wird deutlich,<br />

dass in langfristiger Perspektive das Instrument Ökobilanz verstärkt in Unternehmen<br />

eingesetzt werden soll.“ 359 Demnach gaben knapp 30% an, zukünftig<br />

Produktökobilanzen und/oder Betriebsökobilanzen nach IWÖ einführen zu wollen.<br />

6.2.8 Beurteilung von LCA durch ISO 14001 Zertifizierte in D<br />

Das deutsche Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie<br />

das Umweltbundesamt haben im Hinblick auf die Überarbeitung der ISO 14001 Normreihe<br />

eine umfassende Bestandesaufnahme durchgeführt. Dazu wurden 2002 alle der<br />

359<br />

Tarara, 1997, S. 190.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 201<br />

rund 2'300 zertifizierten Organisationen in Deutschland sowie die 34 akkreditierten<br />

Zertifizierungsstellen angeschrieben. Insgesamt konnten 565 Fragebogen von Organisationen<br />

sowie 17 von Zertifizierungsstellen (die zusammen 80% aller Zertifikate erteilt<br />

haben) ausgewertet werden. Die Umfrage bildet die <strong>St</strong>ruktur der Zertifzierten<br />

Organisationen in Deutschland repräsentativ ab.<br />

Die Autoren der <strong>St</strong>udie kommen zum Schluss, dass Produktökobilanzen bei den<br />

Umweltmanagement betreibenden Unternehmen „weder von grosser praktischer<br />

Relevanz, noch Thema für die Einführung als Pflichtbestandteil in die ISO 14001 Norm<br />

sind“. 360 Aus Sicht der Zertifizierungsstellen werden LCAs zwar mehrheitlich empfohlen,<br />

aber relativ zu den anderen Empfehlungen wird ihnen keine Priorität eingeräumt.<br />

Abbildung 6.9: Beurteilung von Produktökobilanzen im Rahmen des UMS<br />

6.2.9 Detaillierte Analyse und Beurteilung von LCA in D, I, S und CH<br />

Als einzige umfassende <strong>St</strong>udie mit Schwerpunkt auf Ökobilanzen haben wir die Arbeit<br />

Application Patterns of Life Cycle Assessment in Geman, Italian, Swedish and Swiss<br />

Companies identifizieren können. 361 Anhand von 35 Fragen wurden Einsatz, Wirkung<br />

360<br />

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt: ISO 14001 in<br />

Deutschland – Erfahrungsbericht, Berlin, 2002, S. 64.<br />

361<br />

Frankl, P., Rubik, F.: Life Cycle Assessment in Industry and Business – Adoption Patterns, Applications<br />

and Implications, Springer Verlag, 1999.


202 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

und Beurteilung von Produktökobilanzen in den vier Ländern erfasst. Von den 1'625<br />

versandten Fragebogen konnten 382 ausgewertet werden. Die <strong>St</strong>ichprobe umfasst<br />

einerseits bekanntermassen umweltengagierte Unternehmen, die anhand ihrer<br />

Mitgliedschaft in entsprechenden Verbänden – beispielsweise der schweizerischen<br />

Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmungsführung ÖBU – ausgewählt<br />

wurden. Anderseits wurden die national jeweils grössten Unternehmen –vorwiegend<br />

mit Börsenkotierung – angeschrieben.<br />

Switzerland<br />

(CH)<br />

Germany<br />

(D)<br />

Italy<br />

(I)<br />

Sweden<br />

(S)<br />

Total<br />

Total number of questionnaires 403 410 400 412 1625<br />

to „environmental“ oriented companies 252 200 100 182 734<br />

to largest companies 151 210 300 230 891<br />

Answers (absolute number) 82 101 30 169 382<br />

Answers (in %) 20% 25% 8% 41% 24%<br />

from „environmental“ oriented companies 43 59 10 49 161<br />

from largest companies 18 45 6 72 141<br />

from "environmental" oriented and largest<br />

21 - 14 48 83<br />

companies<br />

LCA users 44 62 18 66 190<br />

LCA user's share of total number 11% 15% 5% 16% 12%<br />

LCA users’ share of respondents 54% 61% 60% 39% 50%<br />

Abbildung 6.10: <strong>St</strong>ichprobe und Verbreitung von LCA in CH, D, I, S<br />

Die <strong>St</strong>ichprobe ist je nach Land unterschiedlich ausgeprägt: in der Schweiz,<br />

Deutschland und Italien entfällt eine Mehrheit auf umweltengagierte, in Schweden<br />

dominieren grosse Unternehmen. Entsprechend fällt auch der jeweilige Anteil der<br />

Antwortenden, die Produktökobilanzen nutzen unterschiedlich aus. Die Resultate<br />

vermitteln kein repräsentatives Bild. Rund die Hälfte der Teilnehmenden nutzen<br />

Produktökobilanzen, womit die <strong>St</strong>ichprobe zu den Fragen, welche nur von LCA-<br />

Nutzenden zu beantworten waren für alle vier Länder zusammen 190 Unternehmen<br />

umfasst.<br />

Als Motivationsfaktoren für den Einsatz von LCA wurden in den verschiedenen Ländern<br />

unterschiedliche Treiber ausgemacht: In der Schweiz und Deutschland nannten die<br />

Anwendenden als Hauptauslöser vor allem Kostensenkungspotentiale, produktbezogene<br />

Umweltprobleme und Chancen auf neu entstehenden „green markets“. In<br />

Schweden und Italien hingegen wurde als auslösender Faktor vor allem die Initiative<br />

seitens der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen betont. Antwortende in Italien<br />

nannten zudem häufig entsprechende Forderungen seitens ihrer Konzern-Leitung<br />

(„parent company“) als auslösendes Moment. In keinem der Länder wurde die Gesetzgebung<br />

oder der Gebrauch von LCA durch Konkurrenten als relevant eingestuft. 362<br />

362<br />

Frankl, P., Rubik, F: Application Patterns of Life Cycle Assessment in German, Italian, Swedish and<br />

Swiss Companies, Schriftenreihe des IWÖ 130/98, 1998, Berlin, S. 22 - 24.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 203<br />

Abbildung 6.11: Anwendungsbereiche von Produktökobilanzen<br />

Die Darstellung zeigt auf, für welche Anwendungsbereiche LCA in den Unternehmen zum Zeitpunkt der<br />

Umfrage und in Zukunft vorwiegend eingesetzt wird. Die mit Amarkierten Felder stehen für Werte >40%,<br />

Cfür


204 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Sehr häufig (zwischen 40% und 50%) gaben die Unternehmen an, dass ihre Produktökobilanzen<br />

in Zusammenarbeit mit externen <strong>St</strong>ellen - Forschungsinstituten oder<br />

Beratungsunternehmen – erstellt werden.<br />

Nach den Hindernissen einer weiteren Verbreitung von LCA befragt, nannten die<br />

Unternehmen am häufigsten „results are disputable“: 40% in Deutschland und der<br />

Schweiz, 50% in Schweden und 60% in Italien. Allgemeine methodische Probleme<br />

wurden am zweithäufigsten (25% in CH bis 40% in D, I, S) angeführt und erst an vierter<br />

<strong>St</strong>elle folgten die Kosten. Hier wurden grosse Unterschiede zwischen den Ländern<br />

festgestellt: 10% in Schweden, bis knapp 40% in der Schweiz. Die Frage, ob<br />

Schwierigkeiten in der Kommunikation der Resultate an das Management ein Hindernis<br />

darstellen würde, beantworteten angesichts der (wissenschaftlichen) Komplexität von<br />

Ökobilanzen erstaunlich wenige: 10% in Deutschland bis 20% in Schweden und Italien.<br />

Die Resultate von LCA können nach Ansicht der Antwortenden offenbar gut vermittelt<br />

werden.<br />

70%<br />

60%<br />

61%<br />

CH<br />

D<br />

I<br />

50%<br />

44%<br />

42%<br />

47%<br />

S<br />

40%<br />

36%<br />

37%<br />

30%<br />

27%<br />

28% 28%<br />

20%<br />

19%<br />

12%<br />

10%<br />

0%<br />

7%<br />

5%<br />

5%<br />

2%<br />

0%<br />

Yes No Do not know Not answered<br />

Abbildung 6.12: Führen Produktökobilanzen zu überraschenden Erkenntnissen<br />

Grosse Differenzen ergaben sich in Bezug auf die Frage, ob LCA zu überraschenden<br />

Erkenntnissen geführt haben: Nur 27% der Antwortenden aus der Schweiz bejahten<br />

dies, während der entsprechende Wert in Schweden bei 36% und in Deutschland bei<br />

42% (bei 19% Nicht-Antwortenden) lag. In Italien bejahten 44%, wobei 28% mit „do not<br />

know“ antworteten. Dabei gilt es nach Ansicht der Autoren zu beachten, dass die<br />

Teilnehmenden aus Italien zum Zeitpunkt der <strong>St</strong>udie erst über wenig Erfahrung mit LCA


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 205<br />

verfügten. 363 Zudem ist die entsprechende <strong>St</strong>ichprobe mit 18 Unternehmen im Vergleich<br />

zu den anderen Ländern sehr klein.<br />

Zur zukünftigen Nutzung von LCA in ihren Unternehmen befragt, zeigten sich die<br />

Befragten mehrheitlich überzeugt, dass die Produktökobilanzierung intensiviert werde<br />

(Schweden 60%, D,CH,I, 50%). Mit „Nein“ antworteten lediglich die Teilnehmenden aus<br />

der Schweiz in markant hoher Zahl: 23% im Vergleich zu 0% in Italien, 8% in<br />

Deutschland und 10% in Schweden. 364 Die Autoren schliessen aus dem Gesamtbild der<br />

Antworten, dass die LCA-Anwendenden in Schweden bezüglich einer weiteren<br />

Verbreitung der Methodik am zuversichtlichsten sind. 365<br />

Diese <strong>St</strong>udie vermittelte erstmals detaillierte Einsichten zur Anwendung und Beurteilung<br />

von Ökobilanzen in Unternehmen. Nicht Gegenstand der Untersuchung war hingegen<br />

die konkrete Ausgestaltung der Methodik.<br />

6.2.10 Fazit: Die empirische Forschung lässt zentrale Fragen offen<br />

Unsere Bestandesaufnahme verfügbarer Untersuchungen zur Anwendung und<br />

Beurteilung von Ökobilanzen in der Wirtschaft konzentrierte sich auf die Anwendung<br />

der Methodik auf Produkte. Sie offenbart, dass eine fundierte quantitative Forschung in<br />

diesem Bereich bislang weitgehend aussteht. Nur eine <strong>St</strong>udie befasste sich detailliert<br />

mit der Anwendung von Produktökobilanzen in Unternehmen, ohne dabei jedoch die<br />

konkrete Ausgestaltung der eingesetzten Methoden quantitativ zu erfassen. Verschiedene,<br />

ausgestaltungsabhängige Faktoren – nationaler Kontext, Branchenzugehörigkeit,<br />

Unternehmensgrösse, vorhandene Erfahrung oder eingesetzte Hilfsmittel<br />

(Datenbanken, etc.) - dürften jedoch die Beurteilung von Nutzen und Hindernissen<br />

massgeblich beeinflussen. Zudem liegen keine Informationen darüber vor, in welchen<br />

Ausprägungsformen die Methodik letztlich angewendet wird. Die Anzahl Indikatoren,<br />

der Einsatz von <strong>St</strong>andard-Ökoinventaren, die Beurteilung anhand von Wirkungskategorien<br />

oder Gewichtungsmethoden –ist für die Komplexität, den Aufwand und den<br />

Nutzen aber sicherlich von grosser Bedeutung. Insofern lässt diese - bislang<br />

umfassendste quantitative -<strong>St</strong>udie zur Anwendung der Produktökobilanzierung wichtige<br />

Fragen offen. Einige der Ergebnisse sind insofern zu hinterfragen, insbesondere wenn<br />

grosse Unterschiede zwischen den Ländern festgestellt werden.<br />

Ebenfalls mit diesen Vorbehalten sind die anderen Erhebungen behaftet: sie waren<br />

jeweils auf ein anderes Erkenntnisinteresse gerichtet –insbesondere auf die Gestaltung<br />

von Umweltmanagementsystemen –und verwendeten Ökobilanz als ein <strong>St</strong>ichwort ohne<br />

363<br />

Frankl/Rubik, 1998, S. 36.<br />

364<br />

Dass die Verfasser der <strong>St</strong>udie daraus den Schluss ziehen, diese 23% der Antwortenden aus der<br />

Schweiz rechneten mit einer Abnahme der Aktivitäten in ihren Unternehmen, erscheint uns jedoch unzulässig:<br />

ein Nein auf die Frage, ob eine Zunahme erwartet werde lässt keine solche Schlussfolgerung<br />

zu. Vielmehr ist mit einer <strong>St</strong>agnation oder einer Reduktion zu rechnen.<br />

365<br />

Frankl/Rubik, 1998, S. 37.


206 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

genaue Begriffsbestimmung oder Abgrenzung. Immerhin erlauben sie zumindest<br />

Rückschlüsse zur Diffusion und Bedeutung der Methodik in verschiedenen Kontexten<br />

zu ziehen.<br />

Dabei wird deutlich, dass Produktökobilanzen bislang wenig Verbreitung gefunden<br />

haben –unabhängig davon, ob die Befragung auf spezifisch umweltengagierte Unternehmen<br />

oder eine möglichst repräsentative <strong>St</strong>ichprobe abzielte. Da wir annehmen<br />

müssen, dass die Daten in allen <strong>St</strong>udien dadurch verzerrt werden, dass sich vor allem<br />

engagierte Unternehmen, resp. Unternehmen mit Interesse an der Forschung zu<br />

Umweltmanagement und verwandten Themen aktiv beteiligen, dürften sie die<br />

Verbreitung gar noch überschätzen. Die ermittelten Prozentwerte dürfen also nicht auf<br />

die angefragte Grundgesamtheit übertragen werden. Dies verstärkt den Befund, dass<br />

LCA bislang nur in wenigen Unternehmen Anwendung findet. Der Anteil produktökobilanzierender<br />

Unternehmen dürfte bezogen auf die gesamte Industrie in den<br />

betrachteten Ländern unterhalb von 1% liegen.<br />

Für die Schweiz stehen verschiedene Werte zu unterschiedlichen <strong>St</strong>ichproben mit<br />

hohem Anteil von spezifisch umweltengagierten Unternehmen und zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten zur Verfügung. Die Werte bewegen sich hier zwischen 30%<br />

(Baumast/Dyllick; 2001), 25% (Baumast/Dyllick; 1998) und den unscharfen 33% von<br />

Hamschmidt (5% „weitgehend“, 28% „ansatzweise“; 1999). Betrachtet man die<br />

absoluten Zahlen, so sind es jeweils zwischen 44 (Frankl/Rubik; 1998), 45<br />

(Baumast/Dyllick; 2001), 52 (Hamschmidt; 1999) und 68 Unternehmen<br />

(Baumast/Dyllick; 1998). Es ist nicht bekannt, wie hoch der Anteil von in mehreren<br />

dieser <strong>St</strong>ichproben enthaltenen Unternehmen ist. Wir vermuten jedoch, dass grosse<br />

Überschneidungen bestehen und wagen deshalb die These, dass in der Schweiz<br />

insgesamt weniger als 100 Unternehmen Produktökobilanzen einsetzen.<br />

Einzig für Japan liegt eine sehr grosse <strong>St</strong>ichprobe vor. Zudem lassen auch die anderen<br />

angeführten <strong>St</strong>udien auf eine sehr hohe Bekanntheit der Methodik in der Wirtschaft<br />

schliessen. Die <strong>St</strong>udie von IGES belegt, dass mindestens 10% aller börsenkotierten<br />

Unternehmen angeben, über LCA-Erfahrung zu verfügen; in der entsprechenden<br />

<strong>St</strong>ichprobe waren es über 20% der produzierenden Unternehmen bei einem Rücklauf<br />

von über 45%. In absoluten Zahlen sind das mindestens 235 börsenkotierte Unternehmen.<br />

Nur wenige der Befragten gaben an, LCA nicht zu kennen. Dies obwohl in der<br />

<strong>St</strong>ichprobe 50% der Antwortenden angaben, über kein Umweltmanagementsystem zu<br />

verfügen. Zieht man in Betracht, dass in Japan bereits mehr als 12'000 Unternehmen<br />

über eine ISO 14001 Zertifizierung verfügen, so ist zu vermuten, dass neben den<br />

befragten börsenkotierten auch einige der mindestens 10'000 Zertifizierten ohne<br />

Börsenkotierung über LCA-Erfahrung verfügen.<br />

Einige der angeführten <strong>St</strong>udien stellten die Frage nach den in Zukunft geplanten<br />

Aktivitäten im Bereich Ökobilanzierung. Es zeigte sich jeweils, dass die Befragten<br />

verschiedener <strong>St</strong>ichproben die Erwartung äusserten, dass LCAs zukünftig eine deutlich


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 207<br />

höhere Bedeutung zukommen würde. <strong>St</strong>ellte man diese Antworten jedoch den<br />

Erwartungen zu den anderen abgefragten Umweltmassnahmen gegenüber, so<br />

relativierte sich dieser Befund deutlich: Produktökobilanzen fanden sich auch in den<br />

Erwartungen jeweils am unteren Ende der Skala. Eine Ausnahme bildete der Befund<br />

von Tarara der bei LCA als auch Betriebsökobilanzen auf eine deutliche Aufwertung<br />

schliessen liess. Allerdings datiert die Umfrage von 1995 und fand damit in einer Zeit<br />

statt, in der Ökobilanzen in Wissenschaft und Politik sehr prominent diskutiert wurden.<br />

Betrachten wir die Resultate der <strong>St</strong>udien unter Einbezug ihres Durchführungszeitpunkts,<br />

so kann nicht gefolgert werden, dass die Erwartungen einer höheren Verbreitung von<br />

LCA tatsächlich eingetroffen sind.<br />

6.3 <strong>St</strong>and der Ökobilanzierung in der Schweiz 2004<br />

Unsere eigene Umfrage unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den bisher<br />

durchgeführten Erhebungen: sie zielt insbesondere darauf ab, die Ausgestaltung der<br />

konkreten Anwendung von Ökobilanzen zu erfassen. Neben Produktökobilanzierung<br />

interessiert uns insbesondere auch die Anwendung der Methodik auf Unternehmen, da<br />

hierzu bislang keine systematischen Untersuchungen vorliegen. Die Beurteilung durch<br />

die Anwendenden soll differenziert nach einzelnen methodischen Elementen bestimmt<br />

werden.<br />

6.3.1 Vorgehen, Umfang und <strong>St</strong>ichprobe<br />

Die Umfrage zielte nicht darauf ab, ein repräsentatives Bild zur Verbreitung von Ökobilanzen<br />

in der Schweiz zu gewinnen. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass sie<br />

gering ist. Wir konzentrieren uns deshalb auf umweltengagierte Unternehmen einerseits<br />

sowie börsenkotierte Unternehmen. Von den rund 1'100 ISO 14001 Zertifizierten<br />

wurden zufällig 500 aus der deutschsprachigen Schweiz ausgewählt und per email zur<br />

Teilnahme eingeladen. Zudem wurden 169 an der SWX kotierte Unternehmen (ohne<br />

Beteilligungsgesellschaften) mit Sitz in der Schweiz angeschrieben. Die Teilnehmenden<br />

erhielten einen persönlichen Zugang zum ihrem personalisierten online-Fragebogen.<br />

Der Fragebogen umfasste insgesamt 20 Seiten und 105 Fragen, wobei die Befragten<br />

aufgrund ihrer Antworten gezielt durch den Fragebogen geführt wurden.<br />

Der Fragebogen wurde einer Reihe von Ökobilanz-Experten, u.a. des BUWAL, des<br />

Beirats des LCA Forums ETHZ/EPFL, der Schweizerischen Vereinigung für ökologisch<br />

bewusste Unternehmungsführung ÖBU, der Beratung- und Softwareunternehmung<br />

sinum AG und den TK 174 ISO-Delegierten für das TC 207 SC 5zur <strong>St</strong>ellungnahme<br />

vorgelegt.<br />

Konkrete Anregungen von Arthur Braunschweig (ÖBU/E2 Management Consulting AG),<br />

Kurt Buxmann (Vorsitzender TK174/Alcan AG) sowie Martin Kilga (sinum AG) flossen in


208 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

den Fragebogen ein. Die online-Version wurde schliesslich durch 2Ökobilanz-Experten<br />

der sinum AG sowie zwei befreundete Laien getestet.<br />

Die Umfrage konnte unter dem Patronat des LCA Forum ETHZ&EPFL, der ÖBU sowie<br />

des TK 174 durchgeführt werden. Die Firma Information Factory stellte freundlicherweise<br />

die Software Con@xt zur webbasierten Befragung sowie technische Unterstützung<br />

bei der Durchführung zur Verfügung. 366<br />

Die Befragung wurde in vier Themenbereiche gegliedert:<br />

Teil A: Allgemeine Fragen zum Umweltengagement des Unternehmens<br />

Teile B+C: Ausgestaltung, Einsatz und Nutzen von unternehmensbezogenen <strong>St</strong>off -<br />

und Energiebilanzen<br />

Teile D + E: Ausgestaltung, Einsatz und Nutzen von Produktökobilanzen<br />

Teil S: <strong>St</strong>atistische Angaben<br />

Von den 500 angeschriebenen ISO 14001 Zertifizierten haben 196 an der Befragung<br />

teilgenommen, was einem Rücklauf von 39% entspricht. Von den 169 Börsenkotierten<br />

nahmen 50 Unternehmen teil, entsprechend einem Rücklauf von 29.5%. Insgesamt<br />

haben 240 Unternehmen teilgenommen, was einem Rücklauf von 36.8% entspricht.<br />

