Actors
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<strong>Actors</strong> MAGAZINE 1
Ein Treffen mit<br />
Simone Thomalla<br />
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Draussen ist es nass und windig…<br />
Der Mann auf dem Gehweg vor<br />
dem Fenster kriegt sich kaum<br />
ein vor Begeisterung, er lacht,<br />
hält beide Daumen hoch, nickt<br />
anerkennend. Hinter der Glasfront<br />
der Hotellobby sitzt Simone<br />
Thomalla auf einer Sofalehne<br />
und posiert für den<br />
Fotografen. Draußen ist es nass<br />
und windig, Schmutzwetter in<br />
Berlin, aber nun bleiben zwei<br />
weitere Männer im Regen stehen,<br />
sie gucken ungläubig, nicken<br />
dann, lachen. „Die hab’<br />
ich bestellt“, sagt Thomalla und<br />
schickt ihr schmollmundiges<br />
Lächeln durch die Scheibe nach<br />
draußen, wo die Freude noch<br />
zunimmt. So schnell wird sie erkannt,<br />
aber das macht ihr nichts<br />
aus, im Gegenteil.<br />
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Man selbst war sich nicht gleich<br />
sicher, wer da zwei Stunden zuvor<br />
in der Lobby erschien. Eine<br />
Frau in engen, grauen Jeans,<br />
knapper Jacke mit Pelzkragen<br />
und tief in die Stirn gezogener<br />
Wollmütze. Ist sie das Sie muss<br />
es sein, denn schon von weitem<br />
ruft sie: „Hallo, sind Sie mein<br />
Termin“<br />
Erster Eindruck: Viel schlanker<br />
als im Fernsehen. Kameras<br />
machten einen eben immer<br />
etwas dicker, wird sie später<br />
sagen. Überhaupt ist Simone<br />
Thomalla putzmunter und für<br />
die Tageszeit auffallend gut gelaunt.<br />
Sie ahnt den Gedanken<br />
wohl und erwähnt gleich noch,<br />
dass sie Frühaufsteher sei. „Wir<br />
hätten uns gerne auch schon<br />
um neun treffen können.“ Für<br />
gewöhnlich gehe sie da aber<br />
zum Sport, Kickboxen, mache<br />
sie schon seit einer Weile.<br />
Mischung aus Fernsehen, Film und Freund<br />
Thomalla ordert einen Cappuccino,<br />
gefrühstückt hat sie<br />
längst, und sie hat auch nichts<br />
dagegen, über viel mehr als nur<br />
ihren neuesten Fernsehfilm zu<br />
plaudern, was der offizielle Anlass<br />
dieses Treffens ist. Wobei<br />
man aus diesem Grund beinahe<br />
ständig mit ihr reden könnte,<br />
denn kaum eine Woche vergeht,<br />
in der sie nicht in einem<br />
Spielfilm, in einer Talkshow<br />
oder Kochsendung zu sehen ist.<br />
Und neuerdings singt sie auch<br />
noch. Bei „20 Jahre Andrea Berg“<br />
in der ARD tauchte sie plötzlich<br />
neben der Schlager-Königin<br />
in Lederhosen und Leoparden-Oberteil<br />
auf der Bühne auf,<br />
sang mit der Moderatorin Birgit<br />
Schrowange als Dritte im Bunde<br />
„Männer“ von Herbert Grönemeyer,<br />
der Saal tobte, und bei<br />
ihrer Antwort auf die Frage, ob<br />
sie jetzt häufiger singen werde,<br />
ist man schon mittendrin in<br />
der großen öffentlichen Thomalla-Mischung<br />
aus Fernsehen,<br />
Film und Freund.<br />
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„Mein Freund ist bekennender<br />
Andrea-Berg-Fan, und als<br />
die Anfrage kam, ob ich mit ihr<br />
singen würde, hieß es zu Hause<br />
gleich: Ja logisch machst du<br />
das!“ Ihr Freund ist der Handball-Nationaltorhüter<br />
Silvio<br />
Heinevetter, 19 Jahre jünger.<br />
Zusammen bilden sie seit vier<br />
Jahren ein Jubel-Paar für den<br />
Boulevard, von dem später<br />
noch zu reden sein wird. Im Übrigen<br />
könne sie sich vorstellen,<br />
noch mehr zu singen, immerhin<br />
hat sie eine Gesangsausbildung<br />
und wollte einst Lehrerin für<br />
Musik und Deutsch werden.<br />
