April 2012: Gotteshaus - Gottes Haus? - Unterschleissheim ...
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„… und hatten keinen Raum…“<br />
Gedanken zum Thema „<strong>Gottes</strong>-<strong>Haus</strong>“<br />
„Das war unsere<br />
Kirche, hier!“<br />
Mühsam erhebt<br />
sich der alte<br />
Mann, greift auf<br />
das Regal und<br />
reicht mir einen<br />
Bilderrahmen<br />
herunter.<br />
40 Jahre ist es<br />
schon her, dass er sein Heimatdorf<br />
in Siebenbürgen verlassen hat und<br />
hier lebt. Aber es ist immer noch<br />
„seine“ Kirche, dieses schlichte kleine<br />
<strong><strong>Gottes</strong>haus</strong> auf dem vergilbtem<br />
Foto. Ich spüre, wie viel ihm dieser<br />
Anblick bedeutet, wie ihn in diesem<br />
Moment die Erinnerungen packen.<br />
Aber hier in Deutschland gibt es<br />
doch auch schöne Kirchen?! Ja, er<br />
hat die Kirche seines neuen<br />
Wohnorts ein paar Mal aufgesucht.<br />
Aber das ist nicht „seine“, deshalb<br />
geht er schon lange nicht mehr hin.<br />
Seit er nicht mehr in seinem Dorf<br />
wohnt, ist ihm Gott ferner gerückt,<br />
sagt er. Dort war der Glaube einfach<br />
und selbstverständlich. Man ging<br />
zur Kirche, und Gott war da. Dann<br />
aber ging dieser Mann weg, und mit<br />
ihm viele andere auch. Gott jedoch<br />
ist sozusagen zurück geblieben in<br />
diesem fernen Kirchenraum, der<br />
längst keine Gemeinde mehr hat, die<br />
in ihm <strong>Gottes</strong>dienst feiern würde.<br />
Wohnt Gott?<br />
Wohnt Gott nun in dieser Kirche, bis<br />
sie eines Tages zusammenfällt?<br />
Wohnt er überhaupt? Die Bibel hat<br />
darauf ganz unterschiedliche Antworten.<br />
Abraham oder Jakob würden<br />
diesen alten Mann nicht verstehen<br />
können. Für sie ist ihr Gott ein<br />
Gott, der immer mitgeht, wohin ihr<br />
Weg auch führt. Er spricht zu ihnen,<br />
er erscheint ihnen manchmal, aber<br />
er braucht dazu keinen gesonderten<br />
Raum, kein <strong>Gottes</strong>-<strong>Haus</strong>. Sein Raum<br />
ist, wenn schon, der offene Himmel.<br />
Das ändert sich erst, als die Israeliten<br />
sesshaft geworden sind und<br />
König Salomo in Jerusalem den ersten<br />
Tempel bauen läßt. Ein gewaltiges<br />
<strong>Gottes</strong>-<strong>Haus</strong>, das die Macht und<br />
Vielseitig Dezember 2011 - <strong>April</strong> <strong>2012</strong><br />
Schönheit seines Bewohners sichtbar<br />
werden lassen soll, für die<br />
Gläubigen ebenso wie für die Feinde<br />
mit ihren Göttern.<br />
Als dieser Tempel von den Babyloniern<br />
dem Erdboden gleich gemacht<br />
wird, ist die Katastrophe perfekt:<br />
Gott ist weg. Doch längst haben die<br />
Propheten darauf hingewiesen, dass<br />
im Tempel auch viel Schindluder<br />
getrieben wurde im Namen <strong>Gottes</strong>.<br />
Eine Kritik, die später Jesus kurz vor<br />
seiner Verhaftung aufnimmt. Da<br />
steht längst wieder ein Tempel in<br />
Jerusalem, aber nicht mehr lang –<br />
die Römer werden ihn bald zerstören.<br />
Für die Juden gibt es seitdem<br />
keine <strong>Gottes</strong>-Häuser mehr; ihre<br />
Synagogen sind Versammlungsräume,<br />
aber nicht ein besonderer Ort für<br />
die Begegnung mit Gott, es sei denn<br />
im Hören auf das <strong>Gottes</strong>wort, das<br />
dort vorgelesen wird, und im Gebet.<br />
Solche Verinnerlichung prägt auch<br />
das junge Christentum. Wisst ihr<br />
nicht, dass ihr <strong>Gottes</strong> Tempel seid<br />
und der Geist <strong>Gottes</strong> in euch wohnt?<br />
schreibt Paulus nach Korinth. Mit<br />
anderen Worten: Jeder Christ ist ein<br />
<strong><strong>Gottes</strong>haus</strong>. Dann braucht es keine<br />
<strong>Gottes</strong>häuser mehr, die die Christen<br />
damals sowieso nicht hatten. Paulus<br />
weiß eben noch gut, dass der, den<br />
sie für den Sohn <strong>Gottes</strong> ansehen, ein<br />
Wanderprediger war, der von sich<br />
sagte: Die Füchse haben Gruben und<br />
die Vögel unter dem Himmel haben<br />
Nester; aber der Menschensohn hat<br />
nichts, wo er sein Haupt hinlege.<br />
Jesus – hast du kein Zuhause?<br />
Und so ist es ja schon von Anfang an<br />
mit Jesus. Als der Sohn <strong>Gottes</strong> geboren<br />
werden soll, heißt es: Sie hatten<br />
keinen Raum in der Herberge. So<br />
kommt er in einem Stall zur Welt,<br />
hat eine Krippe als erste Wiege. Die<br />
Weisen aus dem Morgenland können<br />
es kaum glauben – sie hatten<br />
den <strong>Gottes</strong>sohn natürlich da gesucht,<br />
wo so einer doch hingehört:<br />
in der Hauptstadt, im Palast. Eben<br />
an dem Ort, der für so einen einzig<br />
angemessen und passend wäre.<br />
Doch der Sohn <strong>Gottes</strong> kommt gerade<br />
da zur Welt, wo er nicht hingehört.<br />
Im Stall zeigt sich Gott, während<br />
zugleich der Kult im Tempel ins<br />
Leere läuft. Aber nicht mal im Stall<br />
kann er sich zu <strong>Haus</strong>e fühlen, denn<br />
schon suchen die Soldaten des<br />
Herodes nach ihm. Flucht, Unterwegs<br />
sein, kein Zuhause haben – das<br />
gehört zu Gott dazu, wie oft zum<br />
Menschsein.<br />
Wo wohnt Gott?<br />
Wenn wir ihn in einem Kirchenraum<br />
suchen, dann deshalb, weil wir das<br />
so brauchen. Weil wir Sesshaften<br />
auch ihm seinen Ort geben möchten,<br />
weil er ein Zuhause haben soll, wo<br />
wir wir ihn besuchen können, zum<br />
Beispiel an Weihnachten. Einen solches<br />
<strong>Gottes</strong>-<strong>Haus</strong> zu schätzen und<br />
zu lieben, wie es der alte Mann tut,<br />
das ist etwas sehr Menschliches. Nur<br />
einsperren sollten wir Gott dort<br />
nicht, mit unseren Erwartungen, die<br />
bloß an unserer eigenen Existenz<br />
Maß nehmen. Nein, einen festen<br />
Wohnsitz hat Gott nicht, und das ist<br />
sehr gut so!<br />
Thomas Lotz<br />
Titelthema<br />
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