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Originalie Perioperatives Management von Patienten unter ASS/Clopidogrel-Medikation JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN, Berlin SUSANNE ALBAN, PHARMAZEUTISCHES INSTITUT, CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT, KIEL PTCA Bare Metal Stent (BMS) Abbildung 1: Das „sensible Fenster“ (zeitlicher Bereich mit erhöhtem Risiko für Koronarienverschluss) nach unterschiedlichen Arten einer Koronarintervention Sirolimus Stent (1.Gen.) Paclitaxel Stent PTCA u. Paclitaxel Stent In den letzten zehn Jahren hat sich die Stentimplantation zur Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit etabliert [4]. Verglichen mit einer PTCA (perkutane transluminale koronare Angioplastie) können Stents die Gesamtmortalität bei Patienten mit chroni scher koronarer Herzkrankheit und die Reinfarkt rate bei akutem Koronarsyndrom signifikant senken. Das Risiko der Restenosierung mit Stent okklusion limitiert den Langzeiterfolg einer Stent implantation. Diese basiert vorwiegend auf einer überschießenden Neointima bildung [22, 28]. Brachytherapy: „New“ Stents (DES) Karenz der dualen Plättchen hemmung innerhalb des sensiblen Fensters: hohes Risiko einer Stentthrombose (5–30 %) Die klinisch relevanten Restenoseraten liegen bei Bare-Metal-Stents (BMS) in einem Bereich von 10 bis 30 % (Abb. 1). Das Restenoserisiko ist abhängig vom individuellen Risikoprofil des Patienten (z.B. Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus) und dem Stenttyp. Die so genannten Drug-Eluting-Stents (DES) senken die Re - stenosierungsrate auf 5 bis 10 % und reduzieren somit das Risiko für Rezidiveingriffe am Koronarsystem. Der Einsatz der DES hat aber bislang weder die Mortalitäts- noch die Myokardinfarktraten vermindern können [28]. Das Risiko einer Stentthrombose aller implantierten Stents beträgt 1 bis 2 % und ist tendenziell bei DES sogar öfter beschrieben worden [26, 28]. Da die Thrombozyten bei der Entwicklung einer Stentthrombose die zentrale Rolle einnehmen, wird die in zahlreichen kardiologischen Studien geprüfte Kombinationstherapie von Acetylsalicylsäure mit Thienopyridinen, z.B. Clopidogrel, als beste medikamentöse Therapie empfohlen. Acetylsalicylsäure antagonisiert die Produktion von Thromboxan A2 (TXA2) durch Hemmung der Cyclooxygenase 1 (COX-1). Die Thienopyridine (Ticlopidin und Clopidogrel) hemmen irreversibel die Bindung von ADP am P2Y12- Re zeptor des Thrombozyten. Wegen schwerwiegender Nebenwirkungen (gastrointestinale Symptome, Neutropenie und thrombozytopenische Purpura) ist Ticlopidin durch das nebenwirkungsärmere Clopido grel ersetzt worden. 0 2 4 6 8 10 Duale Plättchenhemmung in Monaten 28 Vascular Care 1/2008 Vol. 14

Originalie<br />

<strong>Perioperatives</strong> <strong>Management</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Patienten</strong> <strong>unter</strong> ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN, Berlin<br />

SUSANNE ALBAN, PHARMAZEUTISCHES INSTITUT, CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT, KIEL<br />

PTCA<br />

Bare Metal Stent (BMS)<br />

Abbildung 1: Das „sensible Fenster“ (zeitlicher<br />

Bereich mit erhöhtem Risiko für Koronarienverschluss)<br />

nach <strong>unter</strong>schiedlichen Arten einer Koronarintervention<br />

Sirolimus Stent (1.Gen.)<br />

Paclitaxel Stent<br />

PTCA u. Paclitaxel Stent<br />

In <strong>de</strong>n letzten zehn Jahren hat sich die Stentimplantation<br />

zur Therapie <strong>de</strong>r ersten Wahl bei<br />

<strong>Patienten</strong> mit koronarer Herzkrankheit etabliert<br />

[4]. Verglichen mit einer PTCA (perkutane<br />

transluminale koronare Angioplastie) können<br />

Stents die Gesamtmortalität bei <strong>Patienten</strong> mit<br />

chroni scher koronarer Herzkrankheit und die<br />

Reinfarkt rate bei akutem Koronarsyndrom signifikant<br />

senken. Das Risiko <strong>de</strong>r Restenosierung mit<br />

Stent okklusion limitiert <strong>de</strong>n Langzeiterfolg einer<br />

Stent implantation. Diese basiert vorwiegend<br />

auf einer überschießen<strong>de</strong>n Neointima bildung<br />

[22, 28].<br />

Brachytherapy: „New“ Stents (DES)<br />

Karenz <strong>de</strong>r dualen<br />

Plättchen hemmung innerhalb<br />

<strong>de</strong>s sensiblen Fensters:<br />

hohes Risiko einer<br />

Stentthrombose (5–30 %)<br />

Die klinisch relevanten Restenoseraten liegen<br />

bei Bare-Metal-Stents (BMS) in einem Bereich<br />

<strong>von</strong> 10 bis 30 % (Abb. 1). Das Restenoserisiko<br />

ist abhängig vom individuellen Risikoprofil <strong>de</strong>s<br />

<strong>Patienten</strong> (z.B. Begleiterkrankungen wie Diabetes<br />

mellitus) und <strong>de</strong>m Stenttyp. Die so genannten<br />

Drug-Eluting-Stents (DES) senken die Re -<br />

stenosierungsrate auf 5 bis 10 % und reduzieren<br />

somit das Risiko für Rezidiveingriffe am Koronarsystem.<br />

Der Einsatz <strong>de</strong>r DES hat aber bislang<br />

we<strong>de</strong>r die Mortalitäts- noch die Myokardinfarktraten<br />

vermin<strong>de</strong>rn können [28]. Das Risiko<br />

einer Stentthrombose aller implantierten Stents<br />

beträgt 1 bis 2 % und ist ten<strong>de</strong>nziell bei DES<br />

sogar öfter beschrieben wor<strong>de</strong>n [26, 28].<br />

Da die Thrombozyten bei <strong>de</strong>r Entwicklung einer<br />

Stentthrombose die zentrale Rolle einnehmen,<br />

wird die in zahlreichen kardiologischen Studien<br />

geprüfte Kombinationstherapie <strong>von</strong> Acetylsalicylsäure<br />

mit Thienopyridinen, z.B. Clopidogrel,<br />

als beste medikamentöse Therapie empfohlen.<br />

Acetylsalicylsäure antagonisiert die Produktion<br />

<strong>von</strong> Thromboxan A2 (TXA2) durch Hemmung<br />

<strong>de</strong>r Cyclooxygenase 1 (COX-1). Die Thienopyridine<br />

(Ticlopidin und Clopidogrel) hemmen<br />

irreversibel die Bindung <strong>von</strong> ADP am P2Y12-<br />

Re zeptor <strong>de</strong>s Thrombozyten. Wegen schwerwiegen<strong>de</strong>r<br />