Ihr Weg begann in einem behüteten<br />
Künstlerhaushalt in Potsdam.<br />
„Man glaubt es vielleicht<br />
kaum, aber ich war wirklich ein<br />
sehr stilles, schüchternes, zurückhaltendes<br />
Kind“, sagt sie.<br />
Ihren Vater, Szenenbildner bei<br />
der Defa, begleitete sie häufig<br />
zu Dreharbeiten, doch selbst<br />
vor der Kamera zu stehen, den<br />
Wunsch verspürte sie damals<br />
nicht. „Papa fand das auch gut<br />
so. Die Schauspielerei war ihm<br />
nichts für seine kleine Prinzessin.<br />
Er wusste ja, wie schwer es<br />
ist, in diesem Beruf zu bestehen.“<br />
Dann aber, als sie in der zehnten<br />
Klasse war, überredete sie<br />
ein Kollege des Vaters doch zu<br />
Probeaufnahmen, so hieß damals<br />
das Casting, und Thomalla<br />
bestand. Der Film handelte ausgerechnet<br />
von den Abgründen<br />
des Kapitalismus, es ging um einen<br />
Mann in Westdeutschland,<br />
der nach langjähriger Firmenzugehörigkeit<br />
rausgeschmissen<br />
wird, aber aus Scham vor der Familie<br />
weiterhin jeden Morgen<br />
so tut, als ginge er zur Arbeit.<br />
Thomalla bekam die Rolle der<br />
Tochter, die den Schwindel entdeckt.<br />
Zu den Außendrehs nach<br />
Von der Schauspielerei infiziert<br />
West-Berlin durfte sie nicht mit,<br />
von der Schauspielerei aber<br />
war sie fortan infiziert. Sie bewarb<br />
sich an der Schauspielschule<br />
„Ernst Busch“ in Berlin.<br />
Ihre Mitstudenten hießen Jan<br />
Josef Liefers, Götz Schubert, Tobias<br />
Langhoff, Gerit Kling, cool,<br />
ja, aber die Schule selbst hat sie<br />
nicht in bester Erinnerung. „Es<br />
war nicht gerade die schönste<br />
Zeit meines Lebens. Man wurde<br />
oft reduziert auf die Optik. Wer<br />
gut aussah, musste mehr tun,<br />
um akzeptiert zu werden.“<br />
Friedliche Revolution als Geschenk<br />
Im Herbst 1989 brachte Thomalla<br />
ihre Tochter Sophia zur<br />
Welt. Und nicht nur in dieser<br />
Hinsicht veränderte sich ihr Leben.<br />
Die friedliche Revolution<br />
in der DDR empfand Thomalla<br />
als Geschenk - aber auch als<br />
existentielle Bedrohung. „Bis<br />
dahin war alles überschaubar,<br />
aber nun waren tolle Leute aus<br />
dem Westen auf einmal unmittelbare<br />
Kollegen, da kam schon<br />
Panik auf.“<br />
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Im Sommer 1989 durfte sie,<br />
bereits im sechsten Monat<br />
schwanger, mit ihrem Vater zur<br />
Oma nach Castrop-Rauxel fahren;<br />
Freunde rieten ihr, „drüben“<br />
zu bleiben, aber sie dachte<br />
nicht daran. „Ich hab den ganzen<br />
Überfluss nicht verkraftet,<br />
war völlig überfordert.“<br />
Zehn Tage durfte sie bleiben,<br />
doch schon nach sieben kehr-<br />
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te sie zurück. „Ich war ganz erleichtert,<br />
als ich wieder zu Hause<br />
war.“<br />
An die Konsumgesellschaft gewöhnte<br />
sie sich trotzdem „erschreckend<br />
schnell“, und ihre<br />
DDR-Herkunft streifte sie auf<br />
wundersame Weise ab. Schon<br />
bald nach der Wende wurde<br />
Thomalla selbst im Osten häufig<br />
für eine westdeutsche Schauspielerin<br />
gehalten. „Komisch,<br />
ja, aber fragen Sie mich nicht,<br />
warum“, sagt sie. Mit vielem,<br />
was damals plötzlich galt, war<br />
sie nicht einverstanden: dass<br />
Männer das Geld verdienen,<br />
Frauen zu Hause bleiben und<br />
Kinderkrippen schlecht sein<br />
sollen. „Ich wollte immer unabhängig<br />
sein, ein eigenes Einkommen<br />
haben und trotzdem<br />
Kinder erziehen, das ist mir Gott<br />
sei Dank gelungen.“<br />
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