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Die Innenwirkung des Lichts - Anthroposophische Gesellschaft in ...

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a u s d e r a n t h r o p o s o p h i s c h e n A r b e i t i n D e u t s c h l a n d<br />

Ausgabe 10/2009 Dezember<br />

Was wird 2010<br />

(an) <strong>Die</strong> 100-Jahr Schwelle br<strong>in</strong>gt es mit sich,<br />

dass es anthroposophisch gesehen im nächsten<br />

Jahr e<strong>in</strong>iges zu er<strong>in</strong>nern, aber auch zu erneuern<br />

gilt. Das Jahr beg<strong>in</strong>nt am 12. Januar mit dem<br />

100-jährigen Jubiläum <strong>des</strong> ersten Vortrages,<br />

den Rudolf Ste<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Stockholm über das Wiederersche<strong>in</strong>en<br />

Christi im Ätherischen gehalten<br />

hat. Genauer betrachtet weist er aber <strong>in</strong> den<br />

dann schriftlich mitgeschriebenen Vorträgen<br />

(GA 118) eigentlich auf etwas anderes h<strong>in</strong>. Das<br />

Ersche<strong>in</strong>en Christi <strong>in</strong> der ätherischen Welt war<br />

nämlich unmittelbar nach dem Mysterium von<br />

Golgatha bereits dem späteren Apostel Paulus<br />

offenbar. Es war bereits damals als Realität<br />

wahrnehmbar.<br />

Das Ereignis, um das es Rudolf Ste<strong>in</strong>er eigentlich<br />

g<strong>in</strong>g, und das er für die 30er Jahre <strong>des</strong> 20.<br />

Jahrhunderts voraussagte, war das bei mehr<br />

und mehr Menschen immer häufigere Auftreten<br />

e<strong>in</strong>er neuen Fähigkeit: das Erlebnis<br />

<strong>des</strong> Paulus real nachvollziehen zu können.<br />

Entscheidend sei es, so Rudolf Ste<strong>in</strong>er damals,<br />

dass dieses immer häufiger auftretende neue<br />

ätherische Hellsehen <strong>in</strong> Zukunft richtig beurteilt<br />

und begleitet werde. <strong>Die</strong>se Aufgabe hatte<br />

Rudolf Ste<strong>in</strong>er vor 100 Jahren der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für das 20. Jahrhundert<br />

zugedacht. Wie sieht es mit der Erfüllung dieser<br />

Aufgabe nun von 2010 aus betrachtet aus<br />

E<strong>in</strong> neues Leitungsverständnis<br />

für die <strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> entwickelt<br />

Hartwig Schiller <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grundsatzbeitrag<br />

für das kommende Jahr auf den vier<br />

<strong>in</strong>nenliegenden Seiten<br />

Seite 15 bis 18<br />

Zukunft der Arbeit<br />

und das Karma <strong>des</strong> Berufes - so lautet die<br />

Fragestellung der kommenden Mitgliederversammlung<br />

und zugleich e<strong>in</strong>es Kongresses <strong>in</strong><br />

Bochum. <strong>Die</strong> Referentenliste und mehr zum<br />

Thema f<strong>in</strong>det sich auf der<br />

Seite 14<br />

<strong>Die</strong> Jugend tagt <strong>in</strong> Bochum<br />

und Benjam<strong>in</strong> Kolass macht nachdrücklich<br />

darauf aufmerksam, dass sie es gibt und das<br />

die <strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> hier e<strong>in</strong>e<br />

Aufgabe hat, mehr auf<br />

Seite 19<br />

<strong>Die</strong> <strong>Innenwirkung</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong><br />

Geist wird immer stärker mit e<strong>in</strong>em<br />

bestimmten wissenschaftlichen Denken identifiziert,<br />

das übertragbar und wiederholbar<br />

ist. Individuelles Denken gilt als subjektiv.<br />

<strong>Die</strong> Tendenz zur Objektivierung <strong>des</strong> Geistes<br />

versetzt geistige Individualität gern <strong>in</strong> die Ecke<br />

persönlicher Weltanschauung. Auch <strong>in</strong> Geisteswissenschaft<br />

und Spiritualität fällt es zurzeit<br />

nicht gerade leicht, «Wahrheit» nicht mit<br />

überkommenen <strong>in</strong>haltlichen «Objektivitäten»<br />

zu identifizieren. Demgegenüber gilt es zu<br />

bemerken, dass Erkenntnis und Wahrheit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em subjektiv-<strong>in</strong>dividuellen Erlebnisbereich<br />

anzusiedeln s<strong>in</strong>d, der objektiv werden kann<br />

– oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em objektiven Erkenntnis- bzw.<br />

Inspirationsgeschehen, das durch <strong>in</strong>dividuelles<br />

Erleben erst möglich wird bzw. sich dar<strong>in</strong><br />

«subjektiviert».<br />

<strong>Die</strong> Gefahr der Ent<strong>in</strong>dividualisierung <strong>des</strong><br />

Leibes kann man ambivalent betrachten.<br />

E<strong>in</strong>erseits wäre <strong>in</strong> Anknüpfung an Rudolf Ste<strong>in</strong>ers<br />

Heilpädagogischen Kurs die Frage zu<br />

stellen, <strong>in</strong>wiefern der Organismus noch die<br />

angemessene Entwicklungsgrundlage für das<br />

Ich bildet. Andererseits ergeben sich operative<br />

Möglichkeiten (bis h<strong>in</strong> zur Organtransplantation)<br />

bei Krankheiten und Unfällen, die früher<br />

den Tod sicher zur Folge gehabt hätten. Auch<br />

die Situation <strong>des</strong> Leibes sollte nicht generell<br />

positiv oder negativ bewertet werden; wichtig<br />

ist, neben den Chancen auch das Risiko zu<br />

sehen, dass der Organismus se<strong>in</strong>e eigentliche<br />

Aufgabe als Träger weiterer Schritte der Ich-<br />

Entwicklung immer weniger selbstverständlich<br />

leisten kann.<br />

E<strong>in</strong>e umfassend verstandene Anthroposophie<br />

kann verständlich machen, dass die Individualität<br />

von Seele, Geist und Leib sich aus<br />

«geistigem» Welt<strong>in</strong>teresse speisen kann. Wofür<br />

ich mich praktisch oder erkenntnisbezogen<br />

Wolf-Ulrich Klünker<br />

Das 20. und 21. Jahrhundert hat für die Seele e<strong>in</strong>e Gefahr hervorgebracht, die weitgehend<br />

unbemerkt blieb: die Gefahr der Ent<strong>in</strong>dividualisierung. Über diese Gefahr konnte und<br />

kann die Verstärkung der Erlebnis<strong>in</strong>tensitäten h<strong>in</strong>wegtäuschen – die Empf<strong>in</strong>dungen, die<br />

aus offenen Weltverhältnissen und elektronischen Medien hervorgehen, leben sich <strong>in</strong> mir<br />

zwar seelisch <strong>in</strong>tensiv aus. Aber was haben sie mit mir selbst zu tun - Wichtig ist, diese<br />

Gefahr nicht moralisch zu bewerten, sondern sie als Entwicklungsbed<strong>in</strong>gung der Seele zu<br />

bemerken.<br />

<strong>in</strong>teressiere, womit ich mich dadurch <strong>in</strong>nerlich<br />

verb<strong>in</strong>de, das wirkt auf mich zurück: seelisch,<br />

geistig und schließlich auch leiblich. Dabei<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>e Art Rückstrahlung<br />

aus der Welt, aus dem physischen und geistigen<br />

Kosmos <strong>in</strong> das Innere <strong>des</strong> Menschen.<br />

<strong>Die</strong>se Rückstrahlung kann im Anschluss an<br />

die Darstellung <strong>in</strong> der November-Ausgabe<br />

als e<strong>in</strong>e Lichtwirkung verstanden werden.<br />

Womit ich mich <strong>in</strong> nachhaltigem Interesse<br />

wirklich verb<strong>in</strong>de, das strahlt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er leiseglimmenden<br />

Lichtwirkung empf<strong>in</strong>dungsartig<br />

<strong>in</strong> die Seele zurück. <strong>Die</strong>se ruhige Empf<strong>in</strong>dung,<br />

dieses untergründige Gefühl ist geistfähig,<br />

und zwar auch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er geistigen Kraft,<br />

die bildend und gesundend auf den leiblichen<br />

Organismus wirken kann.<br />

Das Ich, das sich mit irdischen oder geistigen<br />

«Gegenständen» verb<strong>in</strong>det, spürt <strong>in</strong> diesem<br />

Prozess das <strong>in</strong> den «Gegenständen» e<strong>in</strong>gefangene<br />

Sonnenlicht. <strong>Die</strong> Wirkung der Sonne ist<br />

das <strong>in</strong>nere Pr<strong>in</strong>zip allen Se<strong>in</strong>s; dieses Licht wird<br />

<strong>in</strong> der angedeuteten Empf<strong>in</strong>dung zunächst<br />

seelisch spürbar. Das geme<strong>in</strong>te leise Gefühl<br />

kann schließlich auch zu e<strong>in</strong>em Bemerken von<br />

geistigem und <strong>in</strong> der s<strong>in</strong>nlichen Verfe<strong>in</strong>erung<br />

wahrnehmbarem Licht werden. <strong>Die</strong> Sonne<br />

bewirkt mit ihrem Licht die Entwicklung der<br />

irdischen und geistigen «Gegenstände». Aus<br />

den Gegenständen strahlt dieses Licht <strong>in</strong> den<br />

Menschen, wenn dieser e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle und<br />

wirkliche Verb<strong>in</strong>dung mit ihnen e<strong>in</strong>geht. Kann<br />

nun im Menschen auf diese Weise das ehemals<br />

kosmische Sonnenlicht empfunden werden,<br />

so strahlt es vom Menschen ausgehend <strong>in</strong> die<br />

Welt und <strong>in</strong> den Kosmos zurück.<br />

Damit ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualisierte Form der<br />

<strong>Innenwirkung</strong> <strong>des</strong> Lichtes angesprochen. Sie<br />

Fortsetzung Seite 14<br />

13


A n t h r o p o s o p h i s c h e B e w e g u n g<br />

<strong>Die</strong> <strong>Innenwirkung</strong> <strong>des</strong> Lichtes<br />

Fortsetzung von Seite 13<br />

ist heute möglich und macht so von e<strong>in</strong>em<br />

fortgeschrittenen Standpunkt aus verständlich,<br />

was <strong>in</strong> der platonischen Überlieferung geme<strong>in</strong>t<br />

war. Hier wurde die Wahrnehmung der Augen<br />

als e<strong>in</strong> Geschehen angesehen, <strong>in</strong> dem Strahlen<br />

von den Gegenständen auf das Auge treffen,<br />

aber auch Strahlen vom Auge <strong>in</strong> Richtung<br />

der Gegenstände ausgehen. Goethe hat dann<br />

formuliert: «Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft,<br />

die Sonne könnt‘ es nie erblicken. Läg nicht<br />

<strong>in</strong> uns <strong>des</strong> Gottes eigne Kraft, wie könnt‘ uns<br />

Göttliches entzücken»<br />

Für e<strong>in</strong>en neuen Begriff <strong>des</strong> Schulungswegs<br />

muss allerd<strong>in</strong>gs bemerkt werden, dass das<br />

seelische Erleben <strong>des</strong> «Lichtgefühls» geistige<br />

Voraussetzungen im Denken hat. Bevor das<br />

Selbstgefühl lichtfähig wird, hat das Ich durch<br />

Begriff und Denken e<strong>in</strong>e Art Sensorium für das<br />

Licht erworben, zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen<br />

Abstraktion durch das eigenständige Denken<br />

von Begriffszusammenhängen – nicht alle<strong>in</strong><br />

durch das Nachdenken von durch andere<br />

Vorgedachtem, selbst wenn dieses Vorgedachte<br />

hochspirituell wäre. Indem sich das Ich durch<br />

das eigenständige Denken von Begriffszusammenhängen<br />

allmählich lichtfähig macht,<br />

schließt es an die eigenen Denk-Lebens-<br />

Lichtkräfte wieder an, die se<strong>in</strong>e vorgeburtliche<br />

Existenz ausgemacht haben. Umgekehrt<br />

betrachtet s<strong>in</strong>d Denken und Begriff also heute<br />

im Ich lichtfähig, sodass sich im Licht Leben<br />

und Bewusstse<strong>in</strong>, Inhalt und Kraft wieder verb<strong>in</strong>den<br />

können.<br />

In dem neuen Lichtgeschehen verb<strong>in</strong>den sich<br />

Begriff und Leben <strong>in</strong> neuer Weise. Das Interesse<br />

an e<strong>in</strong>em Gegenstand ist auch dort, wo es<br />

praktisch ausgerichtet ist, letztlich e<strong>in</strong> Erkenntnis<strong>in</strong>teresse,<br />

auf Wahrheit h<strong>in</strong> orientiert. Dazu<br />

bedient sich dieses Interesse notwendigerweise<br />

der Begriffe. Wenn aber der Umgang mit<br />

Begriffen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Folgewirkung dazu führt,<br />

dass <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung mit dem Gegenstand<br />

die geschilderte Rückstrahlung <strong>des</strong> Lichtes<br />

zustande kommt, dann tritt der Begriff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Erlebens- und Lebenssphäre e<strong>in</strong>. Denn das<br />

