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Vortrag,A und B(1).pdf - Texte von Dieter Wolf

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Semantik, Struktur <strong>und</strong> Handlung im Kapital <strong>Dieter</strong> <strong>Wolf</strong> 10<br />

___________________________________________________________________________<br />

Mikroskop dienen noch chemische Reagentien. Die Abstraktionskraft muß beide ersetzen.<br />

Für die bürgerliche Gesellschaft ist aber die Warenform des Arbeitsprodukts oder die<br />

Wertform der Ware die ökonomische Zellenform.“ (MEW 23, S. 12; Hervorh. d. Verf.)<br />

In den unterschiedlichsten Wissenschaften bedient man sich bei der Erforschung <strong>und</strong> der<br />

Darstellung eines Gegenstandes der Abstraktionskraft des Denkens <strong>und</strong> analysiert<br />

unterschiedliche Bereiche des Gegenstandes unter Abstraktion <strong>von</strong> anderen Bereichen. Dies<br />

heißt aber nichts anderes, als dass der Charakter einer Wissenschaft, ihre Qualität, sich darin<br />

zeigt, auf welche Weise die Abstraktionskraft methodisch eingesetzt wird, wie die<br />

Abstraktionsstufen als Stufen der Darstellung herausdestilliert <strong>und</strong> so in eine bestimmte<br />

Reihenfolge gebracht werden, dass die hierdurch bestimmte „eigentümliche Logik“<br />

(„Eigentümlichkeit“) der Darstellung der „Eigentümlichkeit des Gegenstandes“ gerecht wird.<br />

Hiermit zeichnet sich die Darstellung dadurch aus, dass sie in ihrer Funktion den Gegenstand<br />

zu erklären ihn zugleich kritisiert. Um diese Einheit <strong>von</strong> Darstellung <strong>und</strong> Kritik zu bewahren,<br />

setzt Marx alles daran zu vermeiden, an die bürgerliche Gesellschaft einen äußerlichen<br />

Maßstab anzulegen. In Hegels Worten ausgedrückt hat es Marx nicht nötig, ihr „die Krätze<br />

anzuhängen, um sie kratzen zu können“.<br />

Für Marx ist die Wissenschaft die Bedingung für die Kritik; denn Einheit <strong>von</strong> Kritik <strong>und</strong><br />

Darstellung heißt, dass es im historisch-spezifischen Wesen der dynamischen Strukturen liegt,<br />

dass ihre methodisch adäquate Darstellung zugleich die adäquate Kritik an ihnen ist. Diese<br />

Strukturen, <strong>von</strong> der Ware angefangen bis zu den komplexesten Strukturen an der Oberfläche<br />

der bürgerlichen Gesellschaft, liegen zum großen Teil außerhalb der Reichweite des<br />

Bewusstseins der Wirtschaftssubjekte <strong>und</strong> der Theoretiker <strong>und</strong> werden <strong>von</strong> ihnen<br />

unzulänglich begriffen, weil sie – durch die Formen des Werts bedingt – in sie auslöschenden<br />

<strong>und</strong> sie verkehrenden Formen erscheinen. In dem Maße, in dem Marx mit der Darstellung des<br />

systemischen Zusammenhangs <strong>von</strong> Struktur <strong>und</strong> Handlung den Zusammenhang <strong>von</strong><br />

ökonomisch-gesellschaftlichen Formen, sozialen Beziehungen <strong>und</strong> Bewusstseinsformen<br />

freilegt, ist seine Theorie nicht nur Darstellung <strong>und</strong> Kritik der durch den Gegensatz <strong>von</strong><br />

Gebrauchswert <strong>und</strong> Wert strukturierten ökonomisch-gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern<br />

zugleich auch des Alltagsbewusstseins <strong>und</strong> des wissenschaftlichen, Theorien produzierenden<br />

Bewusstseins. Dies <strong>und</strong> nichts anderes verbirgt sich hinter der metaphorischen Redeweise des<br />

jungen Marx, man müsse der „bürgerlichen Gesellschaft ihre eigene Melodie vorsingen, um<br />

sie zum Tanzen zu bringen“. 27<br />

Für die Kritik am Alltagsbewusstsein <strong>und</strong> den Theorien ist bekanntlich der bereits im ersten<br />

Kapitel dargestellte Warenfetisch <strong>von</strong> ausschlaggebender Bedeutung. Der ihn bedingende<br />

Vorgang, besteht daraus, dass das Gleichsetzen der Waren als Werte in der ihnen äußerlichen<br />

Form des quantitativen Verhältnisses <strong>von</strong> Gebrauchswerten nicht sichtbar ist <strong>und</strong> das<br />

27 Leute, die sich als „Wertkritiker“ verstehen <strong>und</strong> wenig Wert auf die Wissenschaftlichkeit des<br />

Kapitals legen, sehen aber nicht, was eine wissenschaftliche Kritik am Wert ist, die nicht <strong>von</strong> einem<br />

außerhalb der Gesellschaft liegenden Standpunkt kantischer oder sonstiger subjektivistischer Art<br />

herangetragen wird. Hier sei kurz angedeutet, was bereits die wissenschaftliche Analyse des Werts auf<br />

der Abstraktionsstufe des ersten Kapitels des Kapital aufdeckt:<br />

-Unbewusstheit der Menschen über ihren eigenen <strong>von</strong> ihnen selbst geschaffenen gesellschaftlichen<br />

Zusammenhang,<br />

-Nachträglichkeit des Herstellens des gesellschaftlich-allgemeinen Charakters der einzelnen konkretnützlichen<br />

Arbeiten,<br />

- Beherrscht - Sein der Menschen durch die ihnen gegenüber sich verselbständigenden<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse <strong>von</strong> Sachen,<br />

-Unbewusstheit über das Spezifische des gesellschaftlichen Zusammenhangs, womit sich dessen<br />

Naturwüchsigkeit zeigt,<br />

- die Differenz zwischen dem, was die Strukturen sind, <strong>und</strong> dem, wie sie <strong>von</strong> den handelnden<br />

Menschen <strong>und</strong> den Theoretikern begriffen werden etc.<br />

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