Nebenwirkungen (gastrointestinale<br />

Symptome, Neutropenie und thrombozytopenische<br />

Purpura) ist Ticlopidin durch das nebenwirkungsärmere<br />

Clopido grel ersetzt wor<strong>de</strong>n.<br />

0 2 4 6 8 10<br />

Duale Plättchenhemmung in Monaten<br />

28 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Die Dauer <strong>de</strong>r notwendigen Therapie richtet<br />

sich nach <strong>de</strong>m Stenttyp: BMS endothelialisieren<br />

typischerweise zwei bis sechs Wochen nach<br />

Implantation. DES reduzieren die Intimaproliferation<br />

und damit die Restenosierungsrate, aber<br />

verzögern die Stentendothelialisation. Die ESC-<br />

Leitlinien empfehlen daher nach BMS-Implantation<br />

die Gabe <strong>von</strong> Clopidogrel für drei bis vier<br />

Wochen und die Gabe <strong>von</strong> Acetylsalicylsäure<br />

lebenslang; bei DES wird Clopidogrel für sechs<br />

bis zwölf Monate und Acetylsalicylsäure ebenfalls<br />

lebenslang angeraten [30].<br />

Die amerikanischen Leitlinien geben nach<br />

BMS-Implantation die Gabe <strong>von</strong> Clopidogrel<br />

75 mg täglich für min<strong>de</strong>stens einen Monat an,<br />

falls kein erhöhtes Blutungsrisiko besteht. Bei<br />

DES wird differenziert zwischen Sirolimus- (3<br />

Monate Clopidogrel) und Paclitaxel-Stentimplantation<br />

(6–12 Monate Clopidogrel bei <strong>Patienten</strong><br />

ohne hohem Blutungsrisiko) [2]. Von <strong>de</strong>r „Food<br />

and Drug Administration“ (FDA) wur<strong>de</strong> im<br />

Januar 2007 empfohlen, die Therapie mit Clopidogrel<br />

bei <strong>Patienten</strong> mit Drug-Eluting-Stents für<br />

zumin<strong>de</strong>st zwölf Monate fortzusetzen [15].<br />

Perioperative Situation:<br />

thromboembolisches Risiko<br />

Beson<strong>de</strong>rs <strong>Patienten</strong> mit zeitlich kurz zurückliegen<strong>de</strong>r<br />

Stentimplantation sind thromboembolisch<br />

gefähr<strong>de</strong>t. Allerdings liegt bis dato keine<br />

randomisierte Studie dazu vor. Eine einzige pros<br />

pektive Beobachtungsstudie konnte in Analogie<br />

zu <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fallberichten und <strong>de</strong>n retrospektiven<br />

Studien aufzeigen, dass, unabhängig<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Stentart, <strong>Patienten</strong> mit einer Stentimplantation<br />

innerhalb <strong>de</strong>r letzten 35 Tage die<br />

höchste thromboembolische Komplikationsrate<br />

aufwiesen. Obgleich mehr als 80 % dieser <strong>Patienten</strong><br />

die ASS/Clopidogrel-Medikation bis einen<br />

Tag präoperativ fortführten und alle <strong>Patienten</strong><br />

Heparin erhielten, war die thromboembolische<br />

Komplikationsrate signifikant erhöht [31].<br />

Ab <strong>de</strong>m Jahr 2000 wur<strong>de</strong>n die ersten Kasuistiken<br />

und retrospektiven Studien publiziert, die<br />

einerseits <strong>von</strong> Myokardinfarkten und kardialen<br />

To<strong>de</strong>sfällen bei präoperativem Absetzen <strong>von</strong><br />

Thrombozytenfunktionshemmern und an<strong>de</strong>rerseits<br />

<strong>von</strong> schweren intraoperativen Blutungskomplikationen<br />

im Operationsgebiet bei Fortsetzung<br />

dieser Therapie berichteten [19, 32,<br />

34]. Immerhin benötigen circa 5 % <strong>de</strong>r <strong>Patienten</strong><br />

nach Stentimplantation innerhalb <strong>de</strong>s nächsten<br />

Jahres eine nicht kardiale Operation [31]. Daher<br />

ist die Verunsicherung in <strong>de</strong>r nicht kardiochirurgischen<br />

operativen Medizin groß. Im Folgen<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n die klinische Problematik und Lösungsmöglichkeiten<br />

beschrieben.<br />

Tabelle 1: OP-Risikoeinschätzung: kardiales<br />

Thrombo embolierisiko (Disposition)<br />

An<strong>de</strong>re Faktoren (Disposition)<br />

Stentspezifische Faktoren<br />

- Stenttyp (BMS, DES)<br />

- Zeitpunkt <strong>de</strong>r Stentimplantation!<br />

- Anzahl, Lokalisation und Länge<br />

<strong>de</strong>r Stents<br />

Begleiterkrankungen (Cave: ASA-Kriterien)<br />

- Diabetes mellitus<br />

- Tumorhyperkoagulabilität<br />

- Niereninsuffizienz<br />

- niedrige kardiale Auswurffraktion<br />

Immerhin benötigen circa<br />

5 % <strong>de</strong>r <strong>Patienten</strong> nach<br />

Stent implantation innerhalb<br />

<strong>de</strong>s nächsten Jahres eine<br />

nicht kardiale Operation.<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 29


Originalie<br />

JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN, Berlin<br />

SUSANNE ALBAN, PHARMAZEUTISCHES INSTITUT, CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT, KIEL<br />

Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r Stentimplantation und die<br />

Stentart haben große Be<strong>de</strong>utung für die thromboembolische<br />

Komplikationsrate. So sind die<br />

DES mit einem höheren Risiko für eine Stentthrombose<br />

verbun<strong>de</strong>n als die BMS (Tab. 1). In<br />

Fallberichten wur<strong>de</strong>n <strong>Patienten</strong> beschrieben,<br />

die Stentthrombosen nach Implantation eines<br />

DES erlitten, während bei <strong>de</strong>nselben <strong>Patienten</strong><br />

implantierte BMS offen blieben [26]. Am häufigsten<br />

treten Myokardinfarkte durch Stentthrombosen<br />

in <strong>de</strong>r frühen postoperativen Phase<br />

und fast niemals intraoperativ auf.<br />

Die 2002 publizierten Empfehlungen <strong>de</strong>r ACC<br />

(American College of Cardiology) basieren nur<br />

auf vereinzelten Fallberichten und einer retrospektiven<br />

Studie [1]. Danach ist nach koronarer<br />

Stentimplantation ein operativer Eingriff zumin<strong>de</strong>st<br />

um zwei Wochen, am besten um vier bis<br />

sechs Wochen zu verschieben. Aktueller sind die<br />

ESC-Leitlinien (European Society of Cardiology)<br />

aus <strong>de</strong>m Jahr 2005 [30]: Bei <strong>Patienten</strong>, die vor<br />

einem dringlichen nicht kardiochirurgischen Eingriff<br />

stehen, sollen DES nicht implantiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Hier wer<strong>de</strong>n BMS empfohlen.<br />