Licht gehört dem Erkenntnisbereich ebenso<br />

wie dem Lebensbereich an. Der Begriff wird<br />

im Licht lebensfähig und das Leben wird <strong>in</strong><br />

diesem Licht begriffsfähig. Damit wird <strong>in</strong> dem<br />

Lichterleben die Inhaltsseite <strong>des</strong> Begriffs, die<br />

mit dem Begriff verbundene «Lehre», überwunden.<br />

Von der anderen Seite her betrachtet<br />

emanzipiert sich der Begriff im menschlichen<br />

Lichterleben von se<strong>in</strong>em Inhalt, und er kann<br />

sich wieder mit se<strong>in</strong>er lebendigen Kraft verb<strong>in</strong>den.<br />

Zugleich geht mit dem Lichterleben e<strong>in</strong> echtes<br />

Lebenselement <strong>in</strong> das Bewusstse<strong>in</strong> über –<br />

und zwar nicht nur als Begriff, Deutung oder<br />

Abstraktion, sondern als wirkliches Lebens-<br />

Licht-Erleben. Der gesamte Vorgang führt <strong>in</strong><br />

der Lichtempf<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> Menschen Welt und<br />

geistige Wirklichkeit, Sache und Begriff zusammen.<br />

Inhaltliche Abstraktionen <strong>des</strong> Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

werden überwunden, die Bewusstse<strong>in</strong>sferne<br />

von Leben und Wirklichkeit aufgehoben.<br />

Interessant ist dabei, dass die Lichtwirkung<br />

zunächst seelisch gefühlt wird und erst von<br />

dort aus geistige und leibliche Wirkungen entfalten<br />

kann. Es handelt sich also um e<strong>in</strong> Gefühl,<br />

das <strong>in</strong>dividuell-subjektiv empfunden wird, das<br />

aber zugleich auch objektiv wahrheits- und<br />

erkenntnisfähig ist. Das seelische Gefühl wird<br />

damit zu e<strong>in</strong>er Art Wahrnehmungsorgan für<br />

das Licht, das der Ausbildung von geistigen<br />

Organen und der weiteren Individualisierung<br />

s<strong>in</strong>nlicher Organe vorangeht.<br />

Das seelische Gefühl, das das Licht empf<strong>in</strong>det,<br />

kann nicht h<strong>in</strong>sichtlich <strong>des</strong> Ich oder <strong>des</strong><br />

Objektes differenziert werden. Es ist Gefühl<br />

<strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> und Selbstgefühl zugleich.<br />

Es ist Selbstgefühl <strong>des</strong> Ich, obwohl es erkenntnisfähig<br />

ist, und es ist wahrheitsfähig im H<strong>in</strong>blick<br />

auf das Objekt, obwohl es das Selbsterleben<br />

<strong>des</strong> Ich <strong>in</strong> der Seele verändert. Weil im<br />

Selbstgefühl Subjekt und Objekt, Erkenntnis<br />

und Se<strong>in</strong> nicht zu trennen s<strong>in</strong>d, kann das<br />

Licht als Instrument und Inhalt der Erkenntnis<br />

bezeichnet werden.<br />

Das Lichtpr<strong>in</strong>zip geht auf diese Weise immer<br />

mehr vom Se<strong>in</strong> und von der Wahrnehmung<br />

<strong>in</strong>s Ich und <strong>in</strong>s Denken über, sofern das Ich<br />

das Denken zu dem angedeuteten seelischen<br />

Selbstgefühl h<strong>in</strong> vertieft. In demselben Vorgang<br />

wird das Se<strong>in</strong>, die Wahrnehmung, wird auch<br />

der Kosmos <strong>in</strong>sofern lebensleer, als sie die<br />

Lebensseite <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> bereits teilweise verlassen<br />

hat und weiter verlässt. Nur aus dieser<br />

Wirklichkeitssituation heraus ist letztlich die<br />

Entstehung, Entwicklung und Wirkung der<br />

elektronischen Medien zu verstehen: Lichtwirkungen<br />

ohne Leben <strong>in</strong> Wahrnehmung und<br />

Se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong> Bild der Wirklichkeit, wie<br />

diese aussehen wird, wenn das Ich das lebendige<br />

Licht nicht aus se<strong>in</strong>er Empf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die<br />

D<strong>in</strong>ge zurückstrahlt.<br />

«Zukunft der Arbeit» –<br />

Kongress 2010 und<br />

Mitgliederversammlung<br />

Vom 24. bis 27. Juni 2010 veranstaltet die<br />

Deutsche Lan<strong>des</strong>gesellschaft <strong>in</strong> der Rudolf-<br />

Ste<strong>in</strong>er-Schule <strong>in</strong> Bochum-Langendreer den<br />

öffentlichen Kongress «Zukunft der Arbeit –<br />

Karma <strong>des</strong> Berufs», <strong>in</strong> den auch die jährliche<br />

Mitgliederversammlung <strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong> wird.<br />

Das Kongressmotto möchte Fragestellungen<br />

zu e<strong>in</strong>em neuen Verständnis von Arbeit und<br />

E<strong>in</strong>kommen, von Beruf und Berufung anregen:<br />

wie entsteht e<strong>in</strong>e Wirtschafts- und Sozialethik,<br />

durch die der Mensch die Erde, auch<br />

für zukünftige Generationen, lebenswerter<br />

macht Was haben e<strong>in</strong>zelne Menschen auf<br />

diesen Gebieten bereits geleistet und wie können<br />

wir uns gegenseitig ermutigen, das zu tun,<br />

was auch wirklich zu tun ist<br />

Wir erleben heute die Konsequenzen und<br />

Folgen unserer vergangenen Taten. Ob es um<br />

Ökologie, Wirtschaft oder <strong>Gesellschaft</strong> geht –<br />

die Menschheit ist an e<strong>in</strong>e Grenze gekommen,<br />

an der sie sich die Frage stellen muss, wie viel<br />

Zukunft ihr noch bleibt und welchen E<strong>in</strong>fluss<br />

sie im Hier und Jetzt auf kommende Entwicklung<br />

nehmen kann.<br />

Karma bedeutet, die Folgen se<strong>in</strong>er Handlungen<br />

auf sich zu nehmen und sich e<strong>in</strong>er<br />

nachhaltigen Verantwortung zu stellen. Ohne<br />

e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>ngebende, ethisch und moralisch<br />

vertretbare Neuorientierung s<strong>in</strong>d die Gegenwartskrisen<br />

nicht zu meistern. Was könnten<br />

neue Perspektiven für e<strong>in</strong>e zukunftsorientierte<br />

Berufs- und Arbeitswelt se<strong>in</strong> Welche Ansätze<br />

dazu s<strong>in</strong>d schon vorhanden Was macht letztlich<br />

das soziale Leben gesund<br />

Der Kongress «Zukunft der Arbeit – Karma<br />

<strong>des</strong> Berufs» will Arbeitsrichtungen und Praxisfelder<br />

aufzeigen, diskutieren und Mut machen,<br />

auch neue und unkonventionelle Wege e<strong>in</strong>zuschlagen.<br />

Dabei geht es sowohl um spirituelle<br />

Grundlagen, als auch um deren praktische und<br />

gesellschaftlich relevante Verwirklichung.<br />

Für Vorträge, Foren, Podiumsgespräche und<br />

Arbeitsgruppen, die den Teilnehmern <strong>in</strong> der<br />

Programmgestaltung <strong>in</strong>dividuellen Spielraum<br />

bieten, haben bislang folgende Referenten<br />

zugesagt:<br />

Frithjof Bergmann, Herta Däubler-Gmel<strong>in</strong>, Friedrich<br />

Glasl, Wolfgang Gutberlet, Gerald Häfner, Udo<br />

Herrmannstorfer, Wolf-Ulrich Klünker, Joachim von<br />

Königslöw, Dirk Kruse, Enno Schmidt, Peter Selg,<br />

L<strong>in</strong>da Thomas, Götz Werner.<br />

Sogenannte «dezentrale Foren» erweitern<br />

das Programm auch räumlich und führen die<br />

Kongressbesucher an verschiedene E<strong>in</strong>richtungen<br />

und Orte der Ruhrmetropole, die 2010<br />

zum ersten Mal den Titel «Kulturhauptstadt<br />

Europas» tragen wird. Hier s<strong>in</strong>d es die GLS-<br />

Bank, die Demeter-Höfe im W<strong>in</strong>drather Tal,<br />

das Geme<strong>in</strong>schaftskrankenhaus Herdecke, das<br />

Kulturhaus «Oskar», die Universität Witten-<br />

Herdecke, die Dortmunder Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

der Waldorfschulen sowie Exkursionen<br />

zur Äthergeographie <strong>des</strong> Ruhrgebiets, die den<br />

Teilnehmern e<strong>in</strong>e vielschichtige Arbeits- und<br />

Kulturlandschaft <strong>in</strong> der konkreten Begegnung<br />

vor Ort erschließen werden.<br />

Details zur Anmeldung werden rechtzeitig<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der nächsten Ausgaben Anfang 2010<br />

mitgeteilt. Aktuelle Informationen zum Kongress<br />

und der Mitgliederversammlung bietet<br />

die Internetseite der Deutschen Lan<strong>des</strong>gesellschaft:<br />

www.anthroposophische-gesellschaft.org.<br />

Florian Stegmaier, Stuttgart<br />

14<br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009


A n t h r o p o s o p h i s c h e B e w e g u n g<br />

Wie muss sich die <strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> im<br />

21. Jahrhundert verändern<br />

Ziele, Mittel und Wege für e<strong>in</strong> neues Leitungsverständnis<br />

Von Hartwig Schiller<br />

Zum Jahreswechsel 2009/2010 wird den<br />

«Mitteilungen aus der anthropsophischen<br />

Arbeit <strong>in</strong> Deutschland» dieser Grundsatzbeitrag<br />

<strong>des</strong> Generalsekretärs der Lan<strong>des</strong>gesellschaft<br />

beigefügt. Hartwig Schiller wurde<br />

durch die Zusammenkunft der Generalsekretäre<br />

im November 2009 <strong>in</strong> Dornach dazu<br />

angeregt und hat dort ähnliche Gedanken <strong>in</strong><br />

die Beratungen e<strong>in</strong>gebracht.<br />

Menschen mit Leitungsfunktionen oder Mitglieder,<br />

welche die Entwicklung der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> mit anteilnehmendem<br />

Bewusstse<strong>in</strong> verfolgen, haben gegenwärtig vor<br />

allem wohl e<strong>in</strong>e Frage: Wie geht diese <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>in</strong> ihr zweites Jahrhundert, und welche<br />

Veränderungen werden von dieser <strong>Gesellschaft</strong><br />

auf dem Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fruchtbare Zukunft<br />

verlangt<br />

Solche Veränderungen müssen ke<strong>in</strong>eswegs<br />

e<strong>in</strong>em diffusen Wunsch nach e<strong>in</strong>em unbegründeten<br />

«Neuen», «Anderen» oder «Moderneren»<br />

entstammen. Sie können sich bescheiden,<br />

nüchtern und zuversichtlich zugleich an<br />

dem Notwendigen, dem, was an der Zeit ist,<br />

orientieren. Zuweilen entpuppen sie sich dann<br />

bei näherer Betrachtung als e<strong>in</strong>e Bes<strong>in</strong>nung<br />

auf die geistigen Grundlagen, den eigentlichen<br />

Kern dieser <strong>Gesellschaft</strong>. Sie stellen sich<br />

dann als e<strong>in</strong>e Renaissance <strong>des</strong> ursprünglich<br />

