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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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zusammen. Krafft-Ebing zufolge stellen Sadismus <strong>und</strong> Masochismus zwei Formen sexueller<br />

Perversionen dar, die insbeson<strong>de</strong>re durch violente Elemente gekennzeichnet sind.<br />

Den Begriff <strong>de</strong>s Sadismus verwen<strong>de</strong>t Krafft-Ebing in Anlehnung an das Werk <strong>de</strong>s Marquis <strong>de</strong><br />

Sa<strong>de</strong> (1740-1814), in <strong>de</strong>ssen Romanen ‘Wollust’ <strong>und</strong> ‘Grausamkeit’ zentrale Topoi bil<strong>de</strong>n<br />

(vgl. Kap. III. 1.4.1). Als Sadismus <strong>de</strong>finiert Krafft-Ebing (1886/1984, S. 69) „die Empfin-<br />

dung <strong>von</strong> sexuellen Lustgefühlen bis zum Orgasmus be<strong>im</strong> Sehen <strong>und</strong> Erfahren <strong>von</strong> Züchti-<br />

gungen u.a. Grausamkeiten, verübt an einem Mitmenschen o<strong>de</strong>r selbst an einem Tier, sowie<br />

<strong>de</strong>r eigene Drang, um <strong>de</strong>r Hervorrufung solcher Gefühle willen an<strong>de</strong>ren lebendigen Wesen<br />

Demütigung, Leid, ja selbst Schmerz <strong>und</strong> W<strong>und</strong>en wi<strong>de</strong>rfahren zu lassen (...).“ Auch <strong>de</strong>n<br />

Begriff <strong>de</strong>s Masochismus leitet Krafft-Ebing (ebd., S. 104) aus literarischen Vorlagen ab -<br />

nämlich <strong>de</strong>m Werk <strong>von</strong> Leopold v. Sacher-Masoch 33 - <strong>und</strong> verwen<strong>de</strong>t ihn wie folgt: „Unter<br />

Masochismus verstehe ich eine eigentümliche Perversion <strong>de</strong>r psychischen Vita sexualis, wel-<br />

che darin besteht, dass das <strong>von</strong> <strong>de</strong>rselben ergriffene Individuum in seinem geschlechtlichen<br />

Fühlen <strong>und</strong> Denken <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Vorstellung beherrscht wird, <strong>de</strong>m Willen einer Person <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>-<br />

ren Geschlechtes vollkommen <strong>und</strong> unbedingt unterworfen zu sein, <strong>von</strong> dieser Person herrisch<br />

behan<strong>de</strong>lt, ge<strong>de</strong>mütigt <strong>und</strong> selbst mißhan<strong>de</strong>lt zu wer<strong>de</strong>n.“ Masochismus ist also das Pendant<br />

zum Sadismus. Während <strong>de</strong>r Sadist darauf ausgerichtet ist, Schmerzen zuzufügen, kommt es<br />

<strong>de</strong>m Masochisten darauf an, sich <strong>de</strong>r Gewalt unterworfen zu fühlen.<br />

Ganz zentral bei <strong>de</strong>r frühen Sexualforschung - wie auch später bei <strong>de</strong>r Psychoanalyse - ist die<br />

Annahme, dass es zwischen <strong>de</strong>n Geschlechtern be<strong>de</strong>utsame Unterschie<strong>de</strong> <strong>im</strong> sexuellen Habi-<br />

tus gibt. Der Mann - so eine Schlüsselthese - nehme naturgemäß eine aktive, die Frau hinge-<br />

gen eine passive Rolle ein. Dies zeigt sich <strong>im</strong> ‘normalen’ sexuellen Verhalten, insbeson<strong>de</strong>re<br />

aber be<strong>im</strong> Phänomen <strong>de</strong>s Sadomasochismus. Diese geschlechtsspezifischen Differenzen wer-<br />

<strong>de</strong>n hier zum zentralen Erklärungsprinzip für die Richtung (sadistisch/masochistisch) <strong>de</strong>r sa-<br />

domasochistischen Perversion (vgl. Kap. III.1.9.1)<br />

Im Folgen<strong>de</strong>n soll nun gezeigt wer<strong>de</strong>n, wie sich in <strong>de</strong>n sexualwissenschaftlichen Diskursen<br />

die Vorstellungen zum Phänomen <strong>de</strong>s Sadomasochismus geän<strong>de</strong>rt haben. Die Erklärungsver-<br />

suche <strong>de</strong>r frühen Sexualforscher <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Psychoanalyse wer<strong>de</strong>n neueren, soziologischen An-<br />

sätzen gegenübergestellt.<br />

33 Der Roman ‘Venus <strong>im</strong> Pelz’ thematisiert die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen einer dominanten<br />

Frau <strong>und</strong> einem masochistischen Mann, <strong>de</strong>r <strong>im</strong>mer mehr in <strong>de</strong>n Bann seiner Herrin gerät. Zur Schil<strong>de</strong>rung<br />

dieses Arrangements bedient sich Sacher-Masoch einer sehr zurückhalten<strong>de</strong>n <strong>und</strong> metaphorisch beschreiben<strong>de</strong>n<br />

Sprache; Stilmittel also, die weitab vom Metier <strong>de</strong>r heutigen Mainstream-Pornographie liegen. Die Be<strong>de</strong>utung<br />

dieses Romans ist mehr literarischer Natur; längst schon hat er seine pornographische Verruchtheit<br />

abgestreift <strong>und</strong> zählt zu <strong>de</strong>n literarischen Klassikern. Gleichwohl gilt er als Kultroman in <strong>de</strong>r SM-Szene.<br />

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