Die spezifischen und detaillierten Fragen zur unternehmungsbezogenen Bilanzierung in<br />

Teil C+Dwurden von 73 Teilnehmenden ausgefüllt, die entweder CO 2 -,VOC-, Input-<br />

Output-Bilanzen oder wirkungsorientierte, resp. gewichtete Umweltbilanzen einsetzten.<br />

Die spezifischen und detaillierten Fragen zur Produktökobilanzierung in den Teilen E+<br />

F füllten 27 Unternehmen aus.<br />

Die Auszählungen zu den einzelnen Fragen sind gesamthaft und in der abgefragten<br />

Reihenfolge im Anhang enthalten. Wir diskutieren nachfolgend ausgewählte Resultate<br />

mit besonderer Relevanz für unsere <strong>St</strong>andortbestimmung.<br />

366<br />

Siehe www.information-factory.com.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 209<br />

6.3.2 Resultate der allgemeinen Befragung<br />

6.3.2.1 Charakterisierung der <strong>St</strong>ichprobe<br />

Die teilnehmenden Unternehmen verfügten zu fast 90% über Erfahrungen mit ISO<br />

14001 Umweltmanagementsystemen, wobei 30% der Zertifizierten dieses schon vor<br />

mehr als 6 Jahren und 50% vor mindestens 2 bis maximal 4 Jahren erstmals der<br />

externen Prüfung unterzogen haben.<br />

100%<br />

80%<br />

0.4 1.3 4.2 5.9<br />

0.0 0.0 3.2<br />

21.3 13.0<br />

22.2 35.7<br />

48.4<br />

60.1<br />

48.2<br />

9.9 11.3<br />

3.6<br />

18.4<br />

32.1<br />

4.5 1.8 1.8 4.1<br />

27.4<br />

23.1<br />

18.1<br />

52.4<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

46.7<br />

4.4<br />

56.4<br />

20.9<br />

56.3<br />

26.5<br />

52.5<br />

19.5<br />

58.9<br />

36.8<br />

5.4 3.1<br />

36.9<br />

11.7<br />

40.8<br />

30.9<br />

52.9<br />

39.9 55.2<br />

28.3<br />

19.9<br />

38.7<br />

7.1<br />

47.1<br />

30.8<br />

Kunden<br />

Lieferanten<br />

Handel<br />

Mitbewerber<br />

Mitarbeiter<br />

Management<br />

Eigentümer<br />

Banken/Versich.<br />

Gewerkschaften<br />

Umweltschutzorg.<br />

Lok. Bevölkerung<br />

Behörden<br />

Presse/Medien<br />

Abbildung 6.13: Ökologische Ansprüche der stakeholder<br />

Gar nicht Wenig <strong>St</strong>ark Weiss nicht<br />

15% der Antwortenden Personen beschäftigen sich bereits seit mehr als 10 Jahren,<br />

27% seit mindestens 6 und weitere 41% seit mindestens 2 Jahren mit Umweltmanagement.<br />

Die <strong>St</strong>ichprobe ist also bezüglich Erfahrung in Fragen des Umweltmanagements<br />

von sehr hoher Qualität.<br />

Die <strong>St</strong>ichprobe bildet die Grundgesamtheit der ISO 14001 Zertifizierten Unternehmen<br />

nicht repräsentativ, aber dennoch in der Tendenz recht gut ab: Dies trifft insbesondere<br />

für die Baubranche (12.5%), die Maschinenindustrie (7.5%), Transport und Logistik<br />

(6.3%), Lebensmittel (5.4%), Druck und Papier/Karton (5.4%) und Handel (5%) zu.<br />

Unterdurchschnittlich vertreten waren die Elektro- (7.5%) und Metallindustrie (4.2%)


210 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

sowie der Entsorgungssektor. Hingegen weist die <strong>St</strong>ichprobe überdurchschnittlich viele<br />

Antworten aus Banken und Versicherungen (6.3%) sowie Chemie und Pharma (7.5%)<br />

auf. 367<br />

Weniger repräsentativ sind die Antworten bezogen auf die Unternehmungsgrösse:<br />

Betriebe mit 1 - 50 Mitarbeitenden machen 43% der Zertifizierten, aber nur 22% unserer<br />

<strong>St</strong>ichprobe aus. Grosse Unternehmen mit mehr als 500 (21.2%) sowie mit mehr als<br />

5'000 Mitarbeitenden (11.4%) sind deutlich überdurchschnittlich repräsentiert. Dies ist<br />

auf den hohen Anteil von 37.8% börsenkotierter Unternehmen an der <strong>St</strong>ichprobe<br />

zurückzuführen.<br />

Diejenigen Unternehmen aus der <strong>St</strong>ichprobe, die sich starken ökologischen<br />

Ansprüchen gegenübersehen, verorten diese vor allem beim eigenen Management<br />

oder den Eigentümern, seitens der Behörden oder Kunden. Weniger stark werden<br />

Ansprüche seitens der Gewerkschaften, der Presse, den Umweltorganisationen oder<br />

dem Handel empfunden.<br />

6.3.2.2 Verbreitung von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />

Von den 240 Befragten erstellen rund 75% irgendwelche Arten von <strong>St</strong>off-, und/oder<br />

Energiebilanzen: rund 48% bezogen auf das Unternehmen, 23% sowohl für das<br />

Unternehmen als auch für Produkte. Die Frage lautete: „Werden in Ihrem Unternehmen<br />

<strong>St</strong>offbilanzen (z.B. für VOC oder CO 2 ), Input-Output-Bilanzen, Energiebilanzen oder<br />

Ökobilanzen eingesetzt“<br />

Unternehmungsund<br />

produktbezogen<br />

22.9%<br />

Nein<br />

24.6%<br />

Produktbezogen<br />

4.6%<br />

Unternehmungs<br />

bezogen<br />

47.9%<br />

Abbildung 6.14: Einsatz von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />

367<br />

Als Vergleichsbasis dient die vom IWOE-HSG unter www.iwoe.unisg.ch publizierte Liste aller Zertifizierten<br />

<strong>St</strong>and Dezember 2003, bereinigt um Nicht-Unternehmen (öffentliche Verwaltung, etc.).


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 211<br />

Von den unternehmungsbilanzierenden Antwortenden sind lediglich 5% weder ISO<br />

14001 zertifiziert noch auf dem Weg dazu. Bei den produktökobilanzierenden<br />

Unternehmen liegt dieser Anteil immerhin bei 12 %. Ein Vergleich mit der <strong>St</strong>ruktur der<br />

<strong>St</strong>ichprobe zeigt zudem, dass börsenkotierte Unternehmen überproportional stark in der<br />

Gruppe der Produktökobilanzierenden vertreten sind, während ihr Anteil an den<br />

unternehmungsbezogen Bilanzierenden mit ihrem Anteil an der <strong>St</strong>ichprobe<br />

übereinstimmt.<br />

6.3.2.3 Bekanntheit und Einfluss der ISO Normen<br />

Von besonderem Interesse war die Frage, ob den Befragten die ISO Normen der<br />

14000 Reihe bekannt sind und ihre Arbeit beeinflusst haben.<br />

Dies ist im Falle der Umweltmanagement-Norm ISO 14001 durchwegs der Fall: 80%<br />

gaben hierzu eine positive Antwort, unter den Zertifizierten sind es 96%.<br />

90%<br />

88.3%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

20.4%<br />

17.9%<br />

12.5%<br />

7.5%<br />

0%<br />

14001-<br />

14004<br />

14010-<br />

14012<br />

14040-<br />

14043<br />

14031-<br />

14032<br />

14020-<br />

14025<br />

Abbildung 6.15: Einfluss von ISO Normen auf die Arbeit der Befragten<br />

Bei den anderen Normen ergibt sich ein differenzierteres Bild: Zwar verpflichten sich die<br />

Zertifizierten zur Verbesserung der Umweltleistung, die entsprechenden Normen ISO<br />

14031/14032 sind aber von geringer Bedeutung: nur 12.5% der <strong>St</strong>ichprobe bejahten<br />

einen Einfluss auf ihre Arbeit. Selbst diejenigen Unternehmen, welche Umweltkennzahlen<br />

verwenden, messen dieser Norm mit 20% keine grosse Bedeutung zu.<br />

Die Normen zur Umweltkennzeichnung von Produkten –unter anderem TR 14025 –<br />

erhielten die geringste Auszeichnung für ihren Einfluss auf die Befragten: nur 7.5%


212 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

stellen einen solchen fest. Es zeigte sich kein Unterschied, ob die Unternehmen exportoder<br />

binnenmarktorientiert waren. Hingegen bestand ein klarer Zusammenhang mit der<br />

Unternehmungsgrösse: Befragte mit mehr als 5000 Mitarbeitenden erkannten zu 20%<br />

einen Einfluss, bei den anderen Unternehmen sinkt der Wert von 8% bis auf 2% ab.<br />

Bei Personen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit Umweltkommunikation, resp.<br />

Produktökologie wahrnehmen lag die Quote bei geringen 12%, resp. 13%. Von den<br />

Produktökobilanzierenden gaben ebenfalls nur 15% an, die Norm sei Ihnen bekannt,<br />

resp. habe Einfluss auf ihre Arbeit.<br />

Die Normen zur Produktökobilanzierung – ISO 14040ff – sind mit 17.9% an der<br />

Gesamtstichprobe ebenfalls von geringer Bedeutung. Selbst bei der Gruppe Produktökobilanzierender<br />

ergab sich ein geringer Wert von 29%.<br />

Hingegen konnte ein deutlicher Zusammenhang zur Erfahrung der Befragten<br />

beobachtet werden: die erst seit relativ wenigen Jahren (0-2 J.: 5% /2-5 J.: 11%) mit<br />

Umweltfragen beschäftigten Personen unterscheiden sich deutlich von denjenigen, die<br />

bereits mehr als 6 Jahre Erfahrung ausgewiesen haben (6-10 J.: 30% / >10 J.: 32%).<br />

Ebenfalls deutlich ist der Zusammenhang zwischen Unternehmungsgrösse und<br />

Bedeutung: 40% der Unternehmen mit mehr als 5'000 und 33% der antwortenden<br />

Unternehmen mit 501 -5'000 Mitarbeitenden kennen die Norm, resp. gaben an, dass<br />

sie ihre Arbeit beeinflusst. Bei den kleineren Unternehmen liegt der Wert mit 13% (51 -<br />

500) und 4% (1 - 50 Mitarbeitende) deutlich niedriger.<br />

6.3.2.4 Arten von <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen und ihre Beurteilung<br />

Den Teilnehmenden die angaben unternehmungsbezogene Bilanzen zu verwenden,<br />

wurde eine (Mehrfach-)Auswahl verschiedener Methoden unterbreitet. In einem zweiten<br />

Schritt hatten sie den Zeitpunkt des Einsatzes zu deklarieren und schliesslich in einem<br />

dritten Schritt die wirksamste Methode anzugeben. Als „wirksam“ wurde in den<br />

Erläuterungen zur Frage der „Lerneffekt/Erkenntnisgewinn, resp. Einfluss auf Inhalt und<br />

Ausrichtung des UMS und des darin geforderten kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“<br />

definiert.<br />

Es zeigt sich, dass Energiebilanzen in fast 70% der unternehmungsbezogen<br />

bilanzierenden Unternehmen zur Anwendung kommen. Sie wurden in über 30% der<br />

Unternehmen bereits länger als 5Jahre eingesetzt und damit häufig schon vor der ISO<br />

14001 Zertifizierung. Nur 11% der Zertifizierten verfügen über keine Energiebilanz. Für<br />

20% der Antwortenden ist diese Methode die wirksamste.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 213<br />

Abbildung 6.16: Einsatz und Beurteilung verschiedener Bilanzierungsarten<br />

Input-Output-Bilanzen werden von rund 65% der Befragten eingesetzt und von 71% der<br />

Zertifizierten. Sie bestand nur in wenigen Fällen längere Zeit vor einer Zertifizierung und<br />

wird von 24% als das wirksamste Instrument bezeichnet. Hier erscheint der Einfluss des<br />

UMS-Aufbaus erkennbar – dies obwohl die Norm nicht explizit eine solche Bilanz<br />

erfordert.<br />

Emissionsstatistiken sind bei 48.3% der unternehmungsbezogen Bilanzierenden im<br />

Einsatz und für 8.1% das wirksamste Instrument. Die Methodik zählt nicht wirklich zu<br />

den Bilanzierungsarten, da jeweils nur Outputs ohne Einbezug der Inputs erfasst<br />

werden. Ähnlich wie bei der Energiebilanzierung lässt sich feststellen, dass Emissionsstatistiken<br />

häufig schon vor der Zertifizierung eingesetzt wurden.<br />

CO 2 -und VOC-Bilanzen sind unter den Antwortenden ebenfalls weit verbreitet (48.3%,<br />

37.6%). Bei CO 2 -Bilanzen zeigt sich, dass viele Unternehmen erst vor kurzem<br />

begonnen haben diese Emissionen und die zugrundeliegenden Inputs zu erfassen.<br />

Auch bei schon seit längerem zertifizierten Unternehmen (beispielsweise 1998 -2001)<br />

ist dieses Instrument in vielen Fällen erst vor 1 - 2 Jahren eingeführt worden (35%). Hier<br />

dürfte das CO 2 -Gesetz einen starken Einfluss ausüben, welches vorsieht, dass mittels


214 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

freiwilliger Vereinbarungen eine Befreiung von einer allenfalls einzuführenden CO 2 -<br />

Abgabe erwirken kann, wer den Nachweis seiner Zielerfüllung erbringen kann. 8.1%<br />

sehen in diesem Instrument das wirksamste.<br />

VOC-Bilanzen sind bereits heute für das Erreichen einer <strong>St</strong>euerbefreiung erforderlich.<br />

Wer nachweist, dass die eingekauften VOC nicht in die Umwelt gelangen, kann die<br />

bezahlte <strong>St</strong>euer zurückfordern. Je nach Branche ist die Erstellung solcher Bilanzen also<br />

ökonomisch attraktiv. Entsprechend erstellen auch 12 von 13 Chemie-, resp. Pharma-<br />

Unternehmen sowie 4 von 5 aus der Kunststoffindustrie sowie eine Mehrheit der<br />

Betriebe in den Branchen Druck/Karton/Papier, Maschinen sowie <strong>St</strong>ahl/ Metallverarbeitung<br />

solche Bilanzen. Sie wurden vor allem in der Zeit von 1998 - 2003<br />

eingeführt –also kurz nach Einführung der VOC-Abgabe. Für 5.4% sind VOC-Bilanzen<br />

das wirksamste Instrument.<br />

Umweltkennzahlen werden von 28.9% eingesetzt und stellen für 19.5% das wirksamste<br />

Instrument dar. Diese Kategorie ist allerdings wenig aussagekräftig, da der Begriff<br />

selbst unbestimmt ist.<br />

Die Einführung von Gefahrstoffbilanzen scheint jeweils zeitlich mit der Zertifizierung eng<br />

zusammen zu fallen. Rund 20% der Befragten setzen diese ein. Sie werden jedoch<br />

nicht als wirksam bezüglich Lerneffekt, resp. für die Ausrichtung des UMS erachtet.<br />

Umweltbilanzen, welche eine Input-Output-Bilanz sowie Methoden der Wirkungsanalyse<br />

oder Gewichtung umfassen, sind für uns von besonderem Interesse.<br />

Gewichtete Umweltbilanzen werden von 18.8% der <strong>St</strong>ichprobe verwendet und von 7.4%<br />

als wirksamste Methode taxiert, während Wirkungsbilanzen von 13.4% eingesetzt –<br />

aber nur von 2.7% als wirksamste Methode eingestuft werden.<br />

Es zeigt sich, dass Bewerteten Bilanzen (Wirkungsanalyse und/oder Gewichtung)<br />

schon überdurchschnittlich lange eingesetzt werden und bei den erst kürzlich<br />

zertifizierten Unternehmen jedoch nicht mehr besonders hervortreten. Diese<br />

Konstellation deutet darauf hin, dass sie einerseits nachhaltig -da über lange Zeit -<br />

eingesetzt werden. Anderseits werden sie immer weniger häufig neu eingeführt.<br />

Relativ zu den anderen Methoden werden gewichtete Umweltbilanzen überdurchschnittlich<br />

häufig als wirksamstes Instrument beurteilt.<br />

Umweltkostenrechnung wird von 16.1% der befragten unternehmungsbezogen<br />

Bilanzierenden eingesetzt, jedoch nur von 3.4% als wirksamste Methode genannt.<br />

Viele Unternehmen setzen mehrere der abgefragten Methoden ein: über ein Drittel<br />

sogar mehr als 5, knapp 75% mindestens 3und lediglich 12.8% setzen nur eine der<br />

genannten Methoden ein.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 215<br />

Methode und Jahr ISO-Zertifizierung<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

40.0%<br />

47.4%<br />

53.3%<br />

40.0%<br />

30%<br />

26.3%<br />

26.7%<br />

26.3%<br />

20%<br />

20.0%<br />

20.0%<br />

10%<br />

0%<br />

1995-<br />

1997<br />

1998-<br />

2001<br />

2002-<br />

2003<br />

Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />

Abbildung 6.17: Gruppen von Bilanzmethoden nach Zeitpunkt der Zertifizierung<br />

Für die detaillierte Befragung zur Ausgestaltung, Einsatz und Beurteilung (Teile C+D)<br />

wurden nur Unternehmen einbezogen, welche Schadstoffbilanzen (CO 2 -, VOC-, Gefahrstoffbilanzen),<br />

Input-Output-Bilanzen oder Bewertete Bilanzen (wirkungsorientierte oder<br />

gewichtete Umweltbilanzen) einsetzen. Zudem haben nicht alle entsprechenden<br />

Unternehmen den Detailfragebogen ausgefüllt. Die nachfolgenden Auswertungen<br />

beziehen sich also auf eine eingeschränkte <strong>St</strong>ichprobe (N=73).<br />

Wir betrachten zunächst diejenigen Fragen, welche für die Ausgestaltung und<br />

Beurteilung von unternehmungsbezogenen Bilanzen spezifisch sind. Danach werten wir<br />

die produktökobilanzspezifischen Merkmale aus, bevor schliesslich die für beide<br />

Anwendungsarten gleichsam relevanten Ergebnisse zusammen diskutiert werden.<br />

6.3.3 Auswertung unternehmungsspezifischer Aspekte<br />

6.3.3.1 Datenerfassung, Systemgrenzen, Auflösungsvermögen<br />

Die unternehmungsbezogene Bilanzierung von <strong>St</strong>offflüssen wird vorwiegend auf das<br />

Unternehmen als ganzes (61.1%) und/oder auf einzelne <strong>St</strong>andorte bezogen (41.1%).<br />

Eine weitere Differenzierung nach Abteilungen oder Prozessen ist wenig verbreitet (je<br />

5.5%). Das organisatorische Auflösungsvermögen ist also als gering zu bezeichnen.


