SCHAAFHEIM · MOSBACH · SCHLIERBACH ... - Typo-Z-Team
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Dezember/Januar 2009/2010 Schaafheimer<br />
Weihnachten ohne Christbaum war auch für sie unvorstellbar. Ich<br />
jedoch konnte lange nicht einschlafen, so schwer hatte mich die<br />
Enttäuschung gepackt. Was bedeutete überhaupt das Wort „leisten“?<br />
Mir gelang es nicht, es unterzubringen.<br />
Nun – der heilige Abend kam und es war tatsächlich keine Tanne<br />
im Haus. Es dunkelte bereits, als ich traurig die Stiege hinunter zu<br />
meiner Oma ging – bei der standen wenigstens ein paar Tannenzweige<br />
in einer blechernen Kanne und die Stube duftete nach Harz<br />
und bruzzelnden Äpfeln.<br />
Da öffnete sich die Tür und Mutter stand warm eingehüllt vor mir.<br />
Sie begann, mich in eine dicke schwarze Wollstola zu wickeln,<br />
deren extrem lange Fransen bis zum Boden reichten. Dann stülpte<br />
sie mir eine Wollmütze über die Ohren und band zuguterletzt<br />
eine Hanfkordel um meinen Leib, die alles fein hochzog und<br />
zusammenhielt.<br />
Wir standen bereits in der Kälte als Oma uns noch nachrief: „Lass<br />
dich ja nicht erwischen!“<br />
Nun – bald lagen die letzten Häuser hinter uns. Meine Mutter<br />
holte mit langen Schritten aus und ich hatte rechte Mühe mitzuhalten.<br />
Eine geraume Weile wusste ich nicht, was das alles bedeuten<br />
sollte, bis ich den starren Gegenstand unter Mutters Arm feststellte.<br />
Er steckte in einem Sack und hatte die Form von Omas Axt.<br />
Da fing ich an zu begreifen.<br />
Plötzlich wusste ich, was meine Mutter vorhatte. Sie ging sich<br />
einen Baum leisten. Und ich ich durfte dabei sein. Ja – wir gingen<br />
uns einen Baum leisten. Leisten – leisten – leisten. Dieses Wort<br />
erschien mir immer verlockender und es machte mir auf einmal<br />
überhaupt nichts mehr aus, den Sturmschritt meiner Mutter zu<br />
verkraften.<br />
Ich blickte zum Himmel. Ungestüm jagende Wolken begannen, die<br />
Sterne zu verdecken. Der Wind zerrte stärker an den Kleidern und<br />
hinderte uns heftig, rascher voranzukommen. Doch die dunkle<br />
Wand des Waldes rückte unaufhaltsam näher und endlich führte<br />
uns ein schmaler Pfad in ihn hinein. In einer jungen Tannenschonung<br />
wurde ich regelrecht abgestellt. Mutter legte einen<br />
Finger auf die Lippen und flüsterte: „Hier bleibst du und rührst<br />
dich nicht vom Fleck. Ich bin bald wieder da“.<br />
Da stand ich nun, eingeklemmt zwischen zwei Tännchen die kaum<br />
größer waren als ich. Der Himmel hatte sich inzwischen vollständig<br />
zugezogen – kein einziger Stern leuchtete mehr. Der scharfe<br />
Wind ließ die Wipfel der Bäume rauschen, meine Fingerspitzen<br />
begannen vor Kälte zu bizzeln und die laufende Nase fror fest.<br />
Überall raschelte es. Mir fielen die Füchse und Marder ein, die im<br />
Wald wohnten und schon so oft die Hühnerställe im Dorf ausgeraubt<br />
hatten. Auch an Hexen dachte ich und deren Haustiere – die<br />
Nachteulen. Ich kannte den Satz meiner Großmutter, die ihn<br />
jedesmal anwendete, wenn ich mich weigerte, in das Bett zu<br />
gehen.<br />
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Er hieß: „Wenn kleine Mädchen nicht beizeiten schlafen gehen,<br />
holen sie die Nachteulen. Meine kindliche Fantasie hatte freien<br />
Lauf. Es war Angst, die in mir wuchs – außerdem fühlte ich mich<br />
sehr alleingelassen. Gerade – als ich mich an die Worte klammerte,<br />
dass nichts, aber auch gar nichts böses in einer heiligen<br />
Nacht passieren konnte, hörte ich Stimmen – Männerstimmen.<br />
Zwei Gestalten traten aus der Dunkelheit des Hochwaldes und<br />
blieben nicht weit entfernt von mir stehen. „So – das hätten<br />
wir wieder für dieses Jahr geschafft,“ hörte ich deutlich den einen<br />
sagen. Und der andere antwortete: „Ja, heuer war es sehr<br />
schlimm mit der Baumklauerei. Aber wer wird denn jetzt am heiligen<br />
Abend noch einen Baum stibitzen?“ „Ja“ meinte der andere „<br />
auch ich denke das. Aber die Armut ist gewachsen und viele können<br />
sich keinen Baum mehr leisten. Ich habe schon manchesmal<br />
ein Auge zugedrückt – aber nur ein Auge.“ Noch immer verharrten<br />
sie und mir war als blickten sie geradewegs in meine Ecke. Ich<br />
aber hörte es wieder – das Wort „leisten“. Plötzlich wusste ich es<br />
genauer unterzubringen. Leisten hing mit Geld zusammen. Hatte<br />
man Geld, konnte man sich etwas leisten. Hatte man kein Geld,<br />
konnte man sich nichts leisten. Und wir hatten kein Geld.<br />
Wir konnten uns nichts leisten. Aber meine Mutter leistete sich<br />
gerade in einem Waldwinkel einen Baum. Sie tat also etwas<br />
Unrechtes – etwas Verbotenes. Soweit kam meine kindliche<br />
Kombination und diese Erkenntnis brachte mich vollends durcheinander.<br />
Es war mir als drückte etwas meine Arme seitwärts in<br />
die Höhe, während die langen Fransen meiner Stola gleichmäßig<br />
nach unten fielen und feinen Nadelästen glichen. Ich kniff die<br />
Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander. Nichts<br />
sollte mich verraten können, nichts durfte leuchten oder glänzen.<br />
Ich wurde ganz starr, ich wurde ein Baum – ein Tannenbaum.<br />
„Diese Tännchen wirken manchmal wie kleine Kinder“, sagte da<br />
einer der Männer, „aber das ist nur, weil sie mir so an das Herz<br />
gewachsen sind“. Da drängte der andere: „Lass uns jetzt<br />
Feierabend machen, auch riecht es ziemlich nach Schnee.“ Und<br />
endlich, endlich entfernten sie sich.<br />
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