Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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viduellen Bedürfnisbefriedigung <strong>und</strong> keineswegs als Attacke auf die Partnerschaft interpre-<br />
tiert. Dementsprechend können die Optionen für die Befriedigung sexueller Wünsche in pro-<br />
miskuitiven Partnerschaften gewählt wer<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n in verschie<strong>de</strong>nen personellen Kons-<br />
tellationen (z.B. mit <strong>de</strong>m eigenen Partner <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren gleichzeitig o<strong>de</strong>r <strong>von</strong>einan<strong>de</strong>r unab-<br />
hängig) realisiert <strong>und</strong> zumeist nicht verhe<strong>im</strong>licht. 48 Die sexuellen Vorstellungen wer<strong>de</strong>n in<br />
diesen Paarbeziehungen nach <strong>de</strong>m Motto ‚Erlaubt ist, was gefällt’ verwirklicht. Promiskuität<br />
wird aber nicht - wie in <strong>de</strong>n sechziger Jahren - als das En<strong>de</strong> repressiver Strukturen (vgl.<br />
Schra<strong>de</strong>r-Klebert 1969) o<strong>de</strong>r als das I<strong>de</strong>al einer erotischen Partnerschaftskultur i<strong>de</strong>ologisiert<br />
<strong>und</strong> stilisiert. Der Umgang mit <strong>de</strong>r sexuellen Treue ist pragmatisch, ganz <strong>im</strong> Sinne einer Ab-<br />
wägung <strong>von</strong> persönlichen Vor- <strong>und</strong> Nachteilen. 49 Promiskuität ist hier die beidseitige Einlö-<br />
sung eines Individualitätsanspruches. Das Paar begreift sich nicht als ‚Wir’, son<strong>de</strong>rn als ‚Ich’<br />
<strong>und</strong> ‚Ich’. Es gilt nicht mehr - wie <strong>im</strong> romantischen Liebesi<strong>de</strong>al 50 - eine paarzentrierte eigene<br />
Welt zu erschaffen. Vielmehr ist die Paarbeziehung in einen Partialisierungsprozess einge-<br />
b<strong>und</strong>en, <strong>de</strong>r die Rolle <strong>de</strong>r Eheleute in <strong>im</strong>mer mehr Teilrollen zerlegt, die wie<strong>de</strong>rum mit <strong>de</strong>r<br />
Partizipation an je spezifischen Sinnwelten verb<strong>und</strong>en sind. Sicherlich gibt es gemeinsame<br />
Interessen <strong>und</strong> emotionale Bindungen, es herrscht aber kein Gemeinsamkeitszwang.<br />
Die in diesen Beispielen offenk<strong>und</strong>ig wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Individualisierung <strong>von</strong> Interessen <strong>und</strong> Le-<br />
benslagen ist ein charakteristisches Merkmal <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne. 51 Sie dringt auch in Räume wie<br />
die <strong>de</strong>r Sexualität vor. Waren vormals traditionelle Moral, Fortpflanzungspflicht respektive -<br />
gefahr o<strong>de</strong>r auch die Paar-Verpflichtung zentrale Regulative für das sexuelle Verhalten, so ist<br />
es heute für einen best<strong>im</strong>mten Personenkreis das individuelle Bedürfnis. Sexuelle Treue er-<br />
scheint als ein Wert, <strong>de</strong>r sowohl mit Individualismus wie auch mit Selbstverwirklichung in-<br />
kompatibel ist. Einige Paare praktizieren <strong>de</strong>mentsprechend eine Partnerschaft, in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
48 Im weitesten Sinne erinnern diese Figurationen persönlicher Beziehungen an das Konzept <strong>de</strong>r 'Open Marria-<br />
ge' (vgl. O'Neill/O'Neill 1972).<br />
49 Die Beson<strong>de</strong>rheit dieser promiskuitiven Verhaltensformen wird vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>von</strong> solchen monogamen<br />
Orientierungen <strong>de</strong>utlich, wo schon <strong>de</strong>r Blick zu einem an<strong>de</strong>ren Sexualpartner aus einem 'Beziehungszwang'<br />
<strong>und</strong> nicht aus einem 'Beziehungsbedürfnis' heraus tabu ist: In diesen 'zwanghaften' Beziehungen bleiben<br />
solche Wünsche in <strong>de</strong>r 'wirklichen Welt' verboten <strong>und</strong> auf die 'Phantasie-Welt' <strong>de</strong>s Einzelnen beschränkt.<br />
Bei<strong>de</strong> Partner leben in solchen Fällen <strong>von</strong> <strong>de</strong>r gegenseitig bekräftigten Vorstellung, dass ihnen ihr praktiziertes<br />
Sexualleben gefällt. Der "nomische Apparat" (Berger/Kellner 1965, S. 221) dieser Beziehungen lässt die<br />
Realisierung darüber hinausgehen<strong>de</strong>r sexueller Wünsche nicht zu, weil sie nicht in die gemeinsam konstruierte<br />
Wirklichkeit passen. Die Personen bleiben in diesen Fällen letztendlich 'int<strong>im</strong>ate strangers' (vgl. Rubin<br />
1983), <strong>de</strong>nen die tatsächlichen Bedürfnisse <strong>de</strong>s Gegenübers fremd sind. Die Gemeinsamkeiten dieser Paare<br />
basieren zu einem beträchtlichen Teil auf Verstehensunterstellungen <strong>und</strong> fiktiven Verständnissen (vgl. Hahn<br />
1989).<br />
50 Vgl. Dischner (1979); Luhmann (1982); Tyrell (1987)<br />
51 Vgl. Beck/Beck-Gernshe<strong>im</strong> (1990); Heitmeyer/Olk (1990); Winter/Eckert (1990)<br />
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