Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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Rena: Der rote Fa<strong>de</strong>n dabei ist mein Vater. Er war eine sehr, sehr dominante Person,<br />
die mich wirklich unterdrückt hat. Konsequent <strong>und</strong> sehr brutal. Meine Erziehung<br />
basierte überwiegend auf Brachialgewalt. Das Ganze unterlag einer stringent<br />
katholischen Erziehung. Wirklich nach <strong>de</strong>m Motto, ‚Du darfst keine an<strong>de</strong>ren Götter<br />
haben außer mir’. Die Schizophrenie in dieser Erziehung war, dass er mir auf<br />
<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite, wenn alles so lief, wie er es wollte, ein ungeheures Selbstvertrauen<br />
vermittelt hat. Die Ten<strong>de</strong>nz war, ‚Lass’ dir <strong>von</strong> nieman<strong>de</strong>n etwas gefallen.<br />
Und wenn irgendjemand was <strong>von</strong> dir will, überlege gut, ob es o.k. ist o<strong>de</strong>r nicht;<br />
<strong>und</strong> wenn du <strong>de</strong>r Meinung bist, dass du keinen Fehler gemacht hast, dann wehre<br />
dich’. Ich kriegte ungeheuere Rückenstärkung dadurch. Nur wenn es dann gegen<br />
Daddy ging, <strong>und</strong> das ging irgendwann als ich zehn, elf wur<strong>de</strong>, so los, wur<strong>de</strong>n die<br />
Praktiken, die er Erziehung nannte, sehr kr<strong>im</strong>inell. Im Nachhinein betrachtet waren<br />
es klar sadistische Muster. Er hat mich fünf St<strong>und</strong>en auf Erbsen liegen lassen,<br />
mich in seinen Hobbykeller genommen <strong>und</strong> mir gedroht, die Hand abzuhacken,<br />
weil ich auf <strong>de</strong>m Vorplatz <strong>de</strong>r Kirche zehn Pfennig gef<strong>und</strong>en hatte <strong>und</strong> mir einen<br />
Kaugummi kaufte. Ich <strong>de</strong>nke, dass da eine Prägung stattgef<strong>und</strong>en hat. Ich habe<br />
meinen Vater gehasst <strong>und</strong> ich habe ihn geliebt, bei<strong>de</strong>s gleichzeitig. (...) Ich bin<br />
dann aber mit 16 <strong>von</strong> zuhause abgehauen. (...) Der letzte Schritt dazu, <strong>de</strong>n ich<br />
wirklich sehr bewusst erlebt habe, war dieses Einsteigen in das, was ich als meinen<br />
persönlichen Masochismus <strong>de</strong>finiert habe. (...) Ich habe mir <strong>im</strong>mer Männer<br />
gesucht, die irgendwo in einer Richtung <strong>de</strong>m Bild meines Vaters entsprachen. (...)<br />
Die ersten Versuche, meinen Vater für mich erneut in mein Leben zu holen, waren<br />
wohl diese Beziehungen. Dann bin ich umgeschlagen in das krasse Gegenteil. Ich<br />
habe mich eingelassen auf jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r wirklich sehr sanft <strong>und</strong> sehr verständnisvoll<br />
war, <strong>und</strong> das war es auch nicht. Da habe ich mich zum ersten Mal gefragt,<br />
‚Warum fragt er mich, ob wir bumsen sollen, warum macht er es nicht einfach?’<br />
(40 Jahre, M, heterosexuell).<br />
Joseph: Die Geschichte stellt sich so dar: Ich bin 1936 geboren <strong>und</strong> <strong>im</strong> Alter <strong>von</strong><br />
neun Jahren war <strong>de</strong>r Krieg aus. Wir hatten eine Sechs-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung. Mein<br />
Vater war noch in Gefangenschaft. Ich war das einzige Kind <strong>und</strong> lebte mit meiner<br />
Mutter in dieser Sechs-Z<strong>im</strong>mer-Wohnung. Also die Kindheit war ja abgebrochen<br />
durch diese Kriegssituation. Und da war man etwas reifer als vielleicht so ein<br />
Neunjähriger <strong>im</strong> Allgemeinen. Ich kam mir je<strong>de</strong>nfalls so vor. Und dann Einzelkind,<br />
das spielt ja auch eine Rolle. Immer eigenes Z<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> alles. Dann, mit<br />
einem Mal, hat mir meine Mutter eröffnet ‚Wir müssen hier ein bisschen enger<br />
zusammenrücken, hier wer<strong>de</strong>n Damen zu uns kommen, <strong>und</strong> du wirst auch nicht<br />
mehr <strong>de</strong>in eigenes Z<strong>im</strong>mer haben, du bist nach Möglichkeit bei mir in <strong>de</strong>r Küche.’<br />
(...) Und dann hat meine Mutter zu mir gesagt ‚Hier kommen also mehrere Soldaten,<br />
die sind befre<strong>und</strong>et mit <strong>de</strong>n Damen, die wir hier haben’. Um es kurz zu machen:<br />
Die Wohnung wur<strong>de</strong> unten als Bor<strong>de</strong>ll angeschlagen. Und dann bin ich also<br />
praktisch da hineingewachsen, das heißt also, die [Name], die war meine Liebste,<br />
<strong>und</strong> die hat mich sehr viel in ihr Z<strong>im</strong>mer mitgenommen. Ich habe also <strong>de</strong>n ganzen<br />
Tag alles mitbekommen (...). Und die [Name], die hat mich eben, wenn man so<br />
will, in <strong>de</strong>r Zeit zur Brust genommen <strong>und</strong> hat mich eingeweiht in alles, was überhaupt<br />
einzuweihen war. Wenn Besuch da war, wur<strong>de</strong> ich unter das Bett geschoben.<br />
Dann habe ich also praktisch die ganze Sache miterlebt, wie sie sich da abgespielt<br />
hat. Ich habe also manchmal st<strong>und</strong>enlang weiter nichts zu Gesicht bekommen<br />
als Beine, Schuhe, Strümpfe <strong>und</strong> alles, was sich da noch abgespielt hat. Ich<br />
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