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Actors

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01/2015<br />

<strong>Actors</strong> MAGAZINE 1


Ein Treffen mit<br />

Simone Thomalla<br />

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<strong>Actors</strong> MAGAZINE 3


Draussen ist es nass und windig…<br />

Der Mann auf dem Gehweg vor<br />

dem Fenster kriegt sich kaum<br />

ein vor Begeisterung, er lacht,<br />

hält beide Daumen hoch, nickt<br />

anerkennend. Hinter der Glasfront<br />

der Hotellobby sitzt Simone<br />

Thomalla auf einer Sofalehne<br />

und posiert für den<br />

Fotografen. Draußen ist es nass<br />

und windig, Schmutzwetter in<br />

Berlin, aber nun bleiben zwei<br />

weitere Männer im Regen stehen,<br />

sie gucken ungläubig, nicken<br />

dann, lachen. „Die hab’<br />

ich bestellt“, sagt Thomalla und<br />

schickt ihr schmollmundiges<br />

Lächeln durch die Scheibe nach<br />

draußen, wo die Freude noch<br />

zunimmt. So schnell wird sie erkannt,<br />

aber das macht ihr nichts<br />

aus, im Gegenteil.<br />

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Man selbst war sich nicht gleich<br />

sicher, wer da zwei Stunden zuvor<br />

in der Lobby erschien. Eine<br />

Frau in engen, grauen Jeans,<br />

knapper Jacke mit Pelzkragen<br />

und tief in die Stirn gezogener<br />

Wollmütze. Ist sie das Sie muss<br />

es sein, denn schon von weitem<br />

ruft sie: „Hallo, sind Sie mein<br />

Termin“<br />

Erster Eindruck: Viel schlanker<br />

als im Fernsehen. Kameras<br />

machten einen eben immer<br />

etwas dicker, wird sie später<br />

sagen. Überhaupt ist Simone<br />

Thomalla putzmunter und für<br />

die Tageszeit auffallend gut gelaunt.<br />

Sie ahnt den Gedanken<br />

wohl und erwähnt gleich noch,<br />

dass sie Frühaufsteher sei. „Wir<br />

hätten uns gerne auch schon<br />

um neun treffen können.“ Für<br />

gewöhnlich gehe sie da aber<br />

zum Sport, Kickboxen, mache<br />

sie schon seit einer Weile.<br />

Mischung aus Fernsehen, Film und Freund<br />

Thomalla ordert einen Cappuccino,<br />

gefrühstückt hat sie<br />

längst, und sie hat auch nichts<br />

dagegen, über viel mehr als nur<br />

ihren neuesten Fernsehfilm zu<br />

plaudern, was der offizielle Anlass<br />

dieses Treffens ist. Wobei<br />

man aus diesem Grund beinahe<br />

ständig mit ihr reden könnte,<br />

denn kaum eine Woche vergeht,<br />

in der sie nicht in einem<br />

Spielfilm, in einer Talkshow<br />

oder Kochsendung zu sehen ist.<br />

Und neuerdings singt sie auch<br />

noch. Bei „20 Jahre Andrea Berg“<br />

in der ARD tauchte sie plötzlich<br />

neben der Schlager-Königin<br />

in Lederhosen und Leoparden-Oberteil<br />

auf der Bühne auf,<br />

sang mit der Moderatorin Birgit<br />

Schrowange als Dritte im Bunde<br />

„Männer“ von Herbert Grönemeyer,<br />

der Saal tobte, und bei<br />

ihrer Antwort auf die Frage, ob<br />

sie jetzt häufiger singen werde,<br />

ist man schon mittendrin in<br />

der großen öffentlichen Thomalla-Mischung<br />

aus Fernsehen,<br />

Film und Freund.<br />

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„Mein Freund ist bekennender<br />