Diesbezüglich bleibt zu<br />

hinterfragen, ob bei notwendiger<br />

präoperativer<br />

Koronarintervention eine<br />

PTCA ohne Stentimplantation<br />

erfolgen sollte, um<br />

die thromboembolischen<br />

Komplikationen nach DES-<br />

Implantation zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Diesbezüglich bleibt zu hinterfragen, ob bei notwendiger<br />

präoperativer Koronarintervention eine<br />

PTCA ohne Stentimplantation erfolgen sollte,<br />

um die thromboembolischen Komplikationen<br />

nach DES-Implantation zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Tabelle 2: Inzi<strong>de</strong>nz perioperativer Ereignisse in<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Eingriffs (Exposition) [13]<br />

Operative Eingriffe (Exposition)<br />

- Notfall-Operation beson<strong>de</strong>rs bei älteren<br />

<strong>Patienten</strong><br />

- Operationen an <strong>de</strong>r Aorta und periphere<br />

gefäßchirurgische Eingriffe<br />

- ausge<strong>de</strong>hnte Operationen mit großen<br />

Volumenverschiebungen<br />

- intraperitoneale und intrathorakale Eingriffe<br />

- Carotis-Thrombenartherektomie<br />

- orthopädische Eingriffe, HNO-OP<br />

- Prostata-OP, gynäkologische OP<br />

- endoskopische Interventionen<br />

- oberflächliche Biopsien<br />

- Augenoperationen (z.B. Katarakt-OP`s)<br />

Inzi<strong>de</strong>nz perioperativer kardialer Ereignisse<br />

(kardiovaskulärer Tod und nicht tödlicher<br />

Myokardinfarkt)<br />

Hohes Risiko:<br />

5 %<br />

Mittleres Risiko:<br />

1 % < 5 %<br />

Geringes Risiko:<br />

< 1 %<br />

30 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Die Arbeitsgruppe um Auerbach empfiehlt<br />

aufgrund retrospektiver Daten eine PTCA<br />

ohne Stenting bei <strong>Patienten</strong>, die innerhalb <strong>de</strong>r<br />

nächsten sechs Wochen operiert wer<strong>de</strong>n [7, 9].<br />

Des Weiteren zeigten die bereits 1999 <strong>von</strong><br />

Posner publizierten Daten, dass nach alleiniger<br />

PTCA erst nach 90 Tagen ein Vorteil gegenüber<br />

<strong>de</strong>n <strong>Patienten</strong> ohne Revaskularisation zu erwarten<br />

ist [29].<br />

Somit hat die Wahl <strong>de</strong>s optimalen Zeitpunkts<br />

zwischen Stentimplantation und Operation<br />

eine wesentliche Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n <strong>Patienten</strong>.<br />

Erfolgt eine Operation sehr früh nach <strong>de</strong>r Stentimplantation,<br />

geht dies mit einer erhöhten<br />

Rate thromboembolischer Ereignisse, insbeson<strong>de</strong>re<br />

Stentthrombosen, einher. An<strong>de</strong>rerseits<br />

nehmen mit zunehmen<strong>de</strong>m zeitlichen Abstand<br />

zur Implantation das Risiko einer Restenose<br />

und damit das Risiko perioperativer ischämischer<br />

Ereignisse zu.<br />

Perioperative Situation:<br />

Blutungsrisiko<br />

Eine <strong>de</strong>r größten prospektiv randomisierten kardiologischen<br />

Studien, die <strong>de</strong>n Vorteil einer Kombinationstherapie<br />

<strong>von</strong> Acetylsalicylsäure und<br />

Clopidogrel gegenüber einer Monotherapie bei<br />

akutem Koronarsyndrom aufzeigte [37], bewies,<br />

dass neben <strong>de</strong>m Thromboserisiko auch das Blutungsrisiko,<br />

allerdings nicht die Rate <strong>de</strong>r lebensbedrohlichen<br />

Blutungskomplikationen, erhöht<br />

war. Jedoch ließ sich bei <strong>de</strong>njenigen <strong>Patienten</strong>,<br />

bei <strong>de</strong>nen Clopidogrel mehr als fünf Tage vor<br />

<strong>de</strong>m operativen Eingriff abgesetzt wur<strong>de</strong>, keine<br />

erhöhte Ten<strong>de</strong>nz zu schweren Blutungen nachweisen<br />

[37].<br />

Zusätzlich sind <strong>Patienten</strong> mit symptomatischer<br />

koronarer Herzerkrankung und mehrfachen kardiovaskulären<br />

Risikofaktoren durch die operative<br />

Maßnahme selbst (Exposition) für perioperative<br />

arterielle und auch venöse Thromboembolien<br />

gefähr<strong>de</strong>t (Tab. 2).<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 31


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In bisherigen Studien<br />

ist ein Zusammenhang<br />

zwischen <strong>de</strong>m perioperativen<br />

Einsatz <strong>von</strong><br />

Thienopyridinen, z.B.<br />

Clopidogrel, und einem<br />

erhöhten Blutungsrisiko<br />

beschrieben wor<strong>de</strong>n.<br />

Die meisten Daten dazu fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r Kardiochirurgie.<br />

In Abhängigkeit <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Dauer <strong>de</strong>r<br />

präoperativen Karenz <strong>von</strong> Clopidogrel können<br />

<strong>unter</strong>schiedliche klinische Variablen wie Fremdblutbedarf,<br />

Beatmungsdauer und Krankenhausaufenthalt<br />

signifikant erhöht bzw. verlängert<br />

sein [5]. In einer prospektiven Beobachtungsstudie<br />

<strong>von</strong> VicenzI zeigte sich, dass die Komplikationen<br />

im Wesentlichen kardialer Natur waren,<br />

nur zwei signifikante Blutungskomplikationen<br />

auftraten und diese nicht lebensbedrohlich<br />

waren [31]. Daraus kann abgeleitet wer<strong>de</strong>n, dass<br />

in Abhängigkeit vom Zeitpunkt <strong>de</strong>s Absetzens<br />

<strong>von</strong> Clopidogrel vor einem chirurgischen Eingriff<br />

die Blutungskomplikationsrate zwar höher, aber<br />

im Vergleich zur Komplikationsrate durch Stentthrombosen<br />

bei vorzeitigem Absetzen <strong>de</strong>r ASS/<br />

Clopidogrel-Medikation eher niedriger war.<br />

In bisherigen Studien ist ein Zusammenhang<br />

zwischen <strong>de</strong>m perioperativen Einsatz <strong>von</strong><br />

Thienopyridinen, z.B. Clopidogrel, und einem<br />

erhöhten Blutungsrisiko beschrieben wor<strong>de</strong>n.<br />

Die Daten aus kleineren Untersuchungen, in<br />

<strong>de</strong>nen <strong>Patienten</strong> innerhalb <strong>von</strong> sieben Tagen vor<br />