Geme<strong>in</strong>ten, als Pflege an den Wurzeln anthroposophischer<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsbildung dar. E<strong>in</strong><br />

solcher Gedanke liegt den folgenden Überlegungen<br />

zu Leitungsfragen <strong>in</strong> der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> zugrunde.<br />

Kürzlich stellte Paul Mackay fünf Qualitäten vor,<br />

welche das Leben <strong>in</strong> der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> zu entwickeln, zu pflegen und<br />

zu steigern <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d. Er regte dazu<br />

an, neben der unmittelbaren Identifikation<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Begriffe zugleich auch über mit<br />

ihnen zusammenhängende Ergänzungsbegriffe<br />

nachzudenken, wodurch das Geme<strong>in</strong>te<br />

weitere Kontur und Leben gew<strong>in</strong>nen könne.<br />

<strong>Die</strong> von ihm <strong>in</strong>s Gespräch gebrachten Qualitäten<br />

lauteten:<br />

- Kultur der Freiheit<br />

- Vertrauen <strong>in</strong> die Verwaltung<br />

- Freude an der Begegnung<br />

- Ges<strong>in</strong>nung <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nens<br />

- Friedenswille.<br />

Er bezeichnete diese Eigenschaften nicht als<br />

an andere zu stellende Forderungen, sondern<br />

jeweils vom und aus dem Ich <strong>des</strong> E<strong>in</strong>zelnen zu<br />

erbr<strong>in</strong>gende Leistungen.<br />

Denkt man über diese Qualitäten im Zusammenhang<br />

mit dem Leitungsverständnis der<br />

<strong>Anthroposophische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> nach,<br />

bedeutet e<strong>in</strong>e Kultur der Freiheit dabei den<br />

Aufruf zu e<strong>in</strong>em schöpferische Umgang mit<br />

realer Geisteswissenschaft, die ohne verfestigte<br />

Dogmatik, Zitatenkarussell und Bedeutungsgehabe<br />

aus der Welt <strong>des</strong> Angeblichen zurecht<br />

kommt. Es ist klar, dass derjenige, der sich auf<br />

e<strong>in</strong>e solche Geisteswissenschaft e<strong>in</strong>lässt, dabei<br />

an die permanenten Grenzen se<strong>in</strong>es Selbstes<br />

stößt. Insofern erfordert die Entwicklung e<strong>in</strong>er<br />

Kultur der Freiheit die komplementäre Qualität<br />

e<strong>in</strong>es Schwellenbewusstse<strong>in</strong>s.<br />

Fehlen<strong>des</strong> Vertrauen <strong>in</strong> die Verwaltung ist im<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsleben e<strong>in</strong>e schleichende Krankheit.<br />

Vertrauen trägt, stärkt und hilft denjenigen,<br />

denen es entgegengebracht wird. Es<br />

begabt ihre Arbeit mit Auftriebskräften. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

kann man Vertrauen nicht e<strong>in</strong>fordern. Es<br />

muss geschenkt oder besser gesagt: gewährt<br />

werden. Im Leben wird meistens zunächst Vertrauen<br />

geschenkt. Aber dann muss es bestätigt<br />

werden, sonst geht es verloren.<br />

Dabei geht es für den äußeren Blick ke<strong>in</strong>eswegs<br />

gerecht zu. Dem e<strong>in</strong>en Menschen wird<br />

ohne Vorleistung viel Vertrauen geschenkt,<br />

dem anderen wird es vorenthalten obwohl er<br />

bereits etwas Gediegenes geleistet hat. Darüber<br />

entscheidet e<strong>in</strong> sensibler Blick <strong>des</strong> sozialen<br />

Umfel<strong>des</strong>, der sich entweder auf e<strong>in</strong>e besondere<br />

Menschenkenntnis, auf Vorurteile oder<br />

den karmischen H<strong>in</strong>tergrund der Beteiligten<br />

stützt. Als Tragfähiges ist erworbenes Vertrauen<br />

<strong>in</strong> der Beziehung von Menschen außerordentlich<br />

wirksam. Se<strong>in</strong> Erwerb kann karmische<br />

Dispositionen verändern und Vorurteile auflösen.<br />

Das weist auf den ergänzenden Begriff<br />

zum Vertrauen h<strong>in</strong>: Entwicklung. Vertrauen ist<br />

niemals statisch und kann sich im Leben nur<br />

erhalten durch Veränderung, Bestätigung und<br />

Wachstum. Tragfähige Grundlagen f<strong>in</strong>det Vertrauen<br />

auch nicht unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> permanenten<br />

Erfolgsstorys. Im Gegenteil wird der ehrliche<br />

Umgang mit Schwächen und Fehlern, der<br />

Verzicht auf Beschönigungen und Verheimlichungen<br />

zuweilen mit gestiegenem Vertrauen<br />

honoriert.<br />

<strong>Die</strong> Begegnungskultur wird <strong>in</strong> der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> zumeist <strong>in</strong> ihrer<br />

höchsten Ausgestaltung thematisiert: dem<br />

Erwachen am Seelisch-Geistigen <strong>des</strong> anderen<br />

Menschen. Ohne Zweifel ist dies die höchste<br />

Zielvorstellung, nach der das Zusammenkommen<br />

<strong>in</strong> den verschiedenen Arbeitszusammenhängen<br />

strebt. Auch bildet sie die Vorstufe zu<br />

jener im Geme<strong>in</strong>schaftsleben zu erfahrenden<br />

Geistverb<strong>in</strong>dung, die Rudolf Ste<strong>in</strong>er den<br />

umgekehrten Kultus nennt.<br />

Es gibt jedoch e<strong>in</strong>e Reihe von Vorstufen zu<br />

diesem höchsten Ziel, über die nicht ger<strong>in</strong>g<br />

gedacht werden muss, auch wenn sie sich <strong>in</strong><br />

ger<strong>in</strong>gen Zeichen und Situationen realisieren.<br />

Das kann zum Beispiel die Art e<strong>in</strong>er Begrüßung<br />

se<strong>in</strong>. Über den E<strong>in</strong>druck konventioneller<br />

oder rout<strong>in</strong>iert gleichgültiger Freundlichkeit<br />

hilft u. U. schon jene zusätzliche Sekunde h<strong>in</strong>weg,<br />

die bei e<strong>in</strong>er Begegnung die Aufnahme<br />

<strong>des</strong> augenblicklichen seelischen Ausdrucks <strong>des</strong><br />

Gegenüber bewusst wahrnimmt. E<strong>in</strong> freundlicher<br />

Gesichtsausdruck muss dann nicht mehr<br />

auf das Konto <strong>des</strong> Sich-so-Gehörens oder<br />

Maskenhaften gebucht werden. Es ist e<strong>in</strong>e<br />

geeignete Vorstufe zum Herzen <strong>des</strong> anderen<br />

Menschen und e<strong>in</strong> weites Feld unspektakulärer<br />

kle<strong>in</strong>er Schritte. <strong>Die</strong> komplementäre<br />

Eigenschaft dieser Geme<strong>in</strong>schaftskultur ist das<br />

Interesse, das man für den anderen Menschen<br />

aufbr<strong>in</strong>gt.<br />

Unpopulär und vorgestrig wirkt auf viele Zeitgenossen<br />

die Qualität <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nens. <strong>Die</strong> sche<strong>in</strong>t<br />

Manchem mit Unterwürfigkeit oder e<strong>in</strong>er<br />

fatalen Neigung zum sich Ausnutzen-Lassen<br />

zusammenzuhängen, kurz: e<strong>in</strong>e unakzeptable<br />

Vorstufe der Sklaverei zu se<strong>in</strong>. Tatsächlich aber<br />

fehlt ohne die Bereitschaft ihrer Mitglieder zu<br />

<strong>Die</strong>nen e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft die basale Substanz<br />

für Geme<strong>in</strong>samkeit und Geme<strong>in</strong>schaftsbildung.<br />

Ohne die Bereitschaft zu <strong>Die</strong>nen hätte<br />

sich die <strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> niemals<br />

zu dem entwickeln können, was sie trotz<br />

aller Schwächen immerh<strong>in</strong> geworden ist. Der<br />

erste Mitarbeiterkreis um Rudolf Ste<strong>in</strong>er besaß<br />

die Fähigkeit <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nens <strong>in</strong> hohem Maße.<br />

Herbert Wehner, e<strong>in</strong> <strong>Die</strong>nender<br />

In der jüngeren Geschichte f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

der Persönlichkeit Herbert Wehners e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvolles<br />

Beispiel von <strong>Die</strong>nstbereitschaft.<br />

In die Wiege gelegt war ihm das nicht. 1906<br />

<strong>in</strong> Dresden als Sohn e<strong>in</strong>es Schuhmachers und<br />

e<strong>in</strong>er Schneider<strong>in</strong> geboren, zeigte er früh e<strong>in</strong>e<br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009 15


<strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> im 21. Jahrhundert<br />

A n t h r o p o s o p h i s c h e B e w e g u n g<br />

Fortsetzung von Seite 15<br />

Vielzahl anspruchsvoller Begabungen und entfaltete<br />

e<strong>in</strong>e idealistische Haltung <strong>in</strong> sozialen<br />

Fragen. Das führte ihn zunächst zur Sozialistischen<br />

Arbeiterjugend, später zum Kreis um<br />

Erich Mühsam. Das Aufkommen der völkischen<br />

Verblendung und die Zuspitzung der politischen<br />

Lage führte ihn schließlich zur Kommunistischen<br />

Partei. Durch unbändigen Fleiß<br />

und e<strong>in</strong>e scharfe rhetorische Begabung folgte<br />

e<strong>in</strong> schneller Aufstieg <strong>in</strong>nerhalb der Parteiorganisation<br />

bis zu e<strong>in</strong>er Stelle als Technischer<br />

Sekretär <strong>des</strong> Politbüros.<br />

Ab 1933 setzte er se<strong>in</strong>e politische Arbeit aus<br />

dem Untergrund fort, vor allem im Saargebiet.<br />

Mit knapper Not entg<strong>in</strong>g er allen Verhaftungsversuchen<br />

und floh schließlich 1935<br />

nach Moskau, wo er geme<strong>in</strong>sam mit zahlreichen<br />

KP-Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> dem gefürchteten<br />

Hotel Lux untergebracht war. <strong>Die</strong> Bewohner<br />

dieser Unterkunft wurden permanenten Verhören<br />

unterzogen, <strong>in</strong> denen als Bestandteil<br />

der berüchtigten stal<strong>in</strong>istischen Säuberungen<br />

unaufhörlich nach Abweichlern, Verrätern und<br />

geheimen Seilschaften gefahndet wurde.<br />

Den harten Verhörmethoden konnte sich<br />

kaum e<strong>in</strong>er der Exilanten ohne willfährige<br />

«Geständnisse» entziehen, die unweigerlich<br />

zur Vernichtung von verratenen Kameraden<br />

führten. Auch Wehner erlag dieser Versuchung,<br />

die eigene Haut zu retten und überlebte.<br />

1941 wurde er <strong>in</strong>s damals neutrale Schweden<br />

geschickt, um sich von dort aus nach<br />

Deutschland schleusen zu lassen und den<br />

kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus<br />

zu organisieren. In Stockholm<br />

ließ er sich, der sich dem Zugriff der Gestapo<br />

so umsichtig entzogen hatte, rätselhafterweise<br />

jedoch ergreifen. Er wurde zu Gefängnis und<br />

Zuchthaus verurteilt. In dieser Phase vollzieht<br />

sich die entscheidende Wende se<strong>in</strong>es Lebens.<br />

Er blickt <strong>in</strong> den Abgrund se<strong>in</strong>er Biographie.<br />

<strong>Die</strong> erlittenen Erlebnisse führen zum Bruch mit<br />

dem Kommunismus.<br />

1946 kehrt er nach Deutschland zurück, schließt<br />

sich der Sozialdemokratie an und steigt rasch<br />

<strong>in</strong> ihren Führungszirkel auf. Se<strong>in</strong>e Lebensgeschichte,<br />

die geheim gehaltenen Abgründe <strong>des</strong><br />

Moskauer Exils und se<strong>in</strong> ungestümes Temperament<br />

machen ihn zur willfährigen Zielscheibe<br />

politischer Gegner. Trotz se<strong>in</strong>er überragenden<br />

Fähigkeiten ist er verurteilt, e<strong>in</strong> Mann der<br />

«zweiten Reihe» zu se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Arroganz der Herrschenden, Hartherzigkeit,<br />

