transparent_Ausgabe 1/2004
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für die herausgeber<br />
Haben Sie<br />
mal Feuer<br />
Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />
freie Wissenschaftsjournalistin, Krefeld
<strong>transparent</strong> 03<br />
Kürzlich an der Kasse von Lidl fiel ein Mann auf, der lange<br />
und leidenschaftlich im Ständer mit den Billigzigaretten kramte.<br />
Was er da mache Er sammle Sprüche. Warnungen eigentlich.<br />
Denn seit einigen Monaten müssen Zigarettenpackungen vorne<br />
und hinten zu je einem Drittel der Fläche mit Warnhinweisen<br />
bedruckt werden. „Rauchen schadet der Haut“, sagt der<br />
Mann, das sei beispielsweise ein recht seltener Spruch und daher<br />
schwer zu finden. „Raucher sterben früher“ und „Tabakrauch<br />
enthält Blausäure und andere Gifte“ dagegen interessiere<br />
ihn nicht, diese Aufdrucke finde man wirklich bereits an jeder<br />
Ecke. Bei ebay, hat er mir dann noch zugeraunt, bevor er hustend<br />
verschwand, werden Zigarettenpackungen mit seltenen<br />
Warnhinweisen mittlerweile für gutes Geld online versteigert.<br />
Das hat mich überzeugt. Also hab ich gleich ein paar Packungen<br />
meiner Marke mehr mitgenommen.<br />
Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen. Wer würde diesem<br />
alten Glauben nicht beipflichten Ich auch. Und weil wir vernunftbegabt<br />
sind, wollen wir wissen, wie gefährlich das ist, was wir<br />
alltäglich tun: essen, trinken, atmen, autofahren, arbeiten, telefonieren.Wir<br />
wollen „risikomündig“ sein.Was das heißt, erklärt der im<br />
Juni vorgelegte Endbericht der Risikokommission von Bundesumwelt-<br />
und Bundesgesundheitsministerium. „Mit Risikomündigkeit<br />
ist die Fähigkeit angesprochen, auf der Basis der Kenntnis der faktisch<br />
nachweisbaren Konsequenzen von risikoauslösenden Ereignissen<br />
oder Aktivitäten, der verbleibenden Unsicherheiten und<br />
anderer risikorelevanter Faktoren eine persönliche Beurteilung<br />
der jeweiligen Risiken vornehmen zu können, die den Wertvorstellungen<br />
für die Gestaltung des eigenen Lebens sowie den persönlichen<br />
Kriterien zur Beurteilung der Akzeptabilität dieser Risiken<br />
für die Gesellschaft insgesamt entspricht.“<br />
Alles klar Keine Sorge, Sie müssen die 230 Seiten des Berichts<br />
nicht lesen. Vieles, was das 19köpfige Expertengremium darin<br />
schlussfolgert, sagt einem auch der gesunde Menschenverstand: Der<br />
Verbraucher will informiert sein – schnell, verständlich, ehrlich und<br />
ohne Widersprüche. Das heißt nicht, dass wir anders leben, wenn<br />
wir Bescheid wissen. Der Mensch ist zwar vernunftbegabt, in alltäglicher<br />
Konkurrenz mit Gewohnheit, Gedankenlosigkeit oder reiner<br />
Lust am Unvernünftigen hat die Ratio eher schlechte Karten.<br />
Trotzdem sollten Unternehmen, Behörden, Verbraucher, Journalisten<br />
und Wissenschaftler mehr miteinander über Risiken kommunizieren.<br />
Nur so lässt sich Angst abbauen und Orientierung<br />
vermitteln. Dieses Angebot machen wir auch wieder mit der dritten<br />
<strong>Ausgabe</strong> von <strong>transparent</strong>. Unsere Autoren reflektieren die verschiedenen<br />
Bewertungen von Risiken, die unterschiedlichen Blickrichtungen,<br />
sie machen deutlich, dass sich manches Risiko schlichtweg<br />
nicht vermeiden lässt und dass es selbst auf scheinbar einfache<br />
Fragen oft keine klare Antwort gibt.<br />
Außer bei Rauchern.Wir wissen genau, welche Gefahren wir<br />
eingehen. Schließlich kann man die neuerdings aufgedruckten<br />
Warnungen beim besten Willen nicht mehr übersehen.Ach, übrigens:<br />
Wenn Sie eine Packung mit dem Aufdruck „Haben Sie<br />
mal Feuer“ finden, geben Sie Bescheid<br />
Dipl.-Ing. Christa Friedl<br />
Wer schreibt in <strong>transparent</strong><br />
Alles begann im November 1996. Damals lud die Kommunikations-<br />
und Konfliktberatung Jakubowski einen<br />
sehr heterogenen Kreis von Wissenschaftlern, Politikern,<br />
Journalisten, Umweltschützern und Industrievertretern<br />
dazu ein, in einem Dialogprozess kritisch-konstruktiv<br />
über Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Kunststoffes<br />
PVC zu streiten. Als Sponsor trat die Arbeitsgemeinschaft<br />
PVC und Umwelt (AgPU) e.V. auf, die Moderation<br />
hatte Gerhard Jakubowski. Der Versuch glückte, er gebar<br />
nach einem über zweijährigen Sitzungsmarathon nicht<br />
nur eine, von Prognos durchgeführte ungewöhnliche Studie<br />
mit dem komplizierten Titel „PVC und Nachhaltigkeit<br />
– Systemstabilität als Maßstab/Ausgewählte Produktsysteme<br />
im Vergleich“, sondern auch eine Art des Disputs, die als<br />
vorbildlich für die Bewältigung gesellschaftlich strittiger Fragen<br />
gelten darf. Deshalb lebt die Klausurenreihe fort und<br />
arbeitet inzwischen eine Themenvielfalt auf, die längst über<br />
den ursprünglichen Rahmen hinausgeht. Der Verband Kunststofferzeugende<br />
Industrie (VKE), die Deutsche Kunststoff-<br />
Recycling GmbH (DKR) und der Verband der Backmittelund<br />
Backgrundstoffhersteller (BVB) e.V. haben sich inzwischen<br />
in eigenen Klausurreihen ebenfalls auf diese Art des<br />
Dialogs eingelassen.AgPU und BVB sponsern die Herausgabe<br />
dieses Heftes, das Referenten und Teilnehmer der Klausurenreihe<br />
abseits des medialen Mainstreams zu Wort kommen<br />
lässt und mehr als 2.000 Meinungsbildner aus Politik,Wissenschaft,Wirtschaft,<br />
Medien und NGO`s erreicht.