aorto koronarer Bypass (ACB)-Operation Clopidogrel<br />

einnahmen, ergaben eine erhöhte Transfusionsrate<br />

und die Notwendigkeit erneuter chirurgischer<br />

Eingriffe zur Blutungskontrolle [36]. In<br />

einer größeren Studie mit insgesamt 2.359 <strong>Patienten</strong><br />

zeigte sich in <strong>de</strong>r Gruppe, die mit Clopidogrel<br />

innerhalb <strong>von</strong> sieben Tagen vor ACB-OP<br />

behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong> (n=415), eine zwei- bis dreifach<br />

erhöhte Rate notwendiger Transfusionen<br />

<strong>von</strong> Thrombozyten- o<strong>de</strong>r Erythrozytenkonzentraten<br />

und ein fünffach höheres Risiko für erneute<br />

operative Eingriffe zur Blutungskontrolle [20]. In<br />

einer weiteren Untersuchung mit kardiochirurgischen<br />

<strong>Patienten</strong> bestätigte sich nach Anpassung<br />

<strong>von</strong> relevanten Einflussfaktoren ein bis zu fünffach<br />

erhöhtes Blutungsrisiko ohne Unterschied<br />

in <strong>de</strong>r Mortalität [21].<br />

Tabelle 3: OP-Risikoeinschätzung: Blutung [27]<br />

Operative Eingriffe<br />

- Eingriffe an parenchymatösen<br />

Organen wie Leber, Lunge usw.<br />

- intrakranielle und spinale Eingriffe<br />

- abdominelle Aortenaneurysmen<br />

- Augenhintergrund-Operationen<br />

- urologische Eingriffe<br />

Hohes Risiko:<br />

20 – 80 %<br />

+ Disposition:<br />

positive Blutungsanamnese<br />

32 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Für Blutungskomplikationen und ihre Auswirkungen<br />

auf die Mortalität liegen im nicht kardiochirurgischen<br />

Bereich <strong>de</strong>rzeit keine Daten aus prospektiv<br />

randomisierten Studien vor. Dennoch ließ<br />

sich bereits jetzt feststellen, dass interventionelle<br />

Maßnahmen wie Bronchoskopien mit Biopsien<br />

das Risiko für schwere Blutungen stark erhöhen.<br />

In <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Untersuchung mit insgesamt<br />

48 transbronchial biopsierten <strong>Patienten</strong><br />

kam es <strong>unter</strong> einer ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

bei 100 % <strong>de</strong>r <strong>Patienten</strong>, <strong>unter</strong> Clopidogrel bei<br />

88 % <strong>de</strong>r <strong>Patienten</strong> und in <strong>de</strong>r Kontrollgruppe<br />

ohne Plättchenhemmung bei 3,4 % zu schweren<br />

Blutungen [14]. Daher ist die Durchführung <strong>von</strong><br />

Operationen mit bereits erhöhtem Blutungsrisiko<br />

(Exposition) <strong>unter</strong> einer ASS/Clopidogrel-Kombination<br />

o<strong>de</strong>r auch alleiniger Clopidogrel-Medikation<br />

(Disposition) – auch ohne prospektive kontrollierte<br />

Daten – aus klinischer Sicht als sehr<br />

problematisch bezüglich <strong>de</strong>s Gesamtblutungsrisikos<br />

einzustufen (Tab. 3).<br />

Die solitäre Acetylsalicylsäure-Medikation mit<br />

100 mg stellt grundsätzlich keine Kontraindikation<br />

für chirurgische Eingriffe dar, wenn die<br />

aktuelle Blutungsanamnese negativ ist [23].<br />

Proce<strong>de</strong>re vor Operationen<br />

Alle beteiligten Ärzte (Operateur, Kardiologe,<br />

Hämostaseologe und Anästhesist) wägen<br />

das Risiko einer Stentthrombose gegen das<br />

einer operativ bedingten Blutung ab. Um be -<br />

son<strong>de</strong>rs das Vorgehen bei Einzelfallentscheidungen<br />

zu erleichtern, sind <strong>de</strong>n vorausgehen<strong>de</strong>n<br />

Abschnitten dieses Beitrags die Faktoren Blutungsrisiko<br />

und perioperatives Stentthromboserisiko<br />

gegenüber gestellt wor<strong>de</strong>n. Elektive<br />

Operationen sollen erst nach Beendigung <strong>de</strong>r<br />

ASS/Clopidogrel-Medikation durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei dringlichen Operationen muss individuell<br />

entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Eine Karenz <strong>de</strong>r ASS/<br />

Clopidogrel-Medikation ist bei Akutoperationen<br />

nicht möglich (Abb. 2).<br />

Abbildung 2: Algorithmus zum<br />

perioperativen Proce<strong>de</strong>re [10]<br />

Daher ist die Durchführung<br />

<strong>von</strong> Operationen mit bereits<br />

erhöhtem Blutungsrisiko<br />

(Ex position) <strong>unter</strong> einer ASS/<br />

Clopidogrel-Kombination<br />

o<strong>de</strong>r auch alleiniger Clopidogrel-Medikation<br />

(Disposition)<br />

– auch ohne prospektive<br />

kon trollierte Daten – aus klinischer<br />

Sicht als sehr problematisch<br />

bezüglich <strong>de</strong>s<br />

Ge samt blutungsrisikos einzustufen.<br />

Eine ASS/Clopidogrel-Medikation wird in <strong>de</strong>n<br />

nationalen Empfehlungen <strong>de</strong>r Fachgesellschaften<br />

für Anästhesie als Kontraindikation für die Durchführung<br />

<strong>von</strong> blutungsriskanten regionalanästhesiologischen<br />

Blocka<strong>de</strong>n angeführt [17, 18, 25].<br />

Nicht kardiochirurgische Operation<br />

Notfall Dringlich (semi-elektiv) Elektiv<br />

OP-Freigabe<br />

Einzelfallentscheidung<br />

Abwarten!<br />

> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Clopidogrel-Gabe<br />

Thrombose<br />

ASS<br />

Clopidogrel<br />

ASS<br />

Clopidogrel<br />

Blutung<br />

ASS<br />

Clopidogrel<br />

Modifiziert nach Metzler Anästhesist 2007<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 33


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Eine aktuelle Orientierung zur perioperativen<br />

Problematik einer ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

bei Koronarstents bieten die kardiologischen<br />

Empfehlungen <strong>de</strong>r ACC (American College of<br />

Cardiology) gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften<br />

[3]:<br />

1. Bei <strong>Patienten</strong>, bei <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>n nächsten<br />

zwölf Monaten chirurgische Eingriffe zu er -<br />

warten sind, sollen BMS implantiert wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Elektive Eingriffe sind bis zur Beendigung<br />