Angriffe auf die «kle<strong>in</strong>en Leute» können<br />

ihn auch nach jahrzehntelanger politischer<br />

Erfahrung zur Raserei treiben. Se<strong>in</strong> Wortwitz<br />

ist gefürchtet, se<strong>in</strong> taktisches Geschick, se<strong>in</strong>e<br />

Bed<strong>in</strong>gungslosigkeit und se<strong>in</strong>e Rückhaltlosigkeit.<br />

Er ist e<strong>in</strong> Mann <strong>des</strong> ganzen E<strong>in</strong>satzes.<br />

Se<strong>in</strong> Engagement für die sozial schlechter<br />

Gestellten ist grenzenlos. Er reformiert se<strong>in</strong>e<br />

Partei, die Sozialdemokratie, entfernt die sozialistischen<br />

Elemente ihres Programms und<br />

macht sie so gesellschaftsfähig.<br />

Loyal unterstützt er dabei alle jene Parteimitglieder,<br />

die ihn an Ämtern und Ehren überholen.<br />

Kritik und Angriffe <strong>des</strong> gegnerischen<br />

Lagers zieht er auf sich, se<strong>in</strong>e durch ihn selbst<br />

erst gemachten Vorgesetzten lässt er glänzen.<br />

Bei allem s<strong>in</strong>d die Wunden zu spüren, die<br />

e<strong>in</strong> Leben von Kämpfen und Schuld geschlagen<br />

haben. Aufgeben tut er jedoch nie. Der<br />

hässliche, schroffe, häufig launisch wirkende<br />

Mann wird als erstes von se<strong>in</strong>en Parteimitgliedern<br />

geliebt. Zärtlich ironisch nennen sie ihn<br />

«Onkel Herbert». Denn Herbert Wehner ist<br />

sich für ke<strong>in</strong>e Zusammenkunft zu schade. Bis<br />

<strong>in</strong> die letzten Bezirksversammlungen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>teressiert er sich für die Vorgänge <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Partei, hört sich die Sorgen der kle<strong>in</strong>en Funktionäre<br />

an und berät sie <strong>in</strong> ihrer täglichen Arbeit.<br />

In e<strong>in</strong>em geheimen Briefwechsel bereitet er die<br />

deutsch-deutsche Annäherung der sechziger<br />

Jahre vor. Se<strong>in</strong> klares und auch kühl kalkulieren<strong>des</strong><br />

Bewusstse<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det Niederschlag <strong>in</strong> den<br />

Szenarien, die er für den ersten Besuch e<strong>in</strong>es<br />

Kanzlers der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland mit<br />

se<strong>in</strong>em Gegenüber auf Seiten der DDR-Führung<br />

f<strong>in</strong>det.<br />

Auf dem Schreibtisch hat dieser Mann, Herbert<br />

Wehner, e<strong>in</strong> Schild stehen. Es ist se<strong>in</strong><br />

Wahlspruch, von äußerster Kürze, e<strong>in</strong> zweisilbiges<br />

Wort: «Servo!»<br />

«Ich diene!», ist zum Lebensmotto e<strong>in</strong>es<br />

Menschen geworden, der mit se<strong>in</strong>er Existenz<br />

zurückgibt, was er als Schuld auf sich geladen<br />

und als Gnade empfangen hat. E<strong>in</strong> Motto<br />

ohne Rhetorik und ohne Erklärung. E<strong>in</strong> selbst<br />

gewähltes Beispiel von <strong>Die</strong>nstbarkeit. <strong>Die</strong>nen<br />

als <strong>Die</strong>nst, Buße und Vervollkommnung <strong>des</strong><br />

geschenkten Lebens.<br />

Auch das <strong>Die</strong>nen erhält se<strong>in</strong>en ganzen Wert<br />

erst durch e<strong>in</strong> Komplementär. Es ist <strong>in</strong> diesem<br />

Fall die Initiative. Wer glaubt, durch pure<br />

Pflichterfüllung, durch Absitzen und <strong>Die</strong>nst<br />

nach Vorschrift die geme<strong>in</strong>te Tugend <strong>des</strong> <strong>Die</strong>nens<br />

zu erfüllen, irrt. Fruchtbares <strong>Die</strong>nen<br />

im sozialen Leben entsteht durch Richtung-<br />

Geben, durch Anregung und aktive Unterstützung.<br />

<strong>Die</strong> fünfte Qualität der Anregung für das<br />

Leben der <strong>Anthroposophische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

beschreibt Paul Mackay als Frieden. Dass es<br />

Anthroposophen nicht von vornhere<strong>in</strong> leicht<br />

fällt, Frieden zu halten, beweist die ereignisreiche<br />

Geschichte ihrer <strong>Gesellschaft</strong>. Es<br />

liegt aber auch <strong>in</strong> der Natur e<strong>in</strong>er Wahrheitssuche,<br />

die nicht von bequemen Mehrheitsentscheidungen<br />

lebt und bis <strong>in</strong> das Innerste<br />

<strong>des</strong> menschlichen Seelenlebens forscht.<br />

Michaelische Geisteshaltung wirkt zunächst<br />

kriegerisch, jedenfalls, solange der Gegner<br />

nicht im eigenen Seelenleben identifiziert und<br />

die Methoden fruchtbarer Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

nicht ausgemacht s<strong>in</strong>d.<br />

Frieden zu schaffen, verlangt e<strong>in</strong> gesteigertes<br />

Maß an Konfliktfähigkeit, das mit «Streitkultur»<br />

höchst unzureichend beschrieben ist.<br />

Den Drachen <strong>in</strong> der Menschennatur kann<br />

man nicht erschlagen, - jedenfalls nicht ohne<br />

Schaden an der eigenen Seele zu nehmen. Er<br />

muss gezähmt, befriedet, umgewandelt werden.<br />

Erkenntnis, Friede und Sieg gehen dabei<br />

e<strong>in</strong>e sowohl notwendige wie befreiende Verb<strong>in</strong>dung<br />

e<strong>in</strong>. Das könnte man als Merkmale<br />

e<strong>in</strong>er zeitgemäßen und realistischen Konfliktfähigkeit<br />

bezeichnen. Sie beschreibt eigentlich<br />

e<strong>in</strong>e Kompetenz der Menschwerdung, der das<br />

anthroposophische Streben als Ganzes gewidmet<br />

ist.<br />

Mittel von«Leitung»<br />

Wodurch oder mit was kann man eigentlich<br />

leiten Auf e<strong>in</strong>em Elternabend der Waldorfschule<br />

<strong>in</strong> Stuttgart äußerte Rudolf Ste<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>mal:<br />

«Es gibt drei wirksame Mittel der Erziehung:<br />

Ehrgeiz, Angst und Liebe. Wir verzichten<br />

auf die beiden ersten.» (Zitiert nach Johannes<br />

Tautz, Lehrerbewusstse<strong>in</strong> im 20. Jahrhundert,<br />

Dornach 1995)<br />

Ohne Zweifel gibt die Erziehung vielerlei H<strong>in</strong>weise<br />

auf Mittel von «Leitung». So ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

gewissen Alter das Beispiel e<strong>in</strong> höchst wirksames<br />

Leitungs<strong>in</strong>strument. Der Erzieher oder<br />

die Erzieher<strong>in</strong> müssen sich e<strong>in</strong>fach zu e<strong>in</strong>em<br />

geeigneten menschlichen Beispiel machen und<br />

dürfen damit sicher se<strong>in</strong>, die wirksamsten<br />

Grundlagen für e<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende Erziehung<br />

gelegt zu haben.<br />

E<strong>in</strong>fach ist das allerd<strong>in</strong>gs nicht, weil es e<strong>in</strong>en<br />

Zustand von Vollkommenheit voraussetzt.<br />

Schließlich muss es auf Diskussionen, Erklärungen<br />

oder korrigierende Versuche verzichten.<br />

Jemand ist e<strong>in</strong> brauchbares Beispiel, – oder<br />

eben nicht. Durch Debatten kann der tatsächliche<br />

Zustand nicht verändert werden.<br />

Etwas beweglicher ist e<strong>in</strong> zweites, sich <strong>in</strong> der<br />

Erziehung als probates Leitungsmittel bewähren<strong>des</strong><br />

Instrument: das Vorbild. Auch e<strong>in</strong> Vorbild<br />

kann man se<strong>in</strong> oder nicht se<strong>in</strong>. Es kommt<br />

aber doch etwas h<strong>in</strong>zu. Denn <strong>in</strong> der Regel<br />

bildet man sich zum Vorbild oder dient man als<br />

solches, d. h. man gestaltet das Bild e<strong>in</strong>es anregenden<br />

Menschen für e<strong>in</strong>en anderen Menschen<br />

oder e<strong>in</strong>e Menschengruppe. Es spielt<br />

sich also e<strong>in</strong> lebendiger gestalteter Prozess<br />

zwischen und für die beteiligten Menschen ab.<br />

Das Vorbild ergibt sich aus dem Verhältnis der<br />

Menschen zue<strong>in</strong>ander mit dem Ziel der Entwicklung.<br />

Beispiel und Vorbild s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem<br />

Fall wirksame Mittel von Leitung nicht alle<strong>in</strong><br />

im K<strong>in</strong><strong>des</strong>alter. Sie wirken gewissermaßen im<br />

Stillen, im Verborgenen. Sie haben etwas vom<br />

Mysterium e<strong>in</strong>es offenbaren Geheimnisses an<br />

sich.<br />

Anders stellt sich das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dritten Bereich<br />

wirksamer Leitungs<strong>in</strong>strumente dar. Dabei<br />

geht es um e<strong>in</strong>e Leitungsfunktion, welche<br />

durch Interesse entfaltet wird. Das gilt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em passiven wie aktiven S<strong>in</strong>n gleichermaßen.<br />

Indem e<strong>in</strong>e Gruppe von Menschen<br />

ihr Interesse e<strong>in</strong>er bestimmten Sache oder<br />

Person zuwendet, orientiert und formiert sich<br />

16<br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009


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<strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> im 21. Jahrhundert<br />

die Gruppe eben durch dieses Interesse. Das<br />

aktive Interesse leitet sie.<br />

Umgekehrt verändert sich aber auch das Verhalten<br />

e<strong>in</strong>es Menschen, für den andere sich<br />

<strong>in</strong>teressieren. Im Normalfall öffnet er sich,<br />

erschließt sich, wird ansprechbar und zeigt<br />

Bereitschaft, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kommunikation e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Interesse verändert das Verhältnis von<br />

Menschen zue<strong>in</strong>ander sowohl durch das Aufbr<strong>in</strong>gen<br />

als auch durch das Erfahren von Interesse.<br />

Vom Interesse geht e<strong>in</strong>e erweckende Wirkung<br />

aus. Erweckung als Bewusstse<strong>in</strong>sbildung<br />

kann e<strong>in</strong> geeignetes Leitungsmittel im sozialen<br />

Zusammenhang se<strong>in</strong>. Überhaupt zeigt sich auf<br />

den bisher besprochenen Stufen e<strong>in</strong>e Zunahme<br />

von Bewusstse<strong>in</strong>squalitäten. Das Beispiel hat<br />

Wirksamkeiten, die fast unbemerkt unter der<br />

Schwelle wacher E<strong>in</strong>flussnahme liegen. Dem<br />

Vorbild liegen da bereits wacher registrierte<br />

Wirkensströme zugrunde. Beim Interesse ist<br />

das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt<br />

am klarsten. Es dr<strong>in</strong>gt am stärksten <strong>in</strong> den<br />

Bereich <strong>des</strong> gewöhnlichen Bewusstse<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>.<br />

Im Beispiel-Se<strong>in</strong> stützt er sich auf die Wesenseigenschaften<br />

se<strong>in</strong>es physischen Leibes ab,<br />

im Vorbild-Geben auf diejenigen se<strong>in</strong>es ätherischen<br />

Leibes und im Interesse-Wecken auf<br />

die Eigenschaften se<strong>in</strong>es astralischen Leibes.<br />

Vor allen D<strong>in</strong>gen und zuerst leitet der Mensch<br />

durch sich selbst, durch se<strong>in</strong> Se<strong>in</strong>, – und das <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em viel tieferen S<strong>in</strong>n und höherem Maß als<br />

ihm gewöhnlich bewusst wird.<br />

Daher auch gibt es auf der Ich-Ebene e<strong>in</strong>en<br />

Umschlagspunkt. Es ist die Ebene, auf der<br />

sich der Mensch durch se<strong>in</strong> gewöhnliches<br />

Bewusstse<strong>in</strong> als wirksam erlebt. Vom Ich aus<br />

glaubt er durch Impulse und Initiativen die<br />

Richtung e<strong>in</strong>er Entwicklung zu bestimmen.<br />

Er setzt sich für etwas e<strong>in</strong>, er überzeugt andere<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Entschluss h<strong>in</strong>, er<br />

ergreift Chancen und wirft das Ruder <strong>des</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen Schiffes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ganz bestimmte<br />