216 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Vollständigkeit der Erfassung wird von 63% als hoch -entsprechend 80%-100% der<br />

relevanten <strong>St</strong>offe -eingestuft. 35% der Antwortenden geben an, dass die von ihnen<br />

erstellten Bilanzen zwischen 50%-79% der tatsächlichen Flüsse erfassen.<br />

Der Erhebungsrhythmus liegt in den meisten Fällen (75%) bei einem Jahr. Mit 17%<br />

erfasst dennoch eine beachtliche Anzahl ihre Bilanzen quartalsweise. In dieser Gruppe<br />

finden sich vorwiegend Input-Output-Bilanzen und CO 2 -Bilanzen, vereinzelt auch VOC<br />

und gewichtete Umweltbilanzen.<br />

Bilanzierungstools<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

53.3%<br />

68.2%<br />

66.7%<br />

53.3%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Keines dieser<br />

Tools<br />

25.0%<br />

9.1%<br />

6.7%<br />

<strong>St</strong>offluss-<br />

Diagramme<br />

20.0%<br />

13.6%<br />

8.3%<br />

11.1%<br />

13.3%<br />

5.6%<br />

6.7%<br />

6.7%<br />

2.8% 4.6% 4.6%<br />

0.0% 0.0%<br />

0.0%<br />

<strong>St</strong>offbilanz-<br />

Software<br />

<strong>St</strong>offstrom-<br />

Modellierung<br />

Ökobilanz-<br />

Software<br />

Energiebilanz-<br />

Software<br />

ERP-<br />

System<br />

13.6%<br />

11.1%<br />

0.0%<br />

Tabellenkalkulation<br />

Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />

Abbildung 6.18: Eingesetzte Hilfsmittel zur Erstellung der Bilanzen<br />

Die Erstellung der Bilanzen erfolgt zu 89% durch interne Teams, dass heisst eine reine<br />

Erstellung durch Berater erfolgt in 11% der Fälle. 23.3% der antwortenden Unternehmen<br />

ziehen einen Berater bei. Vereinzelt erfolgt die Erhebung im Rahmen einer<br />

Arbeitsgemeinschaft, resp. eines Verbands. Interessant ist hier eine gesonderte


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 217<br />

Betrachtung nach Bilanz-Methodik: Es zeigt sich, dass wirkungsorientierte und<br />

gewichtete Bilanzen (Bewertete Bilanzen) in 53% der Fälle durch und/oder in<br />

Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen erstellt werden und dass 25% dieser<br />

Gruppe die Bilanzierung allein durch Externe erstellen lassen. Die beiden anderen<br />

Gruppen (Schadstoffbilanzen, resp. Input-Output-Bilanzen) werden hingegen zu 91%,<br />

resp. 94% intern erstellt, wobei die Beratungsquote mit jeweils 18%, resp. 14%<br />

geringer ausfällt.<br />

Ein deutlicher Unterschied lässt sich auch bezüglich der eingesetzten Hilfsmittel<br />

feststellen: die Anwendenden der Gruppe Bewertete Bilanzen setzen deutlich häufiger<br />

spezifische Software ein und in 53% der Fälle kommt Ökobilanz-Software zum Einsatz.<br />

Unabhängig von der Bilanzierungsmethodik kommen mehrheitlich Tabellenkalkulations-<br />

Programme zur Anwendung, wobei in der Gruppe der Input-Output-Bilanzierenden in<br />

immerhin 25% der Unternehmen keines der genannten Hilfsmittel eingesetzt wird.<br />

Produktnutzung 2<br />

Rohmaterial/Halbfabrikate 4<br />

Zugekaufte Transporte 7<br />

Eigene Transporte 9<br />

Energiebereitstellung 9<br />

Abfallentsorgung 9<br />

N 12 von 71<br />

Abbildung 6.19: Berücksichtigte Elemente in erweiterten Systemgrenzen<br />

Abbildung 6.20 : Beurteilung des Nutzens erweiterter Systemgrenzen<br />

Von besondere Interesse für uns ist die Frage, ob die Unternehmen um Vor- oder<br />

Nachstufen erweiterte Systemgrenzen verwenden. Dies ist aber bei der dominierenden<br />

Mehrheit nicht der Fall: rund 80% der Bilanzen bezieht sich ausschliesslich auf den<br />

<strong>St</strong>andort, resp. das Unternehmen. Rund 12 -entsprechend 17% -der Antwortenden<br />

schliessen Elemente ausserhalb des Werkareals mit ein: davon lediglich 2<br />

Unternehmen die Nutzung ihrer Produkte oder 4 Unternehmen die Vorstufen der<br />

beschafften Materialien. 9 Unternehmen – entsprechend 12% der <strong>St</strong>ichprobe –


218 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

beziehen <strong>St</strong>offflüsse aus der Energiebereitstellung und/oder der Abfallentsorgung in<br />

ihre Betrachtung mit ein. Auch Transporte werden einbezogen. Es scheint, dass die -<br />

durch verfügbare Ökoinventare des BUWAL, resp. der ETH – wissenschaftlich<br />

fundierten Elemente häufiger einbezogen werden (Energie, Abfall, Transporte) als die<br />

häufig sehr heterogenen Materialien der Unternehmen.<br />

Nach dem Nutzen einer erweiterten Betrachtungsweise befragt, äusserten sich dennoch<br />

rund 37% der Befragten positiv, während rund 18% die Antwortmöglichkeit „Weiss<br />

nicht“ wählte. Das deutet darauf hin, dass diese noch keine Überlegungen dazu<br />

angestellt haben, jedoch nicht grundsätzlich dagegen eingestellt sind. Diese Einstellung<br />

scheint von der gewählten Bilanzierungsmethode unabhängig zu sein: es finden sich bis<br />

auf die Kategorien wirkungsorientierte, resp. gewichtete Umweltbilanzen jeweils<br />

ungefähr gleich viele Ja und Nein. Bei den beiden genannten Bilanzierungsarten ist die<br />

Einschätzung zum Nutzen erweiterter Systemgrenzen jedoch mit deutlicher Mehrheit<br />

positiv und es finden sich keine Weiss Nicht Antworten in diesen Kategorien.<br />

Das Auflösungsvermögen der Bilanzen –also die Anzahl Sachbilanz-Indikatoren wurde<br />

in zwei Schritten erfasst: zunächst wurde nach der Anzahl erfasster Indikatoren (Messdaten:<br />

beispielsweise Heizöl, Benzin, <strong>St</strong>ahl, etc.), danach nach der Anzahl<br />

ausgewerteter Indikatoren gefragt (beispielsweise <strong>St</strong>rom umgerechnet in Primärenergieträger).<br />

Dies jeweils getrennt für Inputs und Outputs. Eine grosse Differenz<br />

zwischen erfassten und ausgewerteten Indikatoren würde auf den Einsatz generischer<br />

Daten (Emissionsfaktoren, resp. Ökoinventare) schliessen lassen.<br />

Die Antworten zeigen, dass die Datenerfassung nur in wenigen Fällen 20 Input-<br />

Faktoren überschreitet (14%); einem Viertel der Bilanzen liegen zwischen 11 und 20<br />

erfasste Input-Indikatoren zugrunde. Ein Drittel erhebt zwischen 6und 10 und rund 26%<br />

zwischen 0und 5Inputs. Die Auswertung nach Input-Faktoren erfolgt dann mehrheitlich<br />

mit weniger als 50 Indikatoren (73.6%), während 13% der Sachbilanz Input-seitig über<br />

mehr als 51 Indikatoren ausweisen. Das lässt darauf schliessen, dass Input-seitig<br />

generische Daten zur Umrechnung nur selten zur Anwendung kommen.<br />

Bei den Output-Indikatoren zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei hier differenzierter nach<br />

ausgewerteten Output-Indikatoren gefragt wurde: Etwas über ein Drittel der<br />

Unternehmen erfasst 0–5Outputs und wertet auch entsprechend aus, das trifft auch<br />

für ein knappes zweites Drittel zu, deren Sachbilanzen ein Auflösungsvermögen<br />

zwischen 6–10 Outputs auf der Erfassungs- wie auch auf der Auswertungsebene<br />

aufweist. Output-seitig sind die Sachbilanzen aber tendenziell umfassender: Ein Drittel<br />

erfasst mehr als 11 Indikatoren, davon wiederum ein Drittel mehr als 20 (entsprechend<br />

12.5% der <strong>St</strong>ichprobe).


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 219<br />

Abbildung 6.21: Erfasste und ausgewertete Output-Indikatoren<br />

Betrachtet man die jeweilige Branche, so zeigt sich kein besonders starker<br />

Zusammenhang mit dem Auflösungsvermögen der ausgewerteten Output-Indikatoren:<br />

In allen Branchen finden sich Nennungen in mindestens drei der zur Auswahl<br />

stehenden Kategorien, bei insgesamt wenigen Fällen pro Branche. Dies trifft nur für die


220 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Banken und Versicherungen nicht zu (die zwei ersten Kategorien) sowie Kunststoffe<br />

(die ersten zwei Kategorien). Eine gewisse Tendenz ergibt sich allenfalls beim Bau- &<br />

Baunebengewerbe mit 6von 8in der ersten Kategorie (0-5 Outputs) sowie den Banken<br />

und Versicherungen (4 von 5 in Kategorie 6-10).<br />

Ausgewertete Output-Indikatoren 0 - 5 6 - 10 11 - 50 51 - 100 Weiss nicht<br />

VOC-Bilanz 4 3 1 0 0<br />

CO2-Bilanz 7 2 0 0 1<br />

Gefahrstoffbilanzen 0 0 2 0 0<br />

Input-Output-Bilanz 14 11 5 2 4<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz 1 2 1 0 0<br />

Bewertete Umweltbilanz 1 5 2 2 1<br />

71 27 23 11 4 6<br />

Abbildung 6.22: Anzahl ausgewertete Output-Indikatoren nach Bilanzmethoden<br />

Mit 51 –100 ausgewerteten Outputs bei 11.1% der Bilanzierenden verfügt dennoch ein<br />

gewisser Anteil über recht hoch aufgelöste Output-seitige Sachbilanzen. Es kann<br />

angenommen werden, dass hier Ökoinventare zur Anwendung kommen.<br />

Erwartungsgemäss besteht ein Zusammenhang mit der Art der Bilanzierung.<br />

Es zeigt sich, dass Input-Output-Bilanzen häufig mit einem eher geringen Outputseitigen<br />

Auflösungsvermögen erstellt werden.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 221<br />

6.3.3.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung<br />

83.6%<br />

65.8%<br />

Umweltleistungsmessung<br />

Risiko-Management<br />

Interne Kommunikation<br />

Externe Kommunikation<br />

Identifikation Umweltbelastungstreiber<br />

Identifikation Umweltkostentreiber<br />

Externes Benchmarking<br />

Marketing<br />

Anderes<br />

61.6%<br />

53.4%<br />

45.2%<br />

43.8%<br />

37.0%<br />

31.5%<br />

30.1%<br />

26.0%<br />

21.9%<br />

13.7%<br />

1.4%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Abbildung 6.23: Zweck der unternehmungsbezogenen Bilanzen<br />

Die Bilanzen werden erwartungsgemäss vorwiegend für wichtige Funktionen des UMS eingesetzt. Dabei<br />

kommen für die genannten Zwecke jeweils alle Arten von Bilanzen zur Anwendung.


222 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Eine leichte Differenzierung ergibt sich bei den Schadstoffbilanzen: So werden VOCund<br />

Gefahrstoffbilanzen von den Anwendenden besonders deutlich dem Zweck der<br />

Gesetzeseinhaltung zugeordnet, (VOC: 6von 8/Gefahrstoff 2von 2). CO 2 -Bilanzen<br />

wurden besonders deutlich dem Risikomanagement (9 von 12) zugeordnet. Ebenfalls<br />

eine Differenzierung ergab sich bei den gewichteten Bilanzen: Sie wurden besonders<br />

einhellig der Umweltleistungsmessung zugeordnet (11 von 11) und fanden zudem –im<br />

Vergleich zu den anderen Methoden -häufig für die interne und externe Kommunikation<br />

Erwähnung (7 von 11).<br />

2.8 5.6<br />

42.3<br />

49.3<br />

3.1<br />

30.8<br />

41.5<br />

24.6<br />

Einkauf & Beschaffung<br />

Produktion<br />

Forschung & Entwicklung<br />

Marketing & Verkauf<br />

Finanz- & Rechnungswesen<br />

Personalwesen<br />

4.5 40.9<br />

6.2 30.8<br />

20.4<br />

6.8<br />

44.4<br />

42.9<br />

Abbildung 6.24: Nutzung der Bilanzen in den Funktionsbereichen<br />

31.8<br />

44.6<br />

29.6<br />

31.5<br />

50.8<br />

28.8<br />

40.7<br />

37.5<br />

21.2 1.5<br />

18.5<br />

11.1 7.4<br />

6.8 6.8<br />

1.9<br />

5.6 7.4<br />

1.8<br />

10.7 7.1<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />

Die Frage, wer im Unternehmen wie intensiv mit den Bilanzen arbeitet, zeigt deutlich,<br />

dass vorwiegend die Fachstelle Umwelt sowie das Management und die Produktion als<br />

ständige oder häufige Anwendende genannt werden.<br />

Von den verschiedenen Methoden wird die CO 2 -Bilanzierung relativ häufig im Marketing<br />

eingesetzt. Ansonsten zeigen sich keine nennenswerten methodenspezifischen<br />

Differenzierungen, dass heisst die Fälle verteilen sich bei allen Methoden in etwa gleich.<br />

Neben dem Zweck und der Nutzung in den Funktionsbereichen interessiert uns der<br />

Grad der Institutionalisierung der Bilanzen. Anhand von drei vorgegebenen Profilen -


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 223<br />

die wir in Anlehnung an die Typologie von Frankl 368 charakterisiert haben - war zu<br />

beschreiben, wie stark die Methoden organisatorisch verankert sind. Die drei Phasen<br />

wurden wie folgt beschrieben:<br />

- <strong>St</strong>artphase / Innovation<br />

<strong>St</strong>off- und Energiebilanzen sind relativ neue Instrumente. Sie werden von<br />

Spezialisten in einem begrenzten Teilbereich der Unternehmung angewendet.<br />

Die Projekte haben Pilotcharakter und nur wenige Personen sind eingebunden.<br />

- Lernphase / Adaption<br />

<strong>St</strong>off - und Energiebilanzen werden von einer steigenden Zahl von Personen<br />

und in verschiedenen Teilbereichen der Unternehmung eingesetzt. Die<br />

Instrumente werden verfeinert und auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten.<br />

- Routine / Integration<br />

<strong>St</strong>off - und Energiebilanzen sind in verschiedene Entscheidungsprozesse<br />

integriert, haben einen hohen <strong>St</strong>and (Erfassungstiefe/Vollständigkeit) erreicht und<br />

werden von Linienverantwortlichen routinemässig eingesetzt.<br />

Routine /<br />

Integration<br />

23.6%<br />

<strong>St</strong>artphase /<br />

Innovation<br />

19.4%<br />

Lernphase /<br />

Adaption<br />

56.9%<br />

Abbildung 6.25: Institutionalisierungsgrad unternehmungsbezogener Bilanzierung<br />

Die Mehrheit der bilanzierenden Unternehmen ordnet ihre Aktivitäten der Lernphase<br />

und Adaption zu, während rund ein Viertel der Antwortenden angibt, dass Bilanzen in<br />

ihrem Unternehmen weitgehend institutionalisiert sind. Dabei ist interessant zu<br />

beobachten, dass der Institutionalisierungsgrad einiger Unternehmen, welche Bilanzen<br />

schon seit mehr als 5 Jahren einsetzen noch immer der <strong>St</strong>art- oder Lernphase<br />

zugeordnet werden. Das deutet darauf hin, dass der <strong>St</strong>ellenwert der Methoden<br />

stagniert, der wahrgenommene Nutzen für eine weitergehende Integration nicht<br />

ausreicht oder mag auch ein Indiz für eine grundsätzlich beschränkte Bedeutung des<br />

Umweltmanagements im Unternehmen sein.<br />

368<br />

Frankl, P.: Life Cycle Assessment as aManagement Tool, Working Paper, Centre for the Management<br />

of Environmental Resources, INSEAD, Fontainebleau, 2001, S 4 - 8.


224 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Die Institutionalisierungsgeschwindigkeit scheint unabhängig von der eingesetzten<br />

Methodik zu sein, mit Ausnahme der CO 2 -Bilanzen, welche auch in Unternehmen, die<br />

sie erst seit kurzem nutzen, bereits relativ häufig in der Adaptions- oder gar Routinephase<br />

eingestuft werden.<br />

Neben dem explizit mit Aufgaben des Umweltmanagements verbundenen Zweck der<br />

unternehmungsbezogenen <strong>St</strong>offbilanzierung hat Kytzia aus Sicht des Informationsmanagements<br />

drei Funktionen von Ökobilanzen beschrieben und anhand von<br />

Fallstudien qualitativ illustriert. 369 Sie spricht von einer integrativen Funktion, einer<br />

steuernden Funktion und einer organisatorischen Funktion. Für uns war deshalb von<br />

Interesse, ob sich die entsprechenden Wirkungen auch quantitativ bestimmen lassen.<br />

Dazu wurden die Funktionen kurz beschrieben und die Zustimmung der Antwortenden<br />

zum Eintreffen der entsprechenden Wirkungen abgefragt:<br />

- Integrative Wirkung<br />

Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu beigetragen haben, dass<br />

bestehende Informationsquellen (z.B. Rechnungswesen, Emissionsstatistiken,<br />

Einkaufsdaten, Produktionsdaten, etc.) erweitert oder konsistenter gestaltet<br />

wurden<br />

- <strong>St</strong>euernde Wirkung<br />

Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu beigetragen haben, dass Umfang<br />

und <strong>St</strong>ruktur der Umweltleistung der Unternehmung besser geplant und gesteuert<br />

werden können (z.B. durch faktenbasierte Konzentration auf das Wesentliche,<br />

quantifizierte Ziele/Kennzahlen etc.)<br />

- Organisatorische Wirkung<br />

Sind Sie der Meinung, dass durch die Bilanzierung die organisatorische <strong>St</strong>ellung<br />

und Einbindung der Umweltabteilung gestärkt und/oder die Führung von<br />

Arbeitsgruppen, Mitarbeiterinformation, Vorschlagswesen etc. positiv unterstützt<br />

wurde<br />

Das Eintreten dieser Wirkungen wurde durch die Befragten mehrheitlich bestätigt: über<br />

50% stimmen der Aussage zur integrativen Wirkung zu, über 80% bejahen das<br />

Eintreten der steuernden Wirkung und für 65% ist auch die organisatorische Wirkung<br />

feststellbar.<br />

Die Wirkung ist zumindest im Falle der <strong>St</strong>euerungsfunktion eindeutig vom Grad der<br />

Institutionalisierung abhängig und linear ansteigend. Die entsprechenden Resultate für<br />

die Integrations- und Organisationsfunktion zeigen gegenüber der <strong>St</strong>artphase eine<br />

besonders hohe Zustimmung in der Adaptionsphase. Dies ist in beiden Fällen<br />

zumindest plausibel: die integrative Vernetzung der Datenquellen wird insbesondere<br />

dann eintreten, wenn die Bilanzierung aus dem <strong>St</strong>adium eines Projektes heraustritt.<br />

369<br />

Kytzia, 1995, S. 129 – 142 sowie 148 – 173.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 225<br />

Und die organisatorische Aufwertung der, resp. eine erhöhte Aufmerksamkeit für die<br />

Umweltabteilung sollte mit zunehmender Integration der Umweltbelange in die<br />

normalen Geschäftsprozesse und die Linienorganisation nicht mehr so intensiv<br />

wahrgenommen werden, wie in der Phase der Adaption.<br />

Zustimmung betreffend Wirkungen<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

35.7%<br />

57.5%<br />

52.9%<br />

71.4%<br />

80.0%<br />

100.0%<br />

42.9%<br />

75.0%<br />

64.7%<br />

Integrative<br />

Wirkung<br />

<strong>St</strong>euernde<br />

Wirkung<br />

Organisatorische<br />

Wirkung<br />

<strong>St</strong>artphase / Innovation Lernphase / Adaption Routine / Integration<br />

Abbildung 6.26: Zusammenhang zwischen Institutionalisierung und Wirkung<br />

Bezüglich der eingesetzten Methoden zeigt sich, dass die Anwendenden von<br />

gewichteten Umweltbilanzen relativ zu den anderen Methoden der Integrationsfunktion<br />

der Bilanzierung am deutlichsten Zustimmen (9 Ja zu 1 Nein). Bei Input-Output-<br />

Bilanzen wird diese Wirkung knapp mehrheitlich (16 Ja zu 14 Nein) festgestellt. Bei den<br />

anderen Methoden sind die Unterschiede in der Zustimmung nicht signifikant.<br />

Die <strong>St</strong>euerungsfunktion wir von den Anwendenden aller Methoden mehrheitlich<br />

bestätigt. Wobei bei CO 2 - und VOC-Bilanzierenden diese Zustimmung insgesamt<br />

weniger deutlich ausfiel als bei den anderen Methoden.<br />

Bezüglich der organisatorischen Wirkung ist die Zustimmung seitens der Unternehmen,<br />

die wirkungsorientierte sowie gewichtete Bilanzen einsetzen wiederum relativ deutlicher<br />

ausgeprägt (3 Ja, resp. 8 von 3). Dies ist auch bei CO 2 -Bilanzierenden der Fall (8 von 3)


226 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

und auch die die Zustimmung seitens der Input-Output-Bilanzierenden fällt deutlich aus<br />

(22 Ja zu 9 Nein). Bei den anderen Methoden zeigt sich keine Differenzierung.<br />

Die umfassende Beurteilung der Methoden sowie die generelle Einschätzung von<br />

Nutzen und Ertrag wurde für die unternehmungsbezogene und die produktbezogene<br />

Bilanzierung in gleicher Weise vorgenommen. Wir diskutieren die entsprechenden<br />

Ergebnisse deshalb gemeinsam, nachdem wir zunächst die unternehmungsspezifischen<br />

und die produktspezifischen Aspekte auswerten.<br />

6.3.3.3 Beurteilung der unternehmungsbezogenen Bilanzierung<br />

Zur Beurteilung wurden vier geschlossene Fragen zu oft angeführten Kritikpunkten<br />

gestellt. Sie wurden deshalb bewusst negativ formuliert.<br />

Hohe Komplexität:<br />

„Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität der Bilanzierung ausserordentlich hoch<br />

ist“<br />

Unklare Ergebnisse<br />

„Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind“<br />

Unsichere Daten<br />

„Denken Sie, dass die für Bilanzen verwendeten Daten in problematischen Ausmass<br />

unsicher sind“<br />

Geringe Akzeptanz<br />

„Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer Ansicht nach auf<br />

grosses Misstrauen“<br />

Die Antworten zeigen insgesamt ein deutliches Bild: 45% aller Antwortenden erachten<br />

die Komplexität als ausserordentlich hoch, 24% die Ergebnisse als unklar, 10% halten<br />

die Datengrundlage für unsicher und etwas über 10% stellen eine geringen Akzeptanz<br />

fest. Damit ist die Beurteilung insgesamt positiv bis sehr positiv.<br />

Es wäre plausibel anzunehmen, dass die methodische Komplexität in diesen Fragen<br />

einen negativen Einfluss auf die Beurteilungen haben sollte. Es zeigt sich jedoch eher<br />

das Gegenteil: Die von ihrer Methodik und Datengrundlagen eher komplexen wirkungsorientierten<br />

und gewichteten Bilanzen werden bezüglich Klarheit des Resultats und<br />

Akzeptanz am positivsten beurteilt, obschon die Bilanzierung selbst mehrheitlich als<br />

komplex wahrgenommen wird. Die Schadstoffbilanzen (VOC, CO 2 , Gefahrstoffe)<br />

scheinen am ehesten unklare Ergebnisse zu erzeugen und die Daten werden auch<br />

tendenziell als unsicherer wahrgenommen.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 227<br />

Zustimmung betreffend Beurteilung<br />

60%<br />

50%<br />

52.4%<br />

53.3%<br />

40%<br />

37.1%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

28.6%<br />

22.9%<br />

20.0%<br />

19.1%<br />

5.7% 6.7%<br />

14.3%<br />

11.4%<br />

6.7%<br />

0%<br />

Komplexität<br />

hoch<br />

Ergebnisse<br />

unklar<br />

Daten<br />

unsicher<br />

Akzeptanz<br />

tief<br />

Schadstoffbilanzen Input-Output-Bilanzen Bewertete Bilanzen<br />

Abbildung 6.27: Beurteilung kritischer Aspekte der Bilanzierung<br />

Der zunächst paradox erscheinende Befund kann verschiedene Ursachen haben –u.a.<br />

den Glauben an die Modelle und die verwendete Software und sozusagen ein gewisser<br />

Immunisierungseffekt durch Komplexität. Anderseits haben wir festgestellt, dass die<br />

Bewerteten Bilanzen überdurchschnittlich häufig in Zusammenarbeit mit oder gänzlich<br />

durch Berater erfolgt. Somit könnte auch die Autorität der entsprechenden Persönlichkeiten<br />

positiv auf die Akzeptanz und Klarheit der Ergebnisse wirken.<br />

6.3.4 Auswertung produktspezifischer Aspekte<br />

Insgesamt gaben im allgemeinen Teil der Befragung 66 Unternehmen an, Produktökobilanzen<br />

zu erstellen.<br />

Den detaillierten Fragebogen zur Produktökobilanzierung haben schliesslich 27<br />

Unternehmen beantwortet. Die nachfolgenden Auswertungen beziehen sich auf diese<br />

<strong>St</strong>ichprobe. Von diesen Antwortenden setzen 26% Produktökobilanzen schon seit mehr<br />

als 5Jahren ein, rund 40% verfügen über 3–5Jahre Erfahrung und weitere 26%<br />

setzen das Instrument erst seit kurzem ein. Insgesamt bildet damit die <strong>St</strong>ichprobe<br />

mehrheitlich die Einschätzungen von Personen ab, die über eine gewisse Erfahrung mit<br />

Produktökobilanzen verfügen.