<strong>de</strong>r Clopidogrel-Gabe zu verschieben, z.B.<br />

zwölf Monate bei DES.<br />

3. Wenn operative Eingriffe ein Absetzen einer<br />

ASS/Clopidogrel-Medikation erfor<strong>de</strong>rn, z.B.<br />

hohes Blutungsrisiko, soll – wenn möglich –<br />

zumin<strong>de</strong>st Acetylsalicylsäure weiter gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Das Problem lebensbedrohlicher Thromboembolien<br />

mit plötzlichem Herztod bei vorzeitigem<br />

Absetzen einer ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

nach Koronarstentimplantation muss <strong>de</strong>n<br />

verantwortlichen Ärzten bewusst sein.<br />

Proce<strong>de</strong>re bei Akutoperationen<br />

und klinischer Blutung<br />

Bei Akutoperationen muss das gesamte Operationsteam<br />

auf das durch die ASS/Clopidogrel-<br />

Medikation signifikant erhöhte Blutungsrisiko<br />

vorbereitet sein (Abb. 3).<br />

Tritt <strong>unter</strong> ASS eine klinisch relevante Blutung<br />

auf, ist die erste Behandlungsoption die Gabe<br />

<strong>de</strong>s synthetischen Vasopressin-Analogons<br />

DDAVP (Minirin parenteral ® ). DDAVP führt u.a.<br />

zu einer gesteigerten Mobilisierung <strong>de</strong>s <strong>von</strong>-<br />

Willebrand-Faktors aus <strong>de</strong>m Endothel und damit<br />

zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r Thrombozytenadhäsion/-<br />

aggregation. Des Weiteren ist <strong>de</strong>r Einsatz <strong>von</strong><br />

Antifibrinolytika wie Tranexamsäure zur Reduktion<br />

intraoperativer Blutungen möglich [8, 24].<br />

Bei starken unstillbaren Blutungen sollten min<strong>de</strong>stens<br />

zwei Thrombozytenapherese-Konzentrate<br />

transfundiert o<strong>de</strong>r sogar NovoSeven ® (90<br />

µg/kg KG) infundiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Abbildung 3: Proce<strong>de</strong>re: Akutoperationen<br />

Unter ASS-Clopidogrel:<br />

- Desmopressin (DDAVP) möglich<br />

(0,3 µg/kg KG als Kurzinfusion maximal 3 x mit Intervallen <strong>von</strong> 8 Std.)<br />

- Thombozytenkonzentrate bereitstellen<br />

Persistieren<strong>de</strong> perioperative Blutung:<br />

- Antifibrinolytika (Tranexamsäure)<br />

- rFVIIa ()<br />

- vWF-haltiges F-VIII-Konzentrat (mit Kortison) ()<br />

34 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Die Plättchenhemmung durch Acetylsalicylsäure<br />

und Thienopyridine, z.B. Clopidogrel, ist<br />

irreversibel. Sie kann nur durch Bildung einer<br />

neuen Thrombozytenpopulation o<strong>de</strong>r durch<br />

die Gabe <strong>von</strong> Thrombozytenkonzentraten aufgehoben<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei Gesun<strong>de</strong>n beträgt die<br />

Dauer <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung einer normalen<br />

Plättchenfunktion etwa drei bis sieben Tage.<br />

Zur Prophylaxe einer erhöhten intraoperativen<br />

Blutungsneigung <strong>unter</strong> <strong>de</strong>m Einfluss einer plättchenhemmen<strong>de</strong>n<br />

Medikation, insbeson<strong>de</strong>re<br />

clopidogrel, können Thromboyztenkonzentrate,<br />

auch in Kombination mit DDAVP, verabreicht<br />

wer<strong>de</strong>n. Bereits durch die alleinige Gabe <strong>von</strong><br />

Thrombozytenkonzentraten ist das Risiko einer<br />

Stentthrombose erhöht. Daher sollte bei <strong>de</strong>n<br />

betroffenen <strong>Patienten</strong> ein intensives perioperatives<br />

Monitoring erfolgen.<br />

„Point-of-care“-Tests (PFA-100, Multiplate,<br />

IMPACT) wer<strong>de</strong>n zunehmend eingesetzt, um die<br />

perioperative Thrombozytenfunktion zu beurteilen<br />

und damit das Risiko sowohl für thrombotische<br />

als auch für Blutungskomplikationen einzuschätzen<br />

[23].<br />

Proce<strong>de</strong>re bei<br />

elektiven Operationen<br />

Elektive Operationen sollten nach Beendigung<br />

<strong>de</strong>r plättchenhemmen<strong>de</strong>n Kombinationstherapie<br />

terminiert wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Leitlinien <strong>de</strong>r amerikanischen<br />

Gesellschaft für Kardiologie (ACC/AHA)<br />

wird empfohlen, elektive Operationen möglichst<br />

erst nach einem Zeitraum <strong>von</strong> vier Wochen<br />

nach Implantation unbeschichteter Stents (BMS)<br />

durchzuführen [13]. Da die Inzi<strong>de</strong>nz späterer<br />

Stentthrombosen nach Implantation medikamentenbeschichteter<br />

Stents (DES) aufgrund <strong>de</strong>ren<br />

verzögerten Endothelialisierung erhöht ist, ist für<br />

einen längeren Zeitraum (bis zu 12 Monaten)<br />

mit einem hohen Risiko für perioperative Stentthrombosen<br />

zu rechnen [6]. Eine ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

sollte daher min<strong>de</strong>stens für<br />

sechs bis zwölf Monate nach Implantation <strong>von</strong><br />

„Drug-Eluting-Stents“ (DES) verabreicht wer<strong>de</strong>n;<br />

elektive Operationen sind erst nach diesem Zeitraum<br />

anzusetzen.<br />

Die Plättchenhemmung<br />

durch Acetylsalicylsäure<br />

und Thienopyridine, z.B.<br />

Clopidogrel, ist irreversibel.<br />

In Einzelfällen, insbeson<strong>de</strong>re bei persistieren<strong>de</strong>r<br />

o<strong>de</strong>r gar lebensbedrohlicher Blutung, kann eine<br />

Blutstillung durch <strong>de</strong>n rekombinanten Faktor VIIa<br />

(rFVIIa) erreicht wer<strong>de</strong>n [33].<br />

In Einzelfällen, insbeson<strong>de</strong>re<br />

bei persistieren<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r gar<br />

lebensbedrohlicher Blutung,<br />

kann eine Blutstillung durch<br />

<strong>de</strong>n rekombinanten Faktor<br />

VIIa (rFVIIa) erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 35


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JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN, Berlin<br />

SUSANNE ALBAN, PHARMAZEUTISCHES INSTITUT, CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT, KIEL<br />

Abbildung 4: Proce<strong>de</strong>re: elektive dringliche Operationen<br />

Elektiv-OP<br />

Stehen früher geplante Operationen bevor, sind<br />

bevorzugt unbeschichtete Stents zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

Bei dringlichen Operationen und <strong>Patienten</strong> mit<br />

stabiler koronarer Herzerkrankung kann eine<br />

PTCA bzw. eine optimierte perioperative medikamentöse<br />

Therapie in Erwägung gezogen wer<strong>de</strong>n<br />

und gegebenenfalls eine Stentversorgung in<br />

ausreichen<strong>de</strong>m postoperativen Intervall stattfin<strong>de</strong>n<br />