Andrea-Berg-Fan, und als<br />

die Anfrage kam, ob ich mit ihr<br />

singen würde, hieß es zu Hause<br />

gleich: Ja logisch machst du<br />

das!“ Ihr Freund ist der Handball-Nationaltorhüter<br />

Silvio<br />

Heinevetter, 19 Jahre jünger.<br />

Zusammen bilden sie seit vier<br />

Jahren ein Jubel-Paar für den<br />

Boulevard, von dem später<br />

noch zu reden sein wird. Im Übrigen<br />

könne sie sich vorstellen,<br />

noch mehr zu singen, immerhin<br />

hat sie eine Gesangsausbildung<br />

und wollte einst Lehrerin für<br />

Musik und Deutsch werden.<br />

Ihr Weg begann in einem behüteten<br />

Künstlerhaushalt in Potsdam.<br />

„Man glaubt es vielleicht<br />

kaum, aber ich war wirklich ein<br />

sehr stilles, schüchternes, zurückhaltendes<br />

Kind“, sagt sie.<br />

Ihren Vater, Szenenbildner bei<br />

der Defa, begleitete sie häufig<br />

zu Dreharbeiten, doch selbst<br />

vor der Kamera zu stehen, den<br />

Wunsch verspürte sie damals<br />

nicht. „Papa fand das auch gut<br />

so. Die Schauspielerei war ihm<br />

nichts für seine kleine Prinzessin.<br />

Er wusste ja, wie schwer es<br />

ist, in diesem Beruf zu bestehen.“<br />

Dann aber, als sie in der zehnten<br />

Klasse war, überredete sie<br />

ein Kollege des Vaters doch zu<br />

Probeaufnahmen, so hieß damals<br />

das Casting, und Thomalla<br />

bestand. Der Film handelte ausgerechnet<br />

von den Abgründen<br />

des Kapitalismus, es ging um einen<br />

Mann in Westdeutschland,<br />

der nach langjähriger Firmenzugehörigkeit<br />

rausgeschmissen<br />

wird, aber aus Scham vor der Familie<br />

weiterhin jeden Morgen<br />

so tut, als ginge er zur Arbeit.<br />

Thomalla bekam die Rolle der<br />

Tochter, die den Schwindel entdeckt.<br />

Zu den Außendrehs nach<br />

Von der Schauspielerei infiziert<br />

West-Berlin durfte sie nicht mit,<br />

von der Schauspielerei aber<br />

war sie fortan infiziert. Sie bewarb<br />

sich an der Schauspielschule<br />

„Ernst Busch“ in Berlin.<br />

Ihre Mitstudenten hießen Jan<br />

Josef Liefers, Götz Schubert, Tobias<br />

Langhoff, Gerit Kling, cool,<br />

ja, aber die Schule selbst hat sie<br />

nicht in bester Erinnerung. „Es<br />

war nicht gerade die schönste<br />

Zeit meines Lebens. Man wurde<br />

oft reduziert auf die Optik. Wer<br />

gut aussah, musste mehr tun,<br />

um akzeptiert zu werden.“<br />

Friedliche Revolution als Geschenk<br />

Im Herbst 1989 brachte Thomalla<br />

ihre Tochter Sophia zur<br />

Welt. Und nicht nur in dieser<br />

Hinsicht veränderte sich ihr Leben.<br />

Die friedliche Revolution<br />

in der DDR empfand Thomalla<br />

als Geschenk - aber auch als<br />

existentielle Bedrohung. „Bis<br />

dahin war alles überschaubar,<br />

aber nun waren tolle Leute aus<br />

dem Westen auf einmal unmittelbare<br />

Kollegen, da kam schon<br />

Panik auf.“<br />

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Im Sommer 1989 durfte sie,<br />

bereits im sechsten Monat<br />

schwanger, mit ihrem Vater zur<br />

Oma nach Castrop-Rauxel fahren;<br />

Freunde rieten ihr, „drüben“<br />

zu bleiben, aber sie dachte<br />

nicht daran. „Ich hab den ganzen<br />

Überfluss nicht verkraftet,<br />

war völlig überfordert.“<br />

Zehn Tage durfte sie bleiben,<br />

doch schon nach sieben kehr-<br />

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te sie zurück. „Ich war ganz erleichtert,<br />

als ich wieder zu Hause<br />

war.“<br />

An die Konsumgesellschaft gewöhnte<br />

sie sich trotzdem „erschreckend<br />

schnell“, und ihre<br />

DDR-Herkunft streifte sie auf<br />

wundersame Weise ab. Schon<br />

bald nach der Wende wurde<br />

Thomalla selbst im Osten häufig<br />

für eine westdeutsche Schauspielerin<br />

gehalten. „Komisch,<br />

ja, aber fragen Sie mich nicht,<br />

warum“, sagt sie. Mit vielem,<br />

was damals plötzlich galt, war<br />

sie nicht einverstanden: dass<br />

Männer das Geld verdienen,<br />

Frauen zu Hause bleiben und<br />

Kinderkrippen schlecht sein<br />

sollen. „Ich wollte immer unabhängig<br />

sein, ein eigenes Einkommen<br />

haben und trotzdem<br />

Kinder erziehen, das ist mir Gott<br />

sei Dank gelungen.“<br />

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