Heft 2/2008 Themen u.a.: Wege unterm Regenbogen; Kultur am ...
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<strong>Wege</strong> <strong>unterm</strong> <strong>Regenbogen</strong><br />
Elisabeth Jung<br />
Meine Schwester ist 23 Jahre alt. Wir<br />
haben ein gutes Verhältnis. Manchmal<br />
überlege ich mir, ob ich hätte irgendetwas<br />
verhindern oder anders machen können.<br />
Aber dann sage ich mir immer, dass ich ja<br />
selber zu klein war, um sie zu beschützen.<br />
Schlimm finde ich, was jetzt mit ihr<br />
passiert ist.<br />
Ich kann mich erinnern, dass es schon auf<br />
der Realschule angefangen hat. Sie hat<br />
manchmal Phasen gehabt, in denen sie<br />
mit niemand mehr gesprochen hat, tagelang.<br />
Sie hat dann auch sehr wenig<br />
gegessen und was mich sehr erschreckt<br />
hat, sie hat sich an den Haaren gerissen.<br />
Ich weiß schon, mein Vater ist sehr brutal.<br />
Er hat uns geschlagen, auch meine<br />
Mutter, wenn er zu viel getrunken hat.<br />
Aber trotzdem konnte ich mir nicht erklären,<br />
was mit Elisabeth los war. Ich war<br />
manchmal sogar richtig wütend auf sie,<br />
wenn sie dann so rum saß und nichts<br />
geredet hat.<br />
Sie hat dann eine Ausbildung als<br />
Verkäuferin angefangen in einer Bäckerei.<br />
Wir haben uns sehr wenig gesehen in der<br />
Zeit. Sie hing mit so komischen Typen<br />
rum. Das gab dann auch immer Streit mit<br />
meinen Eltern. Die Ausbildung hat sie<br />
dann abgeschlossen. Die Prüfung hat sie<br />
mit Ach und Krach geschafft.<br />
Mit 19 ist sie von zu Hause ausgezogen in<br />
eine kleine Wohnung. Sie hat dann kurz<br />
in einer Bäckerei gearbeitet. Das ging aber<br />
nicht lange gut. Sie k<strong>am</strong> mit dem Chef<br />
nicht klar. Ich hab sie öfter besucht.<br />
Aufgefallen ist mir, dass es unheimlich<br />
dreckig war bei ihr. Es lag alles rum.<br />
Kl<strong>am</strong>otten, Zigarettenstummel, Essensreste.<br />
Und was mir auffiel. Das sie immer<br />
dünner wurde. Ihr Kopf hatte kahle<br />
Stellen, vom Haare Ausreißen. Sie fand<br />
keine Arbeit mehr.<br />
Ich hatte das Gefühl, dass sie richtig verwahrloste.<br />
Das sagte ich ihr auch. Sie<br />
antwortete mir immer mit dem Satz:<br />
„Was weißt denn Du schon“. Irgendwann<br />
k<strong>am</strong> ich dann zu ihr und fand sie in einem<br />
völlig verwahrlosten Zustand. Sie war<br />
dreckig, unausgeschlafen. Sie sah aus, als<br />
hätte sie tagelang nichts mehr gegessen.<br />
Als ich sie ansprach, fing sie zu heulen an.<br />
Sie erzählte mir, dass sie sich nicht mehr<br />
raustraue, dass sie unter ganz starken<br />
Ängsten litt und das sie völlig<br />
durcheinander wäre.<br />
Was sollte ich tun. Ich rief, einen<br />
Hausarzt an, der mir riet, sie in die Klinik<br />
zu bringen. Ich brachte sie also in das<br />
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regenbogen-report 02/08