(Abb. 4) [27].<br />

Dagegen scheint ein klinischer Vorteil durch<br />

präoperative revaskularisieren<strong>de</strong> Maßnahmen<br />

bei kardial instabilen <strong>Patienten</strong>, z.B. mit kardiogenem<br />

Schock, instabiler Angina pectoris o<strong>de</strong>r<br />

Hauptstammstenosen, zu bestehen. Hierzu fehlen<br />

aber ebenfalls prospektive Daten.<br />

Dringliche OP<br />

Proce<strong>de</strong>re bei<br />

dringlichen Operationen<br />

Bei dringlichen Operationen ist individuell wie<br />

folgt zu <strong>unter</strong>schei<strong>de</strong>n [27]:<br />

Ist das Blutungsrisiko sehr hoch, z.B. bei urologischen<br />

o<strong>de</strong>r intrakraniellen Eingriffen sowie Operationen<br />

an parenchymatösen Organen, und das<br />

thromboembolische Risiko gering, können Clopidogrel<br />

und Acetylsalicylsäure abgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

[3, 15, 27].<br />

Clopidogrel inhibiert <strong>de</strong>n ADP (P2Y12)-Rezeptor<br />

für Thrombozyten irreversibel und kann<br />

weit über seine Plasmahalbwertszeit hinaus<br />

eine relevante Plättchenhemmung bewirken.<br />

Etwa sieben Tage nach Absetzen wird eine<br />

F unktionstüchtigkeit <strong>von</strong> 50 % <strong>de</strong>r Thrombozyten<br />

wie<strong>de</strong>rerlangt (Tab. 4). Acetylsalicylsäure<br />

hemmt die Cyclooxygenase irreversibel, so dass<br />

die Funktionsfähigkeit <strong>de</strong>r Thrombozyten <strong>von</strong><br />

ihrer Neubildung abhängt. Bei physiologischer<br />

Knochen marksfunktion wer<strong>de</strong>n etwa 10 % <strong>de</strong>r<br />

Thrombozyten pro Tag ersetzt, d.h. vier bis<br />

fünf Tage nach Absetzen <strong>von</strong> Acetylsalicylsäure<br />

weisen etwa 50 % <strong>de</strong>r Thrombozyten eine normale<br />

Funktion auf (Tab. 4).<br />

Hohes perioperatives Blutungsrisiko<br />

Indikation zur Karenz <strong>de</strong>r Clopidogrel/ASS-Medikation<br />

Hohes/Mittleres perioperatives arterielles Thromboembolierisiko<br />

>_ 30 Tage<br />

< 30 Tage<br />

„Drug Eluting Stent“ „Bare Metal Stent“ PTCA<br />

Min<strong>de</strong>stabstand: Koronarintervention zur geplanten OP<br />

mit Absetzen <strong>de</strong>r Clopidogrel/ASS-Medikation<br />

6 – 12 Monate 4 – 6 Wochen 1 Woche<br />

36 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Ist das Thromboserisiko hoch, sollten Clopidogrel<br />

und Acetylsalicylsäure möglichst bis zum Operationstag<br />

weiter gegeben wer<strong>de</strong>n [3, 15, 27]. In<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Fällen kann die Clopidogrel-Medikation<br />

gestoppt und Acetylsalicylsäure (ASS) als<br />

Monotherapie perioperativ weiter verabreicht<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn die aktuelle Blutungsanamnese<br />

negativ ist [27].<br />

Unklar bleibt das Proce<strong>de</strong>re bei Patient mit ASS-<br />

Resistenz <strong>unter</strong> perioperativer Monotherapie mit<br />

ASS o<strong>de</strong>r mit hohem Blutungsrisiko und hohem<br />

thromboembolischen Risiko, z.B. nach Implantation<br />

eines „Drug-Eluting-Stents“ (DES) vor weniger<br />

als einem Jahr. In letzterem Fall be<strong>de</strong>utet<br />

das Absetzen <strong>de</strong>r ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

ein sehr hohes Risiko einer Stentthrombose mit<br />

plötzlichem Herztod. Die perioperative Fortführung<br />

dagegen bringt eine sehr hohe Blutungsgefahr<br />

mit sich, die zu Transfusionspflichtigkeit<br />

(Massivtransfusion) und Gabe <strong>von</strong> Gerinnungsfaktorenkonzentraten<br />

führen kann.<br />

Tabelle 4: Perioperative Karenz <strong>von</strong> gerinnungs-<br />

hemmen<strong>de</strong>n Substanzen vor Regionalanästhesien<br />

[DGAI (ÖGARI) 2005]<br />

Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarksnaher<br />

Punktion bzw. Katheterführung<br />

Vor Punktion/<br />

Katheter entfernung<br />

Nach Punktion/<br />

Katheter entfernung<br />

Unfraktionierte Heparine (UFH) (low dose) 4 Std. 1 Std.<br />

Unfraktionierte Heparine (UFH) (high dose) 4 Std. 1 Std.<br />

Nie<strong>de</strong>rmolekulare Heparine (UFH) (low dose) 10 – 12 Std. 2 – 4 Std.<br />

Nie<strong>de</strong>rmolekulare Heparine (NMH) (high dose) 24 Std. 2 – 4 Std.<br />

Fondaparinux ** 20 – 22 Std. 2 – 4 Std.<br />

Cumarine (Dicumarole) INR < 1,4 nach Katheter entfernung<br />

Hirudine (Lepirudin, Desirudin) 8 – 10 Std. 2 – 4 Std.<br />

Acetylsalicylsäure > 2 (3) Tage nach Katheter entfernung<br />

Clopidogrel > 7 Tage nach Katheter entfernung<br />

Ticlopidin > 10 Tage nach Katheter entfernung<br />

** bei normaler Nierenfunktion, bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 50ml/min) 36–42 Std.<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 37


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Eine perioperative Umstellung<br />

auf Heparine bei <strong>Patienten</strong><br />

mit koronaren Stents<br />

bietet keinen ausreichen<strong>de</strong>n<br />

Schutz vor Stentthrombosen.<br />

Die ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

kann perioperativ<br />

durch intravenös applizierbare<br />

Glyko protein(GP)-IIb/<br />

IIIa-Antagonisten mit kurzer<br />

Halbwertszeit, z.B. Tirofiban<br />

o<strong>de</strong>r Eptifibatid, als alternative<br />

Plättchenhemmung<br />

ersetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Daher erscheint eine perioperative Umstellung<br />

(„Bridging“) einer ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

sinnvoll [10]. Eine perioperative Umstellung auf<br />

Heparine bei <strong>Patienten</strong> mit koronaren Stents bietet<br />

keinen ausreichen<strong>de</strong>n Schutz vor Stentthrombosen.<br />

Standardheparin (UFH) führt sogar zu<br />

einer Plättchenaktivierung und nie<strong>de</strong>rmolekulare<br />

Heparine (NMH) erreichen keine ausreichen<strong>de</strong><br />

Plättchenhemmung [35]. Daher stellt die Gabe<br />

<strong>von</strong> Heparinen (Gerinnungshemmung) keine<br />

Alternative zu einer ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

(Plättchenhemmung) dar.<br />

Die ASS/Clopidogrel-Medikation kann perioperativ<br />

durch intravenös applizierbare Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Antagonisten<br />

mit kurzer<br />

Halbwertszeit, z.B. Tirofiban o<strong>de</strong>r Eptifibatid,<br />

als alternative Plättchenhemmung ersetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r perioperativen Phase sollten nur<br />

kurz wirksame GP-IIb/IIIa-Antagonisten (Tirofiban,<br />

eptifibatid) eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Tirofiban<br />

