Skriptum - LSF Graz
Skriptum - LSF Graz Skriptum - LSF Graz
Dr. Philip Streit Akademie für Kind, Jugend und Familie 6. Tagung für Psychiatrie & Psychosomatik 22.01.2011
- Seite 2 und 3: Überblick • Worum geht es in der
- Seite 4 und 5: Grundlinien in der Psychotherapie
- Seite 6 und 7: Grundlinien in der Psychotherapie
- Seite 8 und 9: Die Glücks-/Wohlbefindens- Theorie
- Seite 10 und 11: Positive Psychologische Interventio
- Seite 12 und 13: Wie und wodurch könnten Positive I
- Seite 14 und 15: Positiv-psychologische Gruppenthera
- Seite 16 und 17: Positiv-psychologische Einzeltherap
- Seite 18 und 19: Positiv-psychologische Einzeltherap
- Seite 20 und 21: Positiv-psychologische Einzeltherap
- Seite 22 und 23: BDI Scores Positiv-psychologische G
- Seite 24 und 25: Positive Interventionen am IKJF Pra
- Seite 26 und 27: Zürich 2. Juli 2011 Heidelberg 9.
- Seite 28: Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Philip Streit<br />
Akademie für Kind, Jugend und Familie<br />
6. Tagung für Psychiatrie & Psychosomatik<br />
22.01.2011
Überblick<br />
• Worum geht es in der Psychotherapie<br />
• Was will die Positive Psychologie<br />
• Positiv-psychologische Interventionen<br />
• Thesen zur Rolle der Positiven Psychologie in der<br />
Psychotherapie<br />
• Beispiele Positiv Psychologischer Interventionen in der<br />
Psychotherapie<br />
• Effizienzprüfung und Evaluation<br />
• Resümee und Ausblick
Worum geht‘s in der Psychotherapie<br />
„Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess<br />
zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen[…]mit<br />
psychologischen Mitteln […] in Richtung auf ein<br />
definiertes Ziel […] mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie<br />
des normalen und pathologischen Verhaltens.“ (Strotzka, 1978)<br />
Eigene Arbeitsdefinition:<br />
„Psychotherapie beschreibt eine nicht-medikamentöse Behandlung von<br />
seelischen Leidenszuständen mit psychologischen Techniken, mit dem<br />
Ziel, das Leiden zu heilen und seelisches Wachstum zu fördern.“
Grundlinien in der Psychotherapie<br />
• Tiefenpsychologisch-Psychoanalytisch: „Heilung durch Einsicht“<br />
• Kognitiv-Behavioral: „Heilung durch kognitive<br />
Umstrukturierung und Verhaltenstraining“
Grundlinien in der Psychotherapie<br />
• Systemisch-Lösungsorientiert: „Dekonstruktion des Problems<br />
durch Konstruktion der Lösung“
Grundlinien in der Psychotherapie<br />
• „Humanistisch-Existenzpsychologisch: „Heilung durch<br />
Sinnerleben und Selbstwerden“<br />
Psychotherapie hat seelische Störung (Krankheit) als<br />
Ausgangspunkt<br />
Ziel: Heilung
Was will die Positive Psychologie<br />
• Sich ebenso sehr mit Stärken wie mit<br />
Schwächen befassen<br />
• Sich ebenso sehr mit dem Aufbau der<br />
schönen Seiten des Lebens befassen, wie mit<br />
der Verbesserung der Widrigkeiten<br />
• Den Auftrag, das Leben herkömmlicher<br />
Menschen erfüllend zu gestalten, ebenso<br />
ernst nehmen wie die Heilung von Krankheit<br />
• Interventionen entwickeln, die<br />
Wohlbefinden steigern, und nicht nur Leiden<br />
lindern (Seligman, 2010)<br />
„Positive Psychology is the<br />
scientific study of what<br />
enables individuals and<br />
communities to thrive“<br />
(IPPA mission statement)<br />
Prominente Vertreter:<br />
Martin E.P. Seligman<br />
Barbara Frederikson<br />
Ed Diener<br />
Sonja Ljubomirsky<br />
Chris Petersen<br />
M. Csikszentmihalyi<br />
PP ist eine von M. Seligman begründete wissenschaftliche Richtung<br />
der Psychologie mit systematischer Erforschung von psychologischen,<br />
sozialen und gesellschaftlichen (Glücks-)Faktoren.