Richtung. Ohne Zweifel wird die äußere Seite<br />

se<strong>in</strong>es Ich-Wesens dadurch auch zutreffend<br />

beschrieben. Allerd<strong>in</strong>gs nur die niedrige, am<br />

Selbst verhaftete, Persönliches mit Individuellem<br />

verwechselnde Seite. Denn das Persönliche<br />

bezeichnet nur die Naturseite <strong>des</strong> Ich, das<br />

Gewordene. Das Individuelle h<strong>in</strong>gegen weist<br />

darüber h<strong>in</strong>aus auf das Werdende, auf die Entwicklungsseite<br />

<strong>des</strong> Ich.<br />

Für das Gedeihen e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>wesens ist<br />

nicht förderlich, dass e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelner se<strong>in</strong>e Intentionen,<br />

se<strong>in</strong>e Ziele, se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sichten, se<strong>in</strong>e<br />

Vorlieben verwirklicht. Damit kreist er lediglich<br />

um das Zentrum se<strong>in</strong>er eigenen Gewordenheit.<br />

Für die Entwicklung e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>wesens<br />

ist entscheidend, ob die Leitenden die Impulse<br />

ihres Handelns aus dem Umkreis der Sachlage,<br />

aus der Sprache der Erfordernisse, dem<br />

Gesamtzusammenhang, der Wahrheit, dem<br />

Mitleid und dem Horizont <strong>des</strong> Guten bestimmen.<br />

Im e<strong>in</strong>en Fall wird die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

unweigerlich zum Schauplatz selbstbezogener<br />

Egoismen, im anderen wird sie zum Ausdruck<br />

idealen Strebens und nüchterner Selbstbestimmung.<br />

Das Ich realisiert sich dadurch auf<br />

e<strong>in</strong>er höheren Ebene, nimmt an Dimension zu.<br />

Aus dieser Transformation ist dann auch jene<br />

Tragfähigkeit und Durchhaltekraft zu gew<strong>in</strong>nen,<br />

die zu Leitungsaufgaben, gerade auch<br />

bei unpopulären Entscheidungen notwendig<br />

gehört.<br />

Aber es gibt noch höhere Ebenen e<strong>in</strong>es Leitungsansatzes.<br />

E<strong>in</strong>e liegt zum Beispiel <strong>in</strong> dem<br />

Wirken <strong>in</strong> und aus der Wahrheit. Dabei entfällt,<br />

was andere me<strong>in</strong>en und flüstern. <strong>Die</strong> «öffentliche<br />

Me<strong>in</strong>ung», Opportunität und kurzfristig<br />

wechselnde Beliebigkeiten spielen ke<strong>in</strong>e Rolle<br />

mehr. Aufrichtiges Wahrheitsstreben besitzt<br />

e<strong>in</strong>e entgiftende und entschlackende Kraft. <strong>Die</strong><br />

raff<strong>in</strong>iertesten Selbsttäuschungen und hartnäckigsten<br />

Gewohnheiten zerschellen angesichts<br />

e<strong>in</strong>es keuschen, nüchternen Lebens <strong>in</strong> der<br />

Wahrheit. Es entsteht durch die vom Ich getragene<br />

Umbildung <strong>des</strong> Astralleibes <strong>in</strong> die Richtung<br />

e<strong>in</strong>es Bewusstse<strong>in</strong>s, das nicht fragt, was<br />

beliebt sondern danach, was ist und höchstens<br />

noch, was frommt.<br />

E<strong>in</strong>e am Beispiel von Herbert Wehner berührte<br />

Form der Leitung ist die durch Pflege, Treue<br />

und Tugend. Sie erfordert e<strong>in</strong> an der Sache<br />

bleiben, e<strong>in</strong>mal gefasste Beschlüsse nicht aus<br />

den Augen zu verlieren, – jedenfalls nicht,<br />

solange sie sich nicht als falsch erwiesen<br />

haben. Sie ist geprägt durch H<strong>in</strong>gabe. Ebenso<br />

wie die Leitung durch Wahrheit ist die durch<br />

H<strong>in</strong>gabe nichts Gegebenes. Sie beruht nicht<br />

auf e<strong>in</strong>er mehr oder weniger glücklichen Begabung.<br />

Ebenso wie die Wahrheit ist sie das Ziel<br />

e<strong>in</strong>es immerwährenden Strebens, das vom<br />

Ich ausgehend se<strong>in</strong>er Unzulänglichkeit und<br />

Begrenztheit bewusst ist. Und obwohl es das<br />

Ausmaß se<strong>in</strong>er Unvollkommenheit kennt und<br />

um den schweren Weg se<strong>in</strong>er Verwirklichung<br />

weiß, bleibt es ihn dennoch aus verantwortetem<br />

Beschluss sich selbst und der Sache<br />

gegenüber treu. Es s<strong>in</strong>d umgewandelte Kräfte<br />

<strong>des</strong> Ätherleibes, die dabei <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />

und als Lebensgeist wirksam werden.<br />

<strong>Die</strong> höchste Stufe der Leitungsmittel ist<br />

schließlich das verwandelte Beispiel. Verwandlung<br />

<strong>des</strong>halb, weil das Beispiel noch absichtsvoll,<br />

<strong>in</strong>tentional bestimmt ist. Auf der höchsten<br />

Stufe von Leitung geht es jedoch um Latenz,<br />

um e<strong>in</strong>e schwer zu beschreibende E<strong>in</strong>heit<br />

von Bereitschaft und Geduld, Freiheit und<br />

Entschiedenheit, Wissensleere und Weisheit,<br />

Mitleid und Stärke. <strong>Die</strong> widersprüchlichsten<br />

Möglichkeiten verb<strong>in</strong>den sich da auf e<strong>in</strong>er<br />

Stufe von Vollkommenheit zu situativer Präsenz,<br />

zu moralischer Kompetenz. Was aus dem<br />

Leben <strong>in</strong> der Leiblichkeit durch die Arbeit <strong>des</strong><br />

Ich gewonnen werden konnte, verb<strong>in</strong>det sich<br />

da zum Geistesmenschen, der zuletzt über<br />

e<strong>in</strong>e wirkliche Leitungsfähigkeit verfügt. Sie<br />

bestimmt sich aus <strong>in</strong>dividueller Schöpfungskraft,<br />

freier Selbstbestimmung und liebevoller<br />

H<strong>in</strong>gebungskraft. Das Wort der Selbstlosigkeit<br />

umgreift beschreibend diesen Komplex. <strong>Die</strong><br />

Richtung se<strong>in</strong>er Wirklichkeit gibt das unsterbliche<br />

Wort vom: «Ecce homo» an.<br />

Es wird erst aussprechbar wenn man sich<br />

klarmacht, <strong>in</strong> welcher Region man sich hier<br />

bef<strong>in</strong>det: In der Region der Ideale, für die gilt,<br />

dass man sie stets als orientierenden Horizont<br />

vor sich hat, über sie als festen Besitz aber nie<br />

verfügt.<br />

<strong>Die</strong> neuen Methoden <strong>des</strong> Leitens<br />

Das Beispiel der Waldorfschulgründung hat<br />

<strong>in</strong> mancher Beziehung Aspekte, die weit über<br />

ihr E<strong>in</strong>zelgeschehen h<strong>in</strong>ausgehen. Da ist es<br />

zum Beispiel s<strong>in</strong>nvoll sich klarzumachen, wie<br />

Rudolf Ste<strong>in</strong>er als Schulleiter (der er den Behörden<br />

gegenüber auch namentlich benannt war)<br />

den Aufbau dieser E<strong>in</strong>richtung begleitet hat.<br />

Se<strong>in</strong> Arbeitspensum machte ja beispielsweise<br />

nicht möglich, etwa Tag für Tag <strong>in</strong> der Schule<br />

anwesend zu se<strong>in</strong> – eigentlich e<strong>in</strong>e unmögliche<br />

Voraussetzung! Wäre da nicht e<strong>in</strong> System der<br />

Stimulanz und Kontrolle notwendig gewesen<br />

mit klar def<strong>in</strong>ierter Planung, effizienter Lern-,<br />

und Entwicklungskontrolle sowie Evaluationsverfahren<br />

durch professionelle Entwicklungsberater<br />

In Wirklichkeit praktizierte Rudolf Ste<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>e<br />

Führung der «langen Le<strong>in</strong>e». Er war schwerpunktmäßig<br />

viermal im Jahr zu mehrtägigen<br />

Aufenthalten <strong>in</strong> der Schule, bildete fort, beriet,<br />

hospitierte, machte Elternarbeit und verwaltete<br />

die Schule u. a. durch e<strong>in</strong>e vielfältige Gremienarbeit.<br />

Se<strong>in</strong>e Leitung hatte e<strong>in</strong>en Grundzug, sie<br />

versuchte konzeptionell-<strong>in</strong>haltlich anzuregen,<br />

die Mitwirkenden zu befähigen, zu ermutigen<br />

und für die Aufgabe zu begeistern. <strong>Die</strong> wichtigste<br />

Voraussetzung dafür klärte er bereits<br />

nach zwölfmonatiger Praxis als er <strong>in</strong> der Konferenz<br />

vom 22. September 1920 über die notwendige<br />

Freiheit zwischen se<strong>in</strong>er Leitung als<br />

Esoteriker und den republikanisch-mündigen<br />

Lehrkräften sprach. «Das Verhältnis muss e<strong>in</strong><br />

solches se<strong>in</strong>, dass alles dasjenige, was gesagt<br />

wird, angenommen wird von den Hörenden<br />

auf völlig freien Willen h<strong>in</strong>.» (Konferenzen mit<br />

den Lehrern der Freien Waldorfschule <strong>in</strong> Stuttgart,<br />

Dornach 1975, GA 300a)<br />

<strong>Die</strong> Voraussetzungen für diese geme<strong>in</strong>same<br />

und gegenseitige Freiheit waren von Anfang<br />

an bezeichnet worden:<br />

- das Rechnen mit der mündigen Geistselbst-Wirklichkeit<br />

der Mitwirkenden durch<br />

die E<strong>in</strong>beziehung <strong>des</strong> jeweils persönlichen<br />

Angelos;<br />

- der freie Austausch ihrer geistigen<br />

Leistungen <strong>in</strong> kollegialer Zusammenarbeit<br />

und die Heranziehung e<strong>in</strong>es neuen Geme<strong>in</strong>schaftsgeistes<br />

auf der Ebene der Archangeloi<br />

- sowie die Qualifizierung für das Here<strong>in</strong>wirken<br />

<strong>des</strong> Zeitgeistes durch selbstlose H<strong>in</strong>gabe<br />

an die sich aus den Zusammenhängen<br />

gegenwärtigen Menschse<strong>in</strong>s ergebende Aufgabe.<br />

Gleichsam «von oben» sollten den <strong>in</strong>dividuellen<br />

Lehrern durch Imag<strong>in</strong>ation, Inspiration<br />

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<strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> im 21. Jahrhundert<br />

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Fortsetzung von Seite 17<br />

und Intuition die geistigen Kräfte zur Leitung<br />

der Schule zuwachsen. Gesichtspunkte<br />

und Methoden waren den Beteiligten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

vierzehntägigen Grundausbildung gegeben<br />

worden. Am 6. September 1919 blickt Rudolf<br />

Ste<strong>in</strong>er auf diese Tage zurück und formuliert:<br />

«Halten wir uns namentlich an den Gedanken,<br />

der ja unser Herz, unseren S<strong>in</strong>n erfüllt: dass<br />

mit der geistigen Bewegung der Gegenwart<br />

doch ebensogut geistige Mächte <strong>des</strong> Weltenlaufes<br />

verbunden s<strong>in</strong>d. Glauben wir an diese<br />

guten Mächte, dann werden sie <strong>in</strong>spirierend<br />

<strong>in</strong> unserem Dase<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, und wir werden den<br />