(Aggrastat ® ) ist ein synthetisches Nicht-Peptid<br />

und besitzt eine hohe GP-IIb/IIIa-Spezifität, eine<br />

Plasmahalbwertszeit <strong>von</strong> 90 Minuten und eine<br />

Wirkdauer <strong>von</strong> vier bis acht Stun<strong>de</strong>n. Eptifibatid<br />

(Integrilin ® ), ein zyklisches Heptapeptid, weist<br />

ebenfalls eine hohe GP-IIb/IIIa-Spezifität bei<br />

einer Plasmahalbwertszeit <strong>von</strong> 150 Minuten und<br />

einer Wirkdauer <strong>von</strong> zwei bis vier Stun<strong>de</strong>n auf.<br />

abciximab (Reopro ® ) verursacht eine Plättchenhemmung<br />

bis zu 48 Stun<strong>de</strong>n nach Gabe – weit<br />

über seine Plasmahalbwertszeit hinaus – und<br />

schei<strong>de</strong>t daher als mögliche „Bridging“- substanz<br />

aus (Abb. 5).<br />

Bei nierenfunktionseingeschränkten <strong>Patienten</strong><br />

ist <strong>de</strong>r Einsatz <strong>von</strong> Eptifibatid (Integrilin ® )<br />

wegen <strong>de</strong>r geringeren renalen Elimination<br />

( < 50 %) gegenüber Tirofiban zu bevorzugen.<br />

Die intra venös zu applizieren<strong>de</strong> Dosis <strong>von</strong> Tirofiban<br />

be trägt 0,1 µg/kg/min aus einer kommerziellen<br />

Packungsgröße <strong>von</strong> 250 µg pro 1 ml<br />

Lösung. Eptifibatid ist mit 2 µg/kg/min, bei<br />

nierenfunk tionseingeschränkten <strong>Patienten</strong> mit<br />

1 µg/kg/min, aus einer kommerziellen Packungsgröße<br />

<strong>von</strong> 2 g pro 1 ml Lösung intravenös über<br />

einen Perfusor zu verabreichen. Das be<strong>de</strong>utet,<br />

für einen circa 70 bis 80 kg schweren <strong>Patienten</strong><br />

wird pro Stun<strong>de</strong> eine Infusionsmenge <strong>von</strong> circa<br />

14 ml Tirofiban o<strong>de</strong>r ungefähr 5 ml Eptifibatid<br />

bzw. etwa 2,5 ml eptifibatid bei nierenfunktionseingeschränkten<br />

<strong>Patienten</strong> benötigt.<br />

38 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


Zusätzlich muss bei diesen <strong>Patienten</strong> die operative<br />

Maßnahme selbst (Exposition) bezüglich<br />

<strong>de</strong>s venösen thromboembolischen Risikos, z.B.<br />

tiefe Beinvenenthrombose o<strong>de</strong>r Lungenembolie,<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n [16]. Hierbei sollten<br />

nie<strong>de</strong>rmolekulare Heparine (NMH) in Dosierungen<br />

entsprechend <strong>de</strong>m hohen Risiko zum Einsatz<br />

kommen, z.B. Dalteparin (Fragmin ® -P Forte),<br />

Enoxaparin (Clexane 40 mg), Nadroparin nach<br />

Körpergewicht (Fraxiparin) o<strong>de</strong>r auch Certoparin<br />

(Mono-Embolex ® ).<br />

Das Ziel einer plättchenhemmen<strong>de</strong>n Therapie<br />

in <strong>de</strong>r perioperativen Phase ist es, das Risiko für<br />

koronare Ischämien, insbeson<strong>de</strong>re Stentthrombosen,<br />

zu reduzieren und das Risiko für schwerwiegen<strong>de</strong><br />

Blutungen nicht zusätzlich zu erhöhen.<br />

Diesbezüglich gibt es <strong>de</strong>rzeit aber kaum<br />

vali<strong>de</strong> Daten aus randomisierten klinischen Studien.<br />

Es wur<strong>de</strong>n jedoch bereits einige Fallsammlungen<br />

publiziert [10]. Außer<strong>de</strong>m stehen erste<br />

Daten eines <strong>de</strong>utschen Registers <strong>von</strong> 26 <strong>Patienten</strong><br />

aus München [Arbeitsgruppe um M. Spannagl]<br />

zur Verfügung. Diese Erfahrungen zeigen<br />

durchweg ein gutes klinisches Outcome<br />

<strong>de</strong>r betroffenen <strong>Patienten</strong>: We<strong>de</strong>r waren vermehrt<br />

perioperative Thromboembolien (arteriell<br />

und venös) noch schwerwiegen<strong>de</strong> Blutungen<br />

zu beobachten. Ein beson<strong>de</strong>rer Wert ist auf die<br />

<strong>de</strong>taillierte Aufklärung aller <strong>Patienten</strong> mit ASS/<br />

Clopidogrel-Medikation zu legen, da alle möglichen<br />

Umstellungsmaßnahmen <strong>de</strong>r plättchenhemmen<strong>de</strong>n<br />

Medikation <strong>de</strong>rzeit die Kriterien <strong>de</strong>s<br />

„Off-Label-Use“ erfüllen.<br />

Postoperatives Proce<strong>de</strong>re<br />

bei dringlichen Operationen<br />

Postoperativ und nach <strong>de</strong>m Ausschluss <strong>von</strong><br />

Blutungen wird die orale ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

fortgesetzt. Die Clopidogrel-Einnahme ist<br />

als „Loading-Dose“ mit 300 mg wie<strong>de</strong>r aufzunehmen,<br />

die Acetylsalicylsäure-Einnahme sollte<br />

mit 100 mg einsetzen [3, 15, 27]. Dabei ist<br />

eine möglichst frühe Wie<strong>de</strong>raufnahme <strong>de</strong>r ASS/<br />

Clopidogrel-Kombination anzustreben. Letztlich<br />

ist die Entscheidung dazu interdisziplinär zu<br />

treffen.<br />

Trotz fehlen<strong>de</strong>r prospektiver Daten bleibt festzuhalten,<br />

dass das postoperative thromboembolische<br />

Risiko höher als das Blutungsrisiko einzuschätzen<br />

zu sein scheint. Bei kardiologischen<br />

<strong>Patienten</strong> laufen mehr als 50 % aller Stentthrombosen<br />

<strong>unter</strong> <strong>de</strong>m Bild eines schweren akuten<br />

Myokardinfarkts mit hoher perioperativer Letalität<br />

und ohne klassische Vorwarnsymptomatik<br />

wie Angina pectoris ab. Die Mortalität ist sowohl<br />

bei kardiologischen als auch operativen <strong>Patienten</strong><br />

hoch und beträgt bis zu 20 % [11, 12, 19].<br />

Bei einem Verdacht auf eine akute Stentthrombose<br />

sollte <strong>de</strong>r Patient nach Stabilisierung <strong>de</strong>r<br />