Die Glücks-/Wohlbefindens- Theorie<br />
der Positiven Psychologie<br />
Dimensionen von „Glück/Wohlbefinden“<br />
- Positive Emotionen (Das angenehme Leben)<br />
- Positiven Charakter (Das engagierte Leben)<br />
- Positive Institutionen (Das sinnerfüllte Leben)<br />
- Positive Beziehungen (Das soziale Leben)<br />
Ziel: Wachstum von Wohlbefinden und Erblühen<br />
WB = PE + ENGAGEMENT+ SINN + BEZIEHUNGEN<br />
“Jede Dimension ist messbar und erlernbar”<br />
Seligman 2002,2010
Positiv-psychologische Interventionen<br />
Beispiele empirisch überprüfter Interventionen nach<br />
Seligman (2010) die nachhaltig wirken<br />
• Positive Emotionen: 3 Blessings/3 gute Dinge<br />
• Engagement: Signatur-Stärken (VIA Surveys)<br />
• Positive Beziehung: Aktiv-konstruktives Reagieren (ACR)<br />
• Sinn und Ziel: Altruismus vs Hedonismus (Acts of<br />
Kindness)<br />
• Optimismus: Penn Resilience Training (wissenschaftlich<br />
evaluiertes Erziehungsprogramm zum Erlernen von<br />
Optimismus)
Positive Psychologische Interventionen<br />
Glücksaktivitäten nach Ljubomirsky (2007)<br />
• Dankbarkeit ausdrücken<br />
• Den Optimismus pflegen<br />
• Grübeln und sozialen Vergleich vermeiden<br />
• Zeichen der Hilfsbereitschaft setzen<br />
• Soziale Beziehungen pflegen<br />
• Bewältigungsstrategien entwickeln<br />
• Lernen zu vergeben<br />
• Flow Erlebnisse fördern<br />
• Die Freuden des Lebens genießen<br />
• Ziele festlegen<br />
• Religion & Spiritualität praktizieren<br />
• Auf den Körper achten (Meditation, Sport, das Glück verkörpern)<br />
aus „The How of Happiness“(2007)
Positive Psychologie und Psychotherapie<br />
Kernpunkte psychischer Störungen sind:<br />
• negative Emotionen<br />
• Mangel an (Ich-)Stärke, Motivation & Flow<br />
• sukzessive Selbstwertdestruktion<br />
• wenige oder inadäquate Erfolgserlebnisse<br />
• Sinnverlust<br />
• negative Dynamiken und Muster<br />
„Menschen mit psychischen Leiden haben<br />
Defizite in von der Positiven Psychologie<br />
erarbeiteten Glücks- und<br />
Wohlbefindensimensionen“
Wie und wodurch könnten Positive Interventionen in der<br />
Psychotherapie daher wirksam sein<br />
• Hilfe beim Umfokussieren<br />
• Leicht(er) durchführbare Verhaltensanleitungen für<br />
- positiv emotionales Erleben (3Blessings)<br />
- Zielerreichung (Signaturstärken)<br />
- Sinnerleben (Acts of Kindness)<br />
- soziale Interaktion (ACR)<br />
- Wahrnehmen von Erfolgen, Errungenschaften<br />
• Katalysator neuer (positiver) Muster
Positiv-psychologische Gruppentherapie<br />
Studie zur Positiven Psychotherapie (Seligman, Rashid<br />
& Parks publiziert in „American Psychologist, Nov. 2006)<br />
• StudentInnen mit leichter bis mittlerer Depression<br />
• per Zufall einer Gruppe „Positive Interventionen“ und<br />
einer Gruppe „No Treatment“ zugeordnet<br />
• 6 zweistündige Sitzungen innerhalb von 6 Wochen<br />
• Interventionen für alle gleich
Positiv-psychologische Gruppentherapie<br />
(Interventionen)<br />
- Die eigenen Stärken nützen: Finde deine 5<br />
Signaturstärken mit dem VIA-IS und suche nach Wegen,<br />
diese täglich anzuwenden.<br />
- 3 gute Gedanken: Schreibe jeden Abend 3 gute Dinge auf,<br />
die heute geschehen sind und überlege, warum sie<br />
geschehen sind.<br />
- Nachruf: Du bist nach einem erfüllten und glücklichen<br />
Leben verstorben. Was soll bei deiner Verabschiedung<br />
gesagt werden Schreib auf, wofür du in Erinnerung<br />
bleiben willst.