228 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 6.28: Produktökobilanzen nach Branchen<br />

6.3.4.1 Umfang, Erstellung und Auflösungsvermögen<br />

Die Unternehmen wenden LCA mehrheitlich selektiv - sowohl für die Beurteilung<br />

bestehender als auch neuer -Produkte an. Nur bei 2der antwortenden Unternehmen<br />

werden alle Produkte untersucht.<br />

7.7%<br />

11.5%<br />

Nur für ökologisch<br />

positionierte Produkte<br />

Für alle neuen Produkte<br />

50.0%<br />

15.4%<br />

7.7%<br />

7.7%<br />

Für sämtliche Produkte<br />

Für einige neue<br />

Produkte<br />

Für einige bestehende<br />

Produkte<br />

Für einige bestehende<br />

und neue Produkte<br />

Abbildung 6.29: Umfang der Produktökobilanzierung<br />

Es handelt sich dabei um mittlere Unternehmen. Eines stammt aus der Kunststoffindustrie,<br />

das andere stammt aus der Kategorie „andere Industrien“. Eine Konzentration


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 229<br />

der Anwendung auf ausschliesslich ökologisch positionierte Produkte nannten 4<br />

Unternehmen.<br />

Im Vergleich zur unternehmungsbezogenen Bilanzierung werden LCAs häufiger durch<br />

externe <strong>St</strong>ellen erarbeitet: Berater, Forschungseinrichtungen und Arbeitsgemeinschaften/Verbände<br />

sind deutlich häufiger an der Erstellung beteiligt und ein Drittel der<br />

Unternehmen vergibt die Arbeiten vollständig an Dritte.<br />

Interne Teams<br />

66.7%<br />

Externe Berater<br />

29.6%<br />

Forschungseinrichtungen<br />

18.5%<br />

Arbeitsgemeinschaft /<br />

Verband<br />

14.8%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />

Abbildung 6.30: Interne und externe Erstellung von Produktökobilanzen<br />

Das Auflösungsvermögen der erstellten Bilanzen ist bezüglich der erfassten als auch<br />

bezüglich der ausgewerteten Input- und Output-Indikatoren detaillierter als bei den<br />

unternehmungsbezogenen Bilanzen, wobei ein hoher Anteil der Antwortenden dazu<br />

keine Auskunft geben konnte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass rund ein Drittel ihre<br />

LCAs durch Dritte erstellen lassen.<br />

Ein Viertel der Befragten erfasst mehr als 20 Input-Indikatoren, insgesamt sind es bei<br />

rund 40% mehr als 10 Inputs. Praktisch alle die Angaben dazu machen konnten, werten<br />

weniger als 50 Input- Indikatoren aus. Offenbar waren hierzu die vorgegebenen<br />

Kategorien zu grob gewählt, um eine Differenzierung vornehmen zu können.<br />

Bei den Outputs kann zumindest festgestellt werden, dass das Auflösungsvermögen<br />

der erfassten und ausgewerteten Sachbilanzen deutlich zeigt, dass <strong>St</strong>andard-Ökoinventare<br />

eingesetzt werden und zur Erhöhung des Auflösungsvermögens beitragen:<br />

Mehr als die Hälfte der Befragten die eine Antwort gaben, werten mehr Indikatoren aus<br />

als sie erfassen. Der Einsatz von Ökoinventaren ist bei den anderen nicht aus-


230 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

geschlossen; offenbar wird dadurch die Anzahl beachteter Indikatoren jedoch nicht<br />

erhöht.<br />

Dass sich rund die Hälfte der Angaben-machenden Unternehmen in ihren LCA auf<br />

weniger als 11 Outputs konzentriert, dürfte in Frage stellen, ob damit eine umfassende<br />

ökologische Beurteilung überhaupt möglich ist. Insbesondere bei weniger als 6Outputs<br />

ist ihre Eignung diesbezüglich erfahrungsgemäss eher fraglich. Zudem dürften die Lerneffekte<br />

aus der Bilanzierung damit grundsätzlich eingeschränkt sein. Es offenbart sich<br />

eine grosse Diskrepanz zum <strong>St</strong>and der angewandten Ökobilanzforschung, aber auch zu<br />

dem im Rahmen von EPDs heute üblichen Auflösungsvermögen. 370<br />

6.3.4.2 Zweck, Nutzung und Institutionalisierung<br />

Produktökobilanzen werden in den antwortenden Unternehmen vorwiegend für die<br />

Schwachstellen-Analyse sowie die Information von Kunden und Mitarbeitenden<br />

eingesetzt. Dieser Befund deckt sich weitgehend mit der 1997 durchgeführten <strong>St</strong>udie<br />

von Frankl/Rubik. 371 Innovation durch Veränderungen entlang des Produktlebenszyklus<br />

wird mit über 50% jedoch deutlich häufiger genannt. Produktvergleiche mit den<br />

Mitbewerbern sowie den eigenen Produkten stehen noch vor der Gewinnung von<br />

Kriterien für das Beschaffungswesen und schlussendlich der Erlangung von Umweltkennzeichen.<br />

370<br />

Siehe Abschnitt 5.2.5.<br />

371<br />

Siehe Abschnitt 6.1.1.9.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 231<br />

Abbildung 6.31: Zweck von Produktökobilanzen<br />

Bezüglich der Nutzung von LCA durch die einzelnen Funktionsbereiche dominieren -<br />

wie schon durch Frankl/Rubik festgestellt -die Umweltfachstellen sowie Forschung und<br />

Entwicklung. In unserer Befragung häufiger erwähnt wird hingegen die Produktion als<br />

Nutzer von LCA für Entscheidungen. Geschäftsleitung, Einkauf und Marketing folgen.<br />

Abbildung 6.32: Nutzung von Produktökobilanzen in den Funktionsbereichen<br />

Bezüglich des Institutionalisierungsgrades lässt sich feststellen, dass nur 3 der<br />

Befragten angaben, dass LCAs routinemässig und auf hohem methodischen Niveau in<br />

der Organisation verankert sind. 56% ordnen ihre Aktivitäten der Lern-, resp.<br />

Adaptionsphase zu. Wie schon bei den unternehmungsbezogenen Bilanzen –jedoch<br />

deutlich ausgeprägter - ist zu beobachten, dass sich einige (5 von 11) noch der<br />

<strong>St</strong>artphase zuordnen, obwohl sie LCA seit mehr als 3 Jahren einsetzen. Von<br />

denjenigen, die LCA seit mehr als 3Jahren nutzen, gab eine deutliche Mehrheit an (5<br />

von 6), dass ihre Art der Aktivitäten der Lernphase entspricht. Das deutet darauf hin,<br />

dass LCA als ein Werkzeug für Spezialisten und weniger als ein Instrument des<br />

strategischen Managements eingesetzt wird, wie dies Frankl anhand seiner Fallstudien<br />

in einer Reihe von Unternehmen feststellen konnte. 372<br />

372<br />

Frankl, 2001, S. 6.


232 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Routine /<br />

Integration<br />

12%<br />

<strong>St</strong>artphase /<br />

Innovation<br />

32%<br />

Lernphase /<br />

Adaption<br />

56%<br />

Abbildung 6.33: Institutionalisierungsgrad der Produktökobilanzierung<br />

6.3.4.3 Beurteilung der Produktökobilanzierung<br />

Den Produktökobilanzierenden wurden dieselben geschlossenen Fragen gestellt, wie<br />

sie in Abschnitt 6.2.3.3 für die unternehmungsbezogenen Bilanzierung aufgeführt sind.<br />

Die Beurteilung ist ebenfalls mehrheitlich positiv ausgefallen: Die Komplexität der<br />

Bilanzierung wird bei Produkten noch ausgeprägter als hoch wahrgenommen und<br />

entsprechend sind wohl auch die Ergebnisse häufiger unklar. Obwohl Lebenszyklusanalysen<br />

in der Regel einen hohen Anteil an Ökoinventaren oder zumindest an durch<br />

Dritte (Lieferanten, Experten, etc.) bereitgestellten Daten enthalten, erachten mehr 75%<br />

die Datenbasis als sicher. Die Akzeptanz ist mit 75% wiederum sehr hoch. Nach<br />

eingesetzten Methoden lässt sich keine Differenzierung vornehmen, die Nennungen<br />

verteilen sich über alle Methoden und die <strong>St</strong>ichprobe ist insgesamt zu klein für weitere<br />

Differenzierungen der Resultate.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 233<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

76.0%<br />

76.0% 75.0%<br />

60%<br />

56.0%<br />

50%<br />

40%<br />

36.0%<br />

30%<br />

20%<br />

20.0%<br />

16.0% 16.7%<br />

10%<br />

4.0%<br />

8.0%<br />

8.0%<br />

8.3%<br />

0%<br />

Komplexität<br />

hoch<br />

Ergebnisse<br />

unklar<br />

Daten<br />

unsicher<br />

geringe<br />

Akzeptanz<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Abbildung 6.34: Beurteilung kritischer Aspekte der Produktökobilanzierung<br />

6.3.5 Auswertung der gemeinsamen Aspekte<br />

Im abschliessenden Teil unserer Auswertung untersuchen wir drei Aspekte von<br />

besonderer Bedeutung: es geht darum zu erfassen, ob neben der Sachbilanzierung<br />

auch Operationen der Wirkungsanalyse und Gewichtung Eingang in die unternehmerische<br />

Praxis gefunden haben und wie die Anwendenden die entsprechenden<br />

Methoden beurteilen. Es interessiert uns insbesondere, ob sich Unterschiede zwischen<br />

dem unternehmungsbezogenen und dem produktbezogenen Einsatz ergeben.<br />

Schliesslich vergleichen wir die Einschätzungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis und<br />

fragen nach der Einschätzung der zukünftigen Aktivitäten durch die antwortenden<br />

Unternehmen.<br />

6.3.5.1 Einsatz und Beurteilung von Wirkungsanalyse und Gewichtung<br />

Die erhobenen <strong>St</strong>off- und Energieflüsse werden in der Regel nicht nur mittels algorithmusbasierter<br />

und standardisierter Methoden numerisch beurteilt. Vielmehr geschieht<br />

die Beurteilung mehrheitlich anhand sowohl numerischer als auch qualitativer Kriterien.


234 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Abbildung 6.35: Einsatz der verbal-argumentativen Beurteilung<br />

Dies zeigt sich auch in den Antworten der befragten Unternehmen: in beiden<br />

Anwendungsbereichen –LCA und unternehmungsbezogene Bilanzierung –kommt eine<br />

verbal-argumentative Beurteilung zum Einsatz: Bei den Anwendenden von LCA in zwei<br />

Drittel aller Fälle, bei der unternehmungsbezogenen Bilanzierung ist der entsprechende<br />

Wert mit 78% noch ausgeprägter. Die meisten Input-Output-Bilanzen werden anhand<br />

dieser Methodik beurteilt. Dabei steht das Kriterium der Gesetzesrelevanz bei beiden<br />

Anwendungsbereichen deutlich im Vordergrund. Aber auch Risiko-Überlegungen,<br />

Kosten und die Beeinflussbarkeit werden in rund der Hälfte aller Anwendungen als<br />

Kriterien verwendet. Die öffentliche Wahrnehmung ist häufig auch ein Faktor der<br />

Beurteilung. Bei Produktökobilanzen spielen diese Kriterien nur in wenigen Fällen eine<br />

Rolle. Die häufig unter der Kategorie „Andere“ genannten Kriterien waren zudem<br />

Entsorgung, Kundennutzen sowie Präzisierungen zur Gesetzesrelevanz.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 235<br />

Abbildung 6.36: Einsatz von Wirkungskategorien<br />

Zur Erfassung der Anwendung der Wirkungsanalyse wurden 14 der gängigsten<br />

Wirkungskategorien auf <strong>St</strong>ufe Umweltveränderungspotential 373 zur Auswahl gegeben.<br />

Es zeigt sich, dass die Wirkungsanalyse-Modelle in der Praxis sehr selektiv –wenn<br />

überhaupt –Anwendung finden: nur 32.9% der Unternehmungsbilanzierenden setzen<br />

dieses Element überhaupt ein, bei den LCA-Anwendenden sind es zwar 63% -<br />

ISO14040 fordert jedoch ihren Einsatz in irgendeiner Form zwingend: 37% der Produktökobilanzen<br />

sind also gemäss ISO14040 gar kein Ökobilanzen! Bei den verbleibenden<br />

zwei Dritteln der LCA Anwendenden zeigt sich ein stark selektiver Einsatz der<br />

verschiedenen Wirkungskategorien: nur die beiden globalen Umweltveränderungen<br />

373<br />

Siehe Abschnitt 4.3.4.1.


236 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Treibhauspotential und Ozonschichtabbau sind häufig genannt worden; alle anderen<br />

werden in weniger als einem Drittel der Fälle angewendet.<br />

In unternehmungsbezogenen Bilanzen sind die Wirkungskategorien nur selten zu<br />

finden. Obwohl beispielsweise die Bildung bodennahen Ozons in der Schweiz ein<br />

prominentes Umweltproblem darstellt, wird die entsprechende Wirkungskategorie nur<br />

selten einbezogen. Umso erstaunlicher erscheint es deshalb, dass trotz grosser<br />

Modellierungsunsicherheiten Ökotoxizitäts- und Humantoxizitätspotentiale häufiger zur<br />

Auswertung herangezogen werden.<br />

Abbildung 6.37: Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden<br />

Das Bild differenziert sich weiter, wenn wir den Einsatz von <strong>St</strong>andard-Gewichtungsfaktoren<br />

betrachten: diese kommen im Rahmen von LCA sehr häufig –in rund 90% der


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 237<br />

Fälle -zur Anwendung, während unternehmungsbezogene Bilanzen einen Wert von<br />

40% aufweisen. Damit erstellen jedoch deutlich mehr Unternehmen gewichtete<br />

Umweltbilanzen, als sie selbst deklariert hatten (nur 18% gaben dies bei der<br />

entsprechenden Frage an). Diese Diskrepanz lässt sich dadurch erklären, dass der<br />

Einsatz von Gewichtungsfaktoren aus der umweltökonomischen Forschung –<br />

Emissionszuschläge – nicht als Gewichtungs- und damit als Teil der Ökobilanz-<br />

Methodik eingestuft wurde. Unsere Formulierung bei der entsprechenden Frage -wir<br />

hatten beispielhaft nur Methoden wie Umweltbelastungspunkte, etc. aufgeführt -dürfte<br />

hier also einen verzerrenden Einfluss gehabt haben.<br />

Tatsächlich sind Emissionszuschläge (aus <strong>St</strong>udien des BUWAL und des Bundesamtes<br />

für Energie BfE oder des Schweizerischen Ingenieur Verbands SIA 374 ) die am<br />

häufigsten genannten <strong>St</strong>andard-Faktoren zur Gewichtung der betrieblichen <strong>St</strong>off- und<br />

Energiebilanzen. Sie basieren auf <strong>St</strong>udien zu Externen Kosten und/oder Erwartungswerten<br />

bezüglich der zur Schliessung bestehender Ziellücken des CO 2 -Gesetzes<br />

erforderlichen Lenkungsabgaben auf CO 2 .<br />

An zweiter <strong>St</strong>elle stehen Vermeidungskosten, also Abschätzungen darüber, was die<br />

technische Reduktion bestimmter Inputs oder Output kosten würde, wobei unklar ist,<br />

woher die Unternehmen diese Werte beschaffen und für welche Indikatoren Werte zur<br />

Verfügung stehen. Uns sind dazu keine <strong>St</strong>udien für die Schweiz bekannt.<br />

Ebenfalls häufig ist die Berechnung mittels Sanierungskosten – auch hier ist<br />

weitgehend unklar, woher die <strong>St</strong>andard-Faktoren stammen und worauf sie sich<br />

beziehen. Hier besteht also Forschungsbedarf für zukünftige Arbeiten. Die Praxis<br />

scheint hier Methoden zu nutzen, die im Rahmen der Ökobilanzforschung nicht<br />

thematisiert werden.<br />

In der unternehmungsbezogenen Bilanzierung ist neben den Emissionszuschlägen mit<br />

den Umweltbelastungspunkten gemäss BUWAL SRU 297 die Methodik der Ökologischen<br />

Knappheit als zweite <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethodik in Gebrauch. Vereinzelt<br />

ist auch das Konzept der schadensorientierten Gewichtung mit dem Eco-indicator 99,<br />

resp. 95 anzutreffen. Bezüglich des Eco-indicator 95 ist bemerkenswert, dass zwei<br />

Unternehmen noch mit einer Methodik arbeiten, die seit Jahren durch eine neue<br />

Version abgelöst wurde.<br />

Bei den Produktökobilanzen kommt vorwiegend die Ökologische Knappheit mit rund<br />

40% der Nennungen zum Einsatz. Der Eco-indicator 99 findet in der aktuellen Version<br />

in 25% und in der veralteten Version in immer noch beachtlichen 18.5% der Fälle<br />

Anwendung. Andere <strong>St</strong>andard-Gewichtungsmethoden – EDIP und EPS (in der<br />

Kategorie „Anderes“) werden je nur von einem Unternehmen genannt.<br />

374<br />

Siehe Anhang C4: Externe Kosten der SIA Norm SN 506 480: Wirtschaftlichkeitsrechnung für Investitionen<br />

im Hochbau, SIA, Zürich, 2004 oder Infras, Econcept, Prognos: Die Vergessenen Milliarden:<br />

externe Kosten im Energie- und Verkehrsbereich, Bern, 1996.