Unterricht erteilen können.» (Erziehungskunst,<br />

Sem<strong>in</strong>arbesprechungen und Lehrplanvorträge,<br />

Dornach 1984)<br />

In diesem S<strong>in</strong>n führt der Glaube aus dem<br />

gewöhnlichen, an S<strong>in</strong>neserfahrung und<br />

Gegenständlichkeit gebundenen Bewusstse<strong>in</strong><br />

über die Schwelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebiet geistiger Erfahrung.<br />

Zu dieser besonderen Empirie kann<br />

durch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Studium der Geisteswissenschaft<br />

das Erlebnis gehören, trotz zunehmender<br />

historischer Entfernung e<strong>in</strong> zugleich<br />

<strong>in</strong>tensiver und unmittelbarer werden<strong>des</strong> Verhältnis<br />

zu Rudolf Ste<strong>in</strong>er zu gew<strong>in</strong>nen. Dar<strong>in</strong><br />

zeigt sich der beg<strong>in</strong>nende Dialog von sich<br />

begegnenden Gedankenströmen.<br />

<strong>Die</strong>ses Motiv wird schließlich wiederholt und<br />

verstärkt als Rudolf Ste<strong>in</strong>er am 15. März 1925<br />

se<strong>in</strong>en Abschiedsbrief an das Lehrerkollegium<br />

schreibt:<br />

«Ich b<strong>in</strong> mit me<strong>in</strong>en Gedanken unter Euch.<br />

Mehr kann ich jetzt nicht, wenn ich nicht riskieren<br />

will, die Zeit der physischen H<strong>in</strong>derung<br />

<strong>in</strong>s Endlose auszudehnen.<br />

Gedankenwirksamkeit e<strong>in</strong>e uns,<br />

Da wir im Raum getrennt se<strong>in</strong> müssen.<br />

Was wir schon geme<strong>in</strong>sam vollbracht,<br />

Es krafte jetzt durch die Lehrerschaft.<br />

Es ziehe se<strong>in</strong>e Kreise durch ihren Eigenrat,<br />

Da jener Rat, der so gerne käme,<br />

<strong>Die</strong> Schw<strong>in</strong>gen frei nicht hat.<br />

So wollen wir denn die Geme<strong>in</strong>samkeit<br />

im Geiste umso <strong>in</strong>niger erstreben, so lange<br />

anderes nicht se<strong>in</strong> kann. <strong>Die</strong> Waldorfschule<br />

ist zwar e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d der Sorge, aber vor allem ist<br />

sie auch e<strong>in</strong> Wahrzeichen für die Fruchtbarkeit<br />

der Anthroposophie <strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> geistigen<br />

Lebens der Menschheit.<br />

Wenn die Lehrerschaft treu im Herzen das<br />

Bewusstse<strong>in</strong> trägt von dieser Fruchtbarkeit,<br />

dann werden die guten über dieser Schule<br />

waltenden Geister wirksam se<strong>in</strong> können; und<br />

<strong>in</strong> den Taten der Lehrer wird göttlich-geistige<br />

Kraft walten.» (Ritualtexte für die Feiern <strong>des</strong><br />

freien christlichen Religionsunterrichtes und<br />

das Spruchgut für Lehrer und Schüler der Waldorfschule,<br />

Dornach 1997)<br />

Spiritueller Zuwachs durch Gedankenwirksamkeit,<br />

Zusammenarbeit auf geistigem Feld<br />

und die daraus entstehende Befähigung zum<br />

Eigenrat werden als tragende Leitungselemente<br />

der Waldorfschule genannt.<br />

Grundbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es<br />

gesunden Geisteslebens im<br />

sozialen Zusammenhang<br />

E<strong>in</strong> weiterer Gesichtspunkt verstärkt das Plädoyer<br />

für e<strong>in</strong> neues Leitungsverständnis im<br />

anthroposophischen Zusammenhang. Entwickelt<br />

und öffentlich wurde er von Rudolf Ste<strong>in</strong>er<br />

im Zusammenhang mit den Ideen zur Dreigliederung<br />

<strong>des</strong> Sozialen Organismus <strong>in</strong> den<br />

«Kernpunkten der Sozialen Frage». In den hier<br />

zum Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges dargestellten<br />

Anregungen f<strong>in</strong>den sich auch e<strong>in</strong>ige grundlegende<br />

H<strong>in</strong>weise zur Hygiene e<strong>in</strong>es Geistesund<br />

Kulturlebens, das sich <strong>in</strong> wirklicher Freiheit<br />

entfaltet. Erst durch die Freiheit gew<strong>in</strong>nt<br />

es dabei jene Vitalität und Wirksamkeit, die zur<br />

immerwährenden Erneuerung <strong>des</strong> gesamtgesellschaftlichen<br />

Lebens erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />

Dabei geht es zunächst um die Aufnahme von<br />

Leistungen aus dem Bereich kulturschaffender<br />

Tätigkeit. «Es gibt ke<strong>in</strong>e andere Möglichkeit,<br />

diese Aufnahme <strong>in</strong> gesunder Art zu bewirken,<br />

als sie von der freien Empfänglichkeit der<br />

Menschen und von den Impulsen, die aus<br />

den <strong>in</strong>dividuellen Fähigkeiten selbst kommen,<br />

abhängig se<strong>in</strong> zu lassen.»<br />

Entscheidend ist also das Verhältnis, das sich<br />

zwischen den Menschen auf diesem Gebiet<br />

ergibt. Schließlich fällt das schöpferische Geistesleben<br />

weder den Hervorbr<strong>in</strong>genden noch<br />

den Empfangenden e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> den Schoß. Es<br />

ist auf bestimmte Grundverhältnisse angewiesen.<br />

«Nicht nur die Hervorbr<strong>in</strong>gung, sondern<br />

auch die Aufnahme dieses Geisteslebens durch<br />

die Menschheit muss auf dem freien Seelenbedürfnis<br />

beruhen. Lehrer, Künstler und so<br />

weiter … werden durch die Art ihres Wirkens<br />

die Empfänglichkeit für ihre Leistungen entwickeln<br />

können bei Menschen …»<br />

Zwei Freiheitsaspekte werden bis hierh<strong>in</strong><br />

dargestellt. Erstens das freie Hervorbr<strong>in</strong>gen<br />

von Kulturleistungen und zweitens die freie<br />

Empfänglichkeit für dieselben. Freiheit auf<br />

Seiten der Anbieter und Freiheit auf Seiten der<br />

Abnehmer.<br />

Das f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>e Konsequenz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dritten<br />

Freiheitsverhältnis. «Was jemand für sich im<br />

Gebiete <strong>des</strong> Geisteslebens treibt, wird se<strong>in</strong>e<br />

engste Privatsache bleiben; was jemand für<br />

den sozialen Organismus zu leisten vermag,<br />

wird mit der freien Entschädigung derer rechnen<br />

können, denen das Geistesgut Bedürfnis<br />

ist. Wer durch solche Entschädigung <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Geistesorganisation das nicht f<strong>in</strong>den kann,<br />

was er braucht, wird übergehen müssen zum<br />

Gebiet <strong>des</strong> politischen Staates oder <strong>des</strong> Wirtschaftslebens.»<br />

E<strong>in</strong>e dreifache Freiheit wird für das Geistesleben<br />

beschrieben, soweit es sich <strong>in</strong> den sozialen<br />

Zusammenhang stellt. Sie besitzt e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e,<br />

das Geistesleben fördernde oder beh<strong>in</strong>dernde<br />

Gültigkeit: Freie Hervorbr<strong>in</strong>gen, freie<br />

Empfänglichkeit und freie Entschädigung. E<strong>in</strong><br />

freies Hervorbr<strong>in</strong>gen ohne Publikum kann nur<br />

der Selbstbefriedigung dienen. E<strong>in</strong>e unfreie<br />

Aufnahme geistiger Inhalte bedeutet Zwang<br />

und Gewalt. E<strong>in</strong> Konsum geistiger Inhalte<br />

ohne angemessene Entschädigung schließlich<br />

bedeutet Ausbeutung und <strong>Die</strong>bstahl.<br />

In der Konsequenz dieser Gesichtspunkte<br />

ergibt sich e<strong>in</strong> Freies Geistesleben nur da,<br />

wo es von e<strong>in</strong>em auf freier Moralität begründeten<br />

Verhältnis von Menschen zue<strong>in</strong>ander<br />

bestimmt ist. <strong>Die</strong>ses Verhältnis bedarf e<strong>in</strong>er<br />

stetigen, immer wieder aus Neue vollzogenen<br />

Aktualisierung. Dabei kommen vertikale und<br />

horizontale Elemente <strong>des</strong> Erlebens <strong>in</strong> Betracht.<br />

Inspiriert wird e<strong>in</strong> geistiges Leben stets aus der<br />

Höhe. E<strong>in</strong>fälle, Begabungen, Genie stammen<br />

«von oben». «Oben» me<strong>in</strong>t hier das Erleben<br />

der Seele gegenüber dem Geist. Es ist das<br />

<strong>in</strong> Ehrfurcht Empfangene. Dem begegnet <strong>in</strong><br />

der Welt unausweichlich e<strong>in</strong> Horizontales. Wo<br />

der Geist unter Menschen tritt, kommt er <strong>in</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong>.<br />

Heute ist im Pr<strong>in</strong>zip jeder Mensch geistbegabt,<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Geistgestalt mit der ihr <strong>in</strong>newohnenden<br />

Würde. Das verlangt von e<strong>in</strong>em<br />

gegenwartstauglichen und zukunftsfähigen<br />

Leitungsstil die Fähigkeit zur Horizontalität,<br />

der gleichberechtigten Akzeptanz.<br />

Das gilt ke<strong>in</strong>eswegs nur für den «exoterischen»<br />

Bereich <strong>des</strong> anthroposophischen Lebens, sondern<br />

auch für den «esoterischen». Gerade die<br />

Unterschiedlichkeit im Handeln Rudolf Ste<strong>in</strong>ers<br />

spricht hier e<strong>in</strong>e deutliche Sprache. Für die<br />

Waldorfschule schrieb er e<strong>in</strong>en Abschiedsbrief,<br />

für die Freie Hochschule nicht. Im e<strong>in</strong>en Fall<br />

benannte er se<strong>in</strong>e Nachfolge als Schulleiter<br />

durch den «Eigenrat» <strong>des</strong> Lehrerkollegiums,<br />

im anderen Fall überließ er es dem Schicksalswalten<br />

der beteiligten Menschen. Woher,<br />

wenn nicht aus unmittelbarem Arbeitsergebnis<br />

mit und an dem Werk Rudolf Ste<strong>in</strong>ers, mit und<br />

durch die fortwährend mögliche Zusammenarbeit<br />

mit ihm, soll sich Leitungsqualität <strong>in</strong> der<br />

<strong>Anthroposophische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> ergeben<br />

<strong>Die</strong>se Möglichkeit hat e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Bed<strong>in</strong>gung: Sie steht jedem offen, ist für jeden<br />

möglich und gew<strong>in</strong>nt daraus ihre Fruchtbarkeit<br />

im sozialen Leben. Das ist der eigentliche<br />

Grund für die neue horizontale Komponente<br />

<strong>in</strong> der Leitungsqualität anthroposophischer<br />

Zusammenhänge, die sich mit der vertikalen<br />

Komponente sachgerecht verb<strong>in</strong>den muss.<br />

18<br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009


A n t h r o p o s o p h i s c h e B e w e g u n g<br />

Jugend gibt es!<br />

Jugend gibt es. Sie lebt, wo um existentielle<br />

Fragen gerungen wird. Jugend ist, nah se<strong>in</strong> an<br />

den Fundamenten <strong>des</strong> menschlichen Lebens<br />

und Wirkens. – Etwa 70 Menschen, mehrheitlich<br />

jüngeren Alters, versammelten sich im<br />

Oktober zwei Tage <strong>in</strong> Bochum. Dorth<strong>in</strong> hatte<br />