Positiv-psychologische Gruppentherapie<br />
(Interventionen)<br />
- Dankbarkeit zeigen: Denke an eine Person, der du sehr<br />
dankbar bist, das aber noch nicht gezeigt hast. Schreib ihr einen<br />
Dankesbrief, überbring ihn ihr oder ruf sie an.<br />
- Aktiv/konstruktive Antworten: Reagiere auf eine<br />
wahrnehmbar positive und freudige Art auf eine gute Nachricht<br />
von jemand anderen. Mach das zumindest einmal am Tag mit<br />
einer Dir bekannten Person.<br />
- Genießen: Nimm dir Zeit, um etwas, das du normalerweise<br />
schnell erledigst zu genießen (Essen, Duschen etc.) Schreibe<br />
deine Erfahrungen auf. Was macht den Unterschied<br />
Quelle: Studie zur Positiven Psychotherapie, Seligman, Rashid & Parks publiziert<br />
in „American Psychologist, Nov. 2006
Positiv-psychologische Einzeltherapie<br />
Studie zur Positiven Psychotherapie Seligman, Rashid &<br />
Parks publiziert in „American Psychologist, Nov. 2006<br />
• Untersuchung an MDD PatientInnen (ohne Panikstörungen,keine<br />
manischen oder hypomanischen Episoden, ohne psychotische Symptome,<br />
kein Substanzmißbrauch )<br />
• 3 Gruppen<br />
TAU: Treatment as usual<br />
TAUMED: Treatment as usual + Medikation<br />
PP: Behandlung mit Intervention der Positiven Psychologie<br />
• 14 Sitzungen über 10-12 (je nach Person) Wochen<br />
• Interventionen persönlich angepasst, Focus auch auf “Negatives”
Positiv-psychologische Einzeltherapie<br />
(Sitzungsplan)<br />
1. Der Mangel an positiven Ressourcen erhält die Depression<br />
aufrecht. HÜ: Schreibe einen Aufsatz über deine Stärken<br />
(Orientation)<br />
2. Signaturstärken wahrnehmen. Wo haben sie bisher schon<br />
geholfen HÜ: Ausfüllen des VIA (Engagement)<br />
3. Coaching in Signaturstärken & Positive Emotionen<br />
pflegen. HÜ: (laufend) 3 Gute Gedanken Übung mit<br />
Aufschreiben (Engagement/Pleasure)
Positiv-psychologische Einzeltherapie<br />
(Einzelschritte 4-6)<br />
4. Gute vs. schlechte Erinnerungen. Zorn und Bitternis dürfen<br />
ausgedrückt werden. Die Wirkung der schlechten Erinnerungen<br />
wird kritisch diskutiert. HÜ: 3 schlechte Erinnerungen<br />
aufschreiben, deren Wirkung auf die Depression. (Pleasure)<br />
5. Versöhnlichkeit: Wird als Instrument vorgestellt, um Zorn<br />
und Bitternis in neutrale oder positive Gefühle umzuwandeln.<br />
HÜ: Schreibe versöhnlich an die, die dir gegenüber übergriffig<br />
waren. Schick den Brief jedoch nicht ab.<br />
(Pleasure/Engagement)<br />
6. Dankbarkeit: Wird in seiner Bedeutung im Zusammenhang<br />
mit guten und schlechten Erinnerungen diskutiert. HÜ: Schreib<br />
und verschick ein Dankesschreiben. (Pleasure/Engagement)
Positiv-psychologische Einzeltherapie<br />
(Einzelschritte 7-10)<br />
7. Halbzeit-Check: Arbeit an den Zielen und Ergebnissen der<br />
Hausübungen. Prozess, Fortschritte und subjektive Therapieerfolge<br />
werden ausführlich besprochen. (Pleasure/Engagement)<br />
8. Zufriedenheit (Satisficing) statt Maximierung. Kritische<br />
Überprüfung der hedonistischen Tretmühle. HÜ: Plan der<br />
Zufriedenheit durch Engagement. (Meaning/Engagement)<br />
9. Optimismus & Hoffnung: Wann gab es Niederlagen und<br />
Zurückweisungen Diskutiere: „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet<br />
sich die nächste“. HÜ: Erkenne 3 Türen, die sich geschlossen und 3 die<br />
sich dadurch aufgetan haben. (Pleasure)<br />
10. Liebe und Bindung: Aktiv-konstruktives Antworten. Erkenne die<br />
Signaturstärken deines Gegenübers. HÜ: ACR laufend trainieren.<br />
„Stärken“-Feier mit PartnerIn. (Engagement/Meaning)
Positiv-psychologische Einzeltherapie<br />
(Einzelschritte 7-14)<br />
11. Stammbaum der Stärken: Die Bedeutung der Stärken anderer<br />
Familienmitglieder. HÜ: Bitte deine Familie, den VIA auszufüllen und<br />
vergleicht eure Stärken. (Meaning)<br />
