11.11.2012 Aufrufe

Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lantismus praktiziert. Ja, so war mein Einstieg in die Szene. (...) Also dazu muss<br />

ich sagen, was bei manchen <strong>de</strong>r Fall ist, dass sie irgendwie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Eltern geschlagen<br />

wor<strong>de</strong>n sind o<strong>de</strong>r so, war bei mir nie <strong>de</strong>r Fall. Ich bin absolut ohne<br />

Schläge erzogen wor<strong>de</strong>n. Das ist nicht <strong>de</strong>r Einstieg gewesen. So was wird ja oft<br />

angenommen (25 Jahre, M, schwul).<br />

Diese Zugangsmuster verweisen am ehesten auf best<strong>im</strong>mte entwicklungspsychologische Ur-<br />

sachen resp. Störungen für die Entstehung sadomasochistischer Neigungen. So ließe sich bei-<br />

spielsweise ‚Renas’ Masochismus als Konsequenz <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen in Kindheit <strong>und</strong><br />

Jugend mit <strong>de</strong>m autoritären Vater begreifen. Im Fall <strong>von</strong> ‚Manfred’ zeigt sich hingegen das<br />

Gegenteil. Er ist offenbar ohne ‚exzessive’ Zwangsmetho<strong>de</strong>n erzogen wor<strong>de</strong>n. Auffallend an<br />

<strong>de</strong>n Interviewausschnitten ist <strong>de</strong>s Weiteren, dass sich bei <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>von</strong> fetischistischen<br />

Interessen ein<strong>de</strong>utiger best<strong>im</strong>mte ‚Schlüsselszenen’ feststellen lassen. So zeigt das Beispiel<br />

‚Joseph’, dass neben <strong>de</strong>r SM-Neigung auch vermutlich eine ‚Prägung’ auf best<strong>im</strong>mte Formen<br />

<strong>de</strong>s Schuhfetischismus stattgef<strong>und</strong>en hat. Explizit wird ein ähnlicher Zusammenhang <strong>von</strong> ei-<br />

nem weiteren Interviewpartner herausgestellt: Das sind dann so Krankenhaus-<br />

Schlüsselszenen. Das ist noch in <strong>de</strong>n fünfziger Jahren gewesen. Ich glaube, da war ich sechs,<br />

als ich wegen einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus musste. Da wur<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>m Arzt<br />

noch auf <strong>de</strong>n Schoß gesetzt. Der hatte eine Gummischürze <strong>und</strong> man kriegte noch eine Maske<br />

auf <strong>de</strong>n Kopf, wo Äther drauf geträufelt wur<strong>de</strong>. Ich wür<strong>de</strong> behaupten, dass da was passiert ist,<br />

dass da was kanalisiert wur<strong>de</strong>. Dann trat das wie<strong>de</strong>r mit dreizehn Jahren auf. Seit<strong>de</strong>m ist das<br />

bei mir so mit diesen fetischistischen, ich habe Tick gesagt, aber es sind Neigungen, Veranla-<br />

gungen. Diese Bef<strong>und</strong>e verweisen auf best<strong>im</strong>mte Erklärungsansätze. So wird <strong>im</strong> Rahmen <strong>von</strong><br />

Lerntheorien „gewöhnlich irgen<strong>de</strong>ine Form <strong>de</strong>s klassischen Konditionierens in <strong>de</strong>r sozio-<br />

sexuellen Lerngeschichte [angenommen]. So kann zum Beispiel ein Junge während seiner<br />

ersten sexuellen Erfahrungen vor Bil<strong>de</strong>rn <strong>von</strong> Frauen, die in schwarzes Le<strong>de</strong>r geklei<strong>de</strong>t sind,<br />

masturbieren“ (vgl. Davison 1979, S. 287). An<strong>de</strong>re Autoren (z.B. Winnicott 1969) vermuten<br />

eine best<strong>im</strong>mte Urszene, in <strong>de</strong>r eine Fixierung auf einen fetischistischen Gegenstand erfolgt,<br />

etwa die Gummiunterlage <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rbettes o<strong>de</strong>r best<strong>im</strong>mte Erfahrungen <strong>im</strong> Krankenhaus.<br />

Bei <strong>de</strong>m zweiten Typ liegen <strong>de</strong>r biographischen Strukturierung explizite Theorien zugr<strong>und</strong>e,<br />

die mehr o<strong>de</strong>r weniger eigenwillig auf die individuelle Situation übertragen wer<strong>de</strong>n. In diesen<br />

Fällen überlagert <strong>de</strong>r Erklärungsversuch die tatsächlich erlebten Ereignisse. Die Kindheit wird<br />

nicht anhand <strong>von</strong> biographischen Fakten, son<strong>de</strong>rn beispielsweise als ‚Hospitalismusschock’<br />

o<strong>de</strong>r ‚repressive Erziehungsmetho<strong>de</strong>’ rekonstruiert. Dementsprechend erfährt <strong>de</strong>r Leser o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Forscher nur wenig über die Lebensgeschichte an sich <strong>und</strong> wird statt<strong>de</strong>ssen mit einer theo-<br />

retisch abstrahierten Fassung <strong>de</strong>r Lebensgeschichte konfrontiert. Viele <strong>de</strong>r <strong>von</strong> uns befragten<br />

Personen erwähnten in Vorgesprächen o<strong>de</strong>r Interviews, dass sie wissenschaftliche Theorien,<br />

die sich mit <strong>de</strong>r Genese <strong>de</strong>s Sadomasochismus beschäftigen, auch selbstexplorativ anwen<strong>de</strong>n,<br />

72

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!