Michael Schmock von der Lan<strong>des</strong>gesellschaft<br />

zusammen mit der Zukunftsstiftung Soziales<br />

Leben der GLS Treuhand e<strong>in</strong>geladen.<br />

Dichtgedrängt im Zweigraum kommen die<br />

Teilnehmer schon bei der Vorstellungsrunde<br />

den Fundamenten nahe. «Ich mache Nichts»,<br />

lautet e<strong>in</strong> Votum. – Was, nichts – Nichts, im<br />

S<strong>in</strong>ne von Freiraum, Austreten aus fesselnden<br />

Kausalketten: Schule um zu studieren, Studium<br />

für den Job, Arbeit für den Stundenlohn.<br />

Unhörbar steht im H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e Fülle<br />

von Tätigkeiten, täglich aus eigenem Antrieb<br />

vollzogen. <strong>Die</strong> provokante Formulierung lockt<br />

e<strong>in</strong>e andere Blickrichtung hervor. – Es gibt<br />

doch drängende Probleme <strong>in</strong> der Welt, und<br />

Ansätze etwas zu tun! <strong>Die</strong> Klimakatastrophe,<br />

Armut, Konflikte. Der Gegensatz zwischen<br />

<strong>in</strong>dividueller Entwicklung und wirken wollen<br />

<strong>in</strong> der Welt ist unmittelbar anwesend.<br />

Ob es Jugend gibt, ist e<strong>in</strong>e Frage der Wahrnehmung.<br />

– Es zeigte sich e<strong>in</strong> breites Panorama<br />

von Initiativen. Da s<strong>in</strong>d vertiefende Studiengruppen<br />

zur «Philosophie der Freiheit» oder<br />

den «Ästhetischen Briefen»; dort untersucht<br />

e<strong>in</strong>e «Männergruppe» den Charakter ihres<br />

Geschlechts – und erhält unmittelbar die Aufmerksamkeit<br />

der Frauen. In Witten fördert die<br />

Lehrer<strong>in</strong> Brigitte Riepe mit dem ehemaligen<br />

Waldorfschüler David Masuch die Eigenverantwortung<br />

ihrer Schüler. Zu den Mysteriendramen<br />

am Goetheanum oder mit alternativen<br />

Nobelpreisträgern <strong>in</strong> Bonn entstehen Tagungs<strong>in</strong>itiativen.<br />

Jede e<strong>in</strong>zelne Gruppe hätte e<strong>in</strong><br />

spannen<strong>des</strong> Wochenende füllen können.<br />

Jugend braucht Geld. Und wie! All das will<br />

f<strong>in</strong>anziert se<strong>in</strong>. – Man traf sich zum Abschluss<br />

nebenan <strong>in</strong> der GLS Bank. <strong>Die</strong> Begrüßung Herbert<br />

Meiers führte nah an deren Fundamente<br />

und zum Anliegen der Stiftung Soziales Leben,<br />

die ausschließlich Persönlichkeiten fördert. –<br />

Doch wie s<strong>in</strong>d die f<strong>in</strong>anziellen Belange junger<br />

Menschen gelagert Im Vordergrund stand<br />

weniger das Haben oder Nicht-Haben, mehr,<br />

wie E<strong>in</strong>zelne mit ihrer F<strong>in</strong>anzierung umgehen.<br />

Teils war es e<strong>in</strong> erstes, vertieftes Nachdenken<br />

über Geld, dann wieder präsentierten sich<br />

weit gereifte Konzepte, wie das der Initiative<br />

«captura» (www.arbeitsuchte<strong>in</strong>kommen.de).<br />

Es lebte die Frage nach Zusammenarbeit. – Ist<br />

es nicht leichter, aufrichtiger, für andere um<br />

Geld fragen als für sich selbst<br />

Fragen wie diese werden neue geplante<br />

Zusammenkünfte beschäftigen. Sicher wird<br />

daraus ke<strong>in</strong>e klassische Jugendstiftung; Projektförderungen<br />

mit standardisierten Antragsverfahren<br />

gibt es viele. Es wird nicht um<br />

die Umsetzung von Bus<strong>in</strong>essplänen gehen,<br />

vielmehr um e<strong>in</strong>e Begleitung und Stärkung<br />

<strong>in</strong>dividueller Wege – e<strong>in</strong>schließlich Krisen; um<br />

Investitionen <strong>in</strong> Zukünfte, voller unvorhersehbarer<br />

Wendungen und voller Potentiale.<br />

Läge hier nicht e<strong>in</strong>e fundamentale Aufgabe der<br />

<strong>Anthroposophische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>, die sich um<br />

die Individualität bemüht, genau dort verstärkt<br />

ihr f<strong>in</strong>anzielles Engagement zu verorten, bei<br />

der Unterstützung <strong>in</strong>dividueller Menschen<br />

<strong>Die</strong> Stiftung Soziales Leben könnte Vorbild<br />

oder Partner se<strong>in</strong>.<br />

Das Jugendkolloquium war der erste Schritt<br />

e<strong>in</strong>es neuen Impulses <strong>in</strong> der Jugendarbeit der<br />

Lan<strong>des</strong>gesellschaft, e<strong>in</strong>e spannende Zusammenschau<br />

verstreuter Initiativen, Persönlichkeiten,<br />

Fragestellungen und Bedürfnissen.<br />

Benjam<strong>in</strong> Kolass, Berl<strong>in</strong><br />

Zum Kolloquium wurde die Publikation «menschenbilder» erarbeitet;<br />

mit zwanzig Portraits und den Thesen zur Jugend. Zu<br />

bestellen bei: projekt.zeitung, Wicherstr. 44, 10439 Berl<strong>in</strong>, <strong>in</strong>fo@<br />

projektzeitung.org<br />

Roter Teppich als Gleichnis<br />

Er beugt sich kurz nach vorne: «Was ist die<br />

Farbe <strong>des</strong> Teppichs!» Wir haben ihn ja alle<br />

gesehen, unsere Stühle standen darauf, auf<br />

dem Teppich und auf der Farbe, <strong>in</strong> der Farbe<br />

dieses Teppichs, aber beim Versuch, zu benennen,<br />

was das für e<strong>in</strong>e merkwürdige Farbe sei,<br />

g<strong>in</strong>g die Frage ja erst los. Schon irgendwie rot,<br />

aber auch grau oder bleich und dazu ohne<br />

Lichtreflexe, da der Oktobertag sich draußen<br />

kalt und trüb verhielt. En groupe war der Teppichmoment<br />

schnell vorüber; ich fand mich<br />

vorläufig damit ab, daß die Farbe stark an<br />

gekochte Erdbeeren er<strong>in</strong>nere, an diese abgeblasste<br />

Röte, die der e<strong>in</strong>gekochte Sommer im<br />

Marmeladenglas annimmt. Abgeblaßt nicht<br />

fürs Außenauge, aber für die Empf<strong>in</strong>dung, die<br />

<strong>in</strong> der konzentrierten Süße merkt, wie über<br />

das fehlende Leben viel Zucker muß, damit es<br />

noch schmeckt. Wieder schmeckt. Momente<br />

<strong>des</strong> Stutzens, Momente, <strong>in</strong> denen wir merken,<br />

daß wir uns plötzlich ganz neu e<strong>in</strong>richten an<br />

etwas, was wir nie beachtet hatten vorher-<br />

Momente an roten Untergründen.<br />

«In October 1959, I aga<strong>in</strong> visited the cavernous<br />

studio with its deep-dyed red floor. Rothko had<br />

no light on, and the great space was dim as a<br />

cathedral. When a t<strong>in</strong>y white cat sprang <strong>in</strong>to<br />

the center of the room, it was a shock. I felt<br />

as if I had walked <strong>in</strong>to a theater or <strong>in</strong>to an<br />

ancient library ...»(Dore Ashton, zitiert nach G.<br />

Wolf <strong>in</strong> «Rothko, Giotto und die Moscheen<br />

von New York», Ausstellungskatalog Rothko/<br />

Giotto, SMPK; Hirmer 2009).<br />

Das zur Initiative Kunst und Kunstförderung<br />

und ihre erste Veranstaltung am 24. Oktober<br />

2009 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>geladen worden war von<br />

Birgit Ebel und Susanne L<strong>in</strong> (Arbeitskollegium<br />

der Lan<strong>des</strong>gesellschaft), um Kunst- und<br />

Kulturschaffende <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf Forum und<br />

Netzwerkbilden zusammen zu br<strong>in</strong>gen. Mehr<br />

als 20 Künstler kamen. Nächste Veranstaltung:<br />

Frühjahr 2010 zur Frage Wahrheit <strong>in</strong> der Kunst.<br />

(Kunst und Kunstförderung: birgit-ebel@gmx.<br />

de, l<strong>in</strong>@anthroposophische-gesellschaft.org)<br />

Christ<strong>in</strong>e Baur<br />

10 Jahre «forum zeitfragen»<br />

Das «forum zeitfragen» <strong>in</strong> der <strong>Anthroposophische</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />

ist 1998 aus dem damaligen Arbeitsbereich<br />

«Forschungs- und Gegenwartsfragen» der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> hervorgegangen, um Zusammenarbeit<br />

zu aktuellen Zeitfragen anzuregen.<br />

Das geschah durch die Bildung e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en,<br />

selbstbestimmten Kreises von engagierten<br />

Menschen, die sich vornahmen, mit möglichst<br />

vielen anderen <strong>in</strong>nerhalb der anthroposophischen<br />

Bewegung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en sachgetragenen<br />

Austausch zu kommen; zumeist <strong>in</strong> Form<br />

von Vorträgen und Gesprächen von und mit<br />

kompetenten Gesprächsteilnehmern, darüber<br />

h<strong>in</strong>aus auch durch Publikationen.<br />

Über die Tätigkeiten <strong>des</strong> «forum zeitfragen»<br />

wurde regelmäßig <strong>in</strong> den Mitglieder-Zeitschriften<br />

berichtet, aus Platzgründen allerd<strong>in</strong>gs<br />

meist nur <strong>in</strong> Kurzform. Das Hauptanliegen<br />

der Treffen liegt ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Anregungen,<br />

die die Teilnehmer für ihre je eigene Arbeit<br />

mitnehmen.<br />

Aus Anlass <strong>des</strong> 10jährigen Bestehens ist nun<br />

e<strong>in</strong> Berichtsheft zur bisher geleisteten Arbeit<br />

<strong>des</strong> «forum zeitfragen» erschienen. Es gibt<br />

e<strong>in</strong>en Überblick über Anliegen, Themen und<br />

Arbeitsweisen und nennt die Mitwirkenden.<br />

Christa von Grumbkow, Heidelberg<br />

Das Heft kann angefordert werden bei: «forum zeitfragen» <strong>in</strong><br />

der <strong>Anthroposophische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>in</strong> Deutschland, Christa v.<br />

Grumbkow, Hauptstraße 59, 69117 Heidelberg, Telefon: 06221/<br />

284 86, Telefax:06221/216 40, forumzeitfragen@t-onl<strong>in</strong>e.de.<br />

Offene Gesamtkonferenz zu<br />

Satzungsfragen<br />

Im Januar 2010 wird die Gesamtkonferenz<br />

zwei Stunden lang für alle Mitglieder geöffnet.<br />

In dieser Zeit wird der Arbeitskreis Satzung<br />

der Lan<strong>des</strong>gesellschaft den Stand se<strong>in</strong>er Beratung<br />

und se<strong>in</strong>e fertigen Änderungsvorschläge<br />

vorstellen, um sie mit der Gesamtkonferenz<br />

der Lan<strong>des</strong>gesellschaft (Arbeitskollegium,<br />

Arbeitszentrumsvertreter und ständige Gäste)<br />

zu besprechen. Interessierte Mitglieder s<strong>in</strong>d<br />

ebenfalls herzlich dazu e<strong>in</strong>geladen.<br />

<strong>Die</strong> Besprechung f<strong>in</strong>det am Samstag, 23. Januar<br />

2010, von 12 bis 14 Uhr <strong>in</strong> Fulda im Hotel<br />

Ibis, Kurfürstenstr. 1-3 (10 M<strong>in</strong>uten vom Bahnhof)<br />

statt. Anschließend gibt es e<strong>in</strong> Mittagessen.<br />

Wer möchte, kann danach am Treffen <strong>des</strong><br />

Arbeitskreises zur Satzung teilnehmen (bis<br />

17.45 Uhr).<br />

Um Anmeldung <strong>in</strong> der Lan<strong>des</strong>geschäftsstelle<br />

wird gebeten: Tel. 0711/16 43 121, Fax: -16 43<br />

130, Mail: scheschonka@anthroposophischegesellschaft.org<br />

(Gisa Scheschonka). Dort können<br />

Sie auch nach Informationen zur Vorbereitung<br />

fragen.<br />

Barbara Messmer, Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

und Michael Schmock, St. August<strong>in</strong><br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009 19