12. Genuss: Wird als Weg vorgestellt, Freuden zu verlängern. HÜ: Plane eine<br />
genussvolle Aktivität und führe sie genau nach Plan durch. (Pleasure)<br />
13. Zeit als Geschenk: Zeit ist das mächtigste Geschenk. HÜ: Nütze deine<br />
Stärken, um anderen Zeit zu schenken (Babysitten, ehrenamtliche Tätigkeit<br />
etc.) (Meaning)<br />
14. Das erfüllte Leben: Die Integration von Freude, Engagement und Sinn zu<br />
einem Gesamtkonzept. FollowUp Testung der Depressionswerte –<br />
Verlaufsvergleich. (Integration)<br />
Quelle: Studie zur Positiven Psychotherapie, Seligman, Rashid & Parks publiziert in<br />
„American Psychologist, Nov. 2006
Positive Psychologie am IKJF<br />
• Erhebung der VIA –Youth bei Eingangsdiagnostik<br />
• Praktizieren der Stärken<br />
• 3 Blessings Übungen<br />
• ACR Interaktionen<br />
• Versöhnungs- und Dankbarkeitsübungen<br />
• Ziele festlegen<br />
• Prosoziale Projekt<br />
Rahmen „Stärke statt Macht“<br />
Settings: Einzel, Gruppe und nachgehend<br />
Mit Hausaufgaben
BDI Scores<br />
Positiv-psychologische Gruppentherapie, 2005<br />
Empirische Evaluation<br />
Depressive Symptoms for Group PPT at all Time Points<br />
15<br />
10<br />
PPT (N=16)<br />
Control (N=21)<br />
5<br />
Baseline Post-test Three<br />
month f/up<br />
Six-month<br />
f/up<br />
One year<br />
f/up<br />
6wöchige Gruppen-Intervention, 1,5h/Woche, 6 Übungen mit Aufgaben für<br />
Zuhause, sign. Reduktion depressiver Symptome. Quelle: Rashid, Rosenstein, &<br />
Seligman (2005)
Marginal Mean Score<br />
Positiv-psychologische Einzeltherapie, 2005<br />
Empirische Evaluation<br />
Untersuchung an MDD<br />
PatientInnen (ohne<br />
Panikstörungen, manische<br />
oder hypomanische<br />
Episoden. TAU=Treatment<br />
as usual, MED=mit<br />
zusätzlicher Medikation PP:<br />
Therapie mit Methoden der<br />
positiven Psychologie<br />
Skala: Hamilton FB<br />
Quelle: Rashid, Rosenstein,<br />
& Seligman (2005)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
Clinician-Rated Depression<br />
PPT<br />
TAU<br />
TAUMED<br />
2<br />
0<br />
Hamilton
Positive Interventionen am IKJF<br />
Praktische Erfahrungen<br />
Paket der positiv-psychologischen Interventionen:<br />
• Senkt die Negativeinschätzungen in der CBCL (Binder<br />
2007)<br />
• Fördert positivere Emotionen und bessere<br />
Familienbeziehungen<br />
• Hebt interaktionelle und soziale Kompetenzen<br />
• Faszilitieren Zielerreichung und Sinnfindung<br />
• Fördert Flow und Motivation<br />
• Hilft „adäquates“ Selbstbewusstsein zu entwicklen<br />
Hauptwirksam: 3 Blessing Übungen, ACR, prosoziale<br />
Projekte (noch praktisch-valide Ergebnisse, Studie i.V.)
Resümee & Ausblick<br />
Bei aller Vorläufigkeit von empirischen Ergebnissen:<br />
• PPIs vermindern Leid durch Wachstumsorientierung<br />
auf kunden(anwender)freundliche Weise<br />
• PPIs sind wirksam als wissenschaftliches fundiertes<br />
Selbstheilungsangebot<br />
• PPIs nicht Ersatz und neue PT Religion, sondern<br />
wertvolles Hilfsmittel<br />
• PPIs sind eine Chance für eine sozial-engagierte<br />
Psychotherapie<br />
• Gesundheitspsychologie, Prävention<br />
• 3:1
Zürich 2. Juli 2011<br />
Heidelberg 9. Juli 2011
Links & Literatur<br />
• www.authentichappiness.com<br />
• www.charakterstaerken.org<br />
• www.seligmaneurope.com<br />
• www.ippanetwork.org<br />
• Seligman, Martin (2007): Der Glücksfaktor. Bastei-Lübbe<br />
• Seligman, Martin (2011): Flourish. Free press<br />
• Ljubomirsky, Sonja (2007): The How of happiness. Penguin<br />
• Ehrenreich, Barbara (2009): Smile or die. Granta Books<br />
• Rashid, Tayab (20..): Positive Psychotherapy in<br />
Vorbereitung<br />
Folien von www.seligmaneurope.com downloadbar<br />
Kontakt Dr. Philip Streit: dpst@ikjf.at +43 699 10142463
Danke für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!