Hämodynamik rasch an eine interventionelle kardiologische<br />

Einheit transferiert wer<strong>de</strong>n, wo die<br />

Möglichkeit zur PTCA und Wie<strong>de</strong>reröffnung <strong>de</strong>s<br />

thrombosierten Stents besteht.<br />

Zusätzlich muss bei diesen<br />

<strong>Patienten</strong> die operative<br />

Maßnahme selbst (Exposition)<br />

bezüglich <strong>de</strong>s venösen<br />

thromboembolischen Risikos,<br />

z.B. tiefe Beinvenenthrombose<br />

o<strong>de</strong>r Lungenembolie,<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Ziel einer plättchenhemmen<strong>de</strong>n<br />

Therapie in<br />

<strong>de</strong>r perioperativen Phase<br />

ist es, das Risiko für koronare<br />

Ischämien, insbeson<strong>de</strong>re<br />

Stentthrombosen, zu<br />

reduzieren und das Risiko<br />

für schwerwiegen<strong>de</strong> Blutungen<br />

nicht zusätzlich zu<br />

erhöhen.<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 39


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SUSANNE ALBAN, PHARMAZEUTISCHES INSTITUT, CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT, KIEL<br />

Zusammenfassung<br />

Eine perioperative Karenz<br />

<strong>de</strong>r ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r noch<br />

nicht endothelialisierten<br />

Stents erhöht signifikant das<br />

Risiko einer Stentthrombose<br />

mit plötzlichem Herztod, ihre<br />

Fortführung dagegen das<br />

einer klinisch relevanten Blutung<br />

im Operationsgebiet.<br />

Derzeit wer<strong>de</strong>n bei perkutanen koronaren<br />

Interventionen in bis zu 90 % <strong>de</strong>r Fälle<br />

koronare Stents implantiert. Diese erfor<strong>de</strong>rn<br />

eine plättchenhemmen<strong>de</strong> Kombi na -<br />

tion smedikation (Clopidogrel und Acetylsalicylsäure)<br />

mit typenabhängiger <strong>unter</strong>schiedlicher<br />

Therapiedauer (3 – 4 Wochen<br />

bei BMS bzw. 6 – 12 Monate bei DES).<br />

Circa 5 % dieser <strong>Patienten</strong> benötigen eine<br />

nicht kardiale Operation innerhalb<br />

<strong>de</strong>s nächsten Jahres.<br />

Eine perioperative Karenz <strong>de</strong>r ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r noch<br />

nicht endothelialisierten Stents erhöht<br />

signifikant das Risiko einer Stentthrombose<br />

mit plötzlichem Herztod, ihre Fortführung<br />

dagegen das einer klinisch relevanten<br />

Blutung im Operationsgebiet. Bei Operationen<br />

mit ho hem Blutungsrisiko kann es<br />

<strong>von</strong> chirur gischer Seite her erfor<strong>de</strong>rlich sein,<br />

bei<strong>de</strong> Medikamente abzusetzen. Bei hohem<br />

Thromboserisiko sollten bei<strong>de</strong> Präparate,<br />

zu min<strong>de</strong>st aber Acetylsalicylsäure, bis zum<br />

Operationstag gegeben wer<strong>de</strong>n. Eine Regionalanästhesie<br />

ist fast immer kontraindiziert.<br />

Dieses <strong>de</strong>rzeitige perioperative Proce<strong>de</strong>re<br />

basiert zumeist auf Empfehlungen anästhesiologischer<br />

und kardiologischer Gesellschaften,<br />

die nicht alle klinischen Fragestellungen<br />

beantworten. Offen bleibt<br />

bei spielsweise, welches perioperative<br />

hämos ta seologische <strong>Management</strong> zu er -<br />

folgen hat, wenn schwere perioperative<br />

Blutungen <strong>unter</strong> ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

auftreten. Bisher gibt es auch keine<br />

Empfehlungen, welches Proce<strong>de</strong>re bei<br />

einem <strong>Patienten</strong> mit ASS-Resistenz <strong>unter</strong><br />

perioperativer ASS-Monotherapie sinn -<br />

voll ist o<strong>de</strong>r ob eine perioperative Umstellung<br />

(„Bridging“) einer ASS/Clopidogrel-<br />

Medikation durchgeführt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Wenn eine ein<strong>de</strong>utige Indikation zur<br />

Fortführung <strong>de</strong>r ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

vorliegt, z.B. <strong>de</strong>r Einbau eines „Drug-<br />

Eluting-Stents“ (DES) vor weniger als<br />

einem Jahr, und ein hohes perioperatives<br />

Blutungs risiko besteht, ist eine perioperative<br />

Umstellung („Bridging“) <strong>de</strong>r plättchenhemmen<strong>de</strong>n<br />

Medikation möglich. Hier kann<br />

die ASS/Clopidogrel-Medikation perioperativ<br />

durch intravenös applizierbare Glykoprotein-IIb/IIIa-Antagonisten<br />

mit kurzer<br />

Halbwertszeit, z.B. Tirofiban o<strong>de</strong>r Eptifibatid,<br />

als alternative Plättchenhemmung<br />

ersetzt wer<strong>de</strong>n. Auch das venöse thromboembolische<br />

Risiko durch die jeweilige Operation<br />

(Exposition) ist zu berücksichtigen.<br />

Dazu ist eine medikamentöse Thromboseprophylaxe<br />

mit nie<strong>de</strong>rmolekularen Heparinen<br />

(NMH) in Dosierungen <strong>de</strong>s Hochrisikobereichs<br />

anzuraten.<br />

40 Vascular Care 1/2008 Vol. 14


<strong>Patienten</strong> <strong>unter</strong> ASS/Clopidogrel-Medikation<br />

nach koronarer Stentimplantation<br />

bedürfen einer intensiven interdisziplinären<br />

Betreuung durch Anästhesiologen bzw.<br />

Hämostaseologen, Operateur und Kardiologen.<br />

Ein beson<strong>de</strong>rer Wert ist auf die<br />

<strong>de</strong>taillierte Aufklärung aller <strong>Patienten</strong> mit<br />

ASS/Clopidogrel-Therapie zu legen, da alle<br />

möglichen Umstellungsmaßnahmen <strong>de</strong>r<br />

plättchenhemmen<strong>de</strong>n Medikation <strong>de</strong>rzeit<br />

die Kriterien <strong>de</strong>s „Off-Label-Use“ erfüllen.<br />

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Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny<br />

Oberarzt <strong>de</strong>r Gerinnungsambulanz<br />

Institut für Transfusionsmedizin<br />

Charité – Campus Charité Mitte (CCM)<br />

Universitätsmedizin Berlin<br />

Charitéplatz 1<br />

10117 Berlin<br />

Univ.-Prof. Dr. Susanne Alban<br />

Pharmazeutisches Institut<br />

Abteilung Pharmazeutische Biologie<br />

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel<br />

Gutenbergstraße 76<br />

24118 Kiel<br />

Vascular Care 1/2008 Vol. 14 43

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