A n t h r o p o s o p h i s c h e B e w e g u n g<br />

Demeter-Brot<br />

überzeugt Jury<br />

Das Herbsttreffen der Fachgruppe Demeter-<br />

Bäcker wird <strong>in</strong> guter Tradition mit der Brotprüfung<br />

gekoppelt. <strong>Die</strong> kompetenten Prüfer<br />

waren mit den Backergebnissen <strong>in</strong> biodynamischer<br />

Qualität sehr zufrieden. Von den 86<br />

e<strong>in</strong>gereichten Broten bekamen 17 Prozent<br />

Gold, 63 Prozent Silber und für 15 Prozent<br />

reichte es für Bronze.<br />

Inhaltlicher Schwerpunkt <strong>des</strong> Bäckertreffens<br />

war das Thema Bio-Hefe. Außerdem präsentierte<br />

Dr. Ludger L<strong>in</strong>nemann vom Forschungsr<strong>in</strong>g<br />

für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise<br />

se<strong>in</strong>e Ergebnisse aus Mehlqualitätsuntersuchungen.<br />

Praxisnah wird se<strong>in</strong>e Arbeit besonders<br />

durch die Backversuche mit den biodynamisch<br />

gezüchteten Getrei<strong>des</strong>orten, von denen<br />

sich die Demeter-Bäcker bee<strong>in</strong>druckt zeigten.<br />

«So können Forschung und neue Erkenntnisse<br />

<strong>in</strong> die tägliche Arbeit der Demeter-Bäcker e<strong>in</strong>fließen»,<br />

verweisen die Fachgruppen-Betreuer<br />

Diana Hahn und Steffen Gleich auf den Synergie-<br />

Effekt. Der Backtest wird <strong>in</strong>zwischen allen<br />

Demeter-Partnern zugänglich gemacht.<br />

Rund 60 Mitglieder der Fachgruppe Bäcker aus<br />

ganz Deutschland waren <strong>in</strong> die Spielberger-<br />

Mühle <strong>in</strong>s schwäbische Brackenheim gekommen.<br />

E<strong>in</strong>e Mühlenführung verdeutlichte, wo<br />

der Rohstoff für viele ihrer Backwaren herstammt.<br />

«Vielfalt an Getreidearten und -sorten gerade<br />

durch bio-dynamische Züchtung s<strong>in</strong>d Voraussetzung<br />

für erstklassige Demeter-Backwaren»,<br />

betonte Volkmar Spielberger und unterstrich<br />

das Engagement der Spielberger-Mühle für<br />

bio-dynamische Züchtung von Getreide-Sorten.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit ihren Anbaupartnern im<br />

Zabergäu führt die Mühle Praxisversuche auf<br />

den Feldern durch. In eigener Versuchsbäckerei<br />

testet die Mühle, die bereits vor 50 Jahren die<br />

zum Betrieb gehörenden Flächen auf Demeter-<br />

Anbau umgestellt hat, die Mehle der verschiedenen<br />

Getrei<strong>des</strong>orten auf ihre Backeigenschaften.<br />

So können wichtige Informationen<br />

an die Bäcker weitergegeben werden.<br />

Renée Herrnk<strong>in</strong>d, Darmstadt<br />

Kraftwerk Schiller<br />

(an) <strong>Die</strong>ses Kraftwerk ist e<strong>in</strong>e Wucht! Wenn<br />

man nicht aufpasst (d. h. zu schnell liest), dann<br />

bekommt man sogar Stromschläge davon.<br />

Dem Verlag Freies Geistesleben ist es <strong>in</strong> Person<br />

von Herausgeber Jean-Claude L<strong>in</strong> <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit dm-Drogeriemarkt anlässlich<br />

<strong>des</strong> diesjährigen Schiller-Jubiläums gelungen,<br />

etwas von der Energie und der Kraft, die <strong>in</strong><br />

Friedrich Schiller steckt, <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es umfassenden<br />

Buches mit gleich lautendem Titel<br />

herüber zu br<strong>in</strong>gen!<br />

E<strong>in</strong> Feuerwerk an Ideen, an E<strong>in</strong>drücken an<br />

Impulsen! Sämtliche Dramen Schillers werden<br />

mit Auszügen präsentiert, fiktive Interviews<br />

mit dem Jubilar geführt, Gedanken zu se<strong>in</strong>en<br />

ästhetischen Briefen und Vieles andere mehr<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er äußerst attraktiven Gestaltung, und<br />

alles das für sage und schreibe 1 Euro, der dazu<br />

auch noch an Bildungse<strong>in</strong>richtungen weiter<br />

gereicht wird.<br />

<strong>Die</strong>sem Buch wünscht man weite Verbreitung<br />

und Beachtung, besonders unter Jugendlichen!<br />

Und dm hat bisher tatsächlich 100.000 Exemplare<br />

<strong>in</strong> Umlauf gebracht.<br />

Man muss es den Initiatoren dieser Idee bei dm<br />

danken, was hier für Schiller geleistet wurde.<br />

Gratulation also an alle Beteiligten auch für die<br />

geglückte Kooperation! Das Schillersche Kraftwerk<br />

ist <strong>in</strong> allen dm-Filialen erhältlich.<br />

Wie zukunftsfähig ist die<br />

Waldorfschule<br />

Unter dem Titel «90 Jahre Zukunft – Waldorfpädagogik<br />

im Gespräch» nahmen Bildungsexperten<br />

von <strong>in</strong>nen und außen Konzept und<br />

Alltag der Waldorfpädagogik am 23. Oktober<br />

<strong>in</strong> Stuttgart kritisch unter die Lupe. «E<strong>in</strong> Jubiläum<br />

ist Anlass, e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> die Vergangenheit<br />

zu schauen, andererseits aber die Gegenwart<br />

und die Zukunft e<strong>in</strong>zubeziehen.»<br />

Im Editorial zur Jubiläumspublikation betont<br />

Vorstandsmitglied Albrecht Hüttig, dass es dem<br />

Bund der Freien Waldorfschulen bei den Veranstaltungen<br />

zu «90 Jahre Waldorfschule» vor<br />

allem darum g<strong>in</strong>g, die Frage der Zukunftsfähigkeit<br />

der Waldorfschule unter verschiedenen<br />

Blickw<strong>in</strong>keln zu beleuchten.<br />

Besonders <strong>in</strong>teressant für die Waldorfschulbewegung<br />

war <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die<br />

Spiegelung von außen, sowohl von Freunden<br />

der Bewegung wie von Kritikern. Gäste verschiedener<br />

Provenienz brachten als Geburtstagsgeschenk<br />

ihre Ideen zum Thema e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong><br />

Reihe reichte vom Neurologen Prof. Joachim<br />

Bauer (Unikl<strong>in</strong>ik Freiburg), der die Anforderungen<br />

an die Schule der Zukunft vom<br />

Gesichtspunkt der Hirnforschung betrachtete,<br />

über Prof. Stephan A. Jansen von der Zeppel<strong>in</strong><br />

Universität bis h<strong>in</strong> zum Leiter <strong>des</strong> Bildungsressorts<br />

der taz, Christian Füller.<br />

Beim Abschlussplenum zogen Gäste und Veranstalter<br />

– vertreten durch Christof Wiechert,<br />

dem Leiter der Pädagogischen Sektion am<br />

Goetheanum <strong>in</strong> Dornach – e<strong>in</strong> Fazit der Veranstaltung.<br />

«Ist der Ansatz der Waldorfpädagogik<br />

hochmodern – oder ersticken die Waldorfschulen<br />

<strong>in</strong> ihrer Tradition» Mit dieser Formulierung<br />

spitzte Moderator<strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>a Meisenberg<br />

die Frage zu <strong>in</strong> der Absicht, die Teilnehmer der<br />

Runde zu möglichst prägnanten Aussagen zu<br />

veranlassen – was ihr auch gelang.<br />

Christof Wiechert betonte dazu, modern und<br />

zeitgemäß sei, was K<strong>in</strong>der fördere und er<br />

sprach der Waldorfpädagogik e<strong>in</strong>erseits die<br />

Kompetenz zu, auf die drängenden Fragen der<br />

Zeit e<strong>in</strong>e angemessene Antwort zu geben.<br />

Was die Waldorfpädagogik leisten könne,<br />

komme erst jetzt im 21. Jahrhundert voll zur<br />

Geltung. «Mit unserem Ziel, den Schülern<br />

Selbstmanagement zu vermitteln, s<strong>in</strong>d wir<br />

absolut ‘top of the bill‘», sagte Wiechert.<br />

Cornelie Unger-Leistner, Ma<strong>in</strong>z<br />

Flucht <strong>in</strong> virtuelle Welten<br />

(an) K<strong>in</strong>der und Jugendliche verbr<strong>in</strong>gen heute<br />

durchschnittlich 15 bis 20 Stunden wöchentlich<br />

im Internet, sei es <strong>in</strong> Chatrooms, bei<br />

Onl<strong>in</strong>e-Computerspielen oder an anderen<br />

virtuellen Orten – Tendenz steigend. Dabei<br />

werden nicht nur schulische Leistungen bee<strong>in</strong>trächtigt,<br />

sondern auch soziale Kontakte und<br />

körperliche Bewegung.<br />

Immer häufiger führt dieses Phänomen zu<br />

suchtartiger Abhängigkeit, e<strong>in</strong>e beunruhigende<br />

Entwicklung, zumal dabei weitere<br />

Gefahren von f<strong>in</strong>anzieller Ausbeutung bis h<strong>in</strong><br />

zu sexueller Belästigung drohen. All diesen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen kann nur begegnet werden,<br />

wenn pädagogische E<strong>in</strong>richtungen und Eltern<br />

es geme<strong>in</strong>sam schaffen, reale Beziehungen<br />

mit und für die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen zu<br />

gestalten.<br />

Den damit verbundenen Fragen sowohl nach<br />

den seelischen Schäden der angesprochenen<br />

Entwicklungen wie den pädagogischen Konsequenzen<br />

möchte der 7. BildungsKongress <strong>in</strong><br />

Stuttgart von Freitag, 15. Januar bis Sonntag,<br />

17. Januar 2010, nachgehen und mögliche<br />

Lösungswege aufzeigen.<br />

<strong>Die</strong> Vorträge werden gehalten von Edw<strong>in</strong> Hübner,<br />

Klaus Wölfl<strong>in</strong>g, Prof. Christian Rittelmeyer,<br />

Peter S<strong>in</strong>ger und Rudi Ballreich. Außerdem gibt<br />

es 15 verschiedene Sem<strong>in</strong>are zum Kongressthema<br />

mit erfahrenen Dozenten für die pädagogische<br />

Praxis. Veranstalter ist Agentur «Von<br />

Mensch zu Mensch» <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />

dem Bund der Freien Waldorfschulen und der<br />

Vere<strong>in</strong>igung der Waldorfk<strong>in</strong>dergärten.<br />

Nähere Informationen: Agentur «Von Mensch zu Mensch», Zur<br />

Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart. Tel.: 0711/248 50 97, aneider@<br />

gmx.de. www.bildungskongress2010.de<br />

Impressum<br />

<strong>Die</strong> «Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit <strong>in</strong><br />

Deutschland» s<strong>in</strong>d Bestandteil der Zeitschrift «Anthroposophie<br />

weltweit». Herausgeber ist die <strong>Anthroposophische</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

<strong>in</strong> Deutschland e. V., Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart.<br />

Redaktion: Andreas Neider, Zur Uhlandshöhe 10, 70188 Stuttgart.,<br />

Tel.: 0711/248 50 97, Fax: 248 50 99, e-Mail Redaktion:<br />

neider@mercurial.de. Adressänderungen und Adm<strong>in</strong>istration:<br />

leserservice@mercurial.de. Gestaltung: Sab<strong>in</strong>e Gasser, Hamburg.<br />

Der Bezug ist sowohl durch e<strong>in</strong> Abonnement der Wochenschrift<br />

«Das Goetheanum» als auch durch gesonderte Bestellungen<br />

beim Verlag möglich (Kostenbeitrag für das Jahr 2010: 40,- Euro).<br />

Verlag: mercurial-Publikationsgesellschaft mbH, Alt-Niederursel<br />

45, 60439 Frankfurt/M., Tel: 069/58 23 54, Konto Nr. 101 670 901<br />

bei der GLS Geme<strong>in</strong>schaftsbank eG, BLZ 430 609 67.<br />

Beilagen: Spendaufruf Studienhifen, Prospekte der Allgeme<strong>in</strong>en<br />

<strong>Anthroposophische</strong>n Geesellschaft.<br />

20<br />

Anthroposophie Weltweit • Mitteilungen Deutschland, Dezember 2009

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