238 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Wiederum sind die Emissionszuschläge -obwohl in gängiger Software nicht enthalten –<br />

auch in der Produktökobilanzierung häufig anzutreffen: 22.2% nutzen diese umweltökonomischen<br />

Gewichtungsfaktoren.<br />

Damit zeigt sich deutlich: in klarem Widerspruch zur ISO14040 Norm werden bei den<br />

Antwortenden Unternehmen Gewichtungsmethoden der Wirkungsanalyse vorgezogen,<br />

obwohl sie angeben, die LCAs für die Kommunikation mit Dritten zu verwenden. Die<br />

Akzeptanz der Gewichtung ist offenbar als nicht gering einzustufen.<br />

Die entsprechenden Fragen zeigen denn auch, dass Gewichtungsmethoden - hier<br />

wurden beispielhaft in der Fragestellung wieder Umweltbelastungspunkte angeführt –<br />

von zahlreichen Anwendenden mehrheitlich als nützlich eingestuft wurden: Die<br />

Zustimmung belief sich hier auf knapp 70%, resp. sogar über 90%. Erstaunlicherweise<br />

und offenbar im Gegensatz zum Befund der theoretischen Ökobilanzforschung –halten<br />

immerhin jeweils die Hälfte der Befragten diese Verfahren für methodisch überzeugend.<br />

Noch erstaunlicher ist der Anteil derjenigen, die sie für nicht überzeugend halten: nur<br />

rund 15%. Immerhin konnte –oder wollte –ein hoher Anteil der Befragten hierzu keine<br />

Aussage machen.<br />

Abbildung 6.38: Beurteilung der Gewichtung<br />

Vor dem Hintergrund der positiven Einschätzung von Gewichtungsfaktoren ist die<br />

Frage, welche gesellschaftliche Instanz diese bemessen sollte, von besonderem<br />

Interesse: Unter den Befragten geniesst hierzu die Gesellschaft (beispielsweise<br />

repräsentiert durch Meinungsumfragen) das geringste Vertrauen: Aus beiden<br />

Anwendungsbereichen zusammengenommen (N=100) ist nur eine einzige Nennung<br />

dieser Kategorie zu verzeichnen. In beiden Bereichen erwartet man die Antworten<br />

vielmehr von der Wissenschaft: 53% der Produktökobilanzierenden und 36% der unternehmungsbezogen<br />

Bilanzierenden wählten diese Instanz. Damit anerkennen die


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 239<br />

Anwendenden zu grossen Teilen die Autorität der Wissenschaft und erwarten, dass sie<br />

in der Lage ist, den Grünen <strong>St</strong>ein der Weisen zu finden. Dass sie genau dies nicht<br />

kann, sondern, dass die Gesellschaft selbst -Politik oder Öffentlichkeit –letztlich mit<br />

ihren Werturteilen entscheiden muss, ist eine der zentralen Erkenntnisse aus 30 Jahren<br />

Ökobilanzforschung. 375 Sie wird von den Anwendenden hingegen ganz offensichtlich<br />

nicht zur Kenntnis genommen !<br />

Abbildung 6.39: Instanzen zur Festlegung von Gewichtungsfaktoren<br />

An zweiter <strong>St</strong>elle –in beiden Anwendungsbereichen –stehen die Unternehmen selbst,<br />

noch vor dem <strong>St</strong>aat (politische Prioritäten und Gesetze). Die relativ geringe<br />

Anerkennung des <strong>St</strong>aate als Instanz deutet indirekt darauf hin, dass die Methodik der<br />

Ökologischen Knappheit als wissenschaftlich anerkannt wird – obwohl die Gewichtungsfaktoren<br />

aus politischen Zielwerten abgeleitet werden und die theoretische<br />

Ökobilanzforschung diese Methode mehrheitlich als unwissenschaftlich ablehnt.<br />

Tatsächlich nannte nur eine einzige Person unter den Anwendenden dieser Methodik<br />

den <strong>St</strong>aat als Instanz (N=23) !<br />

Zwei der Befragten verwiesen unter der Kategorie „Andere“ darauf, dass man mehrere<br />

Methoden parallel einsetzen, resp. alle Instanzen einbeziehen solle.<br />

6.3.5.2 Beurteilung von Aufwand, Nutzen und Wirkung<br />

Unsere Fragen zum Aufwand der Bilanzierung machten deutlich, dass nur wenige<br />

Unternehmen die Ausgaben, resp. den internen Arbeitsaufwand erfassen. Bei den<br />

unternehmungsbezogenen Bilanzierenden gaben nur 5.7% an, den Gesamtaufwand zu<br />

375<br />

Siehe Abschnitt 4.4.2.


240 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

erfassen, weshalb die <strong>St</strong>ichprobe für eine differenzierte Analyse der Kosten nach<br />

Bilanzierungsarten oder Branche keine ausreichende Anzahl Fälle enthält. Bei den<br />

Produktökobilanzierenden gaben immerhin 24% an, die Gesamtkosten zu erfassen –<br />

das sind jedoch insgesamt nur 7 Fälle.<br />

Für die unternehmungsbezogenen Bilanzen haben wir trotz der geringen Anzahl die<br />

Ausgaben sowie die Gesamtkosten nach Unternehmungsgrösse ausgewertet<br />

(statistisch nicht valide, da geringe Anzahl Fälle; häufig nur entweder Ausgaben oder<br />

Zeitaufwand vorhanden): Es zeigt sich, dass die jährlichen Auslagen stark variieren. Der<br />

hohe Initialaufwand einer erstmaligen Bilanzierung kann hier die Werte verzerren.<br />

Abbildung 6.40: Erfassung des Aufwands zur Bilanzierung<br />

Wir haben deshalb das 2. Quartil abgezählt und halten den entsprechenden Wert am<br />

ehesten für aussagekräftig. Hier zeigt sich ein Zusammenhang mit der Unternehmungsgrösse.<br />

Anzahl Mitarbeitende Min Max 2.Quartil von N N<br />

1 - 50 CHF 5'000 CHF 10'000 CHF 8'000 bei 57% 7<br />

51 - 500 CHF 2'000 CHF 100'000 CHF 10'000 bei 64% 14<br />

501 - 5000 CHF 4'000 CHF 150'000 CHF 40'000 bei 55% 9<br />

Abbildung 6.41: Jährliche Ausgaben für unternehmungsbezogene Bilanzen<br />

Die grosse <strong>St</strong>reuung bei den internen <strong>St</strong>unden deutet darauf hin, dass einige der<br />

Befragten wohl eher den Zeitaufwand für Aufbau/Betrieb des UMS und nicht nur der<br />

Bilanzen ausgewiesen haben, was die Gesamtkosten wiederum verzerren dürfte. Wir<br />

haben die Arbeitsstunden mit je CHF 100.- bewertet und geben für die Gesamtkosten<br />

(interner Zeitaufwand sowie Ausgaben) eine Bandbreite und das 2. Quartil an:


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 241<br />

Anzahl Mitarbeitende Min Max 2.Quartil von N N<br />

1 - 50 CHF 2'000 CHF 40'000 CHF 17'500 bei 54% 11<br />

51 - 500 CHF 1'000 CHF 115'000 CHF 10'000 bei 55% 20<br />

501 - 5000 CHF 4'000 CHF 170'000 CHF 19'000 bei 50% 14<br />

Abbildung 6.42: Jährlicher Gesamtaufwand für unternehmungsbezogene Bilanzen<br />

Bei den jährlichen Ausgaben und Gesamtkosten zur Erstellung von Produktökobilanzen<br />

verzichten wir auf eine detaillierte Auswertung. Immerhin lässt sich summarisch<br />

feststellen, dass die Ausgaben (Zahlungen an Dritte) für die Erstellung von LCA in 65%<br />

der Fälle mit maximal CHF 10'000 pro Jahr veranschlagt wurden –beginnend bei CHF<br />

3'000 CHF und bei einem maximalen Wert von CHF 100'000.-, wobei 90% unter CHF<br />

30'000.- lagen.<br />

Die Angaben zu den Gesamtkosten lagen zwischen CHF 8'000.- und CHF 200'000.-,<br />

mit einem 2. Quartil bei CHF 20'000.- .<br />

Abbildung 6.43: Kosten-Nutzen-Beurteilung<br />

Unabhängig von der quantitativen Erfassung des Aufwands wurde qualitativ nach dem<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis gefragt: Es wird mehrheitlich als ausgeglichen oder gar<br />

positiv beurteilt. Nur rund 10% der unternehmungsbezogenen Bilanzierenden und<br />

knapp 10% der Produktbilanzierenden halten es für schlecht. Bezüglich LCA konnten<br />

oder wollten sich fast 30% nicht äussern. Je rund ein Viertel beurteilt den Nutzen als<br />

gut.<br />

Eine Gesamtbeurteilung der Bilanzierung wurde bezüglich verschiedener Wirkungen<br />

abgefragt. Dabei zeigt sich erneut eine deutlich positive Einschätzung durch die<br />

Antwortenden und bezüglich beider Anwendungsbereiche. Die Kategorie „trifft nicht zu“<br />

wurde nur vereinzelt (1.5% -3.5%) zu allen Wirkungen und über beide Anwendungsbereiche<br />

als Antwort gewählt.


242 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Demnach erhöht die Bilanzierung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen die Glaubwürdigkeit,<br />

fördert die Konzentration aufs Wesentliche und trägt zur Versachlichung der Diskussion<br />

von Umweltfragen bei.<br />

Abbildung 6.44: Wirkung im Unternehmen<br />

Bei den unternehmungsbezogenen Bilanzierenden erfuhren auch die Argumente<br />

„Eindeutigkeit von Kontrollgrössen“ und „Planbarkeit der Umweltleistung“ die<br />

Zustimmung von jeweils rund der Hälfte aller Antwortenden. Nur je 12.3% ,resp. 16.4%<br />

der Anwendenden waren der Ansicht, diese Wirkung würde „eher nicht“ eintreten.<br />

Ökobilanzen tragen in den Augen der Antwortenden mehrheitlich dazu bei, neue<br />

Erkenntnisse und/oder Ideen zu gewinnen.<br />

Abbildung 6.45: Erwartete Entwicklung der Aktivitäten<br />

Abschliessend wurde nach einer Einschätzung zur zukünftigen Nutzung von Bilanzen<br />

gefragt: jeweils fast die Hälfte der Antwortenden geht davon aus, dass sie in ihren<br />

Unternehmen mit einer Erhöhung der Aktivitäten innerhalb der nächsten 3 Jahre<br />

rechnen. Einen Rückgang erwarten hingegen 15.4% der Produktökobilanzierenden.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 243<br />

In Bezug auf die unternehmungsbezogene Bilanzierung erwarten nur wenige, dass die<br />

Aktivitäten zukünftig zurückgehen werden.<br />

Insgesamt sind somit <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen in den befragten bilanzierenden<br />

Unternehmen nachhaltig verankert.<br />

6.4 Schlussfolgerungen<br />

Die empirische Bestandesaufnahme sollte zeigen, ob, wie und mit welchem Nutzen die<br />

Methodik der Ökobilanzierung in Unternehmen Anwendung findet. Dazu haben wir<br />

einerseits die bestehende empirische Forschung zur Verbreitung und Beurteilung von<br />

Produktökobilanzen aufgearbeitet und anderseits eine eigene Erhebung zu beiden<br />

Anwendungsbereichen der Ökobilanz-Methodik unternommen.<br />

Es wurde deutlich, dass sich der Einsatz von Produktökobilanzen in den untersuchten<br />

europäischen Ländern auf wenige, hauptsächlich umweltengagierte Unternehmen<br />

beschränkt. Die Erhebungen in Japan deuten hingegen darauf hin, dass dort die<br />

Methodik LCA in der Industrie weitgehend bekannt ist und dass viele der Grossunternehmen<br />

bereits Erfahrungen gesammelt haben.<br />

Unsere Auswertung der bisherigen quantitativen Forschung offenbarte, dass bislang nur<br />

Erhebungen durchgeführt wurden, die von einem pauschalen Begriff der Ökobilanzierung<br />

ausgehen. Ohne eine methodische Differenzierung ist die Aussagekraft<br />

sowohl zur Diffusion als auch zu den Einschätzungen durch die Anwendenden deshalb<br />

eingeschränkt.<br />

Dass in der Praxis unter dem Begriff auch Anwendungen subsumiert werden, die nur<br />

einzelne Elemente des wissenschaftlichen Konzepts effektiv nutzen, zeigte sich in<br />

unserer eigenen Erhebung. Produktökobilanzen werden demnach eher selten in hoher<br />

Übereinstimmung mit den Anforderungen der internationalen Ökobilanz-Normen<br />

ausgeführt. Es ist bezeichnend, dass die ISO Normen zur Produktökobilanzierung<br />

selbst von den LCA anwendenden Unternehmen nur in einem Drittel der Fälle als<br />

bedeutsam für ihre Arbeit taxiert wurden.<br />

In der Regel ist das Auflösungsvermögen der in Unternehmen erstellten Ökobilanzen<br />

gering, Methoden der Wirkungsanalyse werden nur von einer Minderheit eingesetzt. Die<br />

in der Forschung umstrittenen und in der ISO 14040 nur für interne Zwecke<br />

zugelassenen Gewichtungsmethoden werden hingegen häufig eingesetzt.<br />

Ein bedeutender Anteil unserer <strong>St</strong>ichprobe beschränkt sich auf eine verbalargumentative<br />

Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse -erstellt also gar keine Produktökobilanzen,<br />

wie sie der heute gängigen Definition entsprechen würden. Das geringe<br />

Auflösungsvermögen der Sachbilanz lässt zudem berechtigte Zweifel aufkommen, ob<br />

eine umfassende ökologische Beurteilung überhaupt stattfinden kann, und schöpft das<br />

Lernpotential der Methodik nicht voll aus.<br />

Bezüglich der unternehmungsbezogenen Bilanzierung konnten wir ein breites Spektrum<br />

von Anwendungen der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzierung ausmachen. Die Mehrheit der


244 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

ISO 14001 Zertifizierten in unserer <strong>St</strong>ichprobe erstellt Input-Output-Bilanzen, obwohl<br />

dies von der Norm selbst nicht gefordert wird. Sachbilanzen haben sich in diesen<br />

Unternehmen also durchgesetzt. Allerdings ist auch in dieser Anwendung festzustellen,<br />

dass das stoffliche Auflösungsvermögen mehrheitlich gering ist. Im Vergleich zu<br />

unserem Referenzmodell (erweiterte Systemgrenzen sowie Wirkungsanalyse und/oder<br />

Gewichtung)<br />

376<br />

finden sich umfassende Betriebsökobilanzen nur vereinzelt:<br />

insbesondere eine Betrachtung jenseits des <strong>St</strong>andortes ist selten anzutreffen und<br />

beschränkt sich auf Energiebereitstellung, Entsorgung und Transporte – die<br />

„eingekaufte Umweltbelastung“ durch Materialien oder Halbfabrikate wird nur von 4der<br />

72 antwortenden Unternehmen -die Umweltbelastung im Rahmen der Produktnutzung<br />

gar nur von 2 Betrieben - in die Bilanzierung einbezogen. Das bedeutet, dass die<br />

dominierende Mehrheit im Rahmen ihrer unternehmungsbezogenen Bilanzierung keine<br />

Quantifizierung von Umweltbelastungen entlang der Wertschöpfungskette vornimmt,<br />

obwohl dies erfahrungsgemäss von zentraler ökologischer Bedeutung wäre. Und dies<br />

obwohl immerhin ein Drittel der Befragten die Erweiterung der Systemgrenze um Vorund/oder<br />

Nachstufen als sinnvoll und nutzenstiftend beurteilt.<br />

Das Element der Wirkungsanalyse spielt in der unternehmungsbezogenen Anwendung<br />

ebenfalls keine nennenswerte Rolle. Dies im Gegensatz zu Gewichtungsmethoden:<br />

insbesondere Externe Kosten in Form von Emissionszuschlägen scheinen als<br />

Grundlage zur Beurteilung durchaus von Bedeutung – bei knapp einem Viertel der<br />

Befragten. Auch das Konzept der Ökologischen Knappheit kommt relativ häufig zur<br />

Anwendung.<br />

Es war festzustellen, – soweit dies die beschränkte Anzahl Fälle zuliess – dass<br />

diejenigen Unternehmen, die modellbasierte Umweltindikatoren verwenden –beispielsweise<br />

Treibhauspotential, Umweltbelastungspunkte oder Eco-indicator-Punkte – in<br />

einigen Fragen besonders hervortraten: Sie gaben überdurchschnittlich häufig an, dass<br />

die Ergebnisse ihrer Bilanzierung klare Resultate zeigen und gut akzeptiert werden. Sie<br />

zeigten eine stärkere Ausprägung bezüglich der Integrations- und Organisationsfunktion.<br />

Anderseits werden diese Bilanzen überdurchschnittlich häufig mit Unterstützung<br />

von Ökobilanz-Software und/oder externen Beratern erstellt. Sie wurden mehrheitlich<br />

schon vor einigen Jahren eingeführt und scheinen bei Unternehmen, welche<br />

erst seit kurzem zertifiziert wurden, weniger häufig eingesetzt zu werden.<br />

Dieser relative Rückgang steht im Kontrast zur insgesamt bemerkenswert positiven Einschätzung<br />

von Gewichtungsmethoden in beiden Anwendungsbereichen<br />

(Produkt/Unternehmung): Einerseits erachten mehr als drei Viertel der Befragten die<br />

Methoden als nützlich und -den Bedenken der theoretischen Ökobilanzforschung und<br />

der internationalen Normierung zum Trotz –mehrheitlich als methodisch überzeugend.<br />

Dabei wird eine Festlegung der Gewichtungsfaktoren vor allem von der Wissenschaft<br />

erwartet. Man vertraut offenbar auf die Autorität der Experten. Dies, obwohl deren<br />

Exponenten selbst deutlich machen, dass nur die subjektiven Werturteile der<br />

376<br />

Siehe Abschnitt 6.1.


Kapitel 6: Empirische Bestandesaufnahme 245<br />

Gesellschaft als Massstab einer Gewichtung dienen können. Der Grüne <strong>St</strong>ein der<br />

Weisen entspricht offenbar bei einem hohen Anteil der Befragten einem Bedürfnis.<br />

In Bezug auf die Verankerung im Unternehmen konnte gezeigt werden, dass die<br />

Bilanzierenden die Ergebnisse nicht nur beschränkt im Rahmen der Umweltfachstelle,<br />

sondern gemeinsam mit Geschäftsleitung, Produktion, Forschung und Entwicklung als<br />

auch Marketing und Einkauf einsetzen. Dies deutet auf eine gute Verankerung in der<br />

Organisation hin: in den meisten Fällen haben die Bilanzierungen das <strong>St</strong>adium eines<br />

Pilotprojekts überschritten und die Anwendung wird auf spezifische Bedürfnisse<br />

verschiedener <strong>St</strong>ellen in den Unternehmen zugeschnitten. Die unternehmungsbezogenen<br />

Bilanzen werden bei rund einem Viertel routinemässig eingesetzt, während<br />

dieser <strong>St</strong>atus bei den Produktökobilanzen nur vereinzelt zu verzeichnen ist.<br />

Nur wenige Unternehmen erwarten schliesslich einen Rückgang ihrer Aktivitäten zur<br />

Ökobilanzierung. Fast die Hälfte geht hingegen davon aus, dass die Erfassung und<br />

Beurteilung von <strong>St</strong>off- und Energieflüssen innerhalb der nächsten drei Jahre<br />

ausgeweitet wird.<br />

Insgesamt kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, dass die verschiedenen<br />

Methoden zur Bilanzierung in den zertifizierten Unternehmen gut etabliert sind. Ihre<br />

weitere Diffusion ist damit eng an die zukünftige Verbreitung von ISO 14001<br />

Zertifizierungen gekoppelt.<br />

Vergleicht man den heutigen <strong>St</strong>and der Praxis mit den Ansprüchen der Wissenschaft,<br />

so besteht noch erhebliches Verbesserungspotential, um von den heute sehr selektiven<br />

und fokussierten Anwendungsformen der Praktiker zu einer wirklich umfassenden und<br />

systematischen Erfassung und Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse zu kommen.<br />

Die positiven Einschätzungen derjenigen Unternehmen, die hier schon weiter<br />

fortgeschritten sind, lassen dazu ein erhebliches Potential vermuten, welches durch<br />

flankierende Massnahmen seitens Wissenschaft und Politik genutzt werden könnte.<br />

Japans koordinierte Vorgehensweise beweist, dass Ökobilanzen durchaus aus der<br />

Öko-Nische herausgeführt und in der Wirtschaft breit verankert werden können.


Kapitel 7: Zusammenfassung 247<br />

7 Zusammenfassung<br />

Ausgangspunkt unserer Bestandesaufnahme bildete die Frage, ob Ökobilanzierung<br />

nach über 30 Jahren Forschung an der Schnittstelle zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaften<br />

einen nachweisbaren Beitrag zur Überwindung der konstatierten<br />

Ökologischen Beliebigkeit erbringen kann. Anhand von drei Phasen haben wir mit<br />

unterschiedlichen Schwerpunkten die Genese der Methodik und ihrer<br />

Institutionalisierung als Wissenschaft nachgezeichnet.<br />

Danach haben wir die Umsetzung von Ökobilanzen in schweizerischen Unternehmen<br />

anhand einer detaillierten Befragung im Detail untersucht und die Einschätzungen der<br />

Anwendenden erfasst.<br />

Abbildung 7.1: Meilensteine und Phasen des Projekts Ökobilanz<br />

Abschliessend sind unsere Erkenntnisse nun entsprechend unserer Ausgangsfrage zu<br />

beurteilen: In Kapitel 2 haben wir dazu die Herstellung ökologischer Rationalität in<br />

Gesellschaft, Volkswirtschaft und Unternehmung als Massstab bestimmt.<br />

Dabei diente uns die Systemtheorie Luhmanns als forschungsmethodischer Zugang,<br />

um eine vernünftige -logisch und sachlich korrekte –ökologische Beurteilung transdisziplinär,<br />

aber dennoch trennscharf für jede der drei Betrachtungsebenen zu<br />

definieren. ökologische Rationalität ist demnach auf gesellschaftlicher Ebene darauf<br />

gerichtet, eine ökologische Rückbetroffenheit der Gesellschaft herzustellen, die zur<br />

angemessenen Reaktion der Gesellschaft auf die von ihr selbst geschaffenen<br />

Gefährdungen führt. Die forschungsleitende Frage dazu lautete: „Können Ökobilanzen<br />

zur rationalen Codierung ökologischer Informationen in den gesellschaftlichen


248 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Funktionssystemen beitragen“ Entsteht gar mit der Ökobilanzierung ein spezifisch auf<br />

die ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtetes Funktionssystem<br />

Die Beantwortung dieser Frage führt über die Feststellung, ob die entsprechenden, von<br />

Luhmann formulierten Eigenschaften solcher Systeme – die Codierung eines<br />

zweiwertigen, geschlossenen Codes sowie seine offene Programmierung –vorliegen.<br />

Diesbezüglich kommen wir zu einem klaren Befund: Ja, wir glauben nachweisen zu<br />

können, dass das Projekt Ökobilanz diese Merkmale in typischer Ausprägung aufweist.<br />

Zunächst, weil Ökobilanzen darauf abzielen, Informationen in den Kategorien<br />

umweltbelastend/umweltgerecht digital zu codieren. Dieser Code ist in sich universell<br />

und geschlossen. Genauso wie Recht oder Unrecht entsteht dieser Code immer relativ<br />

und mit einer bestimmten Richtung –besser oder schlechter. Gewichtete, numerische<br />

Resultate von Ökobilanzen repräsentieren in letzter Konsequenz diesen Code durch<br />

Vergleich mit Bestehendem oder Geplantem. Sie dienen der Programmierung des<br />

Codes analog zu Preisen.<br />

Ökobilanzierung als Methodik - als die Summe von Operationen zur rationalen<br />

Herstellung dieses Codes -ist das zugehörige Programm. Als zentrales Indiz führen wir<br />

die diagnostizierte Paradoxie an, dass die theoretische Ökobilanzierung als Wissenschaft<br />

die Herstellbarkeit des Grünen <strong>St</strong>eins der Weisen deutlich verneint – viele<br />

Anwendende in den Unternehmen ihr jedoch genau diese Fähigkeit zuschreiben. Das<br />

kennt man aus den anderen Funktionssystemen –man erwartet beispielsweise von der<br />

Judikativen Gerechtigkeit –Richter und Anwälte sprechen hingegen von Urteilen, da für<br />

sie als Repräsentanten des Systems Gerechtigkeit eben so digital gar nicht existiert.<br />

Ökobilanzforschende können auch nur auf viele Fragen verweisen, die es zu<br />

beantworten gäbe, deren Beantwortung aber in der Praxis gar nie abschliessend<br />

vorgenommen werden kann. Die angewandte Ökobilanzforschung und ihre Produkte –<br />

Ökoinventare, Charakterisierungs- und Gewichtungsfaktoren überbrückt diese Situation<br />

und bedient mit wissenschaftlicher Autorität diejenigen, welche versuchen, ökologische<br />

Informationen rational zu codieren.<br />

Die Anwendenden ihrerseits lassen erkennen, das ein Code umweltgerecht/umweltbelastend<br />

auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Nutzen stiftet. Unternehmen können<br />

damit Managementaufgaben im Zusammenhang mit Umweltfragen sachlich, fokussiert<br />

und steuerungswirksam wahrnehmen. Wir haben nachgewiesen, dass die<br />

Unternehmen Ökobilanzen als nutzenstiftend, steuerungswirksam und glaubwürdigkeitsfördernd<br />

einschätzen. Produktökobilanzen tragen durch ihren Einsatz in Forschung<br />

und Entwicklung dazu bei, Innovationen und damit zukünftige Erfolgspositionen zu<br />

schaffen – oder bestehende durch die Beseitigung von Schwachstellen nicht zu<br />

gefährden. Für unternehmungsbezogene Bilanzen konnten wir positive Wirkungen auf<br />

das operative Management feststellen: Der verbreitete Einsatz von Emissionszuschlägen<br />

oder der Ökologischen Knappheit zur Gewichtung deutet darauf hin, dass<br />

sie als Frühwarnsystem zur Kostenvermeidung erachtet und eingesetzt werden. Damit<br />

leisten Ökobilanzen auch einen Beitrag zur Herstellung ökologischer Rationalität aus


Kapitel 7: Zusammenfassung 249<br />

Sicht der Betriebswirtschaft. Der Umstand, dass <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen weder vom<br />

Gesetzgeber, noch von ISO 14001 vorgeschrieben werden, aber immerhin in 75% der<br />

uns antwortenden 240 Unternehmen Verwendung finden, ist auf dieser Ebene ein<br />

deutliches Indiz. Ein zweites Indiz ergibt sich aus dem Befund, dass die internationale<br />

<strong>St</strong>andardisierung von Ökobilanzen über Environmental Product Declarations EPDs<br />

wesentlich durch die Wirtschaft selbst vorangetrieben wird. Das lässt darauf schliessen,<br />

dass man sich davon strategische Vorteile im Wettbewerb erhofft. Die Überwindung der<br />

Ökologischen Beliebigkeit erlaubt auf dem Markt eine klare Ausrichtung der Aktivitäten,<br />

die Umsetzung ökologischer Marktführer-<strong>St</strong>rategien und verspricht Pionieren durch die<br />

aktive Gestaltung eines ökologischen level playing fields, strategische Erfolgspotentiale.<br />

Bleibt schliesslich die Frage, was Ökobilanzen heute zur Herstellung ökologischer<br />

Rationalität auf volkwirtschaftlicher Ebene leisten. Im Rahmen unserer methodischen<br />

Analyse wurde deutlich: die zur neoklassischen Optimierung der Effizienz erforderlichen<br />

Emissions-, Immissions-, Transmissions- und Evaluationsfunktionen sind weitgehend<br />

mit der Betrachtungsweise der formalisierten Ökobilanzierung identisch. In diesem<br />

Sinne könnte man Ökobilanzen als Instrument der neoklassischen Umweltökonomie<br />

bezeichnen. Sie zielen auch auf eine Optimierung und benötigen eine Vielzahl von<br />

Konventionen, resp. starken Vereinfachungen um zu einem eindeutigen Resultat zu<br />

gelangen. Dies ist vor allem für die schadensbasierten Wirkungsanalyse und<br />

Gewichtungsmethoden zutreffend. Damit unterliegen diese stark formalisierten<br />

Anwendungen von Ökobilanzen denselben Restriktionen wie sie in Kapitel 2für die<br />

neoklassischen Ansätze angeführt wurden. Die sogenannten distance-to-target-<br />

Methoden – beispielsweise die in den befragten Unternehmen recht populäre<br />

Ökologische Knappheit –entsprechen aus volkswirtschaftlicher Sicht einem standardpricing<br />

Ansatz.<br />

Ökobilanzen sind jedoch in der Regel umfassender operationalisiert als die<br />

neoklassischen Instrumente, da sie geeignet sind, eine grosse Anzahl von Inputs und<br />

Outputs abzudecken und diverse Umweltveränderungen und Schäden gleichzeitig<br />

einschliessen können, sofern man den jeweiligen Konventionen und Modellen<br />

ausreichende Autorität zubilligt.<br />

Ökobilanzen sind darüber hinaus geeignet, den Diskurs zwischen Verursachenden und<br />

Betroffenen oder anderen Anspruchsgruppen rational zu unterstützen und können<br />

jenseits numerischer, rein modellbasierter Optimierung als Instrument zur Führung<br />

kollektiver Lern- und Verhandlungsprozesse eingesetzt werden. Dies kommt dem<br />

Anspruch der generischen, idealtypischen Methodik der theoretischen Ökobilanzforschung<br />

am nächsten. Sie stimmt mit den Empfehlungen kritischer Umweltökonomen<br />

überein, angesichts der niemals abschliessend erfassbaren Komplexität ökologischer<br />

Rückbetroffenheit -neben einer rein datengestützten Rationalität -der Rationalität des<br />

Verhandlungsprozesses Beachtung zu schenken. Insofern sind Ökobilanzen wichtige<br />

Instrumente zur Herstellung ökologischer Rationalität auf der Ebene der Ökonomie.


250 30 Jahre Ökobilanz – Eine Bestandesaufnahme<br />

Vergleichen wir schliesslich die anfangs der 70er Jahre formulierte Vision der eingangs<br />

erwähnten <strong>St</strong>. Galler Forschenden mit dem heutigen <strong>St</strong>and des Projekts Ökobilanz,<br />

ergibt sich eine zwiespältige Bilanz: das Potential der Methodik für die Realisierung<br />

einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung wurde bislang in keiner Weise<br />

ausgeschöpft. Die Umweltpolitik hat wenig Notiz von der Ökobilanz als Instrument der<br />

<strong>St</strong>euerung genommen, sondern erachtet es noch immer vorwiegend als Instrument zur<br />

Informationsgewinnung. Dieser Befund trifft insbesondere für die Schweiz zu.<br />

Das erscheint uns bedauerlich, denn wir meinen nachweisen zu können, dass ein -<br />

durch eine anerkannte Institution -angebotener Grüner <strong>St</strong>ein der Weisen zumindest<br />

von den umweltengagierten Unternehmen durchaus aufgegriffen würde. Das dem so ist<br />

- und dieser Befund spricht für die Überzeugungskraft und Qualität der Vision von<br />

Müller-Wenk und seinen Kollegen –zeigt sich darin, dass wesentliche Elemente ihres<br />

Konzepts der Ökologischen Buchhaltung nach 30 Jahren in der Praxis anzutreffen sind<br />

und die internationale Ökobilanzbewegung wesentlich geprägt haben.


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Anhang: Fragebogen & Auswertung 267<br />

Anhang: Fragebogen & Auswertung


A.1<br />

Publikation Umweltangaben<br />

Publiziert Ihr Unternehmen regelmässig<br />

Angaben zum UMS bzw. zur<br />

Umweltleistung<br />

%absolut<br />

Ja 46.3 106<br />

Nein 53.7 123<br />

N 229<br />

Nein<br />

53.7%<br />

Ja<br />

46.3%<br />

A.2<br />

ISO 14001 Zertifizierung<br />

Verfügt das Unternehmen über ein<br />

ISO14001-zertifiziertes<br />

Umweltmanagementsystem<br />

%absolut<br />

Ja 79.5 182<br />

Nein 12.7 29<br />

Geplant / im Aufbau 5.7 13<br />

Aufgegeben 2.2 5<br />

N 229<br />

F01<br />

Nein<br />

12.7%<br />

Geplant / im<br />

Aufbau<br />

5.7%<br />

Aufgegeben<br />

ISO 14001 Zertifizierung<br />

2.2%<br />

Ja 182.0<br />

Nein 29.0<br />

Geplant / im Aufbau13.0<br />

Aufgegeben 5.0<br />

229.0<br />

Alle Cases<br />

Ja<br />

79.5%<br />

Anhang Seite 1


A.2a<br />

Zeitpunkt der ersten ISO-Zertifzierung<br />

Wann wurde das Unternehmen resp. Teile<br />

davon erstmals zertifiziert<br />

%absolut<br />

1995-1997 29.7 54<br />

1998-2001 50.0 91<br />

2002- 20.3 37<br />

N 182<br />

1995-1997<br />

1998-2001<br />

2002-<br />

N<br />

Alle Cases<br />

2002-<br />

20.3%<br />

1995-1997<br />

29.7%<br />

1998-2001<br />

50,0%<br />

Anhang Seite 2


A.3<br />

Ansprüche der <strong>St</strong>akeholder<br />

In welchem Ausmass ist Ihr Unternehmen von umweltbezogenen Ansprüchen der<br />

folgenden Interessengruppen betroffen<br />

F3<br />

100% 0.4 1.3 4.2<br />

0.0 0.0<br />

5.9<br />

3.2<br />

4.5 1.8 1.8 4.1<br />

9.9 11.3<br />

21.3 13.0<br />

3.6<br />

23.1<br />

18.1<br />

22.2 35.7<br />

Ansprüche <strong>St</strong>akeholder<br />

18.4<br />

27.4<br />

80%<br />

48.4<br />

48.2<br />

60.1<br />

52.4<br />

32.1<br />

Kunden Lieferanten Handel<br />

MitbewerberMitarbeiter<br />

60% Gar nicht 26.51162791 19.457 5.35714<br />

Wenig 56.3<br />

56.27906977 52.4887 58.9286 47.1<br />

40.8<br />

56.4<br />

<strong>St</strong>ark 13.02325581 39.9<br />

52.5<br />

55.2 22.1719 35.7143<br />

40% Weiss nicht 4.186046512 5.88235 0<br />

58.9<br />

36.9<br />

Gar nicht 46.7<br />

52.9 57 43 38.7 12<br />

Wenig 36.8<br />

20%<br />

121 116 132<br />

<strong>St</strong>ark 30.9<br />

26.5<br />

28.3 28 49 30.8 80<br />

20.9<br />

Weiss nicht 19.5<br />

19.9<br />

11.7<br />

9 13<br />

4.4<br />

5.4 3.1<br />

7.1<br />

0%<br />

215 221 224<br />

Alle Cases<br />

Kunden<br />

Lieferanten<br />

Handel<br />

Mitbewerber<br />

Mitarbeiter<br />

Management<br />

Eigentümer<br />

Banken/Versich.<br />

Gewerkschaften<br />

Umweltschutzorg.<br />

Lok. Bevölkerung<br />

Behörden<br />

Presse/Medien<br />

Gar nicht Wenig <strong>St</strong>ark Weiss nicht<br />

Kunden<br />

Lieferanten<br />

Handel<br />

Mitbewerber<br />

Mitarbeiter<br />

Management<br />

%<br />

Gar nicht 4.4 21 27 19 5.4 3.1 12 31 53 28 20 7.1 31<br />

Wenig 47 56 56 52 59 37 37 41 32 40 55 39 47<br />

<strong>St</strong>ark 48 21 13 22 36 60 48 18 3.6 27 23 52 18<br />

Weiss nicht 0.4 1.3 4.2 5.9 0 0 3.2 9.9 11 4.5 1.8 1.8 4.1<br />

absolut<br />

Gar nicht 10 47 57 43 12 7 26 69 117 63 44 16 68<br />

Wenig 105 127 121 116 132 82 82 91 71 89 122 87 104<br />

<strong>St</strong>ark 109 48 28 49 80 134 107 41 8 61 51 118 40<br />

Weiss nicht 1 3 9 13 7 22 25 10 4 4 9<br />

N 225 225 215 221 224 223 222 223 221 223 221 225 221<br />

Eigentümer<br />

Banken/Versich.<br />

Gewerkschaften<br />

Umweltschutzorg.<br />

Lok. Bevölkerung<br />

Behörden<br />

Presse/Medien<br />

Anhang Seite 3


A.4<br />

Teil eines internationalen Konzerns<br />

Ist Ihr Unternehmen Teil eines<br />

international operierenden Konzerns und<br />

werden Ihre Umweltaktivitäten durch ein<br />

ausländisches Mutterhaus<br />

wesentlich geprägt<br />

%absolut<br />

Ja 25.6 59<br />

Nein 74.0 171<br />

Weiss nicht 0.4 1<br />

N 231<br />

F4<br />

Teil internationaler Konzern<br />

Ja<br />

Nein<br />

Weiss nicht<br />

N<br />

Weiss nicht<br />

0.4%<br />

Ja<br />

25.6%<br />

Alle Cases<br />

Nein<br />

74.0%<br />

A.5<br />

Export-Orientierung<br />

Ist Ihr Unternehmen stark exportorientiert<br />

und orientieren sich Ihre Umweltaktivitäten<br />

deshalb stark an den Erfordernissen<br />

ausländischer<br />

Märkte<br />

%absolut<br />

Ja 33.3 77<br />

Nein 66.7 154<br />

N 231<br />

F5<br />

Exportorientiert<br />

Ja<br />

Nein<br />

N<br />

Alle Cases<br />

Ja<br />

33.3%<br />

Nein<br />

66.7%<br />

Anhang Seite 4


A.6<br />

Einsatz von <strong>St</strong>offbilanzen<br />

Werden in Ihrem Unternehmen<br />

<strong>St</strong>offbilanzen (z.B. f ür VOC oder CO2),<br />

Input-Output-Bilanzen, Energiebilanzen<br />

oder Ökobilanzen eingesetzt<br />

%absolut<br />

Nein 24.6 59<br />

Unt.-bezogen 47.9 115<br />

Produktbezogen 4.6 11<br />

Unt.- & P.-bezogen 22.9 55<br />

N 240<br />

F6<br />

Einsatz <strong>St</strong>offbilanzen<br />

Nein<br />

Unternehmungsbezogen<br />

Unternehmungs-<br />

Produktbezogen<br />

und<br />

Unternehmungs- produktbezogen und produktbezogen<br />

N 22,9%<br />

Alle Cases<br />

Nein<br />

24.6%<br />

Produktbezogen<br />

4.6%<br />

Unternehmungsb<br />

ezogen<br />

47.9%<br />

Anhang Seite 5


B.1<br />

Unternehmensbezogene Methoden<br />

Welche der folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente werden in<br />

Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />

N = 149<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

F8<br />

Unternehmensbezogene Methoden<br />

Energiebilanz<br />

Prozent Ja N<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz 13.4% 55.7% 20 149<br />

Umweltkostenrechnung 16.1% 24 149<br />

Gewichtete Umweltbilanz 18.8% 48.3% 28 149<br />

Gefahrstoffbilanz 20.1% 30 149<br />

Umweltkennzahlen 28.9% 43 149<br />

VOC-Bilanz 37.6% 37.6% 56 149<br />

CO2-Bilanz 48.3% 72 149<br />

Emissionsstatistiken 55.7% 83 149<br />

28.9%<br />

Input-Output-Bilanz 65.1% 97 149<br />

Energiebilanz 69.8% 104 149<br />

20.1%<br />

Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />

Input-Output-Bilanz<br />

Emissionsstatistiken<br />

CO2-Bilanz<br />

VOC-Bilanz<br />

Umweltkennzahlen<br />

Gefahrstoffbilanz<br />

Gewichtete Umweltbilanz<br />

Umweltkostenrechnung<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />

18.8%<br />

16.1%<br />

13.4%<br />

69.8%<br />

65.1%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />

Anhang Seite 6


X:B.1 Unternehmensbezogene Methoden<br />

Spezialauswertung zu Frage B.1: Wieviele der oben genannten Methoden werden<br />

gleichzeitig eingesetzt<br />

N = 149<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

F8a<br />

Anzahl Methoden<br />

0 Methoden<br />

1 Methode<br />

2 Methoden<br />

20%<br />

3 Methoden<br />

4 Methoden<br />

18%<br />

18.1% 18.8% 5 Methoden<br />

6 Methoden<br />

16% 7 Methoden<br />

16.1%<br />

8 Methoden<br />

14% 9 Methoden<br />

14.1%<br />

12.8%<br />

12%<br />

Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />

10%<br />

10.1%<br />

8%<br />

6%<br />

7.4%<br />

4%<br />

2%<br />

0%<br />

1.3%<br />

0.7% 0.7%<br />

0 Methoden<br />

1 Methode<br />

2 Methoden<br />

3 Methoden<br />

4 Methoden<br />

5 Methoden<br />

6 Methoden<br />

7 Methoden<br />

8 Methoden<br />

9 Methoden<br />

Anhang Seite 7


B.2<br />

Einsatzzeit der Methoden<br />

Seit wann werden die folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente in<br />

Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />

N = 70<br />

Seit wann werden die folgenden stoff- und energieflussbezogenen Instrumente in<br />

Ihrem Unternehmen eingesetzt<br />

F9<br />

Energiebilanz<br />

Einsatzdauer Methoden<br />

12.0<br />

15.1<br />

17.6<br />

14.3<br />

18.9 11.7<br />

36.0<br />

32.4 0.9<br />

Wirkungsorientierte Umweltkostenrechnung<br />

Gewichtete UmweltbilanzGefahrstoffbilanz<br />

Umweltkennzahlen<br />

kein Einsatz 56.96202532 54.4304 44.186<br />

seit 1-2 Jahren 6.329113924 15.1899 8.13953<br />

seit 3-5 Jahren 22.8<br />

26.7 18.98734177 30.7 8.86076 19.8 24.4186 0.0<br />

seit > 5 Jahren 15.18987342 17.7215 22.093<br />

Weiss nicht 2.53164557 3.79747 1.16279<br />

N 79 79 86<br />

33.7<br />

18.9<br />

32.6<br />

13.7 1.1<br />

Input-Output-Bilanz<br />

Emissionsstatistiken<br />

CO2-Bilanz<br />

Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />

VOC-Bilanz<br />

Umweltkennzahlen<br />

Gefahrstoffbilanz<br />

Gewichtete Umweltbilanz<br />

Umweltkostenrechnung<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />

44.2<br />

54.4<br />

57.0<br />

63.8<br />

71.4<br />

32.0<br />

40.3<br />

8.1<br />

15.2<br />

6.3<br />

24.4<br />

7.5<br />

8.9<br />

19.0<br />

7.1<br />

37.6<br />

15.0<br />

29.4<br />

7.1<br />

22.1<br />

17.7<br />

15.2<br />

0.8<br />

0.8<br />

1.2<br />

3.8<br />

2.5<br />

12.5 1.3<br />

11.4 2.9<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

kein Einsatz<br />

seit 1-2 Jahren<br />

seit 3-5 Jahren<br />

seit > 5 Jahren<br />

Weiss nicht<br />

Anhang Seite 8


B.3<br />

Wirksamkeit der Methoden<br />

Welches der in Ihrem Unternehmen eingesetzten Instrumente ist nach Ihrer<br />

Meinung das wirksamste<br />

N = 149<br />

F10<br />

Wirksamste Methode<br />

Input-Output-Bilanz<br />

Gefahrstoffbilanzen<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />

Umweltkostenrechnung<br />

VOC-Bilanz<br />

Bewertete Umweltbilanz<br />

Emissionsstatistiken in Kg<br />

CO2-Bilanz<br />

Umweltkennzahlen<br />

Energiebilanz<br />

Input-Output-Bilanz<br />

N<br />

Energiebilanz<br />

Umweltkennzahlen<br />

CO2-Bilanz<br />

Alle unternehmensbezogen auswertenden Unternehmen<br />

Emissionsstatistiken in Kg<br />

Gewichtete Umweltbilanz<br />

VOC-Bilanz<br />

Umweltkostenrechnung<br />

Wirkungsorientierte Umweltbilanz<br />

Gefahrstoffbilanzen<br />

2.7%<br />

1.3%<br />

3.4%<br />

5.4%<br />

8.1%<br />

8.1%<br />

7.4%<br />

20.1%<br />

19.5%<br />

24.2%<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%<br />

Anhang Seite 9


B.4<br />

Rhythmus der Datenerhebung<br />

In welchem Rhythmus werden die für die<br />

Berechnung der Bilanzen notwendigen<br />

Daten erfasst (Periodizität der<br />

Datenerhebung)<br />

%absolut<br />

Quartalsweise 16.4 12<br />

Halbjährlich 5.5 4<br />

Jährlich 74.0 54<br />

Alle 2 Jahre 2.7 2<br />

N 72<br />

F11<br />

Rhythmus der Datenerhebung<br />

Quartalsweise<br />

Halbjährlich<br />

Jährlich<br />

Alle 2 Jahre<br />

N<br />

Alle 2 Jahre<br />

3%<br />

Unternehmensbilanzierer gemäss Selektion<br />

Quartalsweise<br />

17%<br />

Halbjährlich<br />

6%<br />

Jährlich<br />

74%<br />

B.5<br />

Vollständigkeit der Datenerhebung<br />

Wie beurteilen Sie die Vollständigkeit der<br />

Datenerfassung in Bezug auf den<br />

gesamten entsprechenden <strong>St</strong>off - bzw.<br />

Energiehaushalt in Ihrem<br />

Unternehmen<br />

%absolut<br />

Hoch (80-100%) 62.5 45<br />

Mässig (50-79%) 34.7 25<br />

Gering ( 50%) 1.4 1<br />

Weiss nicht 1.4 1<br />

N 72<br />

F12<br />

Vollständigkeit der Datenerhebung<br />

Gering (50%)<br />

1%<br />

Hoch (80-100%)<br />

Mässig (50-79%)<br />

Gering ( 50%)<br />

Weiss nicht<br />

Total<br />

Mässig<br />

(50-79%)<br />

35%<br />

Weiss nicht<br />

1%<br />

Hoch<br />

(80-100%)<br />

63%<br />

Anhang Seite 10


B.6<br />

Organisatorischer Bezug<br />

Welchen organisatorischen Bezug haben die erstellten Bilanzen<br />

N = 73<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Anderes Einzelne Abteilungen Prozesse Tochterunternehmen <strong>St</strong>andorte<br />

Anzahl 0.054794521 0.06849 0.41096<br />

N 4 61.6% 5 30<br />

73 73 73<br />

Gesamtunternehmen<br />

<strong>St</strong>andorte<br />

Tochterunternehmen<br />

Abteilungen<br />

Einzelne Prozesse<br />

Anderes<br />

5.5%<br />

5.5%<br />

2.7%<br />

6.8%<br />

41.1%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

B.7<br />

Reichweite der Bilanzen<br />

Welches ist die Reichweite der in Ihrem<br />

Unternehmen erstellten Bilanzen<br />

(Systemgrenzen)<br />

%absolut<br />

<strong>St</strong>andort 80.3 57<br />

inkl. vor-/nachgel.<strong>St</strong>. 16.9 12<br />

Weiss nicht 2.8 2<br />

N 71<br />

inkl. vor- oder<br />

nachgelagerte<br />

<strong>St</strong>ufen<br />

17%<br />

Weiss nicht<br />

3%<br />

<strong>St</strong>andort<br />

80%<br />

Anhang Seite 11


B.7a<br />

zusätzlich berücksichtigte Aktivitäten<br />

absolut<br />

Welche Aktivitäten werden zusätzlich zum Produktnutzung 2<br />

<strong>St</strong>andort berücksichtigt<br />

Rohmaterial/Halbfabrikate 4<br />

Zugekaufte Transporte 7<br />

Eigene Transporte 9<br />

Energiebereitstellung 9<br />

Abfallentsorgung 9<br />

(Mehrfachnennungen) N 12 von 71<br />

Abfallentsorgung<br />

Energiebereitstellung<br />

Eigene Transporte<br />

Zugekaufte Transporte<br />

Rohmaterial/Halbfabrikate<br />

Produktnutzung<br />

9<br />

9<br />

9<br />

7<br />

4<br />

2<br />

0 4 8 12<br />

Anhang Seite 12


B.8<br />

Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />

Bringt es Ihrer Meinung nach einen<br />

Nutzen, die Systemgrenzen über den<br />

<strong>St</strong>andort, resp. das Werkareal hinaus zu<br />

definieren<br />

%absolut<br />

Ja 37.0 27<br />

Nein 45.2 33<br />

Weiss nicht 17.8 13<br />

N 73<br />

F16<br />

Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />

Weiss nicht<br />

Ja<br />

17.8%<br />

Nein<br />

Weiss nicht<br />

Ja<br />

37.0%<br />

Nein<br />

45.2%<br />

B.8a<br />

Nutzen erweiterter Systemgrenzen<br />

Welchen Nutzen bringt die erweiterte Fassung der Systemgrenzen<br />

N = 27 von 73<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Früwarnung betr.<br />

Gesetzesänd. /<br />

indirekte ökolog. /<br />

ökonom. Fakten<br />

8<br />

Erkenntnisse /<br />

Zusammenhänge /<br />

Umfassendes<br />

Systemverständnis<br />

13<br />

Erweiterung<br />

Optimierungsraum /<br />

Umsetzung<br />

Verantwortlichkeit<br />

21<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Anhang Seite 13


B.9 & 10 Erfasste und ausgewertete Inputs<br />

B.9: Welche Anzahl von Inputs (z.B. Heiz öl, Benzin, <strong>St</strong>ahl, zugekaufte<br />

Transportleistungen in tkm, etc.) wird in Ihrem Unternehmen erhoben<br />

B.10: Welche Anzahl von Inputindikatoren wird in Ihrem Unternehmen<br />

ausgewertet<br />

N = 72<br />

80<br />

80<br />

73.6<br />

70<br />

70<br />

60<br />

60<br />

Erfasste Inputs in %<br />

50<br />

40<br />

30<br />

26.4<br />

33.3<br />

25.0<br />

50<br />

40<br />

30<br />

Ausgewertete Inputs in %<br />

20<br />

20<br />

13.9<br />

10<br />

11.1<br />

12.5<br />

10<br />

0<br />

1.4 1.4<br />

1.4<br />

0<br />

0-5 Inputs erfasst /<br />

bis 50 Inputs ausgewertet<br />

6-10 Inputs erfasst / 5<br />

1-100 Inputs ausgewertet<br />

11-20 Inputs erfasst /<br />

101-500 Inputs ausgewertet<br />

> 20 Inputs erfasst /<br />

> 500 Inputs ausgewertet<br />

Weiss nicht<br />

Erfasste<br />

Inputfaktoren<br />

Ausgewertete<br />

Inputfaktoren<br />

Anhang Seite 14


B.11<br />

& 12 Erfasste und ausgewertete Outputs<br />

B.11: Welche Anzahl von Outputs (z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg<br />

CSB/DOC, etc. ) wird in Ihrem Unternehmen gemessen bzw. erhoben<br />

B.12: Welche Anzahl von Outputindikatoren wird in Ihrem Unternehmen<br />

ausgewertet<br />

N = 71 / 72<br />

40<br />

38.0<br />

36.1<br />

40<br />

35<br />

32.4<br />

30.6<br />

30<br />

Erfasste Outputs in %<br />

20<br />

18.1<br />

15.5<br />

12.5<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Ausgewertete Outputs in %<br />

8.5<br />

10<br />

5.6<br />

2.8<br />

5<br />

0<br />

0<br />

0-5 Outputs erfasst /<br />

0-5 Outputs ausgewertet<br />

6-10 Outputs erfasst<br />

6-10 Outputs ausgewertet<br />

11-20 Outputs erfasst /<br />

11-50 Outputs ausgewertet<br />

> 20 Outputs erfasst /<br />

> 50 Outputs ausgewertet<br />

Weiss nicht<br />

Erfasste<br />

Outputfaktoren<br />

Ausgewertete<br />

Outputfaktoren<br />

Anhang Seite 15


B.13<br />

Werkzeuge zur Bilanzierung<br />

Welche der nachfolgenden Werkeuge werden in Ihrem Unternehmen zur Erstellung<br />

von Bilanzen eingesetzt<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Tabellenkalkulation<br />

Ökobilanz-Software<br />

ERP-System<br />

<strong>St</strong>offstrom-Modellierung<br />

Energiebilanz-Software<br />

<strong>St</strong>off- und Energiebilanzsoftware<br />

<strong>St</strong>offluss / Sankey-Diagramme<br />

Keines dieser Instrumente<br />

64.4%<br />

15.1%<br />

9.6%<br />

8.2%<br />

6.8%<br />

5.5%<br />

5.5%<br />

16.4%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

B.14<br />

Ersteller der Bilanzen<br />

Durch wen werden die Bilanzen in Ihrem Unternehmen hauptsächlich erstellt<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Interne Teams<br />

Externe Berater<br />

Externe Prüfer<br />

Arbeitsgemeinschaft / Ve...<br />

Forschungseinrichtungen<br />

89.0%<br />

23.3%<br />

4.1%<br />

2.7%<br />

0.0%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Anhang Seite 16


B.15<br />

Qualitative Beurteilung der <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />

Werden die betrieblichen <strong>St</strong>off - und<br />

Energieflüsse qualitativ beurteilt<br />

(Umweltrelevanz-Matrix, ABC-<br />

Klassierung, etc.)<br />

%absolut<br />

Ja 77.8 56<br />

Nein 19.4 14<br />

Weiss nicht 2.8 2<br />

N 72<br />

Nein<br />

19.4%<br />

Weiss nicht<br />

2.8%<br />

Ja<br />

77.8%<br />

B.15<br />

a Kriterien der Beurteilung<br />

Nach welchen Kriterien wird qualitativ beurteilt<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Gesetzesrelevanz<br />

Technische Risiken<br />

Kosten<br />

Beeinflussbarkeit<br />

Öffentliche Wahrnehmung<br />

Anderes<br />

85.7%<br />

53.6%<br />

50.0%<br />

44.6%<br />

72<br />

39.3%<br />

8.9%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Anhang Seite 17


B.16<br />

Ausweis von Wirkungskategorien<br />

Werden einzelne <strong>St</strong>offe problembezogen zu sog. Wirkungskategorien<br />

zusammengefasst (Wirkungsanalyse) und wenn ja, zu welcher/n<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Treibhauseffekt<br />

Ozonschichtabbau<br />

Ökotoxizität<br />

Versauerung<br />

Überdüngung<br />

Humantoxizität<br />

Bodennahes Ozon<br />

Landnutzung / Biodiversität<br />

Abfalldeponieknappheit<br />

Mineralienabbau<br />

Verkehrslärm<br />

Bodenversalzung / Verwüstung<br />

Erosion<br />

Keine Wirkungskategorien<br />

23.3%<br />

9.6%<br />

8.2%<br />

6.8%<br />

6.8%<br />

5.5%<br />

5.5%<br />

2.7%<br />

1.4%<br />

1.4%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

67.1%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

Anhang Seite 18


B.17<br />

Gewichtungsfaktoren<br />

Welche/r der folgenden öffentlich verfügbaren Gewichtungsfaktoren kommt bei der<br />

Beurteilung Ihrer Input -Output-Daten zum Einsatz<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Emissionszuschläge<br />

Vermeidungskosten<br />

Sanierungskosten<br />

Umweltbelastungspunkte BUWAL<br />

Ecoindicator 99<br />

Anderes<br />

Ecoindicator 95<br />

Impact2000<br />

Ökologischer Fussabdruck<br />

MIPS<br />

EDIP<br />

ExternE<br />

Keine dieser Methoden<br />

26.0%<br />

23.3%<br />

16.4%<br />

11.0%<br />

5.5%<br />

4.1%<br />

2.7%<br />

1.4%<br />

1.4%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

39.7%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />

Anhang Seite 19


B.18<br />

Nutzen von <strong>St</strong>andardverfahren<br />

<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />

tendenziell zu<br />

"<strong>St</strong>andardisierte Verfahren zur<br />

Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />

Energieflüssen, aus denen beispielsweise<br />

eine Summe von Belastungspunkten<br />

resultiert, sind nützlich für das<br />

Unternehmen."<br />

%absolut<br />

Ja 69.4 50<br />

Nein 12.5 9<br />

Weiss nicht 18.1 13<br />

N 72<br />

B.19<br />

Sind <strong>St</strong>andardverfahren methodisch überzeugend<br />

<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />

tendenziell zu<br />

"Die heute verfügbaren, standardisierten<br />

Verfahren zur Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />

Energieflüssen sind methodisch<br />

überzeugend."<br />

%absolut<br />

Ja 44.4 32<br />

Nein 13.9 10<br />

Weiss nicht 41.7 30<br />

N 72<br />

80%<br />

70%<br />

69.4%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

44.4%<br />

41.7%<br />

20%<br />

10%<br />

12.5% 13.9%<br />

18.1%<br />

0%<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Nützlich<br />

Methodisch überzeugend<br />

Anhang Seite 20


B.20<br />

Instanzen für Definition der Gewichtungsansätze<br />

Gewichtungsmethoden sollten vor allem auf Einschätzungen welcher der folgenden<br />

Instanzen basieren<br />

N = 70<br />

Weiss nicht<br />

7%<br />

Anderes<br />

3%<br />

<strong>St</strong>aat<br />

17%<br />

Unternehmen<br />

selbst<br />

31%<br />

Wirtschaft<br />

6%<br />

Wissenschaft<br />

36%<br />

Anhang Seite 21


C.1<br />

Zweck der <strong>St</strong>off- und Energiebilanzen<br />

Welchem Zweck dient die Erstellung von unternehmungsbezogenen <strong>St</strong>off - und<br />

Energiebilanzen in Ihrem Unternehmen<br />

N = 73<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Regelmässige Prüfung Umweltaspekte<br />

Erfüllung gesetzl. Bestimmungen<br />

Umweltleistungsmessung<br />

Risiko-Management<br />

Interne Kommunikation<br />

Analyse für UMS-Aufbau<br />

Externe Kommunikation<br />

Identifikation Umweltbelastungstreiber<br />

Identifikation Umweltkostentreiber<br />

Externes Benchmarking<br />

Marketing<br />

<strong>St</strong>ärken-Schwächen-Analyse<br />

Anderes<br />

83.6%<br />

65.8%<br />

61.6%<br />

53.4%<br />

45.2%<br />

43.8%<br />

37.0%<br />

31.5%<br />

30.1%<br />

26.0%<br />

21.9%<br />

13.7%<br />

1.4%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Anhang Seite 22


C.2<br />

Funktionsbereiche<br />

In welchen Funktionsbereichen werden die Bilanzen bei der Entscheidungsfindung<br />

eingesetzt<br />

N = 54 bis 71<br />

2.8 5.6<br />

3.1<br />

4.5<br />

Umwelt- & Qualitätsmanagement<br />

Geschäftsleitung<br />

Einkauf & Beschaffung<br />

Produktion<br />

Forschung & Entwicklung<br />

Marketing & Verkauf<br />

Finanz- & Rechnungswesen<br />

Personalwesen<br />

6.2<br />

6.8<br />

20.4<br />

30.8<br />

40.9<br />

30.8<br />

44.4<br />

42.9<br />

42.3<br />

29.6<br />

50.8<br />

41.5<br />

31.8<br />

44.6<br />

40.7<br />

37.5<br />

31.5<br />

49.3<br />

28.8<br />

24.6<br />

21.2<br />

11.1<br />

5.6<br />

10.7<br />

18.5<br />

6.8 6.8<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />

1.9<br />

1.8<br />

7.4<br />

7.4<br />

7.1<br />

1.5<br />

Anhang Seite 23


C.3<br />

Institutionalisierungsgrad<br />

Welche der folgenden Aussagen<br />

beschreibt Ihrer Ansicht nach den Grad<br />

der Institutionalisierung<br />

(Verankerung/Integration) von <strong>St</strong>off - und<br />

Energiebilanzen in Ihrem Unternehmen<br />

am zutreffendsten<br />

Routine /<br />

Integration<br />

23.6%<br />

%absolut<br />

<strong>St</strong>artphase 19.4 14<br />

Lernphase 56.9 41<br />

Routine 23.6 17<br />

N 73<br />

<strong>St</strong>artphase /<br />

Innovation<br />

19.4%<br />

Lernphase /<br />

Adaption<br />

56.9%<br />

C.4<br />

Nutzenargumente<br />

Wie beurteilen Sie die folgenden Nutzenargumente für den Einsatz von Bilanzen<br />

N = 65 bis 67<br />

Eindeutigkeit von<br />

Kontrollgrössen<br />

1.5<br />

12.3<br />

30.8<br />

55.4<br />

Erhöhung der<br />

Glaubwürdigkeit<br />

1.56.1<br />

37.9<br />

54.5<br />

Konzentration aufs<br />

Wesentliche<br />

3.0<br />

13.4<br />

34.3<br />

49.3<br />

Planbarkeit der<br />

Umweltleistung<br />

1.5<br />

16.4<br />

32.8<br />

47.8<br />

1.5<br />

Versachlichung<br />

Diskussion<br />

1.6<br />

17.2<br />

32.8<br />

46.9<br />

1.6<br />

Neue Erkenntnisse<br />

/ Ideen<br />

1.5<br />

18.2<br />

42.4<br />

37.9<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft eher zu Trifft zu Weiss nicht<br />

Anhang Seite 24


C.5<br />

Aufwanderfassung<br />

Wird der zur Bilanzierung notwendige Aufwand erfasst, und wenn ja, in welcher<br />

Form<br />

N = 70<br />

Erfassung von<br />

Ausgaben und<br />

Zeitaufwand<br />

5.7%<br />

Erfassung des<br />

zeitlichen<br />

Aufwands<br />

11.4%<br />

Weiss nicht<br />

4.3%<br />

Erfassung der<br />

Ausgaben<br />

11.4%<br />

Keine<br />

Erfassung<br />

67.1%<br />

C.8<br />

Kosten-Nutzen Verhältnis<br />

Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der erstellten Bilanzen<br />

insgesamt<br />

N = 69<br />

Weiss nicht<br />

11.6%<br />

Schlecht<br />

11.6%<br />

Gut<br />

27.5%<br />

Ausgeglichen<br />

49.3%<br />

Anhang Seite 25


C.9 -<br />

11 Wirkungen der Bilanzierung<br />

C.9: Integrative Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu<br />

beigetragen haben, dass bestehende Informationsquellen (z.B. Rechnungswesen,<br />

Emissionsstatistiken, Einkaufsdaten, Produktionsdaten etc.) erweitert oder<br />

konsistenter gestaltet wurden<br />

C.10: <strong>St</strong>euernde Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass die Bilanzen dazu<br />

beigetragen haben, dass Umfang und <strong>St</strong>ruktur der Umweltleistung der<br />

Unternehmung besser geplant und gesteuert werden können (z.B. durch<br />

faktenbasierte Konzentration auf das Wesentliche, quantifizierte Ziele/Kennzahlen<br />

etc.)<br />

C.11: Organisatorische Wirkung - Sind Sie der Meinung, dass durch die<br />

Bilanzierung die organisatorische <strong>St</strong>ellung und Einbindung der Umweltabteilung<br />

gestärkt und/oder die Führung von Arbeitsgruppen, Mitarbeiterinformation,<br />

Vorschlagswesen etc. positiv unterstützt wurde<br />

N = 71<br />

100%<br />

80%<br />

83.1%<br />

66.2%<br />

60%<br />

52.1%<br />

40%<br />

33.8%<br />

25.4%<br />

20%<br />

14.1%<br />

14.1%<br />

2.8%<br />

8.5%<br />

0%<br />

Integrative<br />

Wirkung<br />

<strong>St</strong>euernde<br />

Wirkung<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Organisatorische<br />

Wirkung<br />

Anhang Seite 26


C.12<br />

- 15 Beurteilung der Bilanzierung<br />

C.12: Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität der Bilanzierung<br />

ausserordentlich hoch ist<br />

C.13: Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind<br />

C.14: Denken Sie, dass die für die Bilanzen verwendeten Daten in<br />

problematischem Ausmass unsicher sind<br />

C.15: Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer<br />

Ansicht nach auf grosses Misstrauen<br />

N = 71<br />

100%<br />

80%<br />

73.2%<br />

81.7%<br />

84.5%<br />

60%<br />

52.1%<br />

45.1%<br />

40%<br />

23.9%<br />

20%<br />

2.8%<br />

2.8%<br />

9.9%<br />

8.5%<br />

11.3%<br />

4.2%<br />

0%<br />

Komplexität<br />

hoch<br />

Ergebnisse<br />

unklar<br />

Daten unsicher<br />

geringe<br />

Akzeptanz<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Anhang Seite 27


C.16<br />

Bilanzierungsaktivität in drei Jahren<br />

Wie beurteilen Sie das Ausmass der<br />

Aktivitäten im Bereich<br />

unternehmungsbezogene Bilanzierung in<br />

Ihrem Unternehmen in 3 Jahren<br />

%absolut<br />

Tiefer als heute 4.2 3<br />

Gleich wie heute 47.9 34<br />

Höher als heute 46.5 33<br />

Weiss nicht 1.4 1<br />

N 71<br />

Weiss nicht<br />

1.4%<br />

Tiefer als heute<br />

4.2%<br />

Höher als heute<br />

46.5%<br />

Gleich wie<br />

heute<br />

47.9%<br />

Anhang Seite 28


D.1<br />

Einsatzzeit Produktbilanzen<br />

Seit wann werden die folgenden produktbezogenen Instrumente in Ihrem<br />

Unternehmen eingesetzt<br />

N = 26+27<br />

69%<br />

12%<br />

12% 4% 4%<br />

Ökobilanz-basierte<br />

Umweltkennzeichnung<br />

81%<br />

4% 8% 4% 4%<br />

78%<br />

4% 7%<br />

11%<br />

externe<br />

Umweltkennzeichen<br />

73%<br />

12%<br />

15%<br />

62%<br />

15%<br />

8%<br />

15%<br />

Produktökobilanz<br />

7%<br />

26%<br />

41%<br />

26%<br />

41%<br />

19%<br />

19%<br />

11%<br />

11%<br />

Kumulierte Energiebilanz<br />

35%<br />

19%<br />

23%<br />

19%<br />

4%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Kein Einsatz<br />

seit 1-2 Jahren<br />

seit 3-5 Jahren<br />

seit > 5 Jahren<br />

Weiss nicht<br />

Anhang Seite 29


D.2<br />

Umfang der Produktsökobilanzen<br />

Für welche Produkte werden Ökobilanzen erstellt<br />

N = 26<br />

50.0%<br />

7.7%<br />

11.5%<br />

7.7%<br />

7.7%<br />

Nur für ökologisch<br />

positionierte Produkte<br />

Für alle neuen Produkte<br />

Für sämtliche Produkte<br />

Für einige neue Produkte<br />

15.4%<br />

Für einige bestehende<br />

Produkte<br />

Für einige bestehende und<br />

neue Produkte<br />

D.4<br />

Ersteller der Bilanzen<br />

Durch wen werden die Produktökobilanzen hauptsächlich erstellt<br />

N = 27<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Interne Teams<br />

66.7%<br />

Externe Berater<br />

29.6%<br />

Forschungseinrichtungen<br />

18.5%<br />

Arbeitsgemeinschaft /<br />

Verband<br />

14.8%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%<br />

Anhang Seite 30


D.5 -<br />

6 Erfasste und ausgewertete Inputs<br />

D.5: Wieviele Inputs (z.B. verschiedene Metalle, Chemikalien, Elektrizität,<br />

Transportleistung in tkm, etc. ) werden für Ihre Produktökobilanzen<br />

gemessen bzw. erhoben<br />

D.6: Welche Anzahl von Inputindikatoren werden in Ihren Produktökobilanzen<br />

ausgewertet<br />

N = 27<br />

60%<br />

60%<br />

55.6%<br />

50%<br />

50%<br />

40%<br />

40%<br />

Erfasste Inputs<br />

30%<br />

29.6%<br />

25.9%<br />

33.3%<br />

30%<br />

Ausgewertete Inputs<br />

20%<br />

18.5%<br />

20%<br />

14.8%<br />

10%<br />

11.1%<br />

10%<br />

3.7%<br />

3.7%<br />

3.7%<br />

0%<br />

0%<br />

0-5 Inputs erfasst /<br />

bis 50 Inputs<br />

ausgewertet<br />

6-10 Inputs erfasst /<br />

51-100 Inputs<br />

ausgewertet<br />

11-20 Inputs erfasst /<br />

101-500 Inputs<br />

ausgewertet<br />

> 20 Inputs erfasst /<br />

> 500 Inputs<br />

ausgewertet<br />

Weiss nicht<br />

Erfasste<br />

Inputfaktoren<br />

Ausgewertete<br />

Inputfaktoren<br />

Anhang Seite 31


D.7 -<br />

8 Erfasste und ausgewertete Outputs<br />

D.7: Wieviele Outputs (z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg CSB/DOC,<br />

etc. ) werden f ür Ihre Produktökobilanzen gemessen bzw. erhoben<br />

D.8: Wieviele Outputindikatoren z.B. kg CO2, kg Kehricht an Verbrennung, kg<br />

CSB/DOC, etc. ) werden in Ihren Bilanzen ausgewertet<br />

N = 27<br />

40%<br />

40%<br />

30%<br />

29.6%<br />

33.3%<br />

30%<br />

Erfasste Outputs<br />

20%<br />

22.2%<br />

18.5% 18.5%<br />

14.8%<br />

18.5%<br />

22.2%<br />

20%<br />

Ausgewertete Outputs<br />

11.1%<br />

10%<br />

11.1%<br />

10%<br />

0%<br />

0%<br />

0-5 Outputs erfasst /<br />

0-5 Outputs ausgewertet<br />

6-10 Outputs erfasst /<br />

6-10 Outputs<br />

ausgewertet<br />

11-20 Outputs erfasst /<br />

11-50 Outputs<br />

ausgewertet<br />

> 20 Outputs erfasst /<br />

> 50 Outputs<br />

ausgewertet<br />

Weiss nicht<br />

Erfasste<br />

Outputfaktoren<br />

Ausgewertete<br />

Outputfaktoren<br />

Anhang Seite 32


D.9<br />

Qualitative Beurteilung der <strong>St</strong>offflüsse<br />

Werden die <strong>St</strong>off- und Energieflüsse<br />

qualitativ beurteilt (ABC-Klassierung,<br />

etc.)<br />

%absolut<br />

Ja 65.4 17<br />

Nein 11.5 3<br />

Weiss nicht 23.1 6<br />

N 26<br />

Weiss nicht<br />

23.1%<br />

Nein<br />

11.5%<br />

Ja<br />

65.4%<br />

D.9a<br />

Kriterien der Beurteilung<br />

Nach welchen Kriterien wird qualitativ beurteilt<br />

N = 17<br />

Anderes<br />

29.4%<br />

Beeinflussbarkeit<br />

Öffentliche Wahrnehmung<br />

Gesetzesrelevanz<br />

11.8%<br />

11.8%<br />

47.1%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />

Anhang Seite 33


D.10 Kriterien der Beurteilung<br />

Werden einzelne <strong>St</strong>offe problembezogen zu sog. Wirkungskategorien<br />

zusammengefasst (Wirkungsanalyse) und wenn ja, zu welcher/n<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Treibhauseffekt<br />

Ozonschichtabbau<br />

Ökotoxizität<br />

Versauerung<br />

Humantoxizität<br />

Überdüngung<br />

Bodennahes Ozon<br />

Abfalldeponieknappheit<br />

Landnutzung / Biodiversität<br />

Mineralienabbau<br />

Bodenversalzung / Verwüstung<br />

Verkehrslärm<br />

Erosion<br />

Keine Wirkungskategorien<br />

55.6%<br />

44.4%<br />

29.6%<br />

29.6%<br />

25.9%<br />

18.5%<br />

18.5%<br />

14.8%<br />

11.1%<br />

11.1%<br />

11.1%<br />

3.7%<br />

0.0%<br />

37.0%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />

Anhang Seite 34


D.11<br />

Kriterien der Beurteilung<br />

Welche/r der folgenden öffentlich verfügbaren Gewichtungsfaktoren kommt bei der<br />

Beurteilung Ihrer Produktökobilanzen zum Einsatz<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Ecoindicator 99<br />

Umweltbelastungspunkte BUWAL<br />

Emissionszuschläge<br />

Ecoindicator 95<br />

Anderes<br />

Vermeidungskosten<br />

Sanierungskosten<br />

EDIP<br />

Ökologischer Fussabdruck<br />

Impact2000<br />

MIPS<br />

ExternE<br />

Keine dieser Methoden<br />

40.7%<br />

25.9%<br />

22.2%<br />

18.5%<br />

14.8%<br />

11.1%<br />

11.1%<br />

3.7%<br />

3.7%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

0.0%<br />

7.4%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50%<br />

Anhang Seite 35


D.12<br />

Nutzen von <strong>St</strong>andardverfahren<br />

<strong>St</strong>immen Sie der folgenden Aussage<br />

tendenziell zu<br />

"<strong>St</strong>andardisierte Verfahren zur<br />

Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />

Energieflüssen, aus denen beispielsweise<br />

eine Summe von Belastungspunkten<br />

resultiert, sind nützlich für die Beurteilung<br />

von Produktökobilanzen"<br />

%absolut<br />

Ja 92.3 24<br />

Nein 3.8 1<br />

Weiss nicht 3.8 1<br />

N 26<br />

D.13<br />

Sind <strong>St</strong>andardverfahren methodisch überzeugend<br />

"Die heute verfügbaren, standardisierten<br />

Verfahren zur Gewichtung von <strong>St</strong>off - und<br />

Energieflüssen sind methodisch<br />

überzeugend"<br />

%absolut<br />

Ja 53.8 14<br />

Nein 15.4 4<br />

Weiss nicht 30.8 8<br />

N 26<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

92.3%<br />

53.8%<br />

30.8%<br />

15.4%<br />

3.8% 3.8%<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Nützlich<br />

Methodisch überzeugend<br />

Anhang Seite 36


D.14<br />

Instanzen für Definition der Gewichtungsansätze<br />

Gewichtungsmethoden sollten vor allem auf Einschätzungen welcher der folgenden<br />

Instanzen basieren<br />

N = 26<br />

Weiss nicht<br />

4%<br />

Andere<br />

8%<br />

<strong>St</strong>aat<br />

12%<br />

Unternehmen<br />

selbst<br />

19%<br />

Gesellschaft<br />

4%<br />

Wissenschaft<br />

53%<br />

E.1<br />

Zweck der Produktökobilanzen<br />

Welchem Zweck dient die Erstellung von Produktökobilanzen in Ihrem<br />

Unternehmen<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Identifikation von Schwachstellen<br />

Information<br />

Innovation<br />

Externer Produktvergleich<br />

Interner Produktvergleich<br />

Beschaffungskriterien<br />

Erhalt von Umweltkennzeichen<br />

Andere<br />

66.7%<br />

59.3%<br />

51.9%<br />

40.7%<br />

37.0%<br />

29.6%<br />

11.1%<br />

3.7%<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%<br />

Anhang Seite 37


E.2<br />

Einsatzgebiete Produktökobilanzen<br />

In welchen Funktionsbereichen werden Produktökobilanzen bei der<br />

Entscheidungsfindung eingesetzt<br />

N = 24 bis 26<br />

Umwelt- & Qualitätsmanagement<br />

Geschäftsleitung<br />

Einkauf & Beschaffung<br />

Produktion<br />

Forschung & Entwicklung<br />

Marketing & Verkauf<br />

Finanz- & Rechnungswesen<br />

Personalwesen<br />

3.8% 19.2%<br />

53.8%<br />

23.1%<br />

20.0% 32.0%<br />

40.0% 8.0%<br />

15.4% 34.6%<br />

11.5% 34.6%<br />

4.0% 20.0% 32.0%<br />

26.9% 19.2% 3.8%<br />

42.3% 11.5%<br />

36.0% 8.0%<br />

16.0% 36.0%<br />

36.0% 8.0% 4.0%<br />

50.0%<br />

29.2% 4.2%16.7%<br />

64.0%<br />

24.0% 8.0%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Gar nicht Selten Häufig <strong>St</strong>ändig Weiss nicht<br />

Anhang Seite 38


E.3<br />

Instutionalisierungsgrad<br />

Welche der folgenden Aussagen<br />

beschreibt Ihrer Ansicht nach den Grad<br />

der Institutionalisierung<br />

(Verankerung/Integration) von<br />

Produktökobilanzen in Ihrem<br />

Unternehmen am zutreffendsten<br />

%absolut<br />

<strong>St</strong>artphase 32 8<br />

Lernphase 56 14<br />

Routine 12 3<br />

N 25<br />

Routine /<br />

Integration<br />

12%<br />

<strong>St</strong>artphase /<br />

Innovation<br />

32%<br />

Lernphase /<br />

Adaption<br />

56%<br />

E.4<br />

Nutzenargumente<br />

Wie beurteilen Sie die folgenden Nutzenargumente der Bilanzen<br />

N = 26<br />

Erhöhung der<br />

Glaubwürdigkeit<br />

7.7%<br />

38.5%<br />

53.8%<br />

Konzentration aufs<br />

3.8% 7.7% 38.5%<br />

46.2%<br />

3.8%<br />

Wesentliche<br />

Versachlichung<br />

Diskussion<br />

7.7%<br />

46.2%<br />

46.2%<br />

Neue Erkenntnisse /<br />

3.8%<br />

Ideen<br />

11.5%<br />

46.2%<br />

38.5%<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Trifft nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft eher zu Trifft zu Weiss nicht<br />

Anhang Seite 39


E.5<br />

Aufwandserfassung<br />

Wird der zur Bilanzierung notwendige Aufwand erfasst und wie<br />

N = 26<br />

Weiss nicht<br />

24.0%<br />

Keine<br />

Erfassung<br />

32.0%<br />

Erfassung von<br />

Ausgaben und<br />

Zeitaufwand<br />

24.0%<br />

Erfassung des<br />

zeitlichen<br />

Aufwands<br />

16.0%<br />

Erfassung der<br />

Ausgaben<br />

4.0%<br />

E.8<br />

Kosten-Nutzen Verhältnis<br />

Wie beurteilen Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der erstellten Bilanzen<br />

insgesamt<br />

N = 25<br />

Weiss nicht<br />

28.0%<br />

Schlecht<br />

8.0%<br />

Ausgeglichen<br />

40.0%<br />

Gut<br />

24.0%<br />

Anhang Seite 40


E.9 -<br />

12 Beurteilung Bilanzierung<br />

E.9: Sind Sie der Meinung, dass die Komplexität von Produktökobilanzen<br />

ausserordentlich hoch ist<br />

E.10: Denken Sie, dass die Ergebnisse der Bilanzierung häufig unklar sind<br />

E.11: Denken Sie, dass die für die Bilanzen verwendeten Daten in<br />

problematischem Ausmass unsicher sind<br />

E.12: Ist die Akzeptanz der Bilanzen nur sehr gering, resp. stossen sie Ihrer<br />

Ansicht nach auf grosses Misstrauen<br />

N = 24 bis 25<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

76.0%<br />

76.0% 75.0%<br />

60%<br />

56.0%<br />

50%<br />

40%<br />

36.0%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

20.0%<br />

4.0%<br />

8.0%<br />

16.0% 16.7%<br />

8.0%<br />

8.3%<br />

0%<br />

Komplexität<br />

hoch<br />

Ergebnisse<br />

unklar<br />

Daten<br />

unsicher<br />

geringe<br />

Akzeptanz<br />

Ja Nein Weiss nicht<br />

Anhang Seite 41


E.13<br />

Bilanzierungsaktivität in drei Jahren<br />

Wie beurteilen Sie das Ausmass der<br />

Aktivitäten im Bereich Produktökobilanzen<br />

in Ihrem Unternehmen in 3 Jahren<br />

%absolut<br />

Tiefer als heute 15.4 4<br />

Gleich wie heute 34.6 9<br />

Höher als heute 46.2 12<br />

Weiss nicht 3.8 1<br />

N 26<br />

Weiss nicht<br />

3.8%<br />

Tiefer als heute<br />

15.4%<br />

Höher als heute<br />

46.2%<br />

Gleich wie<br />

heute<br />

34.6%<br />

Anhang Seite 42


S.1<br />

Funktion im Unternehmen<br />

Welcher Art ist Ihre Funktion im Unternehmen<br />

N = 223<br />

Anderes<br />

35%<br />

Fachfunktion<br />

Umwelt<br />

47%<br />

Linienfunktion<br />

Umwelt<br />

18%<br />

S.2<br />

Dauer der Beschäftigung mit Umwelt<br />

Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Umweltmanagement (theoretisch<br />

und/oder praktisch)<br />

N = 232<br />

> 10 Jahre<br />

14.7%<br />

0-2 Jahre<br />

17.2%<br />

6-10 Jahre<br />

27.2%<br />

2-5 Jahre<br />

40.9%<br />

Anhang Seite 43


S.3<br />

Dauer der Umweltfunktion<br />

Wie lange sind Sie bei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber bereits im Umweltbereich<br />

aktiv<br />

N = 227<br />

> 10 Jahre<br />

16.7%<br />

0-2 Jahre<br />

23.3%<br />

6-10 Jahre<br />

22.5%<br />

2-5 Jahre<br />

37.4%<br />

S.5<br />

Bekanntheit der ISO 14000 ff.-Normen<br />

Welche der nachfolgenden ISO-Umweltnormen sind Ihnen bekannt und haben Ihre<br />

Arbeit in erwähnenswerter Weise beeinflusst <br />

N = 240<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

88.3%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

20.4% 17.9%<br />

12.5%<br />

7.5%<br />

14001-<br />

14004<br />

14010-<br />

14012<br />

14040-<br />

14043<br />

14031-<br />

14032<br />

14020-<br />

14025<br />

Anhang Seite 44


S.6<br />

Typische Kunden<br />

Welches ist der typische Kunde Ihres Unternehmens<br />

N = 232<br />

Anderes<br />

11%<br />

Anderes<br />

Unternehmen<br />

(B to B)<br />

31%<br />

Endkonsument<br />

39%<br />

Handelsunternehmen<br />

19%<br />

S.7<br />

Börsenkotierung<br />

Ist Ihr Unternehmen börsenkotiert<br />

N = 233<br />

Weiss nicht<br />

1.3%<br />

Ja<br />

37.8%<br />

Nein<br />

60.9%<br />

Anhang Seite 45


S.8<br />

Firmengrösse<br />

Wie viele Beschäftigte hat Ihr Unternehmen<br />

N = 236<br />

>5000 MA<br />

11.4%<br />

1-50 MA<br />

22.0%<br />

501-5000 MA<br />

21.2%<br />

51-500 MA<br />

45.3%<br />

Anhang Seite 46


S.9<br />

Branchenzugehörigkeit<br />

N = 239<br />

Bau und Baunebengewerbe<br />

andere Industrie<br />

andere Dienstleistungen<br />

Maschinen<br />

Chemie & Pharma<br />

Elektrotechnik<br />

Transport und Logistik<br />

Banken, Versicherungen<br />

Papier, Karton, Druck<br />

Lebensmittel<br />

Handel<br />

<strong>St</strong>ahl und Metallverarbeitung<br />

Energie<br />

Entsorgung<br />

Kunststoff<br />

Textil<br />

12.5%<br />

11.3%<br />

9.6%<br />

7.9%<br />

7.5%<br />

7.1%<br />

6.3%<br />

6.3%<br />

5.4%<br />

5.4%<br />

5.0%<br />

4.2%<br />

3.8%<br />

3.3%<br />

2.9%<br />

1.3%<br />

0% 3% 6% 9% 12% 15%<br />

Anhang Seite 47


Lebenslauf<br />

<strong>Claude</strong> <strong>Patrick</strong> <strong>Siegenthaler</strong><br />

geboren am 15. März 1969 in Teufen AR,<br />

Bürger von Langnau im Emmental (Bern), Schweiz<br />

Ausbildung<br />

1975 – 1981 Rudolf <strong>St</strong>einer Schule <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

1982 – 1984 Sekundarschule <strong>St</strong>ein AR<br />

1984 – 1989 Wirtschaftsgymnasium Trogen AR<br />

1989 – 1993 <strong>St</strong>udium der Wirtschaftswissenschaften, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

1993 – 2005 Doktorat in Wirtschaftswissenschaften, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

<strong>St</strong>ipendiat der oikos <strong>St</strong>iftung für Wirtschaft & Ökologie<br />

1998 STA-Postdoc Fellowship, Institute of Advanced Industrial<br />

Science and Technology, Tsukuba, Japan<br />

2002 Research Fellow, Social Science Research Institute<br />

International Christian University Tokyo, Japan<br />

2003 Visiting Researcher, Research Institute of Science and<br />

Technology for Society, Tokyo, Japan<br />

2004 Research Fellow, Social Science Research Institute<br />

International Christian University Tokyo, Japan<br />

Berufliche Tätigkeiten<br />

1986 – 1988 Mitgründer, HMS Accoustics, Trogen AR<br />

1993 – 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Prof. Dr. H.C. Binswanger<br />

Institut für Wirtschaft und Ökologie, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

1995 – 1997 Assistent, Prof. Dr. Theodor Leuenberger,<br />

Volkswirtschaftliche Abteilung, Universität <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

1994 – 2004 Mitgründer, Geschäftsführer, sinum AG <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong><br />

2003 - Mitgründer, UR Design Management GmbH, Zürich<br />

seit April 2004<br />

Associate Professor for Environmental Accounting (tenure),<br />

Faculty for Humanity and Environment, Hosei